L 12 KA 173/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 39 KA 494/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 173/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 82/06 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom
21. Oktober 2004 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten des Beklagten im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung.

Der 1951 geborene Kläger beantragte am 7. Dezember 1998 die bedarfsunabhängige Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung als psychologischer Psychotherapeut gemäß § 95 Abs.10 SGB V für den Vertragsarztsitz D.straße, F ... Er nimmt seit 1994 an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung im Delegationsverfahren teil. Am 4. Januar 1999 wurde ihm die Approbation als Psychologischer Psychotherapeut erteilt. Aus einem in der Zulassungsakte enthaltenen Aktenvermerk geht hervor, dass er die Voraussetzungen der besitzstandswahrenden Vortätigkeit hinsichtlich der Stundenzahl erfülle.

Der Kläger ist seit 1982 in einem Vollzeitarbeitsverhältnis (38,5 Stunden) in der Justizvollzugsanstalt L. (Jugendstrafvollzug) als Anstaltspsychologe (BAT/Ib) beschäftigt. Zuletzt übersandte er eine Bezügemitteilung vom 22. September 2005. Ausweislich einer Bestätigung der JVA L. vom 30. Oktober 1998 sei er mit der psychologischen und psychotherapeutischen Betreuung jugendlicher und heranwachsender Inhaftierter (Jugenderstvollzug) betraut. Die Tätigkeit umfasse Kriseninterventionsmaßnahmen vom Charakter der Kurzzeittherapien, insbesondere bei depressiver Reaktion, suizidalem und selbstschädigendem Verhalten. Längerfristige Behandlungen erfolgten im Sinne einer modifizierten psychoanalytischen Psychotherapie oder tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.

Mit Beschluss vom 14. April 1999 lehnte der Zulassungsausschuss Ärzte Oberbayern den Zulassungsantrag ab. Dabei stütze er sich auf § 20 Abs.1 und Abs.2 Ärzte-ZV. Mit Schreiben vom 30. März 1999 hatte der Kläger zuvor erklärt, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit nicht in Betracht komme. Die Tätigkeit als angestellter Anstaltspsychologe wolle er nicht aufgeben, da die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit zu schlecht vergütet werde, um davon leben zu können.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und legte eine Bescheinigung vom 19. Mai 2000 der JVA L. vor, nach der es dem Kläger widerruflich in dringenden Notfällen gestattet sei, seine Nebentätigkeit kurzfristig auch während der Kernzeiten zu unterbrechen und damit nicht im Dienst anwesend zu sein, soweit zum selben Zeitpunkt keine dringenden dienstlichen Gründe seine Anwesenheit erforderlich machten.

Der Widerspruch wurde mit am 12. Januar 2001 ausgefertigtem Beschluss des ersten Berufungsausschusses für Ärzte Bayern (Sitzung 14. November 2000) zurückgewiesen. Zur Begründung wird auf § 20 Abs.1 Ärzte-ZV Bezug genommen. Der Psychologische Psychotherapeut müsse mindestens im Umfang von einer halben Stelle der vertragsärztlichen Versorgung zur Verfügung stehen. Auch wenn geltend gemacht werde, flexible Arbeitszeiten zu haben, ändere dies nichts daran, dass er bereits eine volle Stelle habe, in die er seine ganze Arbeitskraft einbringen müsse. Trotz der Zusicherung, in der Gestaltung der Tätigkeit flexibel zu sein, sei der Arbeitgeber gehalten, darauf zu achten, dass die Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten würden, die eine Beschäftigung über eine werktägliche Stundenzahl von acht Stunden hinaus verböten. Bei einer mindestens halbtäglichen selbständigen Tätigkeit als vertragsärztlicher Psychotherapeut dürfte die Einhaltung der vorgeschriebenen Ruhepausen nicht mehr gewährleistet sein.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben. Ausgeführt wird, dass der Kläger täglich in erforderlichem Maße zur Verfügung stehe. Bei der Auslegung des § 20 Abs.1 Ärzte-ZV müsse der besonderen Behandlungsweise der Psychotherapie Rechnung getragen werden. Offene Sprechstunden kämen nicht vor. Der Kläger könne seine Therapiestunden in die späten Nachmittag- oder Abendstunden legen. Auch § 20 Abs.2 Ärzte-ZV stehe der Zulassung nicht entgegen. In der JVA würden ausschließlich jugendliche Straftäter untergebracht. Diese kämen aus dem gesamten bayerischen Raum und kehrten in der Regel auch wieder an ihre Heimatorte zurück. Der Kläger behandle in seiner Praxis aber nur Erwachsene. Hingewiesen wird auf ein Urteil des LSG Berlin vom 27. November 1991 (L 7 KA 9/91; Nichtzulassungsbeschluss BSG vom 28. Oktober 1992, 6 BKa 1/92). Ergänzend wird vorgetragen, dass die regelmäßige Anwesenheit in der Strafvollzugsanstalt 24 Stunden pro Woche betrage. Die telefonische Erreichbarkeit sei permanent gegeben. Der Kläger stehe den Kassenpatienten bei einer Fünftagewoche fünf bis sechs Stunden täglich, das heißt 25 bis 30 Stunden pro Woche, zur Verfügung. Der BSG-Entscheidung vom 30. Januar 2002 (B 6 KA 20/01), die eine typisierende Betrachtungsweise vornehme, sei nicht zu folgen. Vielmehr sei eine individuelle Betrachtungsweise geboten.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 2004 abgewiesen. Zur Begründung wurde auf § 136 Abs.3 SGG Bezug genommen und ergänzend auf die Ausführungen des BSG in seiner Entscheidung vom 30. Januar 2002 (B 6 KA 20/01 R) hingewiesen.

