L 5 P 52/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 P 161/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 P 52/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 5. August 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Entrichtung von Pflegeversicherungsbeiträgen für den Zeitraum vom 07.11.1997 bis 28.10.1998.

Die Klägerin ist die Tochter der am 22.01.2004 verstorbenen E. D ... Diese erhielt von der Beklagten ab 1995 Pflegeleistungen. Die Beklagte entrichtete für die Klägerin bis zur Rückstufung der Versicherten von der Pflegestufe II auf Stufe I zum 28.10.1998 Beiträge zur Rentenversicherung. Nach einer Begutachtung vom 06.11.1997, wonach die Klägerin die Versicherte weniger als 14 Stunden wöchentlich gepflegt habe, stornierte die Beklagte die Pflegezeiten gegenüber der BfA für die Zeit vom 07.11.1997 bis 28.10.1998.

Dagegen hat die Klägerin am 17.05.2000 Klage erhoben und geltend gemacht, eine rückwirkende Stornierung der Versicherungspflicht sei nicht zulässig. Davon habe die Klägerin erst durch Mitteilung vom 18.11.1998 erfahren. Dies stelle einen Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Vorschriften des Sozialgesetzbuches I und X dar.

Am 18.09.2000 hat der Klägerbevollmächtigte eine Klageänderung dahingehend vorgenommen, dass nunmehr die Versicherte Klage auf Anerkennung der versicherungspflichtigen Tätigkeit der Tochter in der gesetzlichen Rentenversicherung erhebe. Beantragt werde die Meldung an den zuständigen Rentenversicherungsträger und entsprechende Beitragszahlungen. Meldung und Beitragsentrichtung seien Aufgabe der Beklagten.

Die Beklagte hat eingewandt, die Klageänderung sei nicht weiterführend, da sie als private Pflegeversicherungsträgerin nicht in der Lage sei, die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung festzustellen; sollte der Rentenversicherungsträger die Rentenversicherungspflicht feststellen, werde die Beklagte die entsprechenden Beiträge entrichten; die Klage sei also gegen den Rentenversicherungsträger zu richten. Die Meldepflicht bestehe nur gegenüber dem Rentenversicherungsträger, nicht hingegen gegenüber der Versicherungsnehmerin. Die Versicherte könne nicht Ansprüche Dritter einklagen; im Übrigen könne die Meldung nicht im Wege der Leistungsklage verfolgt werden und unzulässig sei auch die Verurteilung zur Leistung an einen Dritten.

Der Klägerbevollmächtigte hat am 10.07.2001 bei der BfA einen Antrag auf Feststellung der Rentenversicherungspflicht für die Zeit vom 07.11.1997 bis 28.10.1998 gestellt, der am 13.12.2001 abgelehnt worden ist. Hiergegen ist beim SG München ein Klageverfahren (S 20 RA 1797/03) anhängig.

Die Fortsetzung des Verfahrens gegen die Beklagte hat der Bevollmächtigte damit begründet, es gehe der Klägerin hauptsächlich um den Vertrauensschutz bis 28.10.1998. Erst im Nachhinein habe die Klägerin von der Abmeldung für die Zeit vor dem 28.10.1998 erfahren, ohne eine Chance für den anderweitigen Erwerb von Rentenanwartschaften zu haben. Die Beklagte habe dieser noch am 18.01.1999 bestätigt, dass bis zum 28.10.1998 Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien. Dies stelle eine schriftliche Leistungszusage im Sinne eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses dar und begründe eine Beitragspflicht unabhängig von der Feststellung der BfA.

Nach dem Tod der Versicherten hat der Klägerbevollmächtigte am 1. Juli 2004 mitgeteilt, dass die Klage von der Klägerin als Miterbin fortgeführt werde. Miterbin zu gleichen Teilen sei laut anliegendem Testament die Schwester der Klägerin, die in A. wohne. Die Schwestern seien zerstritten und angesichts des Streitgegenstands - Pflichtbeiträge zugunsten der Klägerin - sei die Zuziehung der Schwester obsolet.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.08.2005 hat das Sozialgericht München die Klage abgewiesen. Der Antrag auf Beitragsentrichtung zugunsten der Klägerin sei unbegründet, da die Beklagte für den Antrag der Versicherten unzuständig sei, die Beigeladene eine negative Entscheidung getroffen habe und keine Anhaltspunkte für eine positive inhaltliche Entscheidung gegeben seien.

