L 19 B 365/06 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 9546/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 365/06 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2006 aufgehoben. Dem Kläger wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt Arnd Jebbink beigeordnet.

Gründe:

In der Hauptsache geht es um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 15. Mai 2005 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - SGB II. Strittig ist insbesondere, ob für diese Zeit Vermögen anzurechnen ist.

Mit Beschluss vom 30. März 2006 hat das Sozialgericht Berlin die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Klage habe keine Aussicht auf Erfolg. Der Kläger sei im Zeitraum von Januar bis Mai 2005 nicht hilfebedürftig gewesen. Er habe den Lebensunterhalt aus seinem Vermögen sichern können. Entgegen der Ansicht des Klägers sei die Summe, die von der Nachzahlung der Agentur für Arbeit auf dem Girokonto des Klägers verblieben sei, verwertbares Vermögen. Die Verwertung stelle insbesondere auch keine besondere Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II dar. Eine Härte könne ange-nommen werden, wenn die Zahlung bei Anspruchsentstehung nicht als Einkommen zu berücksichtigen gewesen wäre. Dies sei bei Leistungen der Bundesagentur für Arbeit nicht der Fall. Ein willkürliches Vorenthalten der Zahlung durch die Bundesagentur für Arbeit sei nicht ersichtlich. Das auf dem Girokonto des Klägers zum 3. Januar 2005 befindliche Guthaben in Hö-he von 8.386,64 EUR sei deshalb verwertbar.

Es könne deshalb dahinstehen, ob die dem Kläger gehörende vermietete Eigentumswohnung zur Zeit verwertbar sei. Sie habe jedenfalls im Rahmen des Grundfreibetrages mit ihrem Verkehrswert berücksichtigt werden dürfen. Selbst wenn der Anschaffungswert der Wohnung - wie vom Kläger angegeben unter (gemeint wohl: über) dem Verkehrswert liege, seien hier die Mietforderungen einzubeziehen, auch wenn diese zur Zeit nicht oder nur durch geringe monatliche Raten zu realisieren seien.

Dass sich die Vermögenssituation des Klägers geändert habe, sei durch die Leistungsgewäh-rung ab Mai 2005 beachtet worden.

Gegen den dem Kläger am 7. April 2006 zugestellten Beschluss richtet sich seine am 5. Mai 2006 eingegangene Beschwerde. Zur Begründung trägt er vor, das Sozialgericht sei mit keinem Wort auf die wesentlichen Gründe des Klagebegehrens eingegangen. Die Bundesagentur für Arbeit habe das Arbeitslosengeld nämlich verspätet geleistet. Nur wegen dieser Verspätung sei Vermögen entstanden. Die verspätete Leistung in einer Summe, die einen vergangenen Leistungszeitraum betreffe, könne nicht auf zukünftige Leistungen angerechnet werden. Anderenfalls könne der Beklagte dadurch, dass er jeweils quartalsweise zahle, den Anspruch für die folgende Zeit aushebeln. Das könne nicht richtig sein.

Was das "Vermögen" im Übrigen angehe (Eigentumswohnung, Mietforderungen), so sei die Situation unverändert so, dass eine Verwertung der Immobilien augenblicklich wegen der Marktlage ausgeschlossen sei und die Mieteinnahmen für das Wohngeld verwendet werden müssten.

Die Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist begründet. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren nur möglichen summarischen Prüfung besteht für die Klage hinreichende Aussicht auf - teilweisen Erfolg. Dabei ist die Frage, wann eine Erfolgsaussicht hinreichend in diesem Sinne ist, im verfassungsrechtlichen Zusammenhang zu beurteilen. Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip, das in Art. 19 Abs. 4 GG seinen besonderen Ausdruck findet. Verfassungsrechtlich ist zwar nicht zu beanstanden, wenn die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht wird, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Dies bedeutet, dass Prozesskos-tenhilfe nur verweigert werden darf, wenn ein Erfolg in der Hauptsache entweder schlechthin ausgeschlossen oder die Erfolgschance nur eine entfernte ist (st. Rspr. des BVerfG, z. B. Beschluss vom 13. Juli 2005 1 BvR 175/05 ).

In diesem Sinne besteht hier eine Erfolgsaussicht, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass dem Kläger für den streitigen Bewilligungszeitraum oder einen Teil davon kein anrechenbares Vermögen mehr verbleibt.

Vermögen sind alle verwertbaren Vermögensgegenstände (§ 12 Abs. 1 SGB II), soweit sie nicht vom Vermögen abzusetzen (§ 12 Abs. 2 SGB II) oder nicht zu berücksichtigen (§ 12 Abs. 3 SGB II) sind. Bei dem Kläger sind, soweit ersichtlich, nach dieser Vorschrift drei Vermögensgegenstände zu bewerten: das Barguthaben (I), die vermietete Eigentumswohnung (II) und die Mietforderungen (III). Die Lebensversicherungen, die der Kläger zumindest in einem Teil der streitigen Zeit noch besaß, waren in voller Höhe an Banken abgetreten und deshalb nicht verwertbar. Von der Summe, die sich ergibt, sind die Freibeträge nach § 12 Abs. 2 SGB II abzusetzen (IV).

Nach summarischer Prüfung ergibt sich folgendes:

I. Das Barguthaben des Klägers betrug am 3. Januar 2006 8.386,64 EUR. Dieses ist als Vermögen zu berücksichtigen. Dabei spielt es keine Rolle, dass dieses Guthaben aus Leistungen resultiert, die für einen früheren Zeitraum zu erbringen waren. Ein aus einer Nachzahlung resultierendes Guthaben unterscheidet sich nach der gesetzlichen Regelung nicht von anderen Guthaben.

