L 9 SO 4/06

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Schleswig (SHS)
Aktenzeichen
S 12 SO 194/05
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 4/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9b SO 9/06 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.
Der in Bestattungsvorsorgeverträge eingezahlte Geldbetrag ist grundsätzlich ver-wertbares Vermögen i. S. v. § 88 Abs 1 BSHG.

2.
Die Verwertung von Mitteln aus einem Bestattungsvorsorgevertrag ist nicht generell als „Härte“ i. S. v. § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG anzusehen. Die Gesamtumstände des Einzelfalls können aber das Vorliegen einer „Härte“ begründen. Dabei ist zum einen auf die Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung zurückzugreifen, die in § 88 Abs. 2 BSHG zum Ausdruck gekommen sind. Zum anderen sind Schutzwertun-gen aus anderen Bestimmungen des BSHG und der Grundrechte zu berücksichtigen.

3.
Eine „Härte“ liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Bestattungsvorsorgevertrag in Ansehung der kurz bevorstehenden Sozialhilfebedürftigkeit geschlossen wurde.

4.
Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 12. Dezember 2005 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für beide Instanzen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Sozialhilfeleistungen für die aus ihrem Einkommen nicht gedeckten Heimkosten. Dabei geht es um die Frage, ob die Klägerin zunächst ihr Vermögen, das im Rahmen eines Bestattungsvorsorgevertrags gebunden ist, zur Deckung der Heimkosten aufwenden muss.

Die 89 jährige Klägerin lebt seit dem 16. April 2004 im Alten- und Pflegeheim "Haus am K " in B. Vor der Aufnahme in das Heim wurde sie von ihrer Tochter gepflegt.

Am 6. April 2004 hatte die Klägerin einen Bestattungsvorsorgevertrag mit dem Beerdigungsinstitut Jürgen Ka in S abgeschlossen und insgesamt 6.000,00 EUR für Bestattungskosten sowie Grab- und Grabpflegekosten über das Bestattungsinstitut auf ein Treuhandkonto eingezahlt. Der Vertrag setzt sich zusammen aus der Bestellung der Beerdigung in einem Kiefernsarg und weiteren Leistungen für insgesamt 2.897,10 EUR und einem Grabpflegevertrag, durch den das Beerdigungsinstitut die Gestellung eines Reihengrabes mit 30 Jahren Grabpflege für 1.740,00 EUR und eine Grabplatte aus Marmor für 1.011,90 EUR schuldet. Die Kosten für die Grabpflege und die weiteren Leistungen belaufen sich insgesamt 3.102,90 EUR. Das Bestattungsunternehmen erklärte mit Schreiben vom 13. Mai 2004, dass es nicht bereit sei, den Vertrag aufzulösen.

Am 19. April 2004 stellte die Klägerin einen Antrag auf Sozialhilfe wegen der nicht gedeckten Heimkosten. Mit Bescheid vom 26. August 2004 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte er aus, dass grundsätzlich ein Anspruch in Höhe von 320,60 EUR im Monat bestünde. Die Klägerin habe aber zunächst ihr Vermögen in Höhe von 3.699,00 EUR (6.000,00 EUR abzüglich geschütztes Vermögen in Höhe von 2.301,00 EUR) zur Deckung der Heimkosten einzusetzen.

Hiergegen legte die Klägerin am 9. September 2004 Widerspruch ein. Es sei zu berücksichtigen, dass sie – zum damaligen Zeitpunkt – 87 Jahre alt sei und dass die Krankenkassen ab dem Jahre 2004 kein Sterbegeld mehr an die Angehörigen auszahlen würden. Sie habe ein Anrecht auf eine angemessene Alterssicherung. Die Bestattungskosten wären letztlich ohnehin durch den Beklagten zu übernehmen. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2005 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Bei dem über das Bestattungsunternehmen hinterlegten Geld handele es sich um verwertbares Vermögen. Der Einsatz dieses Geldes stelle auch keine Härte dar. Da es sich um einen werkvertragsähnlichen Vertrag mit dem Bestattungsunternehmen handele, sei dieser Vertrag nach § 649 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bis zur Vollendung des Werkes kündbar. Der Tod selbst sei kein Teil der Alterssicherung. Die angemessene Bestattung der Klägerin sei auch über § 15 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gesichert, wenn die Übernahme der Kosten den Angehörigen nicht zumutbar sei.

