Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 40 AL 788/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 367/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 11a AL 131/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.09.2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger für die Zeit vom 01.10.1999 bis 21.11.1999 einen erneuten Anspruch auf Insolvenzgeld haben.
Die Kläger waren bei der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde durch Beschluss des Amtsgerichts M. - Insolvenzgericht - vom 01.08.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Arbeitsamt P. bewilligte beiden Klägern für die Zeit vom 01.05.1999 bis 31.07.1999 für den insolvenzbedingten Lohnausfall Insolvenzgeld. Der Insolvenzverwalter, Rechtsbeistand Dr.E. S. , führte den Betrieb mit einem Teil der Belegschaft - darunter die Kläger - mit dem Ziel der Sanierung fort. Die Kläger erhielten zunächst für den Zeitraum vom 01.08.1999 bis 30.09.1999 Arbeitsentgelt. Ab 01.10.1999 wurde dann kein Arbeitsentgelt mehr an die Kläger bezahlt. Der Insolvenzverwalter zeigte dem Insolvenzgericht am 29.11.1999 die Masseunzulänglichkeit an, nachdem die Gläubigerversammlung am 19.11.1999 die Zustimmung zur Aufnahme eines Massekostendarlehens in Höhe von DM 150.000,00 bei einer Bank sowie - ersatzweise - zu einem Masse- kostenzuschuss durch die Geschäftsführerin und Herrn J. H. nicht erteilt und der unverzüglichen Liquidation des schuldnerischen Unternehmens zugestimmt hatte. Letztere wurde nach einem kurzfristig von den Geschäftsführern erwirkten Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 24.11.1999 am 10.12.1999 fortgesetzt. Mit Schreiben vom 13.12.1999 kündigte der Insolvenzverwalter die Arbeitsverhältnisse der Kläger ordentlich zum 15.01.2000. Die Kläger beantragten daraufhin beim Arbeitsamt P. erneut Insolvenzgeld, und zwar für den Zeitraum 01.10.1999 bis 21.11.1999. Als Insolvenzereignis wurde in den Antragsformularen jeweils "Masseunzulänglichkeitsanzeige 22.11.1999" angegeben. Mit Bescheiden des Arbeitsamtes P. vom 13.03.2000 wurden diese Anträge mit der Begründung abgelehnt, bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter handele es sich nicht um ein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 SGB III. Diese Anzeige entfalte nicht die Wirkung eines neuen Insolvenzverfahrens, sondern stelle lediglich eine Maßnahme dar, die das Insolvenzverfahren vorzeitig beende. Die Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 08.05.2000 gegenüber dem Kläger zu 1) und vom 26.04.2000 gegenüber dem Kläger zu 2) als unbegründet zurück.
Dagegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben, das die beiden Streitsachen mit Beschluss vom 18.08.2003 zu gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Zur Begründung der Klage wurde vorgetragen: Aufgrund der angezeigten Masseunzulänglichkeit kämen die Regeln der "Insolvenz in der Insolvenz" zum Tragen mit der Konsequenz, dass den Klägern erneut Insolvenzgeldansprüche erwachsen seien. Die Kläger dürften als Arbeitnehmer bei einem Insolvenzverwalter nicht schlechter gestellt werden als Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber, der nicht Insolvenzverwalter sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.09.2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass maßgebliches Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.08.1999 gewesen sei. Die damit festgestellte Zahlungsunfähigkeit der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH sei in der Folge nicht beseitigt worden, so dass während der Dauer des Insolvenzverfahrens kein neues, anspruchsbegründendes Insolvenzereignis habe eintreten können. Die Rechtsfigur der "Insolvenz in der Insolvenz" sei dem Arbeitsförderungsrecht fremd.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung lässt der Kläger zu 1) vortragen: Die Zahlungsfähigkeit sei ab 01.08.1999 wiederhergestellt gewesen und habe bis 29.11.1999 angedauert. Durch die kurzfristige Aussetzung der Liquidation und Fortführung des Betriebes zwischen dem 24.11.1999 und dem 10.12.1999 seien der Masse Mittel entzogen worden, mit denen die Forderungen der Kläger hätten befriedigt werden können. Die Beklagte habe dem Vorschub geleistet, insoweit als sie sich in der ursprünglichen Gläubigerversammlung gegen eine Liquidation gewandt habe. Auf diese Weise sei es überhaupt erst zur Masseunzulänglichkeitsanzeige, nämlich der "Insolvenz in der Insolvenz" mit dem entsprechenden minderen Status der Kläger gekommen. Es könne nicht sein, dass das ausgefallene Entgelt der KLäger nicht durch Insolvenzgeld ersetzt werde. Mit der Masseunzulänglichkeitsanzeige von fortgeführten Unternehmen durch den Insolvenzverwalter trete die Insolvenz in der Insolvenz mit der Folge ein, dass die Beklagte in der Insolvenz ausgefallene Arbeitsentgelte zu erstatten habe. Der Kläger zu 2) hat sich den Ausführungen des Klägers zu 1) vollinhaltlich angeschlossen.
