Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 56 AL 3039/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 AL 43/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Insolvenzgeld (Insg) wegen Versäumung der Ausschlussfrist nach § 324 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Der 1955 geborene und in Berlin wohnhafte Kläger ist bei der S G Ersatzkasse G krankenversichert. Vom 01. Februar 2000 bis zum 19. November 2000 bezog er Arbeitslosengeld (Alg). Auf Vermittlung der Arbeitsagentur (AA) nahm er am 16. November 2000 eine Beschäftigung als Montageschlosser bei der Firma M Industriemontage GmbH (im Folgenden: Fa M) mit Sitz in E, Bstraße auf (Geschäftsführer H G mit Wohnsitz in Spanien; Ansprechpartner vor Ort bzw faktischer Geschäftsführer Herr F). Wegen ausbleibender Lohnabrechnungen und -zahlungen für November und Dezember 2000 machte der Kläger im Januar 2001 (ua mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 16. Januar 2001) von seinem Zurückbehaltungsrecht (ZBR) der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung Gebrauch und kündigte mit Schreiben vom 01. Februar 2001 fristlos das Arbeitsverhältnis. Am 26. Februar 2001 erhob der Kläger Lohnklage (auf 10.153,50 DM Lohn sowie 1.120,00 DM Auslöse, jeweils zuzüglich Zinsen), der das Arbeitsgericht (ArbG) E durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 21. September 2001 (5 Ca 1023/01), zugestellt am 12. November 2001 unter der obengenannten Geschäftsadresse der Fa M während der gewöhnlichen Geschäftszeiten durch Übergabe an Herrn F, stattgab. Die Fa M hatte mit Schreiben vom 31. Januar 2001 ihrerseits das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen Arbeitsmangel zum 15. Februar 2001 gekündigt.
Bereits am 30. Januar 2001 hatte sich der Kläger bei der für ihn zuständigen AA Berlin-Süd (T) arbeitslos gemeldet und die Wiedergewährung von Alg beantragt. In dem von ihm am 02. Februar 2001 ausgefüllten Fragebogen der AA zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer hatte er seine Gründe wie folgt dargelegt: "1. vom ersten Tag der Beschäftigung an wurde kein Lohn gezahlt 2. ich bin mit ca. 3000,- in Vorleistung gegangen 3. es ist bei anderen Kollegen schon öfters vorkommen, dass der Lohn nicht vollständig oder verspätet gezahlt wurde 4. Herr F, Ansprechpartner der Firma, hat mich siebenmal belogen 5. nach meiner Meinung betreibt die Firma Konkursverschleppung 6. das ist das zweite Mal, das mich das Arbeitsamt in eine konkurse Firma schickt, wo ich wieder nur mit Minus herauskomme."
Die AA Berlin-Süd bewilligte dem Kläger bis zur Erschöpfung des Anspruches am 08. März 2001 Alg (Bescheid vom 07. März 2001) und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe (Alhi). Nachdem der Kläger in seinem Alhi-Antrag vom 09. März 2001 nochmals auf die offenen Lohnansprüche gegenüber der Fa M hingewiesen hatte und die Anfragen der AA bezüglich einer Arbeitgeberbescheinigung ergebnislos blieben, bat die AA Berlin-Süd mit Schreiben vom 03. Mai 2001 die G um Auskünfte zum Beschäftigungsverhältnis und forderte den Kläger erneut auf, die Lohnabrechnungen sowie die An- und Abmeldungen beim Versicherungsträger vorzulegen. In einem Telefonat vom 07. Mai 2001 teilte der Kläger mit, dass die angeforderten Unterlagen ihm immer noch nicht vorlägen und der Arbeisrechtsstreit noch nicht geklärt sei (Aktenvermerk Bl 171 Leistungsakte).
Die G beantragte am 27. September 2001 beim Amtsgericht (AG) Essen (161 IN 99/01) die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa M. Die Ermittlungen des AG E gestalteten sich im Hinblick auf die Nichterreichbarkeit des Geschäftsführers der Firma schwierig. Durch rechtskräftige Beschlüsse vom 21. Oktober 2002 wies das AG Essen den Antrag der GEK sowie die weiteren Anträge (161 IN 102/01 und 161 IN 103/01, 161 N 116/01) auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa M mangels Masse ab.
Erstmals mit Schreiben vom 27. November 2002 forderte die GEK den Kläger zur Klärung der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsverhältnis bei der Fa M auf; in der Anlage, die vom Kläger ausgefüllt zurückgesandt werden sollte, heißt es wie folgt: "1. Ich habe mein Entgelt bis zum. erhalten. 2. Für die Zeit vom ... bis ... habe ich / werde ich Insolvenzgeld vom Arbeitsamt erhalten." Diese, wie auch die erneute Aufforderung vom 10. Februar 2003 beantwortete der Kläger erst auf die Erinnerung vom 10. März 2003 mit Schreiben vom 30. April 2003, bei der G eingegangen am 06. Mai 2003.