Gegen das am 1. Februar 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 11. März 2005 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und gleichzeitig gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. In der Sache wird im Wesentlichen das Vorbringen zum Klageverfahren wiederholt.

Zur Wiedereinsetzung wird vorgetragen, dass der Klägerbevollmächtigte rechtzeitig den klägerischen Auftrag zur Berufungseinlegung erhalten habe. Die Berufungsfrist sei von der Anwaltssekretärin in den Fristenkalender mit Datum 1. März 2005 eingetragen worden. Der Unterzeichner habe am 1. März 2005 die Berufungsschrift diktiert, die ihm am späten Nachmittag nach 17 Uhr zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Nach Unterzeichnung habe er sie der für den Postauslauf zuständigen Frau K. unter Hinweis auf den Fristablauf mit dem Auftrag übergeben, das Schriftstück noch am selben Tage an das Bayerische Landessozialgericht zu faxen. Mehrfachexemplare sollten am nächsten Tag per Post expediert werden. Frau K. habe wegen einer Vielzahl eingehender Telefonate bis zu ihrem Verlassen um 18 Uhr nicht mehr daran gedacht, die Berufungsschrift wegzufaxen. Als sie am nächsten Tag, dem 2. März, in der Kanzlei erschienen sei, habe sie das Unterlassen bemerkt. Vorgelegt wird eine eidesstattliche Versicherung der Genannten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 21. Oktober 2004 und den Bescheid des Beklagten vom 12. Januar 2001 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihn als Psychologischen Psychotherapeuten an dem beantragten Praxissitz in F. zur vertragsärztlichen Versorgung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Berufung sei zumindest als unbegründet abzuweisen, sofern sie nicht bereits wegen Verfristung als unzulässig abzuweisen sei.

Die Beigeladenen zu 1), 2), 4) und 5) beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat zur Höhe des Einkommens im Zeitfenster ermittelt.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger klargestellt, dass er in einer Sechs-Tage-Woche täglich sechs Stunden in der Anstalt arbeite und die restlichen 2,5 Stunden nach Bedarf am Abend ableiste. In seiner Praxis erbringe er durchschnittlich 12 Therapiestunden wöchentlich.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Zulassungs- und Berufungsausschusses, der Akte des Sozialgerichts München sowie der Verfahrensakte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Der Senat gewährt gemäß § 67 Abs.1, Abs.2 SGG Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist, weil der Kläger ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Auch seinem Prozessbevollmächtigten ist ein dem Kläger zuzurechnendes Verschulden nicht anzulasten (§ 73 Abs.4 Satz 1 SGG i.V.m. § 85 Abs.2 ZPO).