Der Kläger zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.09.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.10.1999 bis 21.11.1999 zu zahlen.
Der Kläger zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.09.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.10.1999 bis 21.11.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt: Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für den beantragten Zeitraum, da die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Die "Insolvenz in der Insolvenz" zähle nicht zu den Insolvenzereignissen, die den Anspruch auf Insolvenzgeld auslösen können. Auch könne von einer wiedereingetretenen Zahlungsfähigkeit vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.1999 bis zur Gläubigerversammlung vom 19.11.1999 nicht die Rede sein. Auf die anders lautende Prognose des Insolvenz- verwalters komme es nicht an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München sowie auf die Akten des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis 21.11.1999.
Das Sozialgericht hat zutreffend die erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklagen abgewiesen. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter gem. § 208 Insolvenzordnung (InsO) ist kein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs.1 SGB III, das Insolvenzgeldansprüche der Kläger hinsichtlich der rückständigen Arbeitsentgeltansprüche begründen kann, die im Rahmen der Fortführung des zur Insolvenzmasse gehörenden Unternehmens durch den Insolvenzverwalter entstanden sind.
Nach § 183 Abs.1 Satz 1 SGB III hat ein Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insolvenzgeld. Das Gesetz nennt drei Insolvenzereignisse, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründen und damit den Versicherungsfall auslösen können: die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (§ 183 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB III), die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 183 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB III) und die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insol- venzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 183 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB III).
Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO unterfällt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift keinem der drei genannten Insolvenzereignisse. Andere als die im Gesetz genannten Insolvenzereignisse können den Anspruch nicht herbeiführen. Die Aufzählung der Ereignisse ist abschließend (Niesel, SGB III, § 183, RdNr.16, 32). Damit steht die Sperrwirkung, die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH durch Beschluss des Insolvenzgerichts am 01.08.1999 ausgelöst hat, den geltend gemachten Insolvenzgeldansprüchen der Kläger auf jeden Fall entgegen. Maßgebliches Insolvenzereignis ist nämlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH, aufgrunddessen die Kläger bereits Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.05.1999 bis 31.07.1999 erhalten haben. Bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse (selbst wenn einmal ein solcher Fall gegeben sein sollte) ist nämlich das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch allein maßgeblich. Es besteht kein Rangverhältnis der Insolvenzereignisse untereinander. Die Insolvenztatbestände stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.1 und SozR 3-4100 § 141b Nr.3). Solange ein bestimmtes Insolvenzvereignis andauert, kann deshalb kein anderes eintreten, das den Anspruch auf Insolvenzgeld auslöst. Dadurch soll ein Missbrauch der Versicherung vermieden werden. Außerdem wird so dem Umstand Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer, der bei einem insolventen Arbeitgeber in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit seine Arbeit fortsetzt, nicht als schutzwürdig gilt (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.27). Deshalb begründen spätere Insolvenzereignisse bei dem gleichen Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Konkursausfallgeld, dass ein neues Insolvenzereignis im Sinne des früheren § 141b Abs.1 und 3 Arbeitsförderungsgesetz nicht eintritt und folglich auch keine Ansprüche auf Konkursausfallgeld ausgelöst werden können, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit andauert (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.6, 37, 43 und 46, SozR 3-4100 § 141e Nr.3). Zahlungsunfähigkeit liegt solange vor, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist und andauernd aufhört, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt.