Zwischenzeitlich hatte der Kläger am 07. Februar 2003 bei der für ihn zuständigen AA in Berlin den Formantrag auf Insg abgeholt und damit formlos Insg beantragt. Den ausgefüllten Formantrag sowie sein Schreiben vom 30. April 2003, mit dem er die Gewährung von Insg für die Zeit vom 16. November 2000 bis zum 31. Januar 2001 unter Vorlage des Versäumnisurteils des ArbG E, einer Aufstellung der Arbeitsstunden für Dezember 2000 und November 2000 sowie einer Kopie des Beschlusses des AG E (161 IN 99/01) vom 21. Oktober 2002 beantragte, waren am 02. Mai 2003 bei der AA E eingegangen. Hierbei hatte er weiter ausgeführt, von der Firmenschließung weder vom Arbeitsamt, dem Firmengeschäftsführer, dem Arbeitsgericht, der Krankenkasse, der Rentenversicherung noch dem Insolvenzverwalter informiert worden zu sein. Er habe erst auf Grund des Fax der Krankenkasse vom 17. Februar 2003 Kenntnis von der Insolvenz der Fa M erhalten. Auf die Frage, ob hinsichtlich des ausstehenden Arbeitsentgeltes Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingesetzt wurden, hatte er erklärt, dies sei ihm unbekannt.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2003 lehnte die AA Essen, die bereits im September 2001 auf Antrag von ehemaligen Arbeitnehmern der Fa M die Ermittlungen zum Insolvenztag/-ereignis aufgenommen hatte (siehe Insg-Hauptakte Stammnummer 000646), die Gewährung von Insg mit der Begründung ab, die Ausschlussfrist von 2 Monaten sei nicht eingehalten. Diese habe am Tag nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Beschluss vom 21. Oktober 2002) am 22. Oktober 2002 begonnen und sei am 23. Dezember 2002 geendet. Der Antrag sei außerhalb der Frist am 07. Februar 2003 gestellt worden. Eine Nachfrist im Sinne von § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III könne nicht gewährt werden, da der Kläger die Fristversäumung zu vertreten habe. Er habe keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet und somit nicht mit der erforderlichen Sorgfalt sich um die Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche bemüht. Mit seinem Widerspruch führte der Kläger aus, die Ursache der erfolglosen Zwangsvollstreckung sei in dem unseriösen Geschäftsgebaren der Fa M begründet. So seien bis zur Insolvenz der Firma ständig Arbeiter beschäftigt worden, die Geschäftsführung als Vertretung der GmbH sei jedoch für dritte Personen regelmäßig nicht erreichbar gewesen. Auch habe das Arbeitsverhältnis schon vor der Insolvenz geendet. Nur durch Zufall sei er im Februar 2003 durch eine Mitteilung seiner Krankenkasse über die Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers in Kenntnis gesetzt worden. Danach habe er sofort den Antrag auf Insg gestellt. Die Beklagte hat den Widerspruch durch Bescheid vom 29. April 2004 als unbegründet zurückgewiesen: Bei der Frage, ob ein Antragsteller die Versäumung der Frist zu vertreten habe, sei auch das Verschulden eines Bevollmächtigten diesem zuzurechnen. So sei in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG) Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RAr 14/91 – in SozR 3-4100 § 141e Nr 2) dargelegt worden, dass die Erteilung einer Vollmacht in den Fällen, in denen sich der Kläger an seinen Prozessbevollmächtigten mit dem Anliegen wende, sein Arbeitgeber habe ihn kein Lohn gezahlt und die sich hieraus ergebenden Ansprüche sollten ohne ausdrückliche Eingrenzung auf das Arbeitsrecht realisiert werden, auch den entsprechenden Auftrag zur Stellung eines Antrages auf Insg nach Kenntnis von der Insolvenz des Arbeitgebers beinhalte. Damit habe es hier dem Bevollmächtigten des Widerspruchsführers oblegen, diesen zur Stellung eines Antrages auf Insg beim Arbeitsamt zu raten bzw selbst einen solchen in Vertretung für den Widerspruchführer zu stellen.
Die nachfolgende Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin ist ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil vom 23. November 2004).
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Maßgebliches Insolvenzereignis sei erst der Erlass des Beschlusses des AG Essen vom 21. Oktober 2002 gewesen. So habe der Umstand, dass die Geschäftsführung der Fa M im März 2001 vorübergehend nicht zu erreichen gewesen sei, noch nicht auf eine Insolvenz des Unternehmens hingedeutet. Zu diesem Zeitpunkt sei in dem Betrieb ja auch noch gearbeitet worden. Der damalige Prozessvertreters des Klägers habe zu seinem Schutze auf die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens verzichtet, da die Geschäftsführung zeitweilig nicht aufzufinden gewesen sei. Da er erst durch Schreiben der GEK von der Insolvenz erfahren habe, treffe ihn an der Fristversäumung kein Verschulden. Er habe zunächst telefonisch der G geantwortet, dies sei am 03. Dezember 2003 geschehen. Dabei habe er mitgeteilt, dass er bisher weder Lohnzahlungen noch die Lohnsteuerkarte erhalten habe und Insg mangels Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für ihn noch kein Thema sei. Damals sei er davon ausgegangen, dass er Insg erst nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, von der er durch den Insolvenzverwalter informiert werde, beantragen könne. Durch ein Telefongespräch mit dem ehemaligen Vorarbeiter Ende Januar/Anfang Februar 2003 habe er davon erfahren, dass mit der Insolvenz der Fa M "irgendwas laufe". Deshalb habe er sich die Antragsunterlagen für Insg geholt. Auf das Schreiben der G vom 10. Februar 2003 habe er dann nochmals in S G angerufen und sei mit einem Sachbearbeiter vom "Team 20" verbunden worden. Man habe ihm dann am 17. Februar 2003 den Beschluss des AG E vom 21. Oktober 2002 zugefaxt. Die Sachbearbeiterin, die zuvor die Aufforderungen zum Nachweis von Lohn- oder Insg-Zahlungen sowie der Mahnschreiben versandt hatte, habe seiner Erinnerung nach über den Beschluss des AG E nicht Bescheid gewusst. Im Hinblick auf diesen Ablauf sei die Beantragung des Insg noch rechtzeitig innerhalb der Nachfrist des § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2004 sowie den Bescheid vom 30. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 16. November 2000 bis zum 31. Januar 2001 Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und einen Anspruch auf Insg nach wie vor nicht für gegeben.
