Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 9 EG 143/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 48/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufungen gegen die Urteile des Sozialgerichts Nürnberg vom 10. Januar 2005 werden zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Landeserziehungsgeld (LErzg) für ihre 1991 und 1992 geborenen Kinder Z. und N. streitig.
Die 1951 geborene Klägerin, eine verheiratete türkische Staatsangehörige, welche sich seit 1974 in Bayern berechtigt aufhält, lebte in den ersten Lebensjahren mit ihren Kindern und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt, betreute und erzog die Kinder und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus.
Der am 15.02.2002 gestellte Antrag auf Bewilligung von LErzg für das Kind Z. wurde durch Bescheid vom 20.06.2002 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 04.05.1999, C-262/96, könnten Ansprüche auf Leistungen für Zeiträume vor dem Erlass dieses Urteils nicht geltend gemacht werden. Der Leistungszeitraum für das 1991 geborene Kind hätte spätestens am 24.02.1993 geendet, so dass LErzg nicht gewährt werden könne. Die Leistung scheitere daran, dass der Leistungszeitraum vor dem 04.05.1999 ende.
Mit im wesentlichen identischer Begründung wurde der Antrag der Klägerin vom 15.02.2002 betreffend ihr Kind N. mit Bescheid vom 26.06.2002 abgelehnt.
Mit den gegen die ablehnenden Bescheide am 03.07.2002 erhobenen Widersprüchen verwies die Klägerin auf Art 3 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19.09.1980 (ARB) und die sich daraus ergebende Gleichstellung der türkischen Staatsangehörigen. Die Rspr. des EuGH im Urteil vom 04.05.1999, wonach aus Art. 3 des ARB keine Rechte für Zeiten vor Erlass des Urteils hergeleitet werden könnten, ändere nichts daran, dass das Recht auf Antragstellung durch mündlichen Verwaltungsakt verhindert worden sei. Es sei die Aushändigung von Antragsformularen bzw die Annahme ausgefüllter Antragsformulare verweigert worden. Dies stelle einen schwerwiegenden Fehler dar. Es liege kein Antrag und kein Bescheid vor, so dass deswegen weder Widerspruch noch Klage möglich gewesen seien. Die gegen die ablehnenden Bescheide erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 10.09.2002 und 15.08.2002, zugestellt am 02.10.2002).
Betreffend das Kind Z. stellte die Klägerin am 28.10.2002 Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Dieser Antrag wurde ebenfalls abgelehnt. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 20.03.2003 zurückgewiesen.
Mit den beim Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klagen verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf LErzg für ihre beiden Kinder weiter. Zur Begründung trug sie vor, die Entscheidung des EuGH sei nur klarstellend gewesen. Der Anspruch sei bereits vorher begründet gewesen. Es werde Antrag aus Wiedereinsetzung gestellt. Es sei vorsorglich ein Antrag gestellt worden, der aber nicht angenommen worden sei, da er für aussichtslos angesehen wurde. In der mündlichen Verhandlung wurde der Ehemann der Klägerin angehört. Er gab an, es sei ihm bei Antragstellung gesagt worden, dass für Kinder, die vor September 1989 geboren seien, ein Antrag nicht gestellt werden brauche. Für seine Kinder aber könne er gestellt werden. Vor 2002 sei kein Antrag gestellt worden, da man nicht gewusst habe, dass ein Anspruch bestehen könnte. Er habe nicht gewusst, dass türkische Staatsangehörige dieselben Rechte wie deutsche hätten.
Das SG wies mit Urteilen vom 10.01.2005 die Klagen ab. Ein Anspruch auf LErzg bestehe seitens der Klägerin nicht. Zwar könnten nach dem Urteil des EuGH vom 04.05.1999 neben Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auch türkische Staatsangehörige LErzg erhalten, wenn sie in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates (ARB) vom 19.09.1980 fallen. Jedoch könne die Klägerin daraus keine Rechte herleiten. Denn der EuGH habe Ansprüche auf Leistungen für die Zeit nach dem Erlass seiner Entscheidung vom 04.05.1999 beschränkt und eine Ausnahme hierfür nur zugelassen, wenn vor diesem Zeitpunkt bereits eine Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin aber nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand nach § 27 SGB X wurden unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 18.02.2004 Az.: B 10 EG 10/03 R ebenso verneint sowie für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Im übrigen scheitere ein Anspruch für Z. bereits an der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X, wonach Leistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden könnten. Was den Anspruch für Z. anging, so erwähnte das SG einen bestandskräftigen Bescheid vom 29.05.1996, der sich weder in den Akten des SG noch des Beklagten befindet.
Nachdem die am 28.02.2005 eingelegten Berufungen zunächst nicht begründet worden waren, nahm der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 01.04.2006 auf das Vorbringen im Klageverfahren Bezug. Ergänzend trug er vor, die Klägerin sei nicht aufmerksam gemacht worden, dass ihr ein Anspruch zustehe, deswegen sei analog Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Im übrigen sei ein allgemeiner Antrag auf Erziehungsgeld gestellt worden, der darauf gerichtet sei, dass in vollem Umfang gezahlt werde. Den ablehnender Bescheid habe die Klägerin erst 2002 erhalten, nachdem 2001 nochmals ein Antrag gestellt worden sei. Erst durch die Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 sei klargestellt worden, dass ein Anspruch bestehe. Frühestens ab diesem Zeitpunkt habe der Antrag erst weiterverfolgt werden können.
In einem am 06.04.2006 durchgeführten Erörterungs- und Beweistermin wurde der Ehemann der Klägerin als Zeuge gehört. Bezüglich seiner Aussage wird auf das Protokoll über seine Einvernahme verwiesen. Im Hinblick auf den vom SG genannten Bescheid vom 29.05.1996 wurden vom Beklagten Nachforschungen angestellt. Laut Aufzeichnungen in den Aussonderungslisten 1999 wurde für Z. BErzg von 25.02.1991 bis 24.08.1992 bezogen. Eine Antragstellung auf LErzg erfolgte vor 2002 nicht, eben so wenig erging davor ein Bescheid. Dasselbe gilt für N ...
