S 6 SO 97/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 SO 97/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Anrechnung einer Erstattung von Stromkosten als Einkommen.

Der Kläger erhält laufende Hilfe zum Lebensunterhalt durch die Beklagte nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Für die Begleichung von Stromkosten verlangten die Stadtwerke C seit Oktober 2004 einen monatlichen Abschlag als Vorauszahlung in Höhe von 34,00 Euro monatlich. Dieser Betrag wurde jeweils im Rahmen der laufenden Hilfezahlung durch die Beklagte aus dem Regelsatz direkt an die Stadtwerke überwiesen.

Nach einer telefonischen Aufforderung im Oktober 2005 forderte die Beklagte am 24.11.2005 den Kläger schriftlich zur Vorlage der Stadtwerkeendabrechnung bezüglich der Stromkosten auf. Am 02.12.2005 erfolgte eine weitere schriftliche Aufforderung mit dem Hinweis, dass es sich bei dem Guthaben aus einer Stadtwerkeendabrechnung um Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII handele. Die Verpflichtung zur Vorlage der Abrechnung ergebe sich aus § 60 ff SGB I. Mit Schriftsatz vom 30.12.2005 wies die Beklagte den Kläger erneut auf seine Mitwirkungspflicht zur Vorlage der Stromendabrechnung im Sinne des § 60 SGB I hin und machte deutlich, dass die Sozialhilfe gemäß § 66 SGB I ganz oder teilweise versagt werden könne, wenn der Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen werde. Als Frist zur Vorlage der Unterlagen wurde der 15.01.2006 gesetzt. Der Kläger teilte am 05.01.2006 mit, dass die Abrechnung nicht vorgelegt werde, da das Guthaben kein Einkommen darstelle und eine Anrechnung als Vermögen wegen der Geringfügigkeit nicht in Betracht komme. Nach einem Hinweis der Beklagten, dass es sich um Einkommen handele, welches im Zuflussmonat anzurechnen sei, und einer weiteren Fristsetzung zur Vorlage der Abrechnung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 19.01.2006 die Sozialhilfeleistungen des Klägers ab dem 01.02.2006 wegen fehlender Mitwirkung ein, da er sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert habe, die Stadtwerkeendabrechnung vorzulegen.

Dagegen legte der Kläger am 23.01.2006 Widerspruch ein und beantrage mit Schriftsatz vom selben Tage beim Sozialgericht Detmold den Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen der weiteren Zahlung der Hilfe zum Lebensunterhalt (Az.: S 6 SO 17/06 ER). Auf Anregung des Gerichts legte der Kläger dann die Stadtwerkeendabrechnung vor, die mit einem Guthaben für den Kläger in Höhe von 204,98 Euro abschloss. Die Beklagte wies die Stadtwerke am 09.02.2006 an, diesen Guthabenbetrag an den Kläger auszuzahlen. Mit Bescheid vom 09.02.2006 bewilligte die Beklagte dann die Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Februar 2006 unter Anrechnung des Guthabenbetrages aus Strom in Höhe von 204,98 Euro. Das Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde daraufhin für erledigt erklärt. Gegen den Bescheid vom 09.02.2006 legte der Kläger unter Hinweis auf den bisherigen Schriftwechsel Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.05.2006 wurde der Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, die Auszahlung des Stromguthabens sei im Februar 2006 als Einkommen zu berücksichtigen gewesen. Einkommen sei all das, was jemand in der Bedarfszeit dazu erhalte, Vermögen das, was er bereits habe. Zum Einkommen gehörten alle Einkünfte in Geld, unerheblich davon, aus welcher Quelle sie stammen oder aus welchem Grund sie geleistet werden. Die Auszahlung des Stromguthabens sei demnach im Zeitpunkt des Zuflusses Einkommen.