Hiergegen hat die Klägerin am 9. März 2005 Klage vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht erhoben. Mit Beschluss vom 4. April 2005 hat das Verwaltungsgericht den Rechtsstreit an das Sozialgericht Schleswig verwiesen. Zur Begründung der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass eine Verwertung des Vermögens nicht möglich sei, da kein Kündigungsrecht für den Bestattungsvorsorgevertrag bestehe. Das Geld sei auf einem Sperrkonto der Raiffeisenbank e. G. Ba hinterlegt. Eine Verfügung über dieses Guthaben sei nur bei Vorlage der Sterbeurkunde von der Klägerin durch den Bestatter Jürgen Ka möglich. Auch handele es sich bei dem Bestattungsvorsorgevertrag um eine angemessene Alterssicherung im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG. Der Tod, der in den letzten Lebensjahren immer mehr an Bedeutung gewinne, gehöre zum Lebensabschnitt des Alters. Es bestehe die Angst, durch öffentliche Mittel lediglich ein so genanntes Armenbegräbnis zu erhalten. Auch handele es sich um eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG, wenn das zur Bestattung vorgesehene Vermögen für die Heimkosten verwendet werden müsste. Es sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein Teil der Würde des Menschen, über die Mittel zu verfügen, die für eine angemessene Bestattung und Grabpflege zurückgelegt worden seien. Hinsichtlich der zeitlichen Nähe des Abschlusses des Bestattungsvorsorgevertrages zum Heimaufenthalt hat die Klägerin ausgeführt, dass bei Abschluss des Heimvertrages dieser nicht als Daueraufenthalt geplant gewesen sei. Es habe nur eine Übergangslösung in Form der Kurzzeitpflege sein sollen für die Zeit, in der ihre Tochter, die sie eigentlich gepflegt hat, sich nicht habe kümmern können, da auch deren Mann krebskrank und pflegebedürftig gewesen sei. Der Heimvertrag sei insofern zunächst nur auf Probe geschlossen worden und hätte jederzeit gekündigt werden können. Daher sei auch ihre Wohnung, die der Klägerin, erst zum 1. Juli 2005 aufgegeben worden, obwohl sie sich schon seit dem 19. April im Heim befunden habe.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihre ungedeckten Heimkosten ohne Berücksichtigung des Vermögens aus dem Bestattungsvorsorgevertrag zu übernehmen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, dass der vorliegende Fall mit dem entsprechenden vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall nicht vergleichbar sei, da in dem dort entschiedenen Fall der Bestattungsvorsorgevertrag schon Jahre vor Beginn der Hilfebedürftigkeit abgeschlossen worden sei. Im vorliegenden Fall sei der Vertrag jedoch lediglich zehn Tage vor der Heimaufnahme abgeschlossen worden. Bestattungsvorsorgeverträge seien grundsätzlich kündbar, so dass man nach einer Kündigung auch das Geld von dem Sperrkonto herausverlangen könne. Auch der Wegfall des Sterbegeldes mache keinen Unterschied, da dieses Geld bereits früher nicht für eine Bestattung des Verstorbenen ausgereicht habe. Der Gesetzgeber habe bei Wegfall des Sterbegelds gerade keine Anpassung in den Sozialhilfevorschriften als Ausgleich hierfür geschaffen.

Das Sozialgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 12. Dezember 2005 verpflichtet, der Klägerin Sozialhilfeleistungen ohne Anrechnung des Vermögens in Form des Bestattungsvorsorgevertrages zu gewähren. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass die Klägerin ihr Vermögen nicht einsetzen müsse, weil dies eine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG bedeuten würde. Im Einzelnen hat das Sozialgericht hierzu unter anderem folgendes dargelegt:

"Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz von Vermögen abhängig gemacht werden, wenn dies für den Hilfesuchenden eine Härte bedeuten würde. Grundsätzlich setzt eine solche Härte eine Fallgestaltung voraus, die nach den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG vom Vermögenseinsatz frei bleiben soll, aber wegen ihrer Atypik nicht von der Aufzählung des § 88 Abs. 2 BSHG erfasst werden konnte (BVerwG, Urteil vom 29. April 1993 5 C 12/90, BVerGE 92, 254). Leitgedanke dieser Bestimmungen über den Vermögenseinsatz ist es, zu gewährleisten, dass dem Hilfeempfänger ein gewisser Spielraum in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit erhalten bleibt und dass die vorhandene wesentlichen Lebensgrundlagen nicht beeinträchtigt werden. § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG regelt hierzu beispielhaft, dass eine Härte bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen dann anzunehmen ist, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Bei den Regeln über das Schonvermögen ist zu berücksichtigen, dass die Vorschriften sich nicht auf den Schutz wirtschaftlicher Interessen beschränken, sondern auch immaterielle Werte wie den Besitz von Familien- und Erbstücken im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 5 BSHG und von Gegenständen, die zur Befriedigung geistiger, besonders wissenschaftlicher und künstlicher Bedürfnisse im Sinne des § 88 Abs. 2 Nr. 6 BSHG dienen, schützt (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 23. Juli 2003, 4 LC 523/02, zitiert nach Juris). Insgesamt ist nach der Maßgabe des § 1 Abs. 2 BSHG zu berücksichtigen, dass es die Aufgabe der Sozialhilfe ist, dem Empfänger der Hilfe die Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspricht.

Nach diesen Maßgaben des Gesetzgebers ist der Wunsch vieler Menschen, für die Zeit nach ihrem Tod vorzusorgen, dahin zu respektieren, dass ihnen die Mitteil erhalten bleiben, die sie für eine angemessene Bestattung und eine angemessene Grabpflege zurückgelegt haben (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 2003, 5 C 84/02, FEVS 56, 302 ff.; OVG Lüneburg, a. a. O.; OVG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Dezember 2003,. 16 B 2078/03, FEVS 55, 478 ff.; a.A. OVG Koblenz, Beschluss vom 24. März 2003, 12 A 10302, FEVS 54, 534 ff.).

Nach der entgegenstehenden Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz in der zitierten Entscheidung könne das Vermögen in der Form eines Bestattungsvorsorgevertrages nicht unter die Härtefallklausel des § 88 Abs. 3 BSHG fallen, da dieser Auffangtatbestand lediglich für atypische Sonderfälle gelte, während die Regelhärtefälle in § 88 Abs. 2 BSHG ausdrücklich genannt seien. Bei der Bestattungsvorsorge handele es sich jedoch um einen typischen Fall, den der Gesetzgeber offenbar nicht habe ausnehmen wollen. Dem kann nach Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden. Bei der Bestattungsvorsorge handelt es sich hinsichtlich der Typizität nicht um einen mit den in § 88 Abs. 2 BSHG genannten Fallbeispielen vergleichbaren Fall. Dass ein Hilfeempfänger nicht nur Geld für die eigene Bestattung anspart, sondern dass ihm dies sogar so wichtig ist, dass er noch zu Lebzeiten die Bestattung vertraglich regelt und aus dem eigenen Vermögen finanziert, stellt nicht den Regelfall in der Gesellschaft dar, zumindest nicht verglichen mit den in § 88 Abs. 2 BSHG genannten typischen Fällen, die insbesondere den Erhalt des Eigenheims, der Haushaltsführung, der Berufsausübung und der Altersvorsorge sicherstellen sollen. Zwar handelt es sich bei Bestattungsvorsorgeverträgen auch nicht um besonders außergewöhnliche Vereinbarungen. Das schließt aber eine Subsumtion unter die Härtefallklausel des § 88 Abs. 3 BSHG nicht aus. Vielmehr handelt es sich bei dieser Norm um einen Auffangtatbestand, der eine Einzelfallbetrachtung ermöglicht.