Die Verfahren L 9 EG 48/05 und 49/05 wurden am 04.05.2006 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Aktenzeichens L 9 EG 48/05 verbunden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats nach § 155 Abs. 3, 4 SGG erteilt.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 28.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2003 aufzuheben sowie den ablehnenden Bescheid vom 20.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 aufzuheben und auf den Überprüfungsantrag der Klägerin Landeserziehungsgeld für das Kind Z. , geb. 1991 ab 25.08.1992 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Weiter beantragt die Klägerin, den Bescheid vom 26.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Landeserziehungsgeld für das Kind N. , geb. 1992 ab 19.03.1994 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Der Beklagte stellt den Antrag, die Berufungen zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und des Sozialgerichts München sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels des Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozi- algerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthaften, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten, und insgesamt zulässigen Berufungen der Klägerin, §§ 143 ff. SGG, erweisen sich als in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Erstgericht die zu- lässig erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen abgewiesen.
Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin alleine ergehen, da die Beteiligten darin eingewilligt hatten( § 155 Abs. 3, Abs. 4 SGG ).
Rechtsgrundlage für die Gewährung des bayerischen Landeserziehungsgeldes ist das Gesetz zur Gewährung eines LErzg und zur Ausführung des BErzGG (BayLErzGG) vom 12.06.1989 (GVBl.1989 S. 206). Anspruch auf LErzg hatte gemäß Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG in der für Geburten vor 01.07.1993 an geltenden Fassung (GVBl.1995 S.818, 820), wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch 15 Monate in Bayern hatte (Nr. 1), mit einem nach dem 30.06.1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte (Nr. 2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr. 3), keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr. 4) und schließlich die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften besaß (Nr. 5).
Nach Art. 3 des Gesetzes wurde LErzg ab dem in § 4 Abs. 1 BErzGG für das Ende des Bezuges von BErzg festgelegten Zeitpunkt bis zur Vollendung von weiteren sechs Lebensmonaten des Kindes gewährt (Abs. 1). Vor dem Ende des sechsten Bezugsmonates endete der Anspruch mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine der Anspruchsvoraussetzungen entfallen war. Im Fall der Aufnahme einer vollen Erwerbstätigkeit endete der Anspruch mit dem Beginn der Erwerbstätigkeit (Abs. 3). Nach Art. 5 betrug das LErzg DM 500,00 monatlich. Bei einer Überschreitung der nach §§ 5, 6 BErzGG zu berechnenden Einkommensgrenzen wurde es auf den Betrag von fünf Sechstel des Betrages des maßgeblichen BErzg gekürzt (Abs. 1 Satz 1, 2).
In der vorliegenden Streitsache erfüllte die Klägerin im Bewil- ligungszeitraum unstreitig die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 mit 4 BayLErzGG, denn sie hatte nach Aktenlage ihren Wohnsitz seit 1974 in Bayern, lebte im jeweiligen Anspruchszeitraum mit ihren beiden Kindern, für ihr die Personensorge zustand, und mit ihrem Mann in einem Haushalt, betreute die Kinder selbst und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus.
Nicht erfüllt hatte die Klägerin aber die Voraussetzungen der Nr. 5 des Art. 1 LErzGG, worin der Anspruch auf LErzg von der Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften abhängig gemacht wurde.
Diese Bestimmung verstößt jedoch gegen übergeordnetes europäi- sches Gemeinschaftsrecht. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999, Az.: C-262/96 (SozR 3-6935 Alg Nr. 4) verbietet es Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 einem Mitgliedstaat, den Anspruch eines türki- schen Staatsangehörigen u.a. auf Familienleistungen nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als für Staatsangehörige des Mitgliedstaates. Das Bun- dessozialgericht hat mit Urteil vom 10.07.1997 das Bundeserzie- hungsgeld in Anwendung des Urteils des EuGH vom 10.10.1996 (Az.: C-245/94 und C-312/94) zur Familienleistung erklärt. Dem hat sich das BSG mit Urteil vom 29.01.2002 (Az.: B 10 EG 2/01 R) für das Bayerische Landeserziehungsgeld angeschlossen.
Der Klägerin steht aber das beanspruchte Landeserziehungsgeld dennoch nicht zu, weil sie sich insoweit nicht auf das Diskri- minierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 ARB berufen kann. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH kann die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB nämlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor Erlass dieses Urteils am 04.05.1999 geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben. Wie das Bundessozialgericht (u.a. Urteil vom 27.05.2004, Az.: B 10 EG 11/03 R) darlegt, bezieht sich die im Urteil vom EuGH ausgesprochene zeitliche Beschränkung nicht nur auf Verfahren über Kindergeld, sondern auf alle Verfahren, in denen es, wie auch beim Landeserziehungsgeld, um die Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen geht, die auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB gestützt werden. Ebenso wie die Hauptaussage des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist auch die von ihm verfügte zeitliche Beschränkung, wie das Bundessozialgericht darlegt, verbindlich. An der Rechtmäßigkeit dieser "Neben"-Entscheidung bestehen laut BSG (a.a.O.) keine Zweifel. Voraussetzung für eine wie vom EuGH angenommene zeitliche Beschränkung ist es laut BSG (a.a.O.), dass Unklarheiten des anzuwendenden Rechts oder das Verhalten der Gemeinschaftsorgane einen Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen haben, der es nicht angemessen erscheinen lässt, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse rückwirkend in Frage zu stellen (Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes). Darüber hinaus muss die Gefahr unerwarteter und erheblicher finanzieller Auswirkungen bestehen. Es ist nicht ersichtlich laut BSG, dass der EuGH in der Rechtssache Sürül diese Voraussetzungen zu Unrecht bejaht hat. Der EuGH hat dargelegt, dass sich aus seinem Urteil vom 10.09.1996, Az.: C-277/94, Ungewissheit über eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB ergeben konnte. Unter diesen Umständen durften die Mitgliedstaaten davon ausgehen, sie könnten die Anpassung ihres innerstaatlichen Rechts bis zum Erlass entsprechender Umsetzungsakte zurückstellen. Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass abschließend geregelte Rechtsverhältnisse durch sein Urteil vom 04.05.1999 nicht wieder in Frage gestellt werden sollten. Überdies war zu berücksichtigen, dass die Frage, ob Erziehungsgeld eine Familienleistung im Sinne des Europarechts ist, erst durch das Urteil des EuGH vom 10.10.1996 geklärt wurde. Bei der Einschätzung der finanziellen Auswirkungen musste der EuGH schon aus Gründen der Gleichbehandlung alle Sozialleistungen in Betracht ziehen, die europaweit vom ARB erfasst werden.