Dagegen richtet sich die am 06.06.2006 erhobene Klage, mit der der Kläger die weitere Zahlung in Höhe von 204,98 Euro für den Monat Februar 2006 begehrt. Er ist der Ansicht, das Guthaben aus der Stromendabrechnung stelle allenfalls Vermögen, nicht aber Einkommen dar. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Stromkosten aus der Regelsatzzahlung geleistet worden seien und Erstattungen aus aus der Regelzahlung bewirkten Leistungen schon begrifflich nicht als Einkommen berücksichtigt werden könnten. Insofern bestehe ein Unterschied zu Heizkostenerstattungen, da die Heizkosten verbrauchsabhängig zusätzlich zum Regelsatz übernommen würden. Stromguthaben stelle das dar, was der Hilfeempfänger in der laufenden Bedarfszeit bereits aus seinem Einkommen geleistet habe. Wenn der Ansicht der Beklagten gefolgt würde, könne keinem Hilfeempfänger mehr geraten werden, monatliche Abschläge auf die Stromkosten zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 19.01.2006 und 09.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2006 zu verurteilen, für den Monat Februar 2006 weitere Hilfe zum Lebensunterhalt von 204,98 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen und weiterhin die Auffassung vertreten, das Stromguthaben sei im Zeitpunkt der Auszahlung als Einkommen auf die Hilfeleistung anzurechnen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Streitakte S 6 SO 17/06 ER und der Verwaltungsakten der Beklagten, die das Gericht beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide vom 19.01.2006 und 09.02.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.05.2006 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), denn die Bescheide sind rechtmäßig.

Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 09.02.2006 die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Monat Februar 2006 unter Anrechnung des Stromguthabens als Einkommen in Höhe von 204,98 Euro gewährt. Ein Anspruch auf Nachzahlung des Betrages in Höhe von 204,98 Euro besteht nicht.

Nach § 19 Abs. 1 SGB XII ist Hilfe zum Lebensunterhalt Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, beschaffen können.

Der Kläger konnte im Februar 2006 seinen Lebensunterhalt in Höhe von 204,98 Euro aus dem Stromguthaben bestreiten, was Einkommen darstellt.

Nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Für die hier maßgebliche Unterscheidung von Einkommen und Vermögen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass Einkommen das ist, was der Hilfebedürftige während der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits hat (Zuflusstheorie des BVerwG, BVerwGE 108, 296, 299). Abzustellen ist auf den Zufluss innerhalb des Bedarfszeitraumes (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 82 Rn. 7). Der Bedarfszeitraum ist dabei die Zeit, in welcher der Bedarf besteht und auch rechtzeitig zu decken ist. Die Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich nach dem tatsächlichen Zufluss zu entscheiden. Damit wird nicht in unzulässiger Weise an einen mehr oder weniger zufälligen Zeitpunkt angeknüpft, sondern der aktuellen Notlage das aktuelle Einkommen gegenüber gestellt. Im Februar 2006 hat der Kläger die Auszahlung in Höhe von 204,98 Euro von den Stadtwerken erhalten, die im Zeitpunkt des Zuflusses Einkommen dargestellt hat (vgl. auch Beschluss des LSG NRW vom 18.05.2006, Az.: L 12 B 9/06 SO).

Entgegen der Auffassung des Klägers kann das Guthaben im Zeitpunkt der Auszahlung nicht als Vermögen angesehen werden, denn vor Beginn des Bedarfszeitraums hat er das Guthaben noch nicht gehabt. Durch die laufende monatliche Abschlagszahlung sind die gezahlten Beträge in die Verfügungsgewalt der Stadtwerke gelangt und waren dem Zugriff des Klägers entzogen. Zwar kann eine auf Geld oder Geldeswert gerichtete (noch nicht erfüllte) Forderung einen wirtschaftlichen Wert darstellen und gehört, wenn sie dem Inhaber bereits zusteht, zu seinem Vermögen. Grundsätzlich werden Erstattungsforderungen jedoch erst mit der Erteilung der Jahresabschlussrechnung fällig und damit durchsetzbar (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10.04.2006 – L 20 B 35/06 AS ).