Neue Ansprüche auf Konkursausfallgeld, etwa wegen Betriebsein- stellung, entstehen nach Eröffnung eines Konkursverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange der Konkursver- walter das Unternehmen fortführt sowie, ob er Arbeitsverhält- nisse begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen,nach bisherigem Recht schon wegen der tatbestandsmäßigen Exklusivität der Insolvenztatbestände nicht (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.46, S.171 oben). Dieser Rechtsprechung folgt die Literatur auch zum Insolvenzgeld (Estelmann in Hennig, SGB III, § 183 RdNr.42; Schmidt in Wissing, SGB III, § 183 RdNr.30; Niesel, SGB III, § 183 RdNr.34). An dieser Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht auch in seiner Entscheidung vom 21. November 2002 zum Insolvenzgeld festgehalten, in der es allein dem Umstand, dass das Insolvenzgericht nach Bestätigung eines Insolvenzplans das Insolvenzverfahren aufgehoben hat (§ 258 InsO), keine wiedererlangte Zahlungsfähigkeit des Schuldners entnommen hat (BSG, SozR 3-4300 § 183 Nr.3).
Die Übertragung der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätze auf die Anspruchssituation der Kläger führt dazu, dass allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts M. am 01.08.1999 maßgebliches Insolvenzereignis war und daher in der Folgezeit erneute Ansprüche auf Insolvenzgeld nicht aufgrund der Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter und die spätere Masseunzulänglichkeitsanzeige gem. § 208 InsO entstehen konnten. Daran vermag auch die Rechtsfigur der "Insolvenz in der Insolvenz" nichts zu ändern. Die Vorschrift des § 208 InsO regelt die Situation, die nach früherem Recht der "Konkurs im Konkurs" (§ 60 KO) genannt wurde und die man heute als Insolvenz in der Insolvenz bezeichnen würde (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 208 RdNr.1). Sie dient dem Zweck, das Insolvenzverfahren zügig zu Ende zu bringen und den Erlös aus der Restverwertung dazu zu verwenden, die Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe des Verteilungsschlüssels des § 209 InsO zu verteilen (§ 211 InsO). Es ist zwar richtig, dass wesentliches Ziel des Gesetzgebers bei der Reformierung des Insolvenzrechts die Stärkung der Möglichkeiten der Sanierung eines Unternehmens gegenüber der Liquidation und damit der Zerschlagung von Unternehmenswerten war (vgl. Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 RdNr.28), wenngleich die Sanierung kein vorrangiges Verfahrensziel der Insolvenzordnung darstellt (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 1 RdNr.1). Es mag auch sein, dass der mangelnde Schutz der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und aufgrund der Betriebsfortführung mit dem Ziel der Unternehmenssanierung entstandenen Arbeitsentgeltansprüche durch das Insolvenzgeld sich für Sanierungsbestrebungen nachteilig auswirken könnte, wie die Berufung vorträgt, gerade wenn die Fortführung des Betriebs von der Weiterarbeit erfahrener Arbeitnehmer im Betrieb abhängt, und die Arbeitnehmer allein auf den Schutz ihrer Arbeitsentgeltansprüche als sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO verwiesen werden.
Zu Recht hat das Sozialgericht jedoch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht die Ziele der Insolvenzordnung verfolgt, sondern lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers begründet. Diese vom Bundessozialgericht zum Konkursausfallgeld vertretene Auffassung (BSG SozR 4100 § 141b Nr.46) hat das Bundessozialgericht auch in seiner Entscheidung zum Insolvenzgeld vom 21. November 2002 be- stätigt (BSG SozR 3-4003 § 183 Nr.3).
Das Bundessozialgericht hat sogar für den Fall, dass über das Vermögen des Konkursverwalters selbst das Konkursverfahren er- öffnet wird, kein Insolvenzereignis im Sinne des § 141b AFG an- genommen, da der Konkursverwalter zwar im eigenen Namen, jedoch nur für und gegen die Masse handele. Auch wenn der Konkursver- walter unter bestimmten Umständen persönlich hafte, ändere dies nichts daran, dass er bei Fortführung des Betriebes nicht per- sönlich, sondern nur in seiner Funktion als Konkursverwalter und damit nur als Repräsentant der Masse zum Arbeitgeber und Lohnschuldner werde (BSG NZA 1990, 118-119). Auch nach Neuordnung des Insolvenzrechts gilt nichts anderes. Unbeschadet des Theorienstreits über die rechtliche Stellung des Insolvenzverwalters als Arbeitgeber ist allgemein anerkannt, dass der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberposition des Schuldners eintritt (§ 80 InsO; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 80 RdNr.63) und damit nicht zum neuen Arbeitgeber wird (Wissing/Mutschler/ Bartz/Schmidt-DeCaluwe SGB III, § 183 Rdnr. 31).
Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter gem. § 208 InsO ist daher kein neues Insolvenzereignis, das Insolvenzgeldansprüche der Kläger hinsichtlich der rückständigen Arbeitsentgeltansprüche begründen kann, die im Rahmen der Fortführung des zur Insolvenzmasse gehörenden Unternehmens durch den Insolvenzverwalter entstanden sind. Aus diesem Grund kam es im Fall der Kläger letztlich ohnehin nicht darauf an, dass nach dem in der Rechtsprechung vertretenen Begriff die Zahlungsfähigkeit der H. GmbH nicht etwa durch die im Rahmen des Insolvenzverfahrens erwirkten kurzfristigen Stundungen wiederhergestellt worden ist. Entsprechende Ermittlungen des Senats waren somit nicht erforderlich. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, welche Gründe letztlich zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter geführt haben. Auch diesbezüglich waren keine Ermittlungen des Senats veranlasst.
Entgegen der Auffassung der Berufung verstößt die Versagung der erneuten Insolvenzgeldbewilligung nicht gegen den Gleichheitssatz. Denn dem Gesetzgeber steht, auch im Lichte des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Gleichheitssatzes und des sich daraus ergebenden Willkürverbots, bei der Regelung der zu ordnenden Lebenssachverhalte eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu, die bei der Normierung von Ansprüchen gegenüber der gewährenden Verwaltung größer ist als bei der Regelung staatlicher Eingriffe (vgl. z. B. BVerfGE 49, 280, 283; 61, 138, 147; 78, 104, 121). Gerade auf dem Gebiet des Sozialrechts sind die Grenzen der dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsfreiheit besonders weit zu ziehen (vgl. z. B. BVerfGE 77, 84, 106; 81, 156, 205 f.). Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber nicht überschritten, indem er den Anspruch auf Insolvenzgeld von dem Eintritt eines der in § 183 Abs. 1 SGB III festgelegten Insolvenzereignisse abhängig gemacht hat. Es kann niemand allein daraus, dass einer Gruppe aus besonderem Anlass besondere Vergünstigungen zugestanden werden, für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, genau dieselben Vorteile in Anspruch nehmen zu dürfen (BVerfGE 49, 192-212). Im Gegenteil, die wiederholte Zuerkennung von Insolvenzgeld würde den Klägern einen Sondervorteil verschaffen, der anderen Arbeitnehmern nicht zusteht. Nach der Regelung in § 183 Abs. 2 SGB III hat nämlich selbst der Arbeitnehmer, der in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weiterarbeitet, keinen erweiterten oder zusätzlichen Anspruch auf Insolvenzgeld, sondern sein Insolvenzgeldanspruch verschiebt sich lediglich auf die letzten, dem Tag der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate.
Die Voraussetzungen des § 183 Abs.2 SGB III liegen nicht vor, da die Kläger nicht in Unkenntnis des Insolvenzereignisses vom 01.08.1999 - der Eröffnung des Insolvenzverfahrens - weitergearbeitet haben.
Die Berufung der Kläger war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Das Urteil wirft keine entscheidungserhebliche, höchstrichterlich bisher nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, weicht nicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht hierauf.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Kläger für die Zeit vom 01.10.1999 bis 21.11.1999 einen erneuten Anspruch auf Insolvenzgeld haben.