Auf Anfrage des Senats hat die GEK unter dem 09. Oktober 2006 mitgeteilt, dass der Kläger zum ersten Mal mit Schreiben vom 27. November 2002 zur Klärung der Rückstände der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsverhältnis bei der Fa M aufgefordert worden sei. Eine wiederholte Aufforderung sei am 10. Februar 2003 ergangen. Mit Schreiben vom 10. März 2003 sei der Kläger erinnert worden. Die Schreiben vom 27. November 2002 und 10. Februar 2003, die ebenso wie das Erinnerungsschreiben vom 10. März 2003 in Kopie dem Gericht vorgelegt worden sind, seien nicht als unzustellbar zurückgekehrt sondern vom Kläger nicht beantwortet worden. Erst am 06. Mai 2003 sei die ebenfalls in Kopie beigefügte Antwort des Klägers eingegangen.
In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2006 ist der Kläger zu den Umständen, die zur Beantragung des Insg geführt haben, gehört worden, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt den Sitzungsniederschrift verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Insg-Hauptakte der AA E (Stammnummer 000646), der den Kläger betreffenden InsgAkte der AA E, der Leistungsakte der AA Berlin-Süd (922-A071383), der Insolvenzverfahrensakte des AG E (161 IN 99/01) und der Streitakte des ArbG E (5 Ca 1023/01), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht der mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) geltend gemachte Anspruch auf Insg nicht zu.
Nach § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III in der ab 01. Januar 2002 maßgeblichen Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insg ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen (§ 324 Abs 3 Satz 1 SGB III). Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insg geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird (§ 324 Abs 3 Satz 2 SGB III). Die Nachfrist wird jedoch nicht eröffnet, wenn das Hindernis – betreffend der unverschuldeten Unkenntnis vom Beginn der Antragsfrist bzw vom Eintritt des Insolvenzereignisses – während des Laufs der Antragsfrist wegfällt (vgl BSG Urteil vom 04. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R –, Bayerisches Landessozialgericht (LSG) Urteil vom 15. Oktober 2002 – L 11 AL 37/01 -, jeweils mwN veröffentlicht in Juris).
Ein Insolvenzereignis im Sinne der Nr 1 oder Nr 3 des § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III – Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei Zahlungsunfähigkeit – ist hier nicht gegeben. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten für eine vollständige Einstellung des Betriebes vor der Abweisung des Insolvenzantrages der G wegen Masselosigkeit durch das AG E mit Beschluss vom 21. Oktober 2002; zumal von der AA E an ehemalige Arbeitnehmer der Fa M Insg bis Ende August 2001 bzw sogar für einen Arbeitnehmer noch für die Beschäftigungszeit vom 21. Juli 2002 bis zum 20. Oktober 2002 gezahlt worden ist. Für den Beginn der Ausschlussfrist des § 324 Abs 3 Satz 1 SGB III ist der Eintritt des jeweiligen Insolvenzfalls maßgebend, wobei im Falle der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse auf das Datum des Beschlusses abzustellen ist (Niesel in Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 324 RdNrn 19, 20; BSG in SozR 4100 § 141e Nr 5), nicht auf dessen Zustellung (§ 8 Insolvenzordnung (InsO)) oder dessen Bekanntmachung (§ 9 InsO), und nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von sämtlichen Merkmalen des Tatbestandes (BSG in SozR 4100 § 141e Nrn 5, 6). Die Frist beginnt ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitnehmers vom Eintritt eines Insolvenzereignisses im Sinne von § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III. Ausgehend von der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse am 21. Oktober 2002 hat die zweimonatige Ausschlussfrist spätestens am 22. Oktober 2002 begonnen und ist, da der letzte Tag der Frist auf einen Sonnabend fällt, mit Ablauf des 23. Dezember 2002, einem Montag, geendet (§ 26 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm §§ 187 Abs 1, 188 Abs 1 und 2, 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), sodass der vom Kläger am 07. Februar 2003 gestellte Antrag nicht fristgemäß erfolgt ist.