Dass im vorliegenden Fall der Bestattungsvorsorgevertrag nur zehn Tage vor der Heimaufnahme geschlossen wurde, führt nach Auffassung der Kammer nicht dazu, das Vorliegen eines Härtefalles zu verneinen. Anders als die 19. Kammer des erkennenden Gerichts (Urteil vom 6. September 2005, S 19 SO 64/05), die in einem vergleichbaren Fall, in dem der Heimvertrag drei Wochen vor Heimaufnahme geschlossen wurde, das Vorliegen eines Härtefalls verneint hat, da das besondere Anliegen des Hilfeempfängers an einer wunschgemäßen Bestattung nicht ausreichend erkennbar sei, wenn der Vertrag erst in Ansehung des bevorstehenden Heimaufenthaltes abgeschlossen werde, sieht die erkennende Kammer den zeitlichen Umstand nicht als maßgebliches Kriterium an.

Zum einen ist die Schlussfolgerung, dass einem Menschen, der sich bereits in jüngeren Jahren Gedanken um seine Bestattung macht, dieses ein größeres Anliegen ist als einem Menschen, der sich erst später mit diesen Fragen auseinandersetzt, nicht zwingend. Vielmehr wird es den Regelfall darstellen, dass das Thema der Bestattung einen immer bedeutenderen Stellenwert einnimmt, je weniger Selbstvertrauen in die eigene Gesundheit vorhanden ist. Es ist insofern nahe liegend, dass gerade das Erkennen der Pflegebedürftigkeit und der von vielen älteren Menschen als letzter Schritt angesehene Umzug in ein Pflegeheim mit dem Zeitpunkt zusammenfällt, in dem das Bedürfnis entsteht, die eigenen Angelegenheiten nach dem Tode zu regeln, solange dies in eigener Verantwortung noch möglich ist. Dass dieses Bedürfnis bei Menschen, die dies schon früher empfunden haben, höher zu bewerten sein sollte, leuchtet nicht ein. Dieses Ergebnis wäre nach Auffassung der Kammer lediglich mit dem Argument zu erzielen, dass einem Menschen, der erst zu einem späteren Zeitpunkt die Vorsorge für die Bestattung trifft, schlicht nicht geglaubt wird, dass ihm diese Vorsorge tatsächlich ebenso wichtig ist. Diese Annahme möchte sich die Kammer jedoch aus den genannten Gründen nicht zu eigen machen.

Zum anderen sieht die Kammer bereits die Grundannahme, dass Menschen, die erst angesichts der bevorstehenden Heimaufnahme einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließen, erst zu diesem Zeitpunkt eine Vorsore für die Bestattung treffen, nicht zwingend als gegeben an. In viele Fällen wird auch der auf den Sparbüchern vorhandene Betrag bereits im Hinblick auf die Absicherung der Bestattung und der Grabpflege angespart und ggf. in Absprache mit den Erben eingeplant sein. Erst die Erkenntnis, dass dieser Betrag noch vor dem Tode aufgebraucht sein könnte, kann das Bedürfnis entstehen lassen, die Bestattung durch einen Bestattungsvorsorgevertrag abzusichern.

Insofern wird gerade das Erkennen der eigenen Pflegebedürftigkeit und damit das emotionale Näherrücken des Todeszeitpunktes und die Befürchtung, dass das womöglich bereits lange für die Bestattung verplante Vermögen bis zum Zeitpunkt des Todes nicht mehr vorhanden sein könnte, das Bedürfnis nach einer Bestattungsvorsorge verstärken. Eine moralische Bewertung zwischen dem Bedürfnis zu diesem und zu einem früheren Zeitpunkt vermag die Kammer, wie bereits ausgeführt, nicht zu treffen ..."

Gegen dieses dem Beklagten am 9. Januar 2006 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die am 1. Februar 2006 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass die Klägerin den Bestattungsvorsorgevertrag kündigen könne. Die Verwertung des vom Beerdigungsinstituts zurückzuzahlenden Geldes stelle keine Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 BSHG dar. Dieser Auffangtatbestand gelte lediglich für atypische Fälle, während die Regelhärtefälle in § 88 Abs. 3 BSHG und in dem heutigen § 90 Abs. 2 SGB XII ausdrücklich genannt seien. Bei der Bestattungsvorsorge handele es sich aber gerade um einen typischen Fall. Das Vorliegen eines Härtefalls sei hier auch deshalb ausgeschlossen, weil im vorliegenden Fall der Bestattungsvorsorgevertrag nur zehn Tage vor dem Heimaufenthalt abgeschlossen worden sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 12. Dezember 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; sie ist auch begründet.