Der Kläger hat den Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses am 2. März 2005, nämlich am 11. März 2005 gestellt und die versäumte Rechtshandlung nachgeholt. Er hat die Tatsachen, die nach seiner Ansicht das fehlende Verschulden einschließlich des Zeitpunkts des Entdeckens des Fehlers begründen, durch Vortrag und eidesstattliche Versicherung der angestellten Bürohilfskraft Frau K. glaubhaft gemacht.

Zwar ist nach gefestigter Rechtsprechung darauf hinzuweisen, dass bei Einlegung des Rechtsmittels ein bevollmächtigter Anwalt hinsichtlich der Fristwahrung eine erhöhte Sorgfaltspflicht dann trifft, wenn die Rechtsmittelfrist, wie hier, bis zum letzten Tag ausgenutzt worden ist (BGHZ 1989, 2393, BGH VersR 1979, 160). Dies steht nicht in Widerspruch zu dem Grundsatz, dass Fristen bis zum letzten Tag ausgenutzt werden können. Diese Pflicht folgt nämlich der Sache nach nicht aus einer besonderen Verschärfung der Sorgfaltspflicht für den letzten Tag, sondern schlicht aus dem allgemein geltenden Gebot, Schriftsätze fristwahrend einzureichen. Im Rahmen der zu beachtenden Sorgfaltspflicht trifft den Anwalt auch die Pflicht, für eine effektive Ausgangskontrolle Sorge zu tragen. Ein Organisationsverschulden läge aber nur dann vor, wenn man nach Erteilung der Einzelanweisung an die angestellte Bürokraft, im Hinblick auf den letzten Tag der Frist die unterschriebene Berufungsschrift per Telefax sofort an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten, vom Bestehen einer Pflicht zur anschließenden Überprüfung ausgeht. Hier ist eine solche Anweisung gegen 18 Uhr unter Hinweis auf den Fristablauf mit Ende des Tages erfolgt, wobei die Bürokraft offensichtlich regelmäßig um 18 Uhr das Büro verlässt. Nach Ansicht des Senats darf jedoch ein Rechtsanwalt grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt. Er ist deshalb im Allgemeinen nicht verpflichtet, sich anschließend über die Ausführung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. BGH v. 6. Oktober 1987, VersR 1988, 185 f; BGH v. 11. Februar 2003, VersR 203, 1462, BGH v. 9. Dezember 2003, MDR 2004, 477, BGH v. 26. September 1995, NJW 1996, 130). Davon wird nur abzuweichen sein, wenn ein wichtiger Vorgang, wie die Einhaltung einer Rechtsmittelfrist betroffen ist, und die Anweisung bereits längere Zeit zurückliegt. Dann ist auch bei zuverlässigen Bürokräften damit zu rechnen, dass über den längeren Zeitraum eine mündliche Einzelanweisung in Vergessenheit gerät (vgl. BGH v. 22. Juni 2004, VersR 2005, 383). Hier ist jedoch die Anweisung in engem zeitlichen Zusammenhang mit ihrer mutmaßlichen Ausführung erteilt worden. Für diesen Fall eine zusätzliche Ausführungsprüfungspflicht anzunehmen, würde eine Überspannung der anwaltlichen Sorgfaltspflichten bedeuten.

Die Berufung erweist sich jedoch als nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, weil er in seiner Person die subjektiven Zulassungsvoraussetzungen des § 98 Abs.2 Nr.10 SGB V i.V.m. § 20 Abs.1 Ärztezulassungsverordnung (i.F. Ärzte-ZV) nicht erfüllt.

Rechtsgrundlage des Anspruches des Klägers auf Zulassung zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung als Psychologischer Psychotherapeut ist § 95 Abs.10 SGB V in der Fassung des Gesetzes vom 16. Juni 1998 (BGBl.I 1311). Danach werden Psychotherapeuten zugelassen, wenn sie bis zum 31. Dezember 1998 die Voraussetzungen der Approbation nach § 12 Psychotherapeutengesetz und des Fachkundenachweises nach § 95c Satz 2 Nr.3 SGB V erfüllen und den Antrag auf Erteilung der Zulassung gestellt haben, bis zum 31. März 1999 die Approbationsurkunde vorlegen und in der Zeit vom 25. Juni 1994 bis zum 24. Juni 1997 (sog. Zeitfenster) an der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung der Versicherten der GKV teilgenommen haben. Nach dem Vortrag der Beteiligten und dem Inhalt der Verwaltungsakte erfüllt der Kläger diese Voraussetzungen in Ansehung der Zahl der Behandlungsstunden.