Eine Nachfrist nach § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III ist nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer die Versäumung der Antragsfrist nicht zu vertreten hat. Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht (§ 324 Abs 3 Satz 3 SGB III). § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III stellt eine spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X; § 67 SGG) dar. Die Unkenntnis vom Eintritt des Insolvenzereignisses, des Laufes der Antragsfrist oder der sonstigen Rechtslage eröffnet daher noch nicht die Nachfrist (vgl BSG in SozR 4100 § 141e Nr 8). Vielmehr darf es sich nicht um eine fahrlässige Unkenntnis gehandelt haben (BSG in SozR 4100 § 141e Nr 5). Maßgeblich ist daher, ob der Kläger die Antragsfrist unter Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die von einem gewissenhaft Handelnden, orientiert an den Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten seiner Person (ständige Rechtsprechung des BSG auch zu § 67 SGB X, vgl BSG SozR 3- 3100 § 67 Nr 3), erwartet werden kann, versäumt hat. So ist es dem nicht juristisch vorgebildeten Arbeitnehmer zumutbar, bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für den Eintritt eines Insolvenzereignisses sich sachkundig zu machen, Rechtsrat einzuholen und zumindest vorsorglich einen Antrag auf Insg zu stellen. Des Weiteren muss er sich bemühen, seine arbeitsrechtlichen Ansprüche durchzusetzen.
Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger bei der Versäumung der Antragsfrist fahrlässig gehandelt. Seine Fehlvorstellung über das nach § 183 Abs 1 SGBI III maßgebliche Insolvenzereignis (nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und über den Beginn der Antragsfrist (erst nach Mitteilung bzw Aufforderung des Insolvenzverwalters) stellt keinen Entschuldigungsgrund für die Versäumung der Antragsfrist dar. Denn der Kläger hat sich nach Erlangung eines Vollstreckungstitels (Versäumnisurteil des ArbG Essen vom 21. September 2001) nicht mehr weiter um die Durchsetzung seiner Lohnansprüche gekümmert und damit sorgfaltswidrig gehandelt. Selbst bei Berücksichtigung des Umstandes, dass die Schwierigkeiten bei der postalischen Erreichbarkeit der Fa M das Absehen von Einzelvollstreckungsmaßnahmen evtl rechtfertigen können, hätte sich der Kläger zumindest regelmäßig bei dem zuständigen Insolvenzgericht, dem AG Essen, hinsichtlich der Anhängigkeit eines Insolvenzverfahrens zum Zwecke der Anmeldung seiner Forderungen erkundigen müssen. Dies ist nicht geschehen, obwohl der Kläger eine Zahlungsunfähigkeit bzw den "Konkurs" der Fa M vermutet hatte, wie bereits seinen Angaben gegenüber der AA bei Beantragung des Alg und auch schon dem an die Fa M gerichteten anwaltlichen Schreiben vom 03. Januar 2001 (Aufforderung zur Lohnzahlung und Fristsetzung) zu entnehmen ist. Hinzu kommt, dass der Kläger – wenn auch in größeren Abständen – telefonisch Kontakt zu seinem ehemaligen Vorarbeiter hielt und um dessen offene Lohnforderungen wie auch die von anderen Kollegen wusste. Daher hätte er spätestens bei Erhalt der ersten Aufforderung der GEK vom 27. November 2002 hinreichend Anlass gehabt, sich unverzüglich hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug von Insg sachkundig zu machen, dh entweder anwaltlichen Rechtsrat einzuholen oder sich bei der AA beraten zu lassen und vorsorglich einen Insg-Antrag zu stellen. Zwar ist in dem Schreiben des Mahnbereichs der GEK die zwischenzeitlich erfolgte Ablehnung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit der Eintritt des Insolvenzereignisses nicht erwähnt worden, da die hierfür zuständige Sachbearbeiterin des Mahnbereiches der Goffenbar davon keine Kenntnis hatte. Dem Kläger ist damit aber hinreichend verdeutlicht worden, dass für den streitigen Zeitraum immer noch keine Sozialversicherungsbeiträge von der Fa M für ihn entrichtet worden waren und die G sich ergebnislos um den Einzug dieser Beiträge bemüht hatte. Da auch 13 Monate nach Erlangung eines Vollstreckungstitels sein ehemaliger Arbeitgeber keine Zahlungen an ihn geleistet hatte, blieb dem Kläger nur noch die Möglichkeit der Beantragung von Insg zum Ausgleich seines Lohnausfalles. Diese Alternative ist dem Kläger mit der Bitte um Ausfüllung der vorbereiteten Antwort im Schreiben der G vom 27. November 2002 auch aufgezeigt worden. Sie ist ihm auch nicht unbekannt gewesen, denn er hatte bereits 1997 Insg bzw Konkursausfallgeld, welches unter den gleichen Voraussetzungen gewährt wurde, in Anspruch genommen. Zudem hätte unmittelbar nach Zugang des Schreibens der GEK schon das die spätere Antragstellung auslösende Telefongespräch mit dem ehemaligen Vorarbeiter geführt werden können, der nach dem Inhalt der Insg-Hauptakte zum Kreis der Insg-Bezieher gehört und demzufolge in der Ende November/Anfang Dezember 2002 noch laufenden Antragsfrist selbst den erforderlichen Insg-Antrag gestellt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung von Insolvenzgeld (Insg) wegen Versäumung der Ausschlussfrist nach § 324 Abs 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).