Die Kläger waren bei der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH beschäftigt. Über das Vermögen dieser Firma wurde durch Beschluss des Amtsgerichts M. - Insolvenzgericht - vom 01.08.1999 das Insolvenzverfahren eröffnet. Das Arbeitsamt P. bewilligte beiden Klägern für die Zeit vom 01.05.1999 bis 31.07.1999 für den insolvenzbedingten Lohnausfall Insolvenzgeld. Der Insolvenzverwalter, Rechtsbeistand Dr.E. S. , führte den Betrieb mit einem Teil der Belegschaft - darunter die Kläger - mit dem Ziel der Sanierung fort. Die Kläger erhielten zunächst für den Zeitraum vom 01.08.1999 bis 30.09.1999 Arbeitsentgelt. Ab 01.10.1999 wurde dann kein Arbeitsentgelt mehr an die Kläger bezahlt. Der Insolvenzverwalter zeigte dem Insolvenzgericht am 29.11.1999 die Masseunzulänglichkeit an, nachdem die Gläubigerversammlung am 19.11.1999 die Zustimmung zur Aufnahme eines Massekostendarlehens in Höhe von DM 150.000,00 bei einer Bank sowie - ersatzweise - zu einem Masse- kostenzuschuss durch die Geschäftsführerin und Herrn J. H. nicht erteilt und der unverzüglichen Liquidation des schuldnerischen Unternehmens zugestimmt hatte. Letztere wurde nach einem kurzfristig von den Geschäftsführern erwirkten Aussetzungsbeschluss des Amtsgerichts M. vom 24.11.1999 am 10.12.1999 fortgesetzt. Mit Schreiben vom 13.12.1999 kündigte der Insolvenzverwalter die Arbeitsverhältnisse der Kläger ordentlich zum 15.01.2000. Die Kläger beantragten daraufhin beim Arbeitsamt P. erneut Insolvenzgeld, und zwar für den Zeitraum 01.10.1999 bis 21.11.1999. Als Insolvenzereignis wurde in den Antragsformularen jeweils "Masseunzulänglichkeitsanzeige 22.11.1999" angegeben. Mit Bescheiden des Arbeitsamtes P. vom 13.03.2000 wurden diese Anträge mit der Begründung abgelehnt, bei der Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter handele es sich nicht um ein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 SGB III. Diese Anzeige entfalte nicht die Wirkung eines neuen Insolvenzverfahrens, sondern stelle lediglich eine Maßnahme dar, die das Insolvenzverfahren vorzeitig beende. Die Widersprüche der Kläger wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 08.05.2000 gegenüber dem Kläger zu 1) und vom 26.04.2000 gegenüber dem Kläger zu 2) als unbegründet zurück.
Dagegen haben die Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben, das die beiden Streitsachen mit Beschluss vom 18.08.2003 zu gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Zur Begründung der Klage wurde vorgetragen: Aufgrund der angezeigten Masseunzulänglichkeit kämen die Regeln der "Insolvenz in der Insolvenz" zum Tragen mit der Konsequenz, dass den Klägern erneut Insolvenzgeldansprüche erwachsen seien. Die Kläger dürften als Arbeitnehmer bei einem Insolvenzverwalter nicht schlechter gestellt werden als Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber, der nicht Insolvenzverwalter sei.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.09.2003 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass maßgebliches Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 01.08.1999 gewesen sei. Die damit festgestellte Zahlungsunfähigkeit der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH sei in der Folge nicht beseitigt worden, so dass während der Dauer des Insolvenzverfahrens kein neues, anspruchsbegründendes Insolvenzereignis habe eintreten können. Die Rechtsfigur der "Insolvenz in der Insolvenz" sei dem Arbeitsförderungsrecht fremd.
Gegen dieses Urteil haben die Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung lässt der Kläger zu 1) vortragen: Die Zahlungsfähigkeit sei ab 01.08.1999 wiederhergestellt gewesen und habe bis 29.11.1999 angedauert. Durch die kurzfristige Aussetzung der Liquidation und Fortführung des Betriebes zwischen dem 24.11.1999 und dem 10.12.1999 seien der Masse Mittel entzogen worden, mit denen die Forderungen der Kläger hätten befriedigt werden können. Die Beklagte habe dem Vorschub geleistet, insoweit als sie sich in der ursprünglichen Gläubigerversammlung gegen eine Liquidation gewandt habe. Auf diese Weise sei es überhaupt erst zur Masseunzulänglichkeitsanzeige, nämlich der "Insolvenz in der Insolvenz" mit dem entsprechenden minderen Status der Kläger gekommen. Es könne nicht sein, dass das ausgefallene Entgelt der KLäger nicht durch Insolvenzgeld ersetzt werde. Mit der Masseunzulänglichkeitsanzeige von fortgeführten Unternehmen durch den Insolvenzverwalter trete die Insolvenz in der Insolvenz mit der Folge ein, dass die Beklagte in der Insolvenz ausgefallene Arbeitsentgelte zu erstatten habe. Der Kläger zu 2) hat sich den Ausführungen des Klägers zu 1) vollinhaltlich angeschlossen.