Die vom EuGH angeordnete zeitliche Beschränkung hindert die Klägerin, ihre Ansprüche auf Landeserziehungsgeld für Zeiten vor dem Erlass des Urteils geltend zu machen. Die vom EuGH vorgesehene Ausnahme für Betroffene, die "vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben", kommt ihr nicht zugute. Nach der Begründung der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 soll diese Ausnahmeregelung verhindern, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten, durch die verfügte zeitliche Beschränkung in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt wird. Aus der Bezugnahme auf einen effektiven Rechtsschutz ergibt sich, dass mit den vom EuGH angesprochenen "Rechtsbehelfen" nur solche gemeint sind, die bei Erlass des Urteils vom 04.05.1999 noch rechtshängig, also offen waren. Denn bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsschutzes von vornherein nicht. Als Rechtsbehelf sind in diesem Zusammenhang auch erstmalige Leistungsanträge zu verstehen, denn auch sie dienen der Geltendmachung von Rechten und unterbrechen z.B. die Verjährung von Ansprüchen (§ 45 Abs. 3 SGB I). Dabei stellt der EuGH nicht darauf ab, aus welchen Gründen entsprechende Anträge nicht ge- stellt oder nach abschlägigen Entscheidungen nicht weiterver- folgt worden sind.
Zur Begründung des Anspruchs hätte die Klägerin laut BSG zwei Fristen einhalten müssen: Zum einen könnte sie sich auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 ARB nur dann berufen, wenn sie bereits vor dem Erlass des Sürül-Urteils vom 04.05.1999 einen auf Landeserziehungsgeld gerichteten Rechtsbe- helf eingelegt hätte. Zum anderen ist zu beachten, dass LErzg gemäß Art. 3 Abs. 2 Bayerisches LErzGG in der Fassung 12.06.1989 rückwirkend höchstens für zwei Monate vor der schriftlichen Antragstellung zu gewähren ist (Art. 3 Abs. 2 LErzGG vom 12.06.1989).
Die Klägerin hat erst im Februar 2002 einen Antrag auf Lan- deserziehungsgeld für ihre Kinder gestellt und demnach die beiden genannten Fristen nicht eingehalten. Ein früherer Antrag ist nicht nachgewiesen.
Das Vorbringen der Klägerin, es sei ein sowohl das BErzg als auch das LErzg umfassender Antrag gestellt worden, trifft nicht zu. Die Klägerin hat für beide Kinder Antrag auf BErzg gestellt; diese Anträge umfassen aber nicht das LErzg, wie sich aus den entsprechenden Formblättern ergibt. Zum anderen ist das BErzg eine selbständige Leistung, die den Anspruch auf LErzg schon deswegen nicht umfasst, da das LErzg nicht regelmäßig dem BErzg folgt. Hinzukommt, dass dies auch mit dem übrigen Vorbringen der Klägerin nicht übereinstimmt. Denn unabhängig davon, ob man die Angabe der Klägerin, sie habe von einem Anspruch keine Kenntnis gehabt und deswegen erst im Jahr 2002 die Leistung beantragt, als zutreffend ansieht, oder die Aussage ihres Ehemannes, es sei nach Auslaufen des Berzg jeweils LErzg beantragt worden: bei beiden Varianten wurde jedenfalls nicht zusammen mit dem BErzg das LErzg beantragt.
Eine frühere Antragstellung als im Februar 2002 ist auch durch die Aussage des Ehemannes der Klägerin nicht nachgewiesen. Der Nachweis erfordert, dass die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. Im Falle der Klägerin bestehen aber erhebliche Zweifel an der behaupteten Antragstellung. Diese sind darin begründet, dass die Klägerin zunächst vorgetragen hatte, sie habe keinen Antrag stellen können und sei durch mündlichen Verwaltungsakt daran gehindert worden. Auch wenn dieses Vorbringen dahin ausgelegt werden kann, dass sie auf die Aussichtslosigkeit des Antrags hingewiesen worden sei, so widerspricht dies doch der späteren Aussage des Ehemannes im Berufungsverfahren, wonach bei beiden Kindern nach Auslaufen des BErzg ein förmlicher Antrag gestellt und persönlich abgegeben, aber nie verbeschieden worden sei. Bei einer solchen Antragstelllung ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin bzw ihr Ehemann bei der Antragstellung im Februar 2002 den noch offenen Antrag nicht erwähnt, sondern im Widerspruchsverfahren sogar behauptet hat, die Antragstellung sei verhindert worden. Dies ist um so mehr von Bedeutung, als zu dieser Zeit die Bedeutung eines offenen Antrags bekannt war, wie der Argumentation im Widerspruchsverfahren zu entnehmen ist. Dass auch vom Bevollmächtigten mit Herstellungsanspruch und Wiedereinsetzung sowie einem alles umfassenden Antrag argumentiert wird, obwohl ein fristgerechter schriftlicher Antrag bei beiden Kindern gestellt und nicht verbeschieden worden sein soll, legt den Schluss nahe, dass auch insofern von der Klägerin vorgetragen worden war, eine Antragstellung sei nicht erfolgt. Die erst im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung die Anträge seien abgegeben worden, ist nicht glaubhaft. Die Erklärung des Zeugen, er habe bereits früher auf die Anträge hingewiesen, ist nicht überzeugend. Denn dass sowohl beim Beklagten als auch beim SG und wohl auch beim Bevollmächtigten diese Angaben nicht zur Kenntnis genommen worden sein sollten, ist nicht einleuchtend. Bei dieser Würdigung bleibt die Tatsache, dass der Ehemann vor dem SG die Antragstellung vor 2002 verneint hat, unberücksichtigt, weil er vor dieser Angabe nicht als Zeuge belehrt worden ist.
Ins Gewicht fällt weiter, dass auch die Aufzeichnungen des Beklagten keinen Antrag auf LErzg vermerken und dies für beide Kinder. Der Umstand, dass das SG im Urteil betreffend Z. einen Bescheid vom 29.05.1996, der rechtskräftig sei, erwähnt, kann die Angabe, ein Antrag sei gestellt worden, nicht stützen. Denn da keinerlei Anhaltspunkt in den Akten betreffend einen Antrag sowie einen Bescheid vom 29.05.1996 enthalten ist und auch das SG bei der Antragstellung diesen Antrag nicht aufgenommen hatte, obwohl es die übrigen Bescheide nennt, deren Überprüfung nach § 44 SGB X begehrt wird, kann es sich nur um einen Fehler im Text handeln, und nicht um einen tatsächlich vorliegenden Bescheid.