Der 1955 geborene und in Berlin wohnhafte Kläger ist bei der S G Ersatzkasse G krankenversichert. Vom 01. Februar 2000 bis zum 19. November 2000 bezog er Arbeitslosengeld (Alg). Auf Vermittlung der Arbeitsagentur (AA) nahm er am 16. November 2000 eine Beschäftigung als Montageschlosser bei der Firma M Industriemontage GmbH (im Folgenden: Fa M) mit Sitz in E, Bstraße auf (Geschäftsführer H G mit Wohnsitz in Spanien; Ansprechpartner vor Ort bzw faktischer Geschäftsführer Herr F). Wegen ausbleibender Lohnabrechnungen und -zahlungen für November und Dezember 2000 machte der Kläger im Januar 2001 (ua mit Schreiben seines damaligen Bevollmächtigten vom 16. Januar 2001) von seinem Zurückbehaltungsrecht (ZBR) der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung Gebrauch und kündigte mit Schreiben vom 01. Februar 2001 fristlos das Arbeitsverhältnis. Am 26. Februar 2001 erhob der Kläger Lohnklage (auf 10.153,50 DM Lohn sowie 1.120,00 DM Auslöse, jeweils zuzüglich Zinsen), der das Arbeitsgericht (ArbG) E durch rechtskräftiges Versäumnisurteil vom 21. September 2001 (5 Ca 1023/01), zugestellt am 12. November 2001 unter der obengenannten Geschäftsadresse der Fa M während der gewöhnlichen Geschäftszeiten durch Übergabe an Herrn F, stattgab. Die Fa M hatte mit Schreiben vom 31. Januar 2001 ihrerseits das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wegen Arbeitsmangel zum 15. Februar 2001 gekündigt.
Bereits am 30. Januar 2001 hatte sich der Kläger bei der für ihn zuständigen AA Berlin-Süd (T) arbeitslos gemeldet und die Wiedergewährung von Alg beantragt. In dem von ihm am 02. Februar 2001 ausgefüllten Fragebogen der AA zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer hatte er seine Gründe wie folgt dargelegt: "1. vom ersten Tag der Beschäftigung an wurde kein Lohn gezahlt 2. ich bin mit ca. 3000,- in Vorleistung gegangen 3. es ist bei anderen Kollegen schon öfters vorkommen, dass der Lohn nicht vollständig oder verspätet gezahlt wurde 4. Herr F, Ansprechpartner der Firma, hat mich siebenmal belogen 5. nach meiner Meinung betreibt die Firma Konkursverschleppung 6. das ist das zweite Mal, das mich das Arbeitsamt in eine konkurse Firma schickt, wo ich wieder nur mit Minus herauskomme."
Die AA Berlin-Süd bewilligte dem Kläger bis zur Erschöpfung des Anspruches am 08. März 2001 Alg (Bescheid vom 07. März 2001) und im Anschluss daran Arbeitslosenhilfe (Alhi). Nachdem der Kläger in seinem Alhi-Antrag vom 09. März 2001 nochmals auf die offenen Lohnansprüche gegenüber der Fa M hingewiesen hatte und die Anfragen der AA bezüglich einer Arbeitgeberbescheinigung ergebnislos blieben, bat die AA Berlin-Süd mit Schreiben vom 03. Mai 2001 die G um Auskünfte zum Beschäftigungsverhältnis und forderte den Kläger erneut auf, die Lohnabrechnungen sowie die An- und Abmeldungen beim Versicherungsträger vorzulegen. In einem Telefonat vom 07. Mai 2001 teilte der Kläger mit, dass die angeforderten Unterlagen ihm immer noch nicht vorlägen und der Arbeisrechtsstreit noch nicht geklärt sei (Aktenvermerk Bl 171 Leistungsakte).
Die G beantragte am 27. September 2001 beim Amtsgericht (AG) Essen (161 IN 99/01) die Eröffnung des Regelinsolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa M. Die Ermittlungen des AG E gestalteten sich im Hinblick auf die Nichterreichbarkeit des Geschäftsführers der Firma schwierig. Durch rechtskräftige Beschlüsse vom 21. Oktober 2002 wies das AG Essen den Antrag der GEK sowie die weiteren Anträge (161 IN 102/01 und 161 IN 103/01, 161 N 116/01) auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Fa M mangels Masse ab.
Erstmals mit Schreiben vom 27. November 2002 forderte die GEK den Kläger zur Klärung der rückständigen Sozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsverhältnis bei der Fa M auf; in der Anlage, die vom Kläger ausgefüllt zurückgesandt werden sollte, heißt es wie folgt: "1. Ich habe mein Entgelt bis zum. erhalten. 2. Für die Zeit vom ... bis ... habe ich / werde ich Insolvenzgeld vom Arbeitsamt erhalten." Diese, wie auch die erneute Aufforderung vom 10. Februar 2003 beantwortete der Kläger erst auf die Erinnerung vom 10. März 2003 mit Schreiben vom 30. April 2003, bei der G eingegangen am 06. Mai 2003.
Zwischenzeitlich hatte der Kläger am 07. Februar 2003 bei der für ihn zuständigen AA in Berlin den Formantrag auf Insg abgeholt und damit formlos Insg beantragt. Den ausgefüllten Formantrag sowie sein Schreiben vom 30. April 2003, mit dem er die Gewährung von Insg für die Zeit vom 16. November 2000 bis zum 31. Januar 2001 unter Vorlage des Versäumnisurteils des ArbG E, einer Aufstellung der Arbeitsstunden für Dezember 2000 und November 2000 sowie einer Kopie des Beschlusses des AG E (161 IN 99/01) vom 21. Oktober 2002 beantragte, waren am 02. Mai 2003 bei der AA E eingegangen. Hierbei hatte er weiter ausgeführt, von der Firmenschließung weder vom Arbeitsamt, dem Firmengeschäftsführer, dem Arbeitsgericht, der Krankenkasse, der Rentenversicherung noch dem Insolvenzverwalter informiert worden zu sein. Er habe erst auf Grund des Fax der Krankenkasse vom 17. Februar 2003 Kenntnis von der Insolvenz der Fa M erhalten. Auf die Frage, ob hinsichtlich des ausstehenden Arbeitsentgeltes Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingesetzt wurden, hatte er erklärt, dies sei ihm unbekannt.