Der Kläger zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.09.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.10.1999 bis 21.11.1999 zu zahlen.
Der Kläger zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.09.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.10.1999 bis 21.11.1999 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie begründet dies im Wesentlichen wie folgt: Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für den beantragten Zeitraum, da die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt seien. Die "Insolvenz in der Insolvenz" zähle nicht zu den Insolvenzereignissen, die den Anspruch auf Insolvenzgeld auslösen können. Auch könne von einer wiedereingetretenen Zahlungsfähigkeit vom Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.1999 bis zur Gläubigerversammlung vom 19.11.1999 nicht die Rede sein. Auf die anders lautende Prognose des Insolvenz- verwalters komme es nicht an.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts München sowie auf die Akten des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Insolvenzgeld für den Zeitraum vom 01.10.1999 bis 21.11.1999.
Das Sozialgericht hat zutreffend die erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklagen abgewiesen. Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter gem. § 208 Insolvenzordnung (InsO) ist kein Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs.1 SGB III, das Insolvenzgeldansprüche der Kläger hinsichtlich der rückständigen Arbeitsentgeltansprüche begründen kann, die im Rahmen der Fortführung des zur Insolvenzmasse gehörenden Unternehmens durch den Insolvenzverwalter entstanden sind.
Nach § 183 Abs.1 Satz 1 SGB III hat ein Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insolvenzgeld. Das Gesetz nennt drei Insolvenzereignisse, die den Anspruch auf Insolvenzgeld begründen und damit den Versicherungsfall auslösen können: die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (§ 183 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGB III), die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse (§ 183 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB III) und die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insol- venzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (§ 183 Abs.1 Satz 1 Nr.3 SGB III).
Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit gem. § 208 InsO unterfällt nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift keinem der drei genannten Insolvenzereignisse. Andere als die im Gesetz genannten Insolvenzereignisse können den Anspruch nicht herbeiführen. Die Aufzählung der Ereignisse ist abschließend (Niesel, SGB III, § 183, RdNr.16, 32). Damit steht die Sperrwirkung, die die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH durch Beschluss des Insolvenzgerichts am 01.08.1999 ausgelöst hat, den geltend gemachten Insolvenzgeldansprüchen der Kläger auf jeden Fall entgegen. Maßgebliches Insolvenzereignis ist nämlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Firma H. Holzbearbeitungs-GmbH, aufgrunddessen die Kläger bereits Insolvenzgeld für die Zeit vom 01.05.1999 bis 31.07.1999 erhalten haben. Bei einer Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse (selbst wenn einmal ein solcher Fall gegeben sein sollte) ist nämlich das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch allein maßgeblich. Es besteht kein Rangverhältnis der Insolvenzereignisse untereinander. Die Insolvenztatbestände stehen vielmehr gleichrangig nebeneinander (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.1 und SozR 3-4100 § 141b Nr.3). Solange ein bestimmtes Insolvenzvereignis andauert, kann deshalb kein anderes eintreten, das den Anspruch auf Insolvenzgeld auslöst. Dadurch soll ein Missbrauch der Versicherung vermieden werden. Außerdem wird so dem Umstand Rechnung getragen, dass der Arbeitnehmer, der bei einem insolventen Arbeitgeber in Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit seine Arbeit fortsetzt, nicht als schutzwürdig gilt (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.27). Deshalb begründen spätere Insolvenzereignisse bei dem gleichen Arbeitgeber grundsätzlich keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Konkursausfallgeld, dass ein neues Insolvenzereignis im Sinne des früheren § 141b Abs.1 und 3 Arbeitsförderungsgesetz nicht eintritt und folglich auch keine Ansprüche auf Konkursausfallgeld ausgelöst werden können, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit andauert (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.6, 37, 43 und 46, SozR 3-4100 § 141e Nr.3). Zahlungsunfähigkeit liegt solange vor, wie der Gemeinschuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist und andauernd aufhört, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelne Zahlungsverpflichtungen wieder erfüllt.