Im Übrigen würde dieser Antrag und Bescheid der Klägerin nicht weiterhelfen, da insofern das Verfahren am 04.05.1999 bereits abgeschlossen gewesen wäre, so dass es nach der Rspr. des EuGH ebenfalls nicht zu einer Leistung für die Zeit vor 04.05.1999 kommen könnte.
Ein früherer Antrag als im Februar 2002 ist demnach weder für N. noch für Z. bewiesen.
Auf die Regelung des § 27 SGB X kann die Klägerin sich zur Begründung ihres Anspruchs ebenfalls nicht stützen. Nach dessen Abs. 1 gilt: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine derartige Wiedereinsetzung ist zwar nicht nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, da sich aus Art. 3 Abs. 2 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz nämlich nicht ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Sie ist jedoch gemäß § 27 Abs. 3 SGB X nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer, wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Da die Klägerin den Antrag erst im Februar 2002 gestellt hat, kommt es darauf an, ob er die Antragstellung vor der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Der Begriff der höheren Gewalt hat eine subjektive Komponente und ist nicht auf von außen kommende nicht beeinflussbare Er- eignisse beschränkt (vgl. BSG a.a.O.). Höhere Gewalt ist jedes Geschehen, das auch durch die größstmögliche, von dem Betroffe- nen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Als unabwendbar in diesem Sinn ist eine Fristversäumnis grundsätzlich auch dann anzusehen, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft oder Beleh- rung oder sonst durch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Aus den Akten ist kein Hinweis ersichtlich, dass die Klägerin von dem Beklagten falsch beraten worden wäre. Aber selbst wenn die Klägerin wegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsansicht von der Antragstellung abgehalten worden wäre, hilft ihr das nicht weiter. Das Bundessozialgericht hat in der zitierten Entscheidung dazu festgehalten, dass ein Hinweis der Behörde, ein entsprechender Antrag brauche nicht gestellt zu werden, weil kein Anspruch auf LErzg bestehe, die Annahme von höherer Gewalt nicht rechtfertige. Diese Information sei zwar im Licht der Entscheidung des BSG vom 29.01.2002 (BSGE 89, 129) objektiv falsch gewesen, auch wenn sie der damaligen Rechtsprechung entsprochen habe. Denn eine unrichtige Rechtsauskunft liege auch dann vor, wenn der Versicherungsträger ohne Verschulden von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte. Entscheidend sei insoweit die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht. Das BSG weist aber ausdrücklich auf Folgendes hin: Zur Begründung der Fehlerhaftigkeit der Information bedarf es jedoch der Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB für einen Zeitraum vor Erlass der Sürül-Entscheidung des EuGH. Es greift hier somit die in diesem Urteil ausgesprochene zeitliche Beschränkung ein. Da die Klägerin am 04.05.1999 kein offenes Verfahren über die Gewährung des Landeserziehungsgelds hatte, könnte sie die objektive Unrichtigkeit der ihr zuteil gewordenen Beratung nicht zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags geltend machen.
Andere Umstände, die unter dem Gesichtspunkt einer höheren Ge- walt eine Wiedereinsetzung ohne Rückgriff auf die unmittelbare Anwendung des Art. 3 Abs. 1 ARB begründen würden, sind bei der Klägerin nicht ersichtlich.
Auch auf grund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht der Klägerin kein Landeserziehungsgeld für ihre Kinder zu. Nach der Rspr. des BSG (Urteile vom 02.02.2006 Az: B 10 EG 7/05 R u.a.) kann ein sog. Herstellungsanspruch neben dem Institut der Wiedereinsetzung herangezogen werden; es sind aber seine Voraussetzungen nicht erfüllt. Sein Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Leistungsträger zuzurechnen ist, dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein, schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre.
Wie das Bundessozialgericht darlegt (a.a.O.), kann wegen des Ausspruchs der zeitlichen Beschränkung in der Sürül-Entschei- dung der Herstellungsanspruch wie auch der Wiedereinsetzungsan- trag auf die objektiv fehlerhafte Beratung durch den Beklagten nicht gestützt werden. Ebenso wenig ist die Verletzung einer Pflicht des Beklagte anzunehmen, die Klägerin auf einen sich abzeichnenden Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. entsprechende anhängige Verfahren hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht könnte allenfalls dann entstehen, wenn es auf- grund gravierender Umstände wahrscheinlich erscheint, dass ein Wandel in der Rechtsprechung eintreten wird. In der fraglichen Zeit konnte davon nicht gesprochen werden. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten, § 193 SGG, ist darin begründet, dass die Klägerin mit ihrem Begehen nicht durchdringen konnte.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Landeserziehungsgeld (LErzg) für ihre 1991 und 1992 geborenen Kinder Z. und N. streitig.
Die 1951 geborene Klägerin, eine verheiratete türkische Staatsangehörige, welche sich seit 1974 in Bayern berechtigt aufhält, lebte in den ersten Lebensjahren mit ihren Kindern und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt, betreute und erzog die Kinder und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus.
Der am 15.02.2002 gestellte Antrag auf Bewilligung von LErzg für das Kind Z. wurde durch Bescheid vom 20.06.2002 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 04.05.1999, C-262/96, könnten Ansprüche auf Leistungen für Zeiträume vor dem Erlass dieses Urteils nicht geltend gemacht werden. Der Leistungszeitraum für das 1991 geborene Kind hätte spätestens am 24.02.1993 geendet, so dass LErzg nicht gewährt werden könne. Die Leistung scheitere daran, dass der Leistungszeitraum vor dem 04.05.1999 ende.
Mit im wesentlichen identischer Begründung wurde der Antrag der Klägerin vom 15.02.2002 betreffend ihr Kind N. mit Bescheid vom 26.06.2002 abgelehnt.