Ob allerdings am Erfordernis der Teilnahme im Sinne der Vorschrift im Hinblick auf die Tätigkeit als Anstaltspsychologe zu zweifeln ist, kann der Senat offen lassen.

Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG v. 08.11.2000, B 6 KA 52/00 R) liegt eine Teilnahme im Sinne der Vorschrift dann nicht vor, wenn im Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit eines Psychotherapeuten andere Tätigkeiten gestanden haben und die ambulante Behandlungstätigkeit nur untergeordneten Charakter hatte. Dies ist dann der Fall, wenn die ambulante Behandlungstätigkeit im maßgeblichen Zeitraum des Zeitfensters nicht wenigstens einen von zwei gleich zu gewichtenden Schwerpunkten darstellte. Selbst wenn man von einer 20-stündigen Behandlungstätigkeit ausgehen würde, würde sich diese als gegenüber der Vollzeittätigkeit als Anstaltspsychologe als untergeordnete Nebentätigkeit darstellen.

Denn einer Zulassung des Klägers zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung stehen Zulassungshindernisse im Sinne des § 20 Abs.1 und Abs.2 Ärzte-ZV entgegen. Die Vorschrift findet auf Psychotherapeuten gemäß § 1 Abs.3 Ärzte-ZV entsprechend Anwendung. Nach § 20 Abs.1 Ärzte-ZV ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht in erforderlichem Maße zur Verfügung steht. Zur Ausfüllung des Merkmals "in erforderlichem Maße zur Verfügung stehen" hat das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung ausgeführt, dass dies bei typisierender Betrachtung nur dann der Fall ist, wenn die Arbeitszeit im Beschäftigungsverhältnis maximal ein Drittel der üblichen wöchentlichen Arbeitszeit, also maximal 13 Wochenstunden ausmacht (BSG Urteil v. 30. Januar 2002, B 6 KA 20/01, SozR 3-5520 § 20 Nr.3; BSG v. 5. Februar 2003, B 6 KA 22/02 R, SozR 4-2500 § 95 Nr.2, BSG v. 28. April 2004, B 6 KA 116/03 B). Die Vorschrift des § 20 Abs.1 Ärzte-ZV verstößt auch nicht gegen Art.12 Abs.1 GG (BSG vom 5. Februar 2003, a.a.O.). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Aber selbst dann, wenn man sich dieser Interpretation des Tatbestandsmerkmals des Zurverfügungstehens im erforderlichen Maße, die auf Grund typisierender Betrachtungsweise erfolgt, nicht anschließen würde, ist festzuhalten, dass der Vertragspsychotherapeut verpflichtet ist, gemäß § 24 Abs.2 Satz 1 am Vertragsarztsitz seine Sprechstunden zu halten. Welchen Umfang das Sprechstundenangebot zu haben hat, wird arzt- bzw. therapeutengruppenspezifisch sowie ggf. regional unterschiedlich zu ermitteln sein. Jedoch wird der mit Patientenkontakt arbeitende psychotherapeutische Leistungserbringer dem Leitbild im System der GKV, die sich durch die Übernahme von Rechten und Pflichten in eigenverantwortlicher Tätigkeit auszeichnet, nur gerecht, wenn sich die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit zweifelsfrei als Haupttätigkeit/-beruf des Zulassungsbewerbers qualifiziert. Unbedenklich können eingegangene Bindungen nur dann sein, wenn diesen kein gleiches oder überwiegendes Gewicht zukommt. Gerade die Bindungen aus einem krankenversicherungsfremden Arbeitsverhältnis, das mit Anwesenheits- und Loyalitätspflichten gekennzeichnet ist, hätten zur Folge, dass sich dann die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit nicht mehr als Hauptberuf darstellen kann. Daraus folgt, dass die mit arbeitsvertraglicher Verpflichtung verbundenen Rechtsbeziehungen einer gleichzeitigen Niederlassung als Vertragsarzt/Psychotherapeut mit Patientenkontakt zumindest dann entgegenstehen, wenn sie in halbtätigem Umfang eingegangen werden.