Mit Bescheid vom 30. Mai 2003 lehnte die AA Essen, die bereits im September 2001 auf Antrag von ehemaligen Arbeitnehmern der Fa M die Ermittlungen zum Insolvenztag/-ereignis aufgenommen hatte (siehe Insg-Hauptakte Stammnummer 000646), die Gewährung von Insg mit der Begründung ab, die Ausschlussfrist von 2 Monaten sei nicht eingehalten. Diese habe am Tag nach Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Beschluss vom 21. Oktober 2002) am 22. Oktober 2002 begonnen und sei am 23. Dezember 2002 geendet. Der Antrag sei außerhalb der Frist am 07. Februar 2003 gestellt worden. Eine Nachfrist im Sinne von § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III könne nicht gewährt werden, da der Kläger die Fristversäumung zu vertreten habe. Er habe keine Zwangsvollstreckungsmaßnahmen eingeleitet und somit nicht mit der erforderlichen Sorgfalt sich um die Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche bemüht. Mit seinem Widerspruch führte der Kläger aus, die Ursache der erfolglosen Zwangsvollstreckung sei in dem unseriösen Geschäftsgebaren der Fa M begründet. So seien bis zur Insolvenz der Firma ständig Arbeiter beschäftigt worden, die Geschäftsführung als Vertretung der GmbH sei jedoch für dritte Personen regelmäßig nicht erreichbar gewesen. Auch habe das Arbeitsverhältnis schon vor der Insolvenz geendet. Nur durch Zufall sei er im Februar 2003 durch eine Mitteilung seiner Krankenkasse über die Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers in Kenntnis gesetzt worden. Danach habe er sofort den Antrag auf Insg gestellt. Die Beklagte hat den Widerspruch durch Bescheid vom 29. April 2004 als unbegründet zurückgewiesen: Bei der Frage, ob ein Antragsteller die Versäumung der Frist zu vertreten habe, sei auch das Verschulden eines Bevollmächtigten diesem zuzurechnen. So sei in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ((BSG) Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RAr 14/91 – in SozR 3-4100 § 141e Nr 2) dargelegt worden, dass die Erteilung einer Vollmacht in den Fällen, in denen sich der Kläger an seinen Prozessbevollmächtigten mit dem Anliegen wende, sein Arbeitgeber habe ihn kein Lohn gezahlt und die sich hieraus ergebenden Ansprüche sollten ohne ausdrückliche Eingrenzung auf das Arbeitsrecht realisiert werden, auch den entsprechenden Auftrag zur Stellung eines Antrages auf Insg nach Kenntnis von der Insolvenz des Arbeitgebers beinhalte. Damit habe es hier dem Bevollmächtigten des Widerspruchsführers oblegen, diesen zur Stellung eines Antrages auf Insg beim Arbeitsamt zu raten bzw selbst einen solchen in Vertretung für den Widerspruchführer zu stellen.
Die nachfolgende Klage vor dem Sozialgericht (SG) Berlin ist ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil vom 23. November 2004).
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter: Maßgebliches Insolvenzereignis sei erst der Erlass des Beschlusses des AG Essen vom 21. Oktober 2002 gewesen. So habe der Umstand, dass die Geschäftsführung der Fa M im März 2001 vorübergehend nicht zu erreichen gewesen sei, noch nicht auf eine Insolvenz des Unternehmens hingedeutet. Zu diesem Zeitpunkt sei in dem Betrieb ja auch noch gearbeitet worden. Der damalige Prozessvertreters des Klägers habe zu seinem Schutze auf die Einleitung eines Zwangsvollstreckungsverfahrens verzichtet, da die Geschäftsführung zeitweilig nicht aufzufinden gewesen sei. Da er erst durch Schreiben der GEK von der Insolvenz erfahren habe, treffe ihn an der Fristversäumung kein Verschulden. Er habe zunächst telefonisch der G geantwortet, dies sei am 03. Dezember 2003 geschehen. Dabei habe er mitgeteilt, dass er bisher weder Lohnzahlungen noch die Lohnsteuerkarte erhalten habe und Insg mangels Eröffnung eines Insolvenzverfahrens für ihn noch kein Thema sei. Damals sei er davon ausgegangen, dass er Insg erst nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, von der er durch den Insolvenzverwalter informiert werde, beantragen könne. Durch ein Telefongespräch mit dem ehemaligen Vorarbeiter Ende Januar/Anfang Februar 2003 habe er davon erfahren, dass mit der Insolvenz der Fa M "irgendwas laufe". Deshalb habe er sich die Antragsunterlagen für Insg geholt. Auf das Schreiben der G vom 10. Februar 2003 habe er dann nochmals in S G angerufen und sei mit einem Sachbearbeiter vom "Team 20" verbunden worden. Man habe ihm dann am 17. Februar 2003 den Beschluss des AG E vom 21. Oktober 2002 zugefaxt. Die Sachbearbeiterin, die zuvor die Aufforderungen zum Nachweis von Lohn- oder Insg-Zahlungen sowie der Mahnschreiben versandt hatte, habe seiner Erinnerung nach über den Beschluss des AG E nicht Bescheid gewusst. Im Hinblick auf diesen Ablauf sei die Beantragung des Insg noch rechtzeitig innerhalb der Nachfrist des § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III erfolgt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 23. November 2004 sowie den Bescheid vom 30. Mai 2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 16. November 2000 bis zum 31. Januar 2001 Insolvenzgeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und einen Anspruch auf Insg nach wie vor nicht für gegeben.