Der Beklagte hat zu Recht entschieden, dass der von der Klägerin in den Bestattungsvorsorgevertrag eingezahlte Geldbetrag in Höhe von 6.000,00 EUR (abzüglich des gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG geschützten Vermögens von 2.301,00 EUR) verwertbares Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG darstellt, das nicht der Verschonung nach § 88 Abs. 3 BSHG unterliegt. Dieses hat die Klägerin vorrangig zur Begleichung der ungedeckten Heimkosten einzusetzen. So lange besteht kein Anspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen. Dies führt zur Aufhebung des vom Beklagten angefochtenen Urteils des Sozialgerichts und zur Abweisung der Klage.

Zum verwertbaren Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG gehört jeder Vermögensgegenstand, der nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten tatsächlich verwertet werden kann und damit grundsätzlich geeignet ist, der bestehenden Hilfebedürftigkeit zu begegnen. Verwertbarkeit im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG setzt nicht unbedingt die sofortige Verwertungsmöglichkeit voraus. Zum verwertbaren Vermögen in diesem Sinne gehören vielmehr auch Vermögenswerte, deren Verwertung eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt, also etwa Forderungen, die erst nach einer vorherigen Kündigung fällig werden oder sogar erst noch eingeklagt werden müssen, vorausgesetzt, dies ermöglicht eine rechtzeitige Bedarfsdeckung. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, verfügt die Klägerin über Vermögen in Form des Anspruchs auf die vereinbarten Bestattungs- und Grabpflegeleistungen. Durch eine Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrages wäre es der Klägerin möglich, diesen Anspruch in Geldmittel umzuwandeln. Eine Kündigung ist grundsätzlich nach § 649 BGB möglich, da es sich bei dem Bestattungsvorsorgevertrag um einen dem Werkvertrag ähnlichen Vertragstyp handelt. Nach dieser Vorschrift kann der Besteller bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, das er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Der Klägerin stünde daher nach einer Kündigung des Vertrages nicht der gesamte eingesetzte Betrag in Höhe von 6.000,00 EUR zur Verfügung, sondern der Bestattungsunternehmer könnte den von ihm kalkulierten Reingewinn behalten. Ermittlungen zur konkreten Höhe des Anspruchs der Klägerin gegenüber dem Bestattungsunternehmer brauchte der Senat von Amts wegen nicht anzustellen. Die Klägerin hat, obwohl ihr dies durch Rückfrage bei dem Bestattungsunternehmen hätte möglich sein müssen, hinsichtlich der Auszahlungshöhe bei der Kündigung des Bestattungsvorsorgevertrags keinerlei konkrete Angaben gemacht, so dass hier von einer Vermögensposition in Höhe von 3.699,00 EUR auszugehen war (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. März 2003, 12 A 10302/03.OVG). Die Klägerin wäre überdies verpflichtet gewesen, alles zu tun, um das eingezahlte Geld zurückzuerhalten. Da die Klägerin nichts unternommen hat, steht das Vermögen weiterhin zur Verfügung. Selbst bei Abzug eines fiktiven Gewinns des Bestattungsunternehmers würde der Rückzahlungsbetrag aus dem Bestattungsvorsorgevertrag ausreichen, um einen Sozialhilfeanspruch für den Zeitpunkt der Antragstellung auszuschließen. Die Klägerin hat 6.000,00 EUR in den Vertrag eingezahlt. Ihr einzusetzendes Vermögen beträgt 3.699,00 EUR. Selbst bei Annahme eines beträchtlichen Gewinnabzugs würde die Klägerin bei Vertragsauflösung einen deutlich darüber liegenden Betrag erhalten. Solange die Klägerin den Vertrag mit dem Bestattungsunternehmen nicht auflöst, besitzt sie weiterhin verwertbares Vermögen im Sinne von § 88 Abs. 1 BSHG und ihr Anspruch auf Hilfe in besonderen Lebenslagen ist auch weiterhin ausgeschlossen.

