S 36 U 324/04

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 36 U 324/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 46/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert beträgt 18.572,37 Euro.

Tatbestand:

Die Beklagte nimmt die Klägerin auf rückständige Beiträge der in Konkurs gegangenen Firma T GmbH in Höhe von 18.572,37 Euro in Anspruch.

Die Klägerin ist eine Bauträgerfirma. Im Auftrag der Klägerin führte die Fa. T GmbH aufgrund mehrerer Werkverträge nach dem 01.08.2002 Rohbauarbeiten aus. Die Gesamtauftragssumme belief sich dabei auf X Euro.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg vom 17.03.2003 wurde über das Vermögen der Fa. T GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren eröffnet. Zu diesem Zeitpunkt wies das Beitragskonto der T GmbH einen Rückstand von 19.632,20 Euro bei der Beklagten aus. Dabei setzte sich diese Summe zusammen aus dem Betrag von 2002 und 2003 sowie angefallene Säumnisvorschläge und Kosten.

Nachdem die Beklagte bei einer Betriebsprüfung bei der Fa. T GmbH vom 26.01.2004 feststellte, dass die Fa. T GmbH für die Klägerin Rohbaumaßnahmen durchgeführt hat, teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 22.04.2004 mit, dass sie beabsichtige, sie, die Klägerin, wegen Beitragshaftung nach § 150 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Sieben - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) in Anspruch zu nehmen.

Mit Bescheid vom 23.06.2004 nahm die Beklagte die Klägerin dann gemäß § 150 Abs. 3 SGB VII i.V.m. § 28 e Abs. 3 a SGB IV für die geschuldeten Beiträge der Fa. T GmbH in Höhe von 18.572,37 Euro in Anspruch. Zur Begründung führte die Beklagte aus, durch die Gesetzesänderung zum 01.08.2002 habe der Gesetzgeber gewollt, dass generell alle gewerblichen Auftraggeber von Bauleistungen für die rückständigen Zahlungsverpflichtungen der Nachunternehmer im Bereich der Sozialversicherung haften sollen, somit auch die Bauträgergesellschaften. Da die Fa. T GmbH seit Jahren für die Klägerin tätig sei, spräche allein diese Tatsache dafür, dass sie, die Klägerin, in gewisser Regelmäßigkeit andere Unternehmen mit der Ausführung von Bauleistungen beauftrage. Somit hafte die Klägerin wie ein selbstschuldnerischer Bürger.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 23.07.2004 Widerspruch ein. Sie führte aus, sie hafte nicht für die Beiträge der Fa. T GmbH, denn sie, die Klägerin sei kein Unternehmen des Baugewerbes. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Gesetzgeber nicht generell gewerbliche Auftraggeber von Bauleistungen in die Pflicht nehmen wollen, denn sonst hätte es nahe gelegen, einen anderen Begriff zu wählen. Diese Regelung solle nur im Verhältnis zwischen Unternehmer und Subunternehmer, nicht gegenüber dem Auftraggeber der Bauleistung gelten. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus dem Gesetzesentwurf entnehmen, denn das Gesetz solle der Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit im Baugewerbe dienen. Der klassische Bauträger sei aber gerade kein Unternehmer des Baugewerbes. Er betreibe keine Bauunternehmung und auch kein sonstiges Unternehmen des Baugewerbes. Er beschäftige keine baugewerblichen Arbeitnehmer. Er sei nicht Zwangsmitglied der Baugewerbe-Berufsgenossenschaft. Auch in steuerrechtlicher Hinsicht unterliege der Bauträger hinsichtlich seiner Umsätze nicht der Umsatzsteuer, sondern der Grunderwerbssteuer. Im Übrigen sei nicht verständlich, aus welchen Gründen der Unternehmer für die Beträge der gesetzlichen Unfallversicherung ohne Exkulpationsmöglichkeit bliebe und ohne Schwellenwert hinsichtlich des Auftragsvolumens haften solle, während ihm dagegen diese Einschränkungen gegenüber der Einzugsstelle für den Gesamtversicherungsbeitrag zur Verfügung stehe. Dies sei eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung, d.h. Besserstellung der gesetzlichen Unfallversicherung und somit ein Verstoß gegen Artikel 3, 12 und 14 des Grundgesetzes. Insofern seien die Vorschriften des § 28 e Abs. 3 b und 3 d zumindest analog anzuwenden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Wesentlichen führte die Beklagte aus, der Begriff des Unternehmens des Baugewerbes werde im Gesetz zwar nicht näher definiert. Zur Auslegung dieses Begriffes könnten aber die Gesetzesmaterialien, insbesondere die Gesetzesbegründung herangezogen werden. Hieraus ergebe sich, dass generell gewerbliche Auftraggeber von Bauleistungen für die rückständigen Zahlungsverpflichtungen der Nachunternehmer im Bereich Sozialversicherung haften sollten. Gewerbliche Auftraggeber seien solche, die nicht nur gelegentlich und mit der Absicht der Gewinnerzielung Aufträge an Unternehmer zur Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 SGB III erteilen würden. Ausgeschlossen von der Haftung seien somit lediglich private Bauherren sowie der gewerbliche Unternehmer, der im Zusammenhang mit seinem Unternehmen gelegentlich einen Bauauftrag erteilt.