Auf Anfrage des Senats hat die GEK unter dem 09. Oktober 2006 mitgeteilt, dass der Kläger zum ersten Mal mit Schreiben vom 27. November 2002 zur Klärung der Rückstände der Sozialversicherungsbeiträge aus dem Arbeitsverhältnis bei der Fa M aufgefordert worden sei. Eine wiederholte Aufforderung sei am 10. Februar 2003 ergangen. Mit Schreiben vom 10. März 2003 sei der Kläger erinnert worden. Die Schreiben vom 27. November 2002 und 10. Februar 2003, die ebenso wie das Erinnerungsschreiben vom 10. März 2003 in Kopie dem Gericht vorgelegt worden sind, seien nicht als unzustellbar zurückgekehrt sondern vom Kläger nicht beantwortet worden. Erst am 06. Mai 2003 sei die ebenfalls in Kopie beigefügte Antwort des Klägers eingegangen.
In der mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2006 ist der Kläger zu den Umständen, die zur Beantragung des Insg geführt haben, gehört worden, hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Inhalt den Sitzungsniederschrift verwiesen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Insg-Hauptakte der AA E (Stammnummer 000646), der den Kläger betreffenden InsgAkte der AA E, der Leistungsakte der AA Berlin-Süd (922-A071383), der Insolvenzverfahrensakte des AG E (161 IN 99/01) und der Streitakte des ArbG E (5 Ca 1023/01), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die frist- und formgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) eingelegte Berufung ist zulässig (§ 143 SGG), jedoch unbegründet.
Dem Kläger steht der mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4 SGG) geltend gemachte Anspruch auf Insg nicht zu.
Nach § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III in der ab 01. Januar 2002 maßgeblichen Fassung (im Folgenden ohne Zusatz zitiert) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei 1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers, 2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt, (Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Insg ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen (§ 324 Abs 3 Satz 1 SGB III). Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insg geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird (§ 324 Abs 3 Satz 2 SGB III). Die Nachfrist wird jedoch nicht eröffnet, wenn das Hindernis – betreffend der unverschuldeten Unkenntnis vom Beginn der Antragsfrist bzw vom Eintritt des Insolvenzereignisses – während des Laufs der Antragsfrist wegfällt (vgl BSG Urteil vom 04. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R –, Bayerisches Landessozialgericht (LSG) Urteil vom 15. Oktober 2002 – L 11 AL 37/01 -, jeweils mwN veröffentlicht in Juris).
Ein Insolvenzereignis im Sinne der Nr 1 oder Nr 3 des § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III – Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit bei Zahlungsunfähigkeit – ist hier nicht gegeben. Insbesondere fehlt es an Anhaltspunkten für eine vollständige Einstellung des Betriebes vor der Abweisung des Insolvenzantrages der G wegen Masselosigkeit durch das AG E mit Beschluss vom 21. Oktober 2002; zumal von der AA E an ehemalige Arbeitnehmer der Fa M Insg bis Ende August 2001 bzw sogar für einen Arbeitnehmer noch für die Beschäftigungszeit vom 21. Juli 2002 bis zum 20. Oktober 2002 gezahlt worden ist. Für den Beginn der Ausschlussfrist des § 324 Abs 3 Satz 1 SGB III ist der Eintritt des jeweiligen Insolvenzfalls maßgebend, wobei im Falle der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse auf das Datum des Beschlusses abzustellen ist (Niesel in Niesel, SGB III, 3. Auflage, § 324 RdNrn 19, 20; BSG in SozR 4100 § 141e Nr 5), nicht auf dessen Zustellung (§ 8 Insolvenzordnung (InsO)) oder dessen Bekanntmachung (§ 9 InsO), und nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Arbeitnehmers von sämtlichen Merkmalen des Tatbestandes (BSG in SozR 4100 § 141e Nrn 5, 6). Die Frist beginnt ohne Rücksicht auf die Kenntnis des Arbeitnehmers vom Eintritt eines Insolvenzereignisses im Sinne von § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III. Ausgehend von der Abweisung des Insolvenzantrages mangels Masse am 21. Oktober 2002 hat die zweimonatige Ausschlussfrist spätestens am 22. Oktober 2002 begonnen und ist, da der letzte Tag der Frist auf einen Sonnabend fällt, mit Ablauf des 23. Dezember 2002, einem Montag, geendet (§ 26 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm §§ 187 Abs 1, 188 Abs 1 und 2, 193 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)), sodass der vom Kläger am 07. Februar 2003 gestellte Antrag nicht fristgemäß erfolgt ist.