Neue Ansprüche auf Konkursausfallgeld, etwa wegen Betriebsein- stellung, entstehen nach Eröffnung eines Konkursverfahrens nicht mehr, unabhängig davon, ob und wie lange der Konkursver- walter das Unternehmen fortführt sowie, ob er Arbeitsverhält- nisse begründet und diese unter Umständen über mehrere Jahre bestehen,nach bisherigem Recht schon wegen der tatbestandsmäßigen Exklusivität der Insolvenztatbestände nicht (BSG, SozR 4100 § 141b Nr.46, S.171 oben). Dieser Rechtsprechung folgt die Literatur auch zum Insolvenzgeld (Estelmann in Hennig, SGB III, § 183 RdNr.42; Schmidt in Wissing, SGB III, § 183 RdNr.30; Niesel, SGB III, § 183 RdNr.34). An dieser Rechtsprechung hat das Bundessozialgericht auch in seiner Entscheidung vom 21. November 2002 zum Insolvenzgeld festgehalten, in der es allein dem Umstand, dass das Insolvenzgericht nach Bestätigung eines Insolvenzplans das Insolvenzverfahren aufgehoben hat (§ 258 InsO), keine wiedererlangte Zahlungsfähigkeit des Schuldners entnommen hat (BSG, SozR 3-4300 § 183 Nr.3).
Die Übertragung der von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts entwickelten Grundsätze auf die Anspruchssituation der Kläger führt dazu, dass allein die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts M. am 01.08.1999 maßgebliches Insolvenzereignis war und daher in der Folgezeit erneute Ansprüche auf Insolvenzgeld nicht aufgrund der Betriebsfortführung durch den Insolvenzverwalter und die spätere Masseunzulänglichkeitsanzeige gem. § 208 InsO entstehen konnten. Daran vermag auch die Rechtsfigur der "Insolvenz in der Insolvenz" nichts zu ändern. Die Vorschrift des § 208 InsO regelt die Situation, die nach früherem Recht der "Konkurs im Konkurs" (§ 60 KO) genannt wurde und die man heute als Insolvenz in der Insolvenz bezeichnen würde (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Auflage, § 208 RdNr.1). Sie dient dem Zweck, das Insolvenzverfahren zügig zu Ende zu bringen und den Erlös aus der Restverwertung dazu zu verwenden, die Masseverbindlichkeiten nach Maßgabe des Verteilungsschlüssels des § 209 InsO zu verteilen (§ 211 InsO). Es ist zwar richtig, dass wesentliches Ziel des Gesetzgebers bei der Reformierung des Insolvenzrechts die Stärkung der Möglichkeiten der Sanierung eines Unternehmens gegenüber der Liquidation und damit der Zerschlagung von Unternehmenswerten war (vgl. Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, § 8 RdNr.28), wenngleich die Sanierung kein vorrangiges Verfahrensziel der Insolvenzordnung darstellt (Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 1 RdNr.1). Es mag auch sein, dass der mangelnde Schutz der nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und aufgrund der Betriebsfortführung mit dem Ziel der Unternehmenssanierung entstandenen Arbeitsentgeltansprüche durch das Insolvenzgeld sich für Sanierungsbestrebungen nachteilig auswirken könnte, wie die Berufung vorträgt, gerade wenn die Fortführung des Betriebs von der Weiterarbeit erfahrener Arbeitnehmer im Betrieb abhängt, und die Arbeitnehmer allein auf den Schutz ihrer Arbeitsentgeltansprüche als sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 InsO verwiesen werden.
Zu Recht hat das Sozialgericht jedoch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber nicht die Ziele der Insolvenzordnung verfolgt, sondern lediglich eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen in der Insolvenz des Arbeitgebers begründet. Diese vom Bundessozialgericht zum Konkursausfallgeld vertretene Auffassung (BSG SozR 4100 § 141b Nr.46) hat das Bundessozialgericht auch in seiner Entscheidung zum Insolvenzgeld vom 21. November 2002 be- stätigt (BSG SozR 3-4003 § 183 Nr.3).