Nach dem klaren und deutlichen Wortlaut des § 150 Abs. 3 a SGB VII verweise dieser nur auf die Regelung des § 28 e Abs. 3 a SGB IV. Insofern gebe es keine Entlastungsmöglichkeit. Die Regelung sei auch verfassungsgemäß. Ein Verstoß gegen das Grundgesetz sei nicht gegeben.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 09.12.2004 Klage erhoben. Die Klägerin wiederholt das Vorbringen aus dem Vorverfahren und weist im Übrigen darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Beklagten der Lohnanteil nicht 2/3 des gezahlten Werklohns betrage. Dieser Verteilungsmaßstab sei grob unbillig und überhöht. Realistisch sei ein Anteil von allenfalls 40 %. Insofern seien in den letzten Jahren die Materialkosten höher geworden, während der Lohn stagnieren würde. Dies hätte zur Folge, dass der Unternehmer mit einem verminderten Lohnanteil zu rechnen habe.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 23.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2004 aufzuheben und der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist ebenfalls auf das Vorbringen in den angefochtenen Bescheiden und ist weiterhin der Auffassung, dass die Klägerin als Unternehmerin des Baugewerbes anzusehen sei.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die der Klägerin betreffende Akte der Beklagten lag dem Gericht vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Bescheid vom 23.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.11.2004 ist nicht rechtswidrig und beschwert die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Beklagte hat die Klägerin zutreffend auf die rückständigen Beiträge der in Konkurs gegangenen Fa. T GmbH i.H.v. 18.572,37 Euro in Anspruch genommen.

Nach § 150 Abs. 3 des Sozialgesetzbuches Sieben - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) gilt für die Beitragshaftung bei der Arbeitnehmerüberlassung § 28 e Abs. 2 und 4 des vierten Buches und für die Beitragshaftung bei der Ausführung eines Dienst- oder Werkvertrages im Baugewerbe § 28 e Abs. 3 a des vierten Buches entsprechend. Gemäß § 28 e Abs. 3 a SGB IV haftet ein Unternehmer des Baugewerbes, der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen im Sinne des § 211 Abs. 1 des dritten Buches beauftragt, für die Erfüllung der Zahlungspflicht dieses Unternehmers oder eines von diesem Unternehmer beauftragten Verleihers wie ein selbstschuldnerischer Bürger.

Diese Voraussetzungen sind bei der Klägerin erfüllt. Bei der Klägerin handelt es sich um eine Unternehmerin, denn sie ist eine juristische Person, die im Rahmen eines Geschäftsbetriebs selbstständig unter Einsatz eigener Leistungen oder Kapital für eigene Rechnung und mit Gewinnerzielungsabsicht Waren oder Dienstleistungen anbietet bzw. erbringt. Die Klägerin ist auch ein Unternehmen des Baugewerbes. Zwar wird üblicherweise unter Unternehmen des Baugewerbes ein solches verstanden, dass überwiegend Bauleistungen erbringt, d.h. deren betriebliche Tätigkeit ihr Schwergewicht bei der Erbringung von Bauleistungen hat. Maßgebliche Kriterien sind dabei unter anderem auch, ob der überwiegende Anteil der Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer auf die Erbringung von baulichen Leistungen entfällt oder dass die überwiegende Zahl der Arbeitsplätze dem Baubereich zuzuordnen ist. Die Kammer geht davon aus, dass - wie die Klägerin ausgeführt hat - sie keine gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigt. Gleichwohl ist die Kammer der Auffassung, dass die Klägerin als Bauträgerfirma ein Unternehmen des Baugewerbes im Sinne des § 28 e Abs. 3 a Satz 1 SGB IV ist. Zur Auslegung dieses Begriffes hat das Gericht den Gesetzesentwurf (Drucksache 14/82 21) herangezogen. Darin heißt es zu Nr. 4 (§ 28 e) wegen der besonderen Bedeutung der illegalen Beschäftigung im Baugewerbe werden die Arbeitgeber in der Bauwirtschaft konsequent in die Verantwortung genommen. Des Weiteren heißt es dort: "gewerbliche Auftraggeber von Bauleistungen sollen künftig auch für Zahlungsverpflichtungen des Nachunternehmers im Bereich der Sozialversicherung haften". Die Regelung des § 28 e Abs. 3 a diente dazu, eine Haftung des Hauptunternehmers für die Zahlungsverpflichtung für die Sozialversicherungsbeiträge der Nachunternehmer zu erreichen. Desweiteren heißt es in dieser Drucksache: "Um zu verhindern, dass die Haftung des Hauptunternehmers durch die Bildung von Bauträgergesellschaften oder vergleichbaren Konstruktionen umgangen wird, beschränkt sich die Haftung nicht nur auf diejenigen Unternehmen, die selbst von einem Auftraggeber einen Bauauftrag übernommen haben, sondern bezieht auch gewerbliche Auftraggeber mit ein. Lediglich Unternehmen, die keine Bauunternehmungen sind, sondern nur als "Bauherren", also als Letztbestellter eines Werkes auftreten, sind von der Regelung nicht erfasst." Die Klägerin als Bauträgerfirma ist jedoch nicht "Letztbestellter eines Werkes", denn sie errichtet die Häuser, um diese anschließend zu verkaufen. Der Käufer ist der Letztbestellte in diesem Sinne. Zwar ist es möglich, dass die Klägerin einige Häuser, die sie errichtet, nicht vor Beginn des Bauvorhabens verkauft hat, insofern ist sie in diesen Fällen als "Bauherrin" anzusehen, jedoch nicht im Sinne des Letztbestellten eines Werkes. Denn sie lässt das Haus bauen, um es dann zu veräußern. Im Übrigen hat der Gesetzgeber gerade in der Drucksache ausgeführt, dass die Haftung des Hauptunternehmers durch die Bildung von Bauträgergesellschaften oder vergleichbaren Konstruktionen nicht umgangen bzw. beschränkt werden soll. Damit hat der Gesetzgeber aber zum Ausdruck gebracht, dass gerade Bauträger mit in der Haftung sind. Der Gesetzgeber hat dabei nicht unterschieden zwischen Bauträgern, die eigene "Bautrupps" haben, und Bauträgern, die keine gewerblichen Arbeitnehmer beschäftigen. Der Gesetzgeber hat ausschließlich von Bauträgergesellschaften oder vergleichbaren Konstruktionen gesprochen.