Selbst wenn man aber davon ausgeht, dass aufgrund der Stromendabrechnung eine Forderung des Klägers gegen die Stadtwerke bestand und diese auch durchsetzbar war, folgt daraus nicht, dass dieses Guthaben zum Vermögen im Sinne des § 90 SGB XII gehört hat. Wie an dem Beispiel einer Gehaltsforderung deutlich wird, kann nicht in jedem Fall das vorherige Bestehen einer entsprechenden Forderung dazu führen, dass die Auszahlung dieser Forderung nur als Umschichtung im Vermögensbereich und nicht als Einkommen gewertet wird, denn eine Gehaltszahlung ist ein typisches Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII und führt selbstverständlich zur Verringerung der Bedürftigkeit ( vgl. Urteil SG Detmold vom 27.07.2006, Az.: S 13 (9) AS 247/05).

Allein der Umstand, dass der Kläger die monatlichen Abschläge aus dem Regelsatz geleistet hat, führt ebenfalls nicht dazu, dass die Auszahlung eines Guthabens aus den Abschlägen Vermögen darstellt. Zwar ist angespartes Geld aus nicht verbrauchten Sozialhilfeleistungen, also Ansparungen aus dem Regelsatz, Vermögen (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 90 Rn. 9). Dieses freiwillig angesparte Guthaben steht jedoch dem Hilfeempfänger auch jeweils zu Beginn des Bedarfszeitraums schon zu. Er hat es bereits. Der Fall der monatlichen Abschlagszahlung an die Stadtwerke liegt jedoch anders, denn ein bewusstes freiwilliges Ansparen liegt bei der Zahlung von Abschlägen an die Stadtwerke nicht vor. Auch steht das sich anhäufende Guthaben dem Kläger nicht bereits während des laufenden Abrechnungsjahres zur Verfügung, wie dies bei einem Sparguthaben der Fall ist, sondern es fließt ihm erst im Zeitpunkt der Auszahlung (als Einkommen) zu.

Die für den Hilfeempfänger im Einzelfall problematische Situation, dass bei der Forderung von hohen Stromabschlägen der letztendlich zu viel gezahlte Betrag aus dem Regelsatz im laufenden Monat fehlt und die Erstattung nach der Endabrechnung dann wiederum als Einkommen auf die laufende Leistung angerechnet wird, kann nach Auffassung der Kammer nicht zu einer anderen rechtlichen Bewertung führen, nach der ein Geldzufluss im Zeitpunkt des Zuflusses, unabhängig von der Quelle und dem Grund der Leistung, Einkommen darstellt. Bei der Prüfung der Voraussetzungen für die laufende Hilfegewährung ist die tatsächliche Notlage entscheidend und es wird (monatlich) der Bedarf den vorhandenen Mitteln gegenübergestellt. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Stromguthabens ist in diesem Bedarfszeitraum insoweit der tatsächliche Bedarf gedeckt.

Auch der angegriffene Bescheid vom 19.01.2006, mit dem die Beklagte die Hilfeleistung für Februar 2006 wegen fehlender Mitwirkung eingestellt hatte, war zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig. Da das Stromguthaben, wie oben ausgeführt, Einkommen darstellt, war der Kläger nach § 60 SGB I verpflichtet, dieses Einkommen nachzuweisen. Da er sich im Verwaltungsverfahren geweigert hatte, durfte die Beklagte nach erfolgtem schriftlichen Hinweis und Fristsetzung (§ 66 Abs. 3 SGB I) die Hilfeleistung bis zur Nachholung der Mitwirkung gemäß § 66 Abs. 1 SGB I versagen. Nachdem der Kläger dann die Endabrechnung vorgelegt hat, hat die Beklagte die Hilfeleistung für Februar 2006, unter Anrechnung des Guthabenbetrages als Einkommen, wieder aufgenommen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Kammer hat die Berufung gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG im Hinblick auf abweichende erstinstanzlich vertretende Auffassungen hinsichtlich der Anrechnung eines aus dem Regelsatz geleisteten Stromguthabens als Einkommen wegen grundsätzlicher Bedeutung der Angelegenheit zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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