Mit den gegen die ablehnenden Bescheide am 03.07.2002 erhobenen Widersprüchen verwies die Klägerin auf Art 3 des Beschlusses des Assoziationsrates vom 19.09.1980 (ARB) und die sich daraus ergebende Gleichstellung der türkischen Staatsangehörigen. Die Rspr. des EuGH im Urteil vom 04.05.1999, wonach aus Art. 3 des ARB keine Rechte für Zeiten vor Erlass des Urteils hergeleitet werden könnten, ändere nichts daran, dass das Recht auf Antragstellung durch mündlichen Verwaltungsakt verhindert worden sei. Es sei die Aushändigung von Antragsformularen bzw die Annahme ausgefüllter Antragsformulare verweigert worden. Dies stelle einen schwerwiegenden Fehler dar. Es liege kein Antrag und kein Bescheid vor, so dass deswegen weder Widerspruch noch Klage möglich gewesen seien. Die gegen die ablehnenden Bescheide erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 10.09.2002 und 15.08.2002, zugestellt am 02.10.2002).
Betreffend das Kind Z. stellte die Klägerin am 28.10.2002 Antrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X). Dieser Antrag wurde ebenfalls abgelehnt. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 20.03.2003 zurückgewiesen.
Mit den beim Sozialgericht Nürnberg erhobenen Klagen verfolgte die Klägerin ihr Begehren auf LErzg für ihre beiden Kinder weiter. Zur Begründung trug sie vor, die Entscheidung des EuGH sei nur klarstellend gewesen. Der Anspruch sei bereits vorher begründet gewesen. Es werde Antrag aus Wiedereinsetzung gestellt. Es sei vorsorglich ein Antrag gestellt worden, der aber nicht angenommen worden sei, da er für aussichtslos angesehen wurde. In der mündlichen Verhandlung wurde der Ehemann der Klägerin angehört. Er gab an, es sei ihm bei Antragstellung gesagt worden, dass für Kinder, die vor September 1989 geboren seien, ein Antrag nicht gestellt werden brauche. Für seine Kinder aber könne er gestellt werden. Vor 2002 sei kein Antrag gestellt worden, da man nicht gewusst habe, dass ein Anspruch bestehen könnte. Er habe nicht gewusst, dass türkische Staatsangehörige dieselben Rechte wie deutsche hätten.
Das SG wies mit Urteilen vom 10.01.2005 die Klagen ab. Ein Anspruch auf LErzg bestehe seitens der Klägerin nicht. Zwar könnten nach dem Urteil des EuGH vom 04.05.1999 neben Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der Europäischen Union auch türkische Staatsangehörige LErzg erhalten, wenn sie in den persönlichen Anwendungsbereich des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates (ARB) vom 19.09.1980 fallen. Jedoch könne die Klägerin daraus keine Rechte herleiten. Denn der EuGH habe Ansprüche auf Leistungen für die Zeit nach dem Erlass seiner Entscheidung vom 04.05.1999 beschränkt und eine Ausnahme hierfür nur zugelassen, wenn vor diesem Zeitpunkt bereits eine Klage erhoben oder ein gleichwertiger Rechtsbehelf eingelegt worden sei. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin aber nicht erfüllt. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in der vorigen Stand nach § 27 SGB X wurden unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 18.02.2004 Az.: B 10 EG 10/03 R ebenso verneint sowie für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Im übrigen scheitere ein Anspruch für Z. bereits an der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X, wonach Leistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht werden könnten. Was den Anspruch für Z. anging, so erwähnte das SG einen bestandskräftigen Bescheid vom 29.05.1996, der sich weder in den Akten des SG noch des Beklagten befindet.
Nachdem die am 28.02.2005 eingelegten Berufungen zunächst nicht begründet worden waren, nahm der Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom 01.04.2006 auf das Vorbringen im Klageverfahren Bezug. Ergänzend trug er vor, die Klägerin sei nicht aufmerksam gemacht worden, dass ihr ein Anspruch zustehe, deswegen sei analog Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Im übrigen sei ein allgemeiner Antrag auf Erziehungsgeld gestellt worden, der darauf gerichtet sei, dass in vollem Umfang gezahlt werde. Den ablehnender Bescheid habe die Klägerin erst 2002 erhalten, nachdem 2001 nochmals ein Antrag gestellt worden sei. Erst durch die Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 sei klargestellt worden, dass ein Anspruch bestehe. Frühestens ab diesem Zeitpunkt habe der Antrag erst weiterverfolgt werden können.
In einem am 06.04.2006 durchgeführten Erörterungs- und Beweistermin wurde der Ehemann der Klägerin als Zeuge gehört. Bezüglich seiner Aussage wird auf das Protokoll über seine Einvernahme verwiesen. Im Hinblick auf den vom SG genannten Bescheid vom 29.05.1996 wurden vom Beklagten Nachforschungen angestellt. Laut Aufzeichnungen in den Aussonderungslisten 1999 wurde für Z. BErzg von 25.02.1991 bis 24.08.1992 bezogen. Eine Antragstellung auf LErzg erfolgte vor 2002 nicht, eben so wenig erging davor ein Bescheid. Dasselbe gilt für N ...
Die Verfahren L 9 EG 48/05 und 49/05 wurden am 04.05.2006 zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung unter Führung des Aktenzeichens L 9 EG 48/05 verbunden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats nach § 155 Abs. 3, 4 SGG erteilt.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 28.11.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2003 aufzuheben sowie den ablehnenden Bescheid vom 20.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.2002 aufzuheben und auf den Überprüfungsantrag der Klägerin Landeserziehungsgeld für das Kind Z. , geb. 1991 ab 25.08.1992 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Weiter beantragt die Klägerin, den Bescheid vom 26.06.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.08.2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin Landeserziehungsgeld für das Kind N. , geb. 1992 ab 19.03.1994 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Der Beklagte stellt den Antrag, die Berufungen zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten und des Sozialgerichts München sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels des Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozi- algerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthaften, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten, und insgesamt zulässigen Berufungen der Klägerin, §§ 143 ff. SGG, erweisen sich als in der Sache nicht begründet. Zu Recht hat das Erstgericht die zu- lässig erhobenen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen abgewiesen.
Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin alleine ergehen, da die Beteiligten darin eingewilligt hatten( § 155 Abs. 3, Abs. 4 SGG ).