Auch dann, wenn man mit der Rechtsauffassung des Klägers entgegen der o.b. Rechtsprechung auf die individuellen Verhältnisse abstellen würde, ergäbe sich in Ansehung des Klägers nichts anderes. Dieser ist im Rahmen seiner Angestelltentätigkeit nach eigenen Angaben zu einer Arbeitsleistung von 38,5 Wochenstunden in Gleitzeit verpflichtet. Aus den Ausführungen wird erkennbar, dass er auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten öfters für eine Krisenintervention in der JVA zur Verfügung stehen muss. Angesichts der aus den intensiven Therapeuten-Patienten-Kontakten resultierenden physischen Belastungen für den Kläger würde er neben seiner psychotherapeutischen Vollzeittätigkeit in der Jugendstrafanstalt nicht mehr in erforderlichem Umfang zur Verfügung stehen können. Die möglichen Patientenkontakte beschränkten sich auf die späten Nachmittags- und Abendstunden, wobei Notfälle in der Anstalt zur Verlegung der Behandlung zwingen würden.

Nachdem der Kläger im Verwaltungsverfahren ausdrücklich erklärt hatte, seine Vollzeitstelle als angestellter Psychologe nicht aufgeben zu wollen, kam auch nicht eine Zulassung unter der aufschiebenden Bedingung der Beseitigung der der Eignung entgegenstehenden Gründe in Betracht (§ 20 Abs.3 Ärzte-ZV).

Der Senat kann damit offen lassen, ob darüber hinaus der Zulassung des Klägers auch das Zulassungshindernis des § 20 Abs.2 Ärzte-ZV entgegen steht. Danach ist nicht geeignet ein Arzt/ Psychotherapeut, der eine ärztliche oder psychotherapeutische Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Eine solche Nichtvereinbarkeit liegt bei Vorliegen einer Interessen- und Pflichtenkollision vor, der der Psychotherapeut auf Grund der verschiedenen von ihm ausgeübten psychotherapeutischen Tätigkeiten ausgesetzt ist. Dies ist der Fall, wenn sich bei gedachter Zulassung die psychotherapeutische Tätigkeit im Angestelltenverhältnis und die vertragspsychotherapeutische Tätigkeit vermischen könnten und sich dies zum Nachteil der Versicherten, unter anderem auf Grund faktischer Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl oder zum Nachteil der Kostenträger auswirken könnte, weil insoweit Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem Arbeitsbereich Angestelltentätigkeit in den vertragspsychotherapeutischen Bereich verlagert werden könnten (BSG Urteil vom 20. Januar 2002, a.a.O., m.w.N.). Wenngleich der Kläger erklärt hat, derzeit nur Erwachsene delegationspsychotherapeutisch zu behandeln, während er als Angestellter in einer Jugendstrafanstalt tätig ist, ist darauf hinzuweisen, dass Kläger im Falle einer Zulassung als Psychologischer Psychotherapeut auch grundsätzlich berechtigt wäre, Kinder und Jugendliche zu behandeln. Gleichzeitig wird sich ein Teil der betreuten jugendlichen Strafgefangenen nach ihrer Haftentlassung im räumlichen Umfeld des ins Auge gefassten Vertragsarztsitzes aufhalten. Gerade im Jugendstrafvollzug sind Strafverbüßungen in Haftanstalten anderer Bundesländer unüblich. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass zumindest ein Teil der Gefangenen aus dem räumlichen Umfeld des Vertragsarztsitzes stammen wird. Der Senat lässt offen, ob daraus eine konkrete Gefahr entstehen könnte, dass der Gefangene, der hinsichtlich vollzugsrelevanter Fragen oder hinsichtlich einer Haftentlassung von der wohlwollenden Beurteilung des Anstaltspsychologen abhängt, sich gedrängt fühlen könnte, einen auch vertragspsychotherapeutisch zugelassenen Anstaltspsychologen während und nach der Haft zu konsultieren. Der Senat geht nicht mehr der Frage nach, ob und inwieweit psychologische Betreuungsleistungen im Rahmen des Strafvollzuges zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung als vertragspsychotherapeutische Leistungen verschoben werden könnten (Freigänger).

Aus diesen Gründen musste der Berufung der Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG a.F. (Art.17 6. SGGÄndG).

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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