Das Bundessozialgericht hat sogar für den Fall, dass über das Vermögen des Konkursverwalters selbst das Konkursverfahren er- öffnet wird, kein Insolvenzereignis im Sinne des § 141b AFG an- genommen, da der Konkursverwalter zwar im eigenen Namen, jedoch nur für und gegen die Masse handele. Auch wenn der Konkursver- walter unter bestimmten Umständen persönlich hafte, ändere dies nichts daran, dass er bei Fortführung des Betriebes nicht per- sönlich, sondern nur in seiner Funktion als Konkursverwalter und damit nur als Repräsentant der Masse zum Arbeitgeber und Lohnschuldner werde (BSG NZA 1990, 118-119). Auch nach Neuordnung des Insolvenzrechts gilt nichts anderes. Unbeschadet des Theorienstreits über die rechtliche Stellung des Insolvenzverwalters als Arbeitgeber ist allgemein anerkannt, dass der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberposition des Schuldners eintritt (§ 80 InsO; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, § 80 RdNr.63) und damit nicht zum neuen Arbeitgeber wird (Wissing/Mutschler/ Bartz/Schmidt-DeCaluwe SGB III, § 183 Rdnr. 31).
Die Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter gem. § 208 InsO ist daher kein neues Insolvenzereignis, das Insolvenzgeldansprüche der Kläger hinsichtlich der rückständigen Arbeitsentgeltansprüche begründen kann, die im Rahmen der Fortführung des zur Insolvenzmasse gehörenden Unternehmens durch den Insolvenzverwalter entstanden sind. Aus diesem Grund kam es im Fall der Kläger letztlich ohnehin nicht darauf an, dass nach dem in der Rechtsprechung vertretenen Begriff die Zahlungsfähigkeit der H. GmbH nicht etwa durch die im Rahmen des Insolvenzverfahrens erwirkten kurzfristigen Stundungen wiederhergestellt worden ist. Entsprechende Ermittlungen des Senats waren somit nicht erforderlich. Ebenfalls nicht entscheidungserheblich ist, welche Gründe letztlich zur Anzeige der Masseunzulänglichkeit durch den Insolvenzverwalter geführt haben. Auch diesbezüglich waren keine Ermittlungen des Senats veranlasst.
Entgegen der Auffassung der Berufung verstößt die Versagung der erneuten Insolvenzgeldbewilligung nicht gegen den Gleichheitssatz. Denn dem Gesetzgeber steht, auch im Lichte des in Art. 3 Abs. 1 GG verankerten allgemeinen Gleichheitssatzes und des sich daraus ergebenden Willkürverbots, bei der Regelung der zu ordnenden Lebenssachverhalte eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu, die bei der Normierung von Ansprüchen gegenüber der gewährenden Verwaltung größer ist als bei der Regelung staatlicher Eingriffe (vgl. z. B. BVerfGE 49, 280, 283; 61, 138, 147; 78, 104, 121). Gerade auf dem Gebiet des Sozialrechts sind die Grenzen der dem Gesetzgeber zuzubilligenden Gestaltungsfreiheit besonders weit zu ziehen (vgl. z. B. BVerfGE 77, 84, 106; 81, 156, 205 f.). Diesen Gestaltungsspielraum hat der Gesetzgeber nicht überschritten, indem er den Anspruch auf Insolvenzgeld von dem Eintritt eines der in § 183 Abs. 1 SGB III festgelegten Insolvenzereignisse abhängig gemacht hat. Es kann niemand allein daraus, dass einer Gruppe aus besonderem Anlass besondere Vergünstigungen zugestanden werden, für sich ein verfassungsrechtliches Gebot herleiten, genau dieselben Vorteile in Anspruch nehmen zu dürfen (BVerfGE 49, 192-212). Im Gegenteil, die wiederholte Zuerkennung von Insolvenzgeld würde den Klägern einen Sondervorteil verschaffen, der anderen Arbeitnehmern nicht zusteht. Nach der Regelung in § 183 Abs. 2 SGB III hat nämlich selbst der Arbeitnehmer, der in Unkenntnis des Insolvenzereignisses weiterarbeitet, keinen erweiterten oder zusätzlichen Anspruch auf Insolvenzgeld, sondern sein Insolvenzgeldanspruch verschiebt sich lediglich auf die letzten, dem Tag der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate.
Die Voraussetzungen des § 183 Abs.2 SGB III liegen nicht vor, da die Kläger nicht in Unkenntnis des Insolvenzereignisses vom 01.08.1999 - der Eröffnung des Insolvenzverfahrens - weitergearbeitet haben.
Die Berufung der Kläger war damit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Das Urteil wirft keine entscheidungserhebliche, höchstrichterlich bisher nicht geklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, weicht nicht von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht hierauf.
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