Der Einwand des Klägers, bei dieser Verfahrensweise könne ein Leistungserbringer die Bildung von Vermögen und damit den Leistungsausschluss mutwillig herbeiführen, dies könne insbesondere der Beklagte durch die quartalsweise Zahlung erreichen, entbehrt der Grundlage, denn der Beklagte ist während des Bewilligungszeitraums zu monatlicher Zahlung verpflichtet (§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Dieses Vermögen ist auch zu berücksichtigen. Wie das Sozialgericht richtig ausgeführt hat, liegt ein Fall des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II nicht vor. Es stellt keine besondere Härte dar, dass das aus der Nachzahlung resultierende Barguthaben wie anderes Barguthaben zu behandeln ist. Eine Härte könnte allenfalls darin liegen, dass bei rechtzeitiger Zahlung (und Verbrauch) der nachgezahlten Leistungen bereits ab Januar 2005 Leistungen vom Beklagten zugeflossen wä-ren. Dies stellt keine besondere Härte dar. Es handelt sich um die Härte, die notwendig mit dem Verweis auf die Verwertung eigenen Vermögens verbunden ist. Auch diejenigen, die ihr Vermögen freiwillig angespart haben, erhalten weniger Sozialleistungen, als diejenigen, die nichts zurückgelegt haben.

Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass die Nachzahlung im Oktober 2004 zugeflossen ist. Sie wurde nicht zur Erfüllung von Darlehensverpflichtungen aufgebraucht. Dies legt den Schluss nahe, dass der Kläger zur Bestreitung des Lebensunterhaltes Leistungen von Dritten erhalten hat oder dass er vorhandenes Vermögen verwertet hat, das durch die Nachzahlung nur auf den alten Stand gebracht worden ist. Unter diesen Umständen ist ein Nachteil des Klägers nicht ersichtlich.

II. Bei summarischer Prüfung ist nicht zu ermitteln, mit welchem Vermögenswert die Eigentumswohnung des Klägers anzusetzen ist. Zunächst ist fraglich, ob über die Vermietung hinaus im streitigen Bewilligungszeitraum eine Verwertungsmöglichkeit bestand. Der Betreuer hat vorgetragen, dass Versuche, die Wohnung zu verkaufen, fehlgeschlagen sind. Irgendwelche Nachweise für Verkaufsbemühungen sind zwar nicht vorgelegt worden, das Vorbringen erscheint aber nicht völlig unglaubhaft.

Soweit von Verwertbarkeit auszugehen ist, erscheint der angesetzte Wert zweifelhaft. Der Beklagte hat den Anschaffungswert berücksichtigt. Nach § 12 Abs. 4 SGB II ist jedoch der Verkehrswert zu berücksichtigen. Es ist bei der Entwicklung der Immobilienpreise in Berlin unwahrscheinlich, dass der Anschaffungswert der 1990 erworbenen vermieteten Eigentumswohnung noch dem Verkehrswert entspricht. Auch die Bearbeitungshinweise des Beklagten zu § 12 SGB II besagen, dass auf den Anschaffungspreis nur dann zurückgegriffen werden darf, wenn der Erwerb nicht länger als drei Jahre zurückliegt.

Allerdings hat der Beklagte zugunsten des Klägers von dem angenommenen Verkehrswert die die Wohnung betreffenden Schulden des Klägers abgesetzt. Diese Schulden waren aber zumindest im überwiegenden Zeitraum nicht dinglich gesichert. Erst mit Schreiben vom 14. April 2005 (Bl. 51 der Verwaltungsakten) kündigte die D Bank an, das Darlehen auf ein Hypothekendarlehen umstellen zu wollen. Schulden beeinflussen den Verkehrswert einer Im-mobilie aber nur dann, wenn sie dinglich gesichert sind.

Es erscheint danach vorliegend als völlig offen, ob die Eigentumswohnung verwertbar und ggf. welcher Wert anzunehmen ist.

III. Zum Vermögen gehört auch die Mietforderung gegen das Ehepaar G, die im Vermögensverzeichnis vom 14. April 2004 (Bl. 45 der Verwaltungsakten) mit 10.196,32 EUR beziffert ist. Dieses Vermögen verwertet der Kläger, indem er davon 100 EUR monatlich einzieht. Diese 100 EUR sind als Einkommen zu berücksichtigen, denn sie fließen im Bewilligungszeitraum zu. Ob darüber hinaus eine Verwertungsmöglichkeit besteht, etwa durch Erhöhung der monatlichen Zahlungen oder durch Forderungsverkauf, ist bisher nicht geprüft worden und im Rahmen eines Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch nicht feststellbar. Letztlich ist auch hier nicht ohne weiteres ersichtlich, dass zusätzliches verwertbares Vermögen vorliegt. IV. Damit ist im Rahmen des vorliegenden - summarischen Verfahren lediglich von dem Barguthaben als gesichertem Vermögen auszugehen. Davon sind der Grundfreibetrag und der An-schaffungsfreibetrag abzusetzen Der Kläger war bei Beginn des streitigen Bewilligungszeitraums Jahre alt, es stand ihm mithin ein Grundfreibetrag von 8.000 EUR zu, hinzu kam der Anschaffungsfreibetrag in Höhe von 750 EUR. Danach lag ein verwertbares Vermögen vor, das die Ablehnung der Leistung bis Mai jedenfalls nicht rechtfertigt.

Bei dieser Sachlage liegt eine die Bewilligung von Prozesskostenhilfe rechtfertigende hinreichende Erfolgsaussicht vor.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Rechtskraft
Aus
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