Rechtsgrundlage für die Gewährung des bayerischen Landeserziehungsgeldes ist das Gesetz zur Gewährung eines LErzg und zur Ausführung des BErzGG (BayLErzGG) vom 12.06.1989 (GVBl.1989 S. 206). Anspruch auf LErzg hatte gemäß Art. 1 Abs. 1 BayLErzGG in der für Geburten vor 01.07.1993 an geltenden Fassung (GVBl.1995 S.818, 820), wer seine Hauptwohnung oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt seit der Geburt des Kindes, mindestens jedoch 15 Monate in Bayern hatte (Nr. 1), mit einem nach dem 30.06.1989 geborenen Kind, für das ihm die Personensorge zustand, in einem Haushalt lebte (Nr. 2), dieses Kind selbst betreute und erzog (Nr. 3), keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübte (Nr. 4) und schließlich die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaften besaß (Nr. 5).
Nach Art. 3 des Gesetzes wurde LErzg ab dem in § 4 Abs. 1 BErzGG für das Ende des Bezuges von BErzg festgelegten Zeitpunkt bis zur Vollendung von weiteren sechs Lebensmonaten des Kindes gewährt (Abs. 1). Vor dem Ende des sechsten Bezugsmonates endete der Anspruch mit dem Ablauf des Lebensmonats, in dem eine der Anspruchsvoraussetzungen entfallen war. Im Fall der Aufnahme einer vollen Erwerbstätigkeit endete der Anspruch mit dem Beginn der Erwerbstätigkeit (Abs. 3). Nach Art. 5 betrug das LErzg DM 500,00 monatlich. Bei einer Überschreitung der nach §§ 5, 6 BErzGG zu berechnenden Einkommensgrenzen wurde es auf den Betrag von fünf Sechstel des Betrages des maßgeblichen BErzg gekürzt (Abs. 1 Satz 1, 2).
In der vorliegenden Streitsache erfüllte die Klägerin im Bewil- ligungszeitraum unstreitig die Anspruchsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 mit 4 BayLErzGG, denn sie hatte nach Aktenlage ihren Wohnsitz seit 1974 in Bayern, lebte im jeweiligen Anspruchszeitraum mit ihren beiden Kindern, für ihr die Personensorge zustand, und mit ihrem Mann in einem Haushalt, betreute die Kinder selbst und übte daneben keine Erwerbstätigkeit aus.
Nicht erfüllt hatte die Klägerin aber die Voraussetzungen der Nr. 5 des Art. 1 LErzGG, worin der Anspruch auf LErzg von der Staatsangehörigkeit zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften abhängig gemacht wurde.
Diese Bestimmung verstößt jedoch gegen übergeordnetes europäi- sches Gemeinschaftsrecht. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999, Az.: C-262/96 (SozR 3-6935 Alg Nr. 4) verbietet es Art. 3 Abs. 1 des Beschlusses Nr. 3/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 einem Mitgliedstaat, den Anspruch eines türki- schen Staatsangehörigen u.a. auf Familienleistungen nach Art. 4 Abs. 1 des Beschlusses von anderen Voraussetzungen abhängig zu machen als für Staatsangehörige des Mitgliedstaates. Das Bun- dessozialgericht hat mit Urteil vom 10.07.1997 das Bundeserzie- hungsgeld in Anwendung des Urteils des EuGH vom 10.10.1996 (Az.: C-245/94 und C-312/94) zur Familienleistung erklärt. Dem hat sich das BSG mit Urteil vom 29.01.2002 (Az.: B 10 EG 2/01 R) für das Bayerische Landeserziehungsgeld angeschlossen.
Der Klägerin steht aber das beanspruchte Landeserziehungsgeld dennoch nicht zu, weil sie sich insoweit nicht auf das Diskri- minierungsverbot nach Art. 3 Abs. 1 ARB berufen kann. Nach der Sürül-Entscheidung des EuGH kann die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB nämlich nicht zur Begründung von Ansprüchen auf Leistungen für Zeiten vor Erlass dieses Urteils am 04.05.1999 geltend gemacht werden, soweit die Betroffenen nicht vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben. Wie das Bundessozialgericht (u.a. Urteil vom 27.05.2004, Az.: B 10 EG 11/03 R) darlegt, bezieht sich die im Urteil vom EuGH ausgesprochene zeitliche Beschränkung nicht nur auf Verfahren über Kindergeld, sondern auf alle Verfahren, in denen es, wie auch beim Landeserziehungsgeld, um die Geltendmachung von Sozialleistungsansprüchen geht, die auf eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB gestützt werden. Ebenso wie die Hauptaussage des EuGH zur unmittelbaren Anwendbarkeit des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbots ist auch die von ihm verfügte zeitliche Beschränkung, wie das Bundessozialgericht darlegt, verbindlich. An der Rechtmäßigkeit dieser "Neben"-Entscheidung bestehen laut BSG (a.a.O.) keine Zweifel. Voraussetzung für eine wie vom EuGH angenommene zeitliche Beschränkung ist es laut BSG (a.a.O.), dass Unklarheiten des anzuwendenden Rechts oder das Verhalten der Gemeinschaftsorgane einen Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen haben, der es nicht angemessen erscheinen lässt, in gutem Glauben begründete Rechtsverhältnisse rückwirkend in Frage zu stellen (Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes). Darüber hinaus muss die Gefahr unerwarteter und erheblicher finanzieller Auswirkungen bestehen. Es ist nicht ersichtlich laut BSG, dass der EuGH in der Rechtssache Sürül diese Voraussetzungen zu Unrecht bejaht hat. Der EuGH hat dargelegt, dass sich aus seinem Urteil vom 10.09.1996, Az.: C-277/94, Ungewissheit über eine unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 1 ARB ergeben konnte. Unter diesen Umständen durften die Mitgliedstaaten davon ausgehen, sie könnten die Anpassung ihres innerstaatlichen Rechts bis zum Erlass entsprechender Umsetzungsakte zurückstellen. Daraus hat der EuGH den Schluss gezogen, dass abschließend geregelte Rechtsverhältnisse durch sein Urteil vom 04.05.1999 nicht wieder in Frage gestellt werden sollten. Überdies war zu berücksichtigen, dass die Frage, ob Erziehungsgeld eine Familienleistung im Sinne des Europarechts ist, erst durch das Urteil des EuGH vom 10.10.1996 geklärt wurde. Bei der Einschätzung der finanziellen Auswirkungen musste der EuGH schon aus Gründen der Gleichbehandlung alle Sozialleistungen in Betracht ziehen, die europaweit vom ARB erfasst werden.