Eine Nachfrist nach § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III ist nur gegeben, wenn der Arbeitnehmer die Versäumung der Antragsfrist nicht zu vertreten hat. Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht (§ 324 Abs 3 Satz 3 SGB III). § 324 Abs 3 Satz 2 SGB III stellt eine spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 SGB X; § 67 SGG) dar. Die Unkenntnis vom Eintritt des Insolvenzereignisses, des Laufes der Antragsfrist oder der sonstigen Rechtslage eröffnet daher noch nicht die Nachfrist (vgl BSG in SozR 4100 § 141e Nr 8). Vielmehr darf es sich nicht um eine fahrlässige Unkenntnis gehandelt haben (BSG in SozR 4100 § 141e Nr 5). Maßgeblich ist daher, ob der Kläger die Antragsfrist unter Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die von einem gewissenhaft Handelnden, orientiert an den Fähigkeiten und Erkenntnismöglichkeiten seiner Person (ständige Rechtsprechung des BSG auch zu § 67 SGB X, vgl BSG SozR 3- 3100 § 67 Nr 3), erwartet werden kann, versäumt hat. So ist es dem nicht juristisch vorgebildeten Arbeitnehmer zumutbar, bei Vorliegen hinreichender Anhaltspunkte für den Eintritt eines Insolvenzereignisses sich sachkundig zu machen, Rechtsrat einzuholen und zumindest vorsorglich einen Antrag auf Insg zu stellen. Des Weiteren muss er sich bemühen, seine arbeitsrechtlichen Ansprüche durchzusetzen.
Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger bei der Versäumung der Antragsfrist fahrlässig gehandelt. Seine Fehlvorstellung über das nach § 183 Abs 1 SGBI III maßgebliche Insolvenzereignis (nur die Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und über den Beginn der Antragsfrist (erst nach Mitteilung bzw Aufforderung des Insolvenzverwalters) stellt keinen Entschuldigungsgrund für die Versäumung der Antragsfrist dar. Denn der Kläger hat sich nach Erlangung eines Vollstreckungstitels (Versäumnisurteil des ArbG Essen vom 21. September 2001) nicht mehr weiter um die Durchsetzung seiner Lohnansprüche gekümmert und damit sorgfaltswidrig gehandelt. Selbst bei Berücksichtigung des Umstandes, dass die Schwierigkeiten bei der postalischen Erreichbarkeit der Fa M das Absehen von Einzelvollstreckungsmaßnahmen evtl rechtfertigen können, hätte sich der Kläger zumindest regelmäßig bei dem zuständigen Insolvenzgericht, dem AG Essen, hinsichtlich der Anhängigkeit eines Insolvenzverfahrens zum Zwecke der Anmeldung seiner Forderungen erkundigen müssen. Dies ist nicht geschehen, obwohl der Kläger eine Zahlungsunfähigkeit bzw den "Konkurs" der Fa M vermutet hatte, wie bereits seinen Angaben gegenüber der AA bei Beantragung des Alg und auch schon dem an die Fa M gerichteten anwaltlichen Schreiben vom 03. Januar 2001 (Aufforderung zur Lohnzahlung und Fristsetzung) zu entnehmen ist. Hinzu kommt, dass der Kläger – wenn auch in größeren Abständen – telefonisch Kontakt zu seinem ehemaligen Vorarbeiter hielt und um dessen offene Lohnforderungen wie auch die von anderen Kollegen wusste. Daher hätte er spätestens bei Erhalt der ersten Aufforderung der GEK vom 27. November 2002 hinreichend Anlass gehabt, sich unverzüglich hinsichtlich der Voraussetzungen für den Bezug von Insg sachkundig zu machen, dh entweder anwaltlichen Rechtsrat einzuholen oder sich bei der AA beraten zu lassen und vorsorglich einen Insg-Antrag zu stellen. Zwar ist in dem Schreiben des Mahnbereichs der GEK die zwischenzeitlich erfolgte Ablehnung des Antrages auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit der Eintritt des Insolvenzereignisses nicht erwähnt worden, da die hierfür zuständige Sachbearbeiterin des Mahnbereiches der Goffenbar davon keine Kenntnis hatte. Dem Kläger ist damit aber hinreichend verdeutlicht worden, dass für den streitigen Zeitraum immer noch keine Sozialversicherungsbeiträge von der Fa M für ihn entrichtet worden waren und die G sich ergebnislos um den Einzug dieser Beiträge bemüht hatte. Da auch 13 Monate nach Erlangung eines Vollstreckungstitels sein ehemaliger Arbeitgeber keine Zahlungen an ihn geleistet hatte, blieb dem Kläger nur noch die Möglichkeit der Beantragung von Insg zum Ausgleich seines Lohnausfalles. Diese Alternative ist dem Kläger mit der Bitte um Ausfüllung der vorbereiteten Antwort im Schreiben der G vom 27. November 2002 auch aufgezeigt worden. Sie ist ihm auch nicht unbekannt gewesen, denn er hatte bereits 1997 Insg bzw Konkursausfallgeld, welches unter den gleichen Voraussetzungen gewährt wurde, in Anspruch genommen. Zudem hätte unmittelbar nach Zugang des Schreibens der GEK schon das die spätere Antragstellung auslösende Telefongespräch mit dem ehemaligen Vorarbeiter geführt werden können, der nach dem Inhalt der Insg-Hauptakte zum Kreis der Insg-Bezieher gehört und demzufolge in der Ende November/Anfang Dezember 2002 noch laufenden Antragsfrist selbst den erforderlichen Insg-Antrag gestellt hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, sie folgt der Entscheidung in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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