Die Klägerin hat auch einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt, denn die Klägerin hat die Fa. T GmbH beschäftigt. Da die Fa. Severin Bau GmbH in Konkurs gegangen ist, und Vollstreckungsmaßnahmen keinen Erfolg boten, haftet die Klägerin wie ein selbstschuldnerischer Bürger.

Soweit die Klägerin geltend macht, ihr stünde auch eine Exkulpationsmöglichkeit zu. § 28 e Abs. 3 b und d müssten entsprechende Anwendung finden, folgt die Kammer dem nicht. Insbesondere kann hier nicht von einem Redaktionsversehen dahingehend, dass lediglich versehentlich nur auf § 28 e Abs. 3 a und nicht auch auf die Regelungen der Exkulpationsgmöglichkeit verwiesen wurde, ausgegangen werden, denn § 150 Abs. 3 SGB VII ist eindeutig formuliert. Zudem handelt es sich auch nicht um eine unbillige gesetzliche Regelung, mit der möglichen Folge, eine entsprechende Auslegung vornehmen zu können. Damit ist aber die im Bundesgesetzblatt veröffentliche Fassung des § 150 Abs. 3 SGB VII als geltendes Recht hinzunehmen (vgl. hierzu auch Rixen, die Generalunternehmerhaftung für Sozialversicherungsbeiträge in die Sozialgerichtsbarkeit 2002, 536, 541 f.).

Das Gericht hat auch keinerlei verfassungsrechtliche Bedenken. Ein Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes liegt schon deshalb nicht vor, weil alle Unternehmen des Baugewerbes betroffen sind.

Auch ein Verstoß gegen Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes liegt nicht vor. Insofern verweist das Gericht auf die Ausführungen in den von der Klägerin angefochtenen Widerspruchsbescheid (§ 136 Abs. 3 SGG). Insbesondere kann die Klägerin nicht damit gehört werden, dass sie durch die Verweisung auf § 28 e Abs. 3 a SGB IV keinerlei Möglichkeit hat, der Haftung zu entgehen. Um diese Haftung möglichst gering zu halten, ist es dem Unternehmen des Baugewerbes zumutbar, Rücksprache mit der jeweiligen Berufsgenossenschaft zu halten.

Die Klage hatte auch keinen Erfolg bezüglich der Höhe von 18.572,37 Euro. Die Beklagte ist bei ihrer Berechnung von 2/3 des Gesamtumsatzes als beitragspflichtige Bruttolohnsumme ausgegangen. Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 18.03.1987 - Az.: 9 B RU 16/85). Zwar ist der Klägerin zuzugestehen, dass in den letzten Jahren die Kosten für Material gestiegen sind, während die Lohnkosten stagnierten. Insofern ist für die heutige Zeit der 2/3 Maßstab in Frage zu stellen. Im vorliegenden Fall ging es jedoch nicht um Aufträge aus dem Jahr 2005/2006, sondern um Aufträge aus dem Jahre 2002.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG.

Der Streitwert beträgt 18.572,37 Euro, weil die Beklagte die Klägerin in dieser Höhe in Anspruch nimmt.
Rechtskraft
Aus
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