Die vom EuGH angeordnete zeitliche Beschränkung hindert die Klägerin, ihre Ansprüche auf Landeserziehungsgeld für Zeiten vor dem Erlass des Urteils geltend zu machen. Die vom EuGH vorgesehene Ausnahme für Betroffene, die "vor diesem Zeitpunkt gerichtlich Klage erhoben oder einen gleichwertigen Rechtsbehelf eingelegt haben", kommt ihr nicht zugute. Nach der Begründung der Entscheidung des EuGH vom 04.05.1999 soll diese Ausnahmeregelung verhindern, dass der Schutz der Rechte, die die Einzelnen aus dem Gemeinschaftsrecht herleiten, durch die verfügte zeitliche Beschränkung in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt wird. Aus der Bezugnahme auf einen effektiven Rechtsschutz ergibt sich, dass mit den vom EuGH angesprochenen "Rechtsbehelfen" nur solche gemeint sind, die bei Erlass des Urteils vom 04.05.1999 noch rechtshängig, also offen waren. Denn bei abgeschlossenen Verfahren stellt sich die Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsschutzes von vornherein nicht. Als Rechtsbehelf sind in diesem Zusammenhang auch erstmalige Leistungsanträge zu verstehen, denn auch sie dienen der Geltendmachung von Rechten und unterbrechen z.B. die Verjährung von Ansprüchen (§ 45 Abs. 3 SGB I). Dabei stellt der EuGH nicht darauf ab, aus welchen Gründen entsprechende Anträge nicht ge- stellt oder nach abschlägigen Entscheidungen nicht weiterver- folgt worden sind.
Zur Begründung des Anspruchs hätte die Klägerin laut BSG zwei Fristen einhalten müssen: Zum einen könnte sie sich auf das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 1 ARB nur dann berufen, wenn sie bereits vor dem Erlass des Sürül-Urteils vom 04.05.1999 einen auf Landeserziehungsgeld gerichteten Rechtsbe- helf eingelegt hätte. Zum anderen ist zu beachten, dass LErzg gemäß Art. 3 Abs. 2 Bayerisches LErzGG in der Fassung 12.06.1989 rückwirkend höchstens für zwei Monate vor der schriftlichen Antragstellung zu gewähren ist (Art. 3 Abs. 2 LErzGG vom 12.06.1989).
Die Klägerin hat erst im Februar 2002 einen Antrag auf Lan- deserziehungsgeld für ihre Kinder gestellt und demnach die beiden genannten Fristen nicht eingehalten. Ein früherer Antrag ist nicht nachgewiesen.
Das Vorbringen der Klägerin, es sei ein sowohl das BErzg als auch das LErzg umfassender Antrag gestellt worden, trifft nicht zu. Die Klägerin hat für beide Kinder Antrag auf BErzg gestellt; diese Anträge umfassen aber nicht das LErzg, wie sich aus den entsprechenden Formblättern ergibt. Zum anderen ist das BErzg eine selbständige Leistung, die den Anspruch auf LErzg schon deswegen nicht umfasst, da das LErzg nicht regelmäßig dem BErzg folgt. Hinzukommt, dass dies auch mit dem übrigen Vorbringen der Klägerin nicht übereinstimmt. Denn unabhängig davon, ob man die Angabe der Klägerin, sie habe von einem Anspruch keine Kenntnis gehabt und deswegen erst im Jahr 2002 die Leistung beantragt, als zutreffend ansieht, oder die Aussage ihres Ehemannes, es sei nach Auslaufen des Berzg jeweils LErzg beantragt worden: bei beiden Varianten wurde jedenfalls nicht zusammen mit dem BErzg das LErzg beantragt.
Eine frühere Antragstellung als im Februar 2002 ist auch durch die Aussage des Ehemannes der Klägerin nicht nachgewiesen. Der Nachweis erfordert, dass die behauptete Tatsache mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht. Im Falle der Klägerin bestehen aber erhebliche Zweifel an der behaupteten Antragstellung. Diese sind darin begründet, dass die Klägerin zunächst vorgetragen hatte, sie habe keinen Antrag stellen können und sei durch mündlichen Verwaltungsakt daran gehindert worden. Auch wenn dieses Vorbringen dahin ausgelegt werden kann, dass sie auf die Aussichtslosigkeit des Antrags hingewiesen worden sei, so widerspricht dies doch der späteren Aussage des Ehemannes im Berufungsverfahren, wonach bei beiden Kindern nach Auslaufen des BErzg ein förmlicher Antrag gestellt und persönlich abgegeben, aber nie verbeschieden worden sei. Bei einer solchen Antragstelllung ist auch nicht nachvollziehbar, warum die Klägerin bzw ihr Ehemann bei der Antragstellung im Februar 2002 den noch offenen Antrag nicht erwähnt, sondern im Widerspruchsverfahren sogar behauptet hat, die Antragstellung sei verhindert worden. Dies ist um so mehr von Bedeutung, als zu dieser Zeit die Bedeutung eines offenen Antrags bekannt war, wie der Argumentation im Widerspruchsverfahren zu entnehmen ist. Dass auch vom Bevollmächtigten mit Herstellungsanspruch und Wiedereinsetzung sowie einem alles umfassenden Antrag argumentiert wird, obwohl ein fristgerechter schriftlicher Antrag bei beiden Kindern gestellt und nicht verbeschieden worden sein soll, legt den Schluss nahe, dass auch insofern von der Klägerin vorgetragen worden war, eine Antragstellung sei nicht erfolgt. Die erst im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung die Anträge seien abgegeben worden, ist nicht glaubhaft. Die Erklärung des Zeugen, er habe bereits früher auf die Anträge hingewiesen, ist nicht überzeugend. Denn dass sowohl beim Beklagten als auch beim SG und wohl auch beim Bevollmächtigten diese Angaben nicht zur Kenntnis genommen worden sein sollten, ist nicht einleuchtend. Bei dieser Würdigung bleibt die Tatsache, dass der Ehemann vor dem SG die Antragstellung vor 2002 verneint hat, unberücksichtigt, weil er vor dieser Angabe nicht als Zeuge belehrt worden ist.