Gegen den am 09.09.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Klägerbevollmächtigte am Montag, den 10.10.2005, Berufung eingelegt. Seines Erachtens verletzt der Gerichtsbescheid § 105 SGG wegen der bestehenden Aktivlegitimation der Klägerin und der fehlenden Aufklärung des Sachverhalts.

Die Beklagte hat auf die höchstrichterliche Rechtsprechung hingewiesen, wonach die Klage der Pflegeperson gegen die private Pflegekasse unzulässig sei, auch wenn der Rentenversicherungsträger beigeladen sei (BSGE vom 23.09.2003 - B 12 P 202 R -).

Der Klägerbevollmächtigte hat geltend gemacht, das Urteil des Bundessozialgerichts vom 23.09.2003 sei nicht einschlägig, weil es sich vorliegend nicht um eine Feststellungs-, sondern um eine Leistungsklage gem. § 28 Abs.1 Nr.10 i.V.m. § 44 SGB XI handele. Rechtsgrundlage seien die Allgmeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten, die entsprechend der Entscheidung des BSG vom 22.08.2001 (SozR 3-3300 § 23 Nr.6) ein Leistungsanerkenntnis mit Bindungswillen abgegeben habe, das rückwirkend nicht beseitigt werden könne.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 05.08.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der E. D. für deren Pflege im Zeitraum vom 07.11.1997 bis 28.10.1998 die entzogenen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beigeladene wieder zu entrichten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 05.08.2005 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Sozialgerichtsakten sowie die von den Beteiligten im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 05.08.2005 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Als Rechtsnachfolgerin der E. D. hat die Klägerin keinen Anspruch auf Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung.

Es kann dahinstehen, ob die Klägerin als Miterbin befugt ist, Leistungen zu ihren Gunsten zu verlangen. Als Miterbin ist die Klägerin lediglich befugt, im eigenen Namen Leistung an alle Miterben zu verlangen (§ 2039 BGB). Die Klägerin, die von der Beklagten verlangt, dass sie an den Beigeladenen Beiträge zu ihren Gunsten entrichtet, hat keine Nachlassforderung.

Private Versicherungsunternehmen, bei denen eine private Pflegepflichtversicherung durchgeführt wird, entrichten Beiträge an den zuständigen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist (§ 44 Abs.1 Satz 1 SGB XI). Diese Norm konkretisiert § 3 Satz 1 Nr.1a SGB VI, wonach Personen in der Rentenversicherung in der Zeit versicherungspflichtig sind, in der sie einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI nicht erwerbsmäßig wenigstens 14 Stunden wöchentlich in seiner häuslichen Umgebung pflegen, wenn der Pflegebedürftige Anspruch auf Leistungen aus der sozialen oder einer privaten Pflegeversicherung hat. Es handelt sich dabei um einen Anspruch der Pflegeperson und nicht um einen Anspruch des Pflegebedürftigen. Dies macht nicht nur der Wortlaut von § 44 SGB XI und § 3 SGB VI deutlich, sondern auch die Unterteilung der Leistungen der Pflegeversicherung im SGB XI in Leistungen für den Pflegebedürftigen entsprechend dem 3. Abschnitt des 4. Kapitels und Leistungen für Pflegepersonen im 4. Abschnitt des 4. Kapitels. § 28 Abs.1 SGB XI listet zwar in den Nrn. 1 bis 12 die Leistungen der Pflegeversicherung vollständig auf, formuliert diese aber nicht als Ansprüche, sondern verweist auf die einzelnen Anspruchsnormen. § 28 SGB XI stellt sich daher nur als Einweisungsvorschrift dar (Leitherer in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 28 SGB XI RZi 2, 5). Der Pflegebedürftige hat also keinen Anspruch auf Leistungen zur sozialen Sicherung der Pflegeperson. Eine Nachlassforderung ist daher von vornherein nicht gegeben.