Mittel für Bestattungsvorsorgeverträge sind nicht in der Aufzählung verschonter Vermögensgegenstände in § 88 Abs. 2 BSHG genannt. Ihre Verschonung ist daher nur unter den Voraussetzungen des § 88 Abs. 3 BSHG möglich, wobei nur unmittelbar Satz 1 und nicht Satz 2 dieser Norm einschlägig ist (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 11. Dezember 2003, 5 C 84/02).

Nach § 88 Abs. 3 Satz 2 BSHG bedeutet der Vermögenseinsatz bei der Hilfe in besonderen Lebenslagen eine Härte vor allem, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Eine Härte im Sinne dieser Vorschrift ist schon deshalb zu verneinen, weil nach dieser Vorschrift Vermögen nur dann der Verschonung unterliegen kann, wenn es um die Deckung eines Bedarfs geht, welchen der Hilfesuchende noch zu seinen Lebzeiten hat. Denn die "angemessene Lebensführung" als auch die "angemessene Alterssicherung" finden begriffsnotwendig ihr Ende mit dem Tod des Betreffenden. Eine Vorsorge des Hilfesuchenden für die Zeit nach seinem Tod kann daher weder unter den Begriff "angemessene Lebensführung" noch unter den Begriff Aufrechterhaltung einer "angemessenen Altersicherung" subsumiert werden. Eine Auslegung dahingehend, dass der Lebensabschnitt "Alter" auch den diesen Lebensabschnitt abschließenden Todesfall umfasse, überdehnt den Gesetzeswortlaut (Hauck/Noftz-Lücking, SGB XII § 90 Rn. 73, anderer Ansicht Spranger NVwZ 2001, 877).

Nach § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für denjenigen, der Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Diese Vorschrift zielt auf atypische Fälle ab, die nicht von § 88 Abs. 2 BSHG erfasst, aber unter wertenden Gesichtspunkten mit diesen Fällen vergleichbar sind (vgl. BVerwGE 92, 254). Dabei ist zum einen auf die Leitvorstellungen des Gesetzes für die Verschonung zurückzugreifen, die in § 88 Abs. 2 BSHG zum Ausdruck gekommen sind, und zum anderen sind auch Schutzwertungen aus anderen Bestimmungen des BSHG zu berücksichtigen. Dabei stellt das für die eigene Bestattung angesammelte Vermögen nicht generell ein Vermögen dar, das durch § 88 Abs. 3 BSHG geschützt wird. Dies würde der Zielrichtung des Gesetzgebers widersprechen, der diesen Tatbestand gerade nicht in § 88 Abs. 2 BSHG (und jetzt auch nicht in § 90 Abs. 2 SGB XII) aufgeführt hat. So ist die Verwertung von Mitteln aus einem Bestattungsvorsorgevertrag nicht generell als Härte im Sinne von § 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG anzusehen. Vielmehr müssen die Gesamtumstände des Einzelfalls das Vorliegen einer Härte ergeben (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2006 – L 8 SO 135/05 ER; Hauck/Noftz, - Lücking ebenda; Fichtner/Wenzel, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl., § 90 SGB XII Rn. 21; Mergler/Zink, SGB XII, § 90 Rn. 78 mit Nachweisen auf die Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte; anderer Ansicht: Brühl in LPK-SGB XII, § 90 Rn. 12 und Grube-Wahrendorf SGB XII § 90 Rn. 44, nach deren Auffassung für Bestattung und Grabpflege angesammeltes angemessenes Vermögen in verfassungskonformer Auslegung generell durch die Härteregelung gesichert ist – so im Ergebnis wohl auch Bundesverwaltungsgericht, ebenda).

Nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls ist der Senat im Gegensatz zum Sozialgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Verwertung des in den Bestattungsvorsorgevertrag eingezahlten Geldes für die Klägerin objektiv keine Härte bedeutet. Die Annahme einer Härte kommt nur dann in Betracht, wenn dies zu einem den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG entsprechenden Ergebnis führt. Das ist hier nicht der Fall. Das bis zehn Tage vor dem Heimbezug vorhandene Sparguthaben der Klägerin wäre (abzüglich des Schonvermögens) unzweifelhaft als Vermögen vor dem Bezug von Sozialleistungen einzusetzen gewesen. Die "Umwidmung" dieses Vermögens durch Einzahlung in einen Bestattungsvorsorgevertrag in Kenntnis dessen, dass in zehn Tagen Sozialhilfebedürftigkeit eintreten wird, kann nicht zur Annahme einer Härte führen. Die Klägerin hat den Umstand, der nun die Härte begründen soll, selbst herbeigeführt, um sich danach sogleich auf die Härte zu berufen. Dies ist keine Konstellation, die zu den Leitvorstellungen des § 88 Abs. 2 BSHG passt. Dort wird etwas – aus ganz bestimmten Gründen - geschützt, das schon vorhanden ist. Hier hat die Klägerin hingegen etwas nicht geschütztes Vorhandenes (Sparguthaben) in etwas (eventuell) Geschütztes (Bestattungsvorsorgevertrag) umgewandelt. Deshalb unterscheidet sich der Fall auch deutlich von demjenigen, der dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 11. Dezember 2003 (5 C 84/02) zugrunde lag, in dem die Klägerin bereits Jahre vor der Forderung des Vermögenseinsatzes einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen hatte. Hier hingegen hat die Klägerin den Bestattungsvorsorgevertrag erst abgeschlossen, als ihre Heimaufnahme bereits feststand. Die Sorge um die eigene Bestattung ist damit nicht ein das Leben der Klägerin bestimmender Umstand gewesen, für den sie schon lange Jahre Vorsorge getroffen hatte. Erst als feststand, dass sie ihr Vermögen für die Heimkosten würde einsetzen müssen, hat sie den Vertrag geschlossen und damit lediglich wirtschaftlich Vorsorge zu Gunsten ihrer Kinder getroffen, die sonst die Kosten der Bestattung zu tragen hätten. Eine Entlastung der Angehörigen/Erben widerspricht jedoch dem Sinn und Zweck der Sozialhilfe (Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 20. November 2003, 2 MB 133/03; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 2. Februar 2006, L 8 SO 135/05 ER).

Unabhängig davon, dass hier schon der späte Zeitpunkt des Abschlusses des Bestattungsvorsorgevertrages die Annahme einer Härte ausschließt, kommt dies auch aus anderen Gründen nicht in Betracht. Der Umstand, dass die Ansparung von Vermögen für eine würdige und angemessene Bestattung bei älteren Menschen regelmäßig vorkommt, der Gesetzgeber jedoch keine Veranlassung gesehen hat, diesen typischen Lebenssachverhalt entweder in den Tatbeständen des § 88 Abs. 2 BSHG oder in der Folgevorschrift des § 90 Abs. 2 SGB XII zu regeln, schließt eine Härte, also einen atypischen Fall, regelmäßig aus, soweit nicht besondere Umstände des Einzelfalls hinzukommen (denkbar z. B. kein Vermögen und keine Verwandten; religiös bedingte besondere Art der Bestattung; langfristig getroffene Vorsorge). Wollte man dies nicht verlangen, würde nahezu jeder Fall zum atypischen Härtefall erklärt und damit faktisch ein weiterer Tatbestand von § 88 Abs. 2 BSHG/§ 90 Abs. 2 SGB XII geschaffen.

Die gegen diese gesetzliche Regelung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken (Brühl in LPK-SGB XII, a.a.O., Grube-Wahrendorf, SGB XII, a.a.O.; Widmann ZfSH/SGB 2001, 653) teilt der Senat nicht, da durch die Übernahme der Bestattungskosten nach § 15 BSHG (jetzt: § 74 SGB XII) jedem mittellosen Hilfebedürftigen eine angemessene Bestattung garantiert wird. Deshalb ist auch keine verfassungskonforme Auslegung in dem Sinne geboten, für Bestattung und Grabpflege angesammeltes angemessenes Vermögen generell über die Härteregelung zu verschonen. Im Einzelfall bleiben die Wertvorstellungen der Grundrechte zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Härte hingegen beachtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Entscheidung über die Zulassung der Revision ergibt sich wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache aus § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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