Ins Gewicht fällt weiter, dass auch die Aufzeichnungen des Beklagten keinen Antrag auf LErzg vermerken und dies für beide Kinder. Der Umstand, dass das SG im Urteil betreffend Z. einen Bescheid vom 29.05.1996, der rechtskräftig sei, erwähnt, kann die Angabe, ein Antrag sei gestellt worden, nicht stützen. Denn da keinerlei Anhaltspunkt in den Akten betreffend einen Antrag sowie einen Bescheid vom 29.05.1996 enthalten ist und auch das SG bei der Antragstellung diesen Antrag nicht aufgenommen hatte, obwohl es die übrigen Bescheide nennt, deren Überprüfung nach § 44 SGB X begehrt wird, kann es sich nur um einen Fehler im Text handeln, und nicht um einen tatsächlich vorliegenden Bescheid.
Im Übrigen würde dieser Antrag und Bescheid der Klägerin nicht weiterhelfen, da insofern das Verfahren am 04.05.1999 bereits abgeschlossen gewesen wäre, so dass es nach der Rspr. des EuGH ebenfalls nicht zu einer Leistung für die Zeit vor 04.05.1999 kommen könnte.
Ein früherer Antrag als im Februar 2002 ist demnach weder für N. noch für Z. bewiesen.
Auf die Regelung des § 27 SGB X kann die Klägerin sich zur Begründung ihres Anspruchs ebenfalls nicht stützen. Nach dessen Abs. 1 gilt: War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Eine derartige Wiedereinsetzung ist zwar nicht nach § 27 Abs. 5 SGB X unzulässig, da sich aus Art. 3 Abs. 2 Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz nämlich nicht ergibt, dass sie ausgeschlossen ist. Sie ist jedoch gemäß § 27 Abs. 3 SGB X nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt oder die versäumte Handlung nicht mehr nachgeholt werden, außer, wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war. Da die Klägerin den Antrag erst im Februar 2002 gestellt hat, kommt es darauf an, ob er die Antragstellung vor der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war.
Der Begriff der höheren Gewalt hat eine subjektive Komponente und ist nicht auf von außen kommende nicht beeinflussbare Er- eignisse beschränkt (vgl. BSG a.a.O.). Höhere Gewalt ist jedes Geschehen, das auch durch die größstmögliche, von dem Betroffe- nen unter Berücksichtigung seiner Lage, Bildung und Erfahrung vernünftigerweise zu erwartende und zumutbare Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte. Als unabwendbar in diesem Sinn ist eine Fristversäumnis grundsätzlich auch dann anzusehen, wenn sie durch eine falsche oder irreführende Auskunft oder Beleh- rung oder sonst durch ein rechts- oder treuwidriges Verhalten der Verwaltungsbehörde verursacht wird (BSG, a.a.O., m.w.N.).
Aus den Akten ist kein Hinweis ersichtlich, dass die Klägerin von dem Beklagten falsch beraten worden wäre. Aber selbst wenn die Klägerin wegen der vom Beklagten vertretenen Rechtsansicht von der Antragstellung abgehalten worden wäre, hilft ihr das nicht weiter. Das Bundessozialgericht hat in der zitierten Entscheidung dazu festgehalten, dass ein Hinweis der Behörde, ein entsprechender Antrag brauche nicht gestellt zu werden, weil kein Anspruch auf LErzg bestehe, die Annahme von höherer Gewalt nicht rechtfertige. Diese Information sei zwar im Licht der Entscheidung des BSG vom 29.01.2002 (BSGE 89, 129) objektiv falsch gewesen, auch wenn sie der damaligen Rechtsprechung entsprochen habe. Denn eine unrichtige Rechtsauskunft liege auch dann vor, wenn der Versicherungsträger ohne Verschulden von der Richtigkeit seiner Rechtsansicht ausgehen durfte. Entscheidend sei insoweit die damalige Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht. Das BSG weist aber ausdrücklich auf Folgendes hin: Zur Begründung der Fehlerhaftigkeit der Information bedarf es jedoch der Berufung auf die unmittelbare Wirkung des Art. 3 Abs. 1 ARB für einen Zeitraum vor Erlass der Sürül-Entscheidung des EuGH. Es greift hier somit die in diesem Urteil ausgesprochene zeitliche Beschränkung ein. Da die Klägerin am 04.05.1999 kein offenes Verfahren über die Gewährung des Landeserziehungsgelds hatte, könnte sie die objektive Unrichtigkeit der ihr zuteil gewordenen Beratung nicht zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags geltend machen.
Andere Umstände, die unter dem Gesichtspunkt einer höheren Ge- walt eine Wiedereinsetzung ohne Rückgriff auf die unmittelbare Anwendung des Art. 3 Abs. 1 ARB begründen würden, sind bei der Klägerin nicht ersichtlich.
Auch auf grund des richterrechtlich entwickelten Rechtsinstituts eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs steht der Klägerin kein Landeserziehungsgeld für ihre Kinder zu. Nach der Rspr. des BSG (Urteile vom 02.02.2006 Az: B 10 EG 7/05 R u.a.) kann ein sog. Herstellungsanspruch neben dem Institut der Wiedereinsetzung herangezogen werden; es sind aber seine Voraussetzungen nicht erfüllt. Sein Tatbestand fordert das Vorliegen einer Pflichtverletzung, die dem zuständigen Leistungsträger zuzurechnen ist, dadurch muss beim Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten sein, schließlich muss durch Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre.
Wie das Bundessozialgericht darlegt (a.a.O.), kann wegen des Ausspruchs der zeitlichen Beschränkung in der Sürül-Entschei- dung der Herstellungsanspruch wie auch der Wiedereinsetzungsan- trag auf die objektiv fehlerhafte Beratung durch den Beklagten nicht gestützt werden. Ebenso wenig ist die Verletzung einer Pflicht des Beklagte anzunehmen, die Klägerin auf einen sich abzeichnenden Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bzw. entsprechende anhängige Verfahren hinzuweisen. Eine solche Hinweispflicht könnte allenfalls dann entstehen, wenn es auf- grund gravierender Umstände wahrscheinlich erscheint, dass ein Wandel in der Rechtsprechung eintreten wird. In der fraglichen Zeit konnte davon nicht gesprochen werden. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Die Entscheidung über die Kosten, § 193 SGG, ist darin begründet, dass die Klägerin mit ihrem Begehen nicht durchdringen konnte.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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