Selbst wenn man einen originären Anspruch der Pflegeversicherten bejahen wollte, wäre eine Klage gegen die Beklagte unzulässig. Zutreffend weist die Beklagte auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 23. September 2003 (SozR 4-2600 § 3 Nr.1) hin, wonach eine Klage der Pflegeperson gegen die private Pflegeversicherung auf Beitragszahlung zur Rentenversicherung unzulässig ist. In einem solchen Rechtsstreit sei eine Sachentscheidung zur Rentenversicherungspflicht auch dann nicht zu treffen, wenn der Rentenversicherungsträger - wie vorliegend - beigeladen ist (Fortführung von BSG vom 22.03.2001, SozR 3-2600 § 3 Nr.5). Vielmehr sei eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Versicherungspflicht der Pflegeperson herbeizuführen, die ggf. im Klageverfahren weiter zu verfolgen ist. Weshalb im Fall der Klageerhebung durch den Pflegeversicherten eine andere Betrachtungsweise anzustellen wäre, ist nicht nachvollziehbar. Der Pflegeversicherte ist ebenso wie die Pflegeperson gehalten, sich an den Rentenversicherungsträger zu wenden und von dort eine Entscheidung herbeizuführen, wie dies vorliegend auch geschehen ist. Für eine Leistungsklage gegenüber dem privaten Pflegeversicherungsträger fehlt es an einem Rechtsschutzinteresse, zumal die Beklagte auch keinen Zweifel gelassen hat, dass sie bei einer entsprechenden Feststellung durch den Rentenversicherungsträger die entsprechenden Beiträge entrichten wird.

Soweit der Klägerbevollmächtigte sein Leistungsbegehren auf ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis stützt, fehlt der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Pflegebedürftigen schon die Aktivlegitimation. Die Bestätigung vom 18.01.1999, dass im strittigen Zeitraum Beiträge entrichtet wurden, ist der Klägerin gegenüber als Pflegeperson abgegeben worden. Weshalb die Pflegebedürftige hieraus Rechte ableiten können sollte, ist nicht nachvollziehbar.

In der Beitragsabführung allein kann entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis gesehen werden, weil zum Zeitpunkt der Beitragsentrichtung kein Streit über das Ausmaß der Pflegeleistung bestand, die Voraussetzungen eines Schuldanerkenntnisses gem. § 781 BGB also nicht vorlagen. Auch kann Gegenstand eines Vertrages gem. § 781 BGB lediglich eine Leistung sein, zu der sich der Schuldner wirksam verpflichten kann (Palandt, § 781 RZi 1, § 780 RZi 2). Die Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung ist aber im Gegensatz zur Leistungsgewährung im privaten Schadensversicherungsrecht nicht verhandelbar (Seewald in Kassler Kommentar, § 2 SGB IV RZi 3). Auf die Grundsätze der Schadensversicherung hat das BSG mit seiner Entscheidung vom 22.08.2001 (SozR 3-3300 §23 Nr.6) abgestellt, die die Weitergewährung von Leistungen nach Pflegestufe I zum Gegenstand hatte. Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis in Form einer Leistungszusage kann also Grundlage für einen Leistungsanspruch des Pflegebedürftigen sein, wie dies das BSG bereits bestätigt hat, nicht jedoch zur Folge haben, dass Beginn und Ende der qua lege eintretenden Rentenversicherungspflicht beeinflusst werden. Im Streit steht die Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht der Pflegeperson nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BSG vom 23.09.2003 a.a.O.) allein dem Rentenversicherungsträger zu. Die Rechtskraft des Bescheids der Beigeladenen vom 13.12.2001 ist nach wie vor offen. Die Beklagte kann und konnte hierauf keinerlei Einfluss nehmen.

Aus diesen Gründen war die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs.2 SGG), sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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