L 16 R 855/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 917/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 855/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Mai 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der beklagte Rentenversicherungsträger übersandte dem 1943 geborenen Kläger unter dem 5. Juli 2004 eine Renteninformation. Darin ist bei "Grundlage(n) der Rentenberechnung" u. a. ausgeführt: "Insgesamt haben Sie bisher 27,0248 Entgeltpunkte erworben". Auf den weiteren Inhalt wird verwiesen. Am 21. Januar 2005 erstellte die Beklagte die Renteninformation 2005, die (u. a.) nurmehr 26,2983 bisher insgesamt erworbene Entgeltpunkte ausweist.

Mit Schreiben vom 4. Dezember 2005 legte der Kläger vorsorglich Widerspruch gegen die Renteninformation 2005 ein und bat unter Hinweis auf die Renteninformation 2004 um Korrektur der persönlichen Entgeltpunkte auf 27,0248. Die Beklagte wies den Rechtsbehelf durch Widerspruchsbescheid vom 30. Januar 2006 mit der Begründung zurück, die Renteninformation sei kein Verwaltungsakt und könne daher nicht mit Widerspruch oder Klage angefochten werden.

Im Klageverfahren hat der Kläger Bestandsschutz für die ihm 2004 mitgeteilten Entgeltpunkte geltend gemacht und eine entsprechende Korrektur der Renteninformation 2005 begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2006). Es hat ausgeführt, die angefochtene Renteninformation und der Widerspruchsbescheid begegneten keinen rechtlichen Bedenken. Das SG ist im Wesentlichen der Begründung des Widerspruchsbescheides gefolgt. Ergänzend hat es ausgeführt, die Renteninformation sei kein Verwaltungsakt. Es fehle an einer auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichteten Regelung. Eine verbindliche Regelung bezüglich der Entgeltpunkte und der Rentenhöhe werde erst mit dem Rentenbescheid getroffen. Mangels rechtlicher Verbindlichkeit lasse sich aus der Renteninformation auch kein Bestandsschutz oder Vertrauensschutz ableiten. Diese Rechtslage sei nicht verfassungswidrig.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor: Die Renteninformation vom 21. Januar 2005 stelle sehr wohl einen belastenden Verwaltungsakt dar. Sie verletze ihn gegenwärtig und dauerhaft in seinem Recht auf Bestandsschutz der bereits mit der Renteninformation vom 5. Juli 2004 verbindlich festgestellten 27,0248 Entgeltpunkte.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des SG B vom 16. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Renteninformation 2005 vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Januar 2006 dahingehend zu ändern, dass 27,0248 Entgeltpunkte festgestellt werden, hilfsweise, festzustellen, dass die Renteninformation 2005 mindestens 27,0248 Entgeltpunkte enthalten muss, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Das SG habe zutreffend ausgeführt, dass es sich bei der Renteninformation vom 21. Januar 2005 nicht um einen Verwaltungsakt handele.

Die Beklagte hat dem Kläger die Abweichung zwischen den Renteninformationen in einem Schreiben vom 27. Juli 2006 erläutert. Der Kläger hat hiergegen unter dem 6. August 2006 Widerspruch eingelegt.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Änderung der in der Renteninformation 2005 mitgeteilten Entgeltpunkte.

Streitgegenstand ist das Begehren des Klägers, die Beklagte zu einer Änderung der in der Renteninformation 2005 mitgeteilten Entgeltpunkte auf 27,0248 zu verpflichten. Hilfsweise begehrt der Kläger, eine entsprechende Pflicht der Beklagten festzustellen. Seinem Vorbringen ist dagegen nicht zu entnehmen (vgl. § 123 Sozialgerichtsgesetz – SGG –), dass er einen Anspruch auf Auskunft seines Mindest-Rangstellenwertes geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 R = SozR 3-2600 § 149 Nr. 6). Das Schreiben vom 27. Juli 2006, mit dem die Beklagte dem Kläger die Gründe für die unterschiedliche Höhe der Entgeltpunkte in den Renteninformationen erläutert hat, ist nicht gemäß § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Denn bei diesem erläuternden Schreiben handelt es sich entgegen der rechtsirrigen Auffassung des Klägers mangels jeglicher Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt (vgl. § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz).

Die vorrangig erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist schon wegen fehlender Klagebefugnis (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG) unzulässig. Denn es ist gänzlich ausgeschlossen, dass der Kläger einen Anspruch gegen den beklagten Rentenversicherungsträger auf Erlass des begehrten Verwaltungsaktes haben kann (vgl. BSG a. a. O., Rn. 29, allerdings zu § 149 Abs. 5 Satz 3 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI –). Gemäß § 109 Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der hier maßgeblichen, am 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Fassung des Altersvermögensgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl. I, S. 1310; im Folgenden n. F.) erhalten Versicherte, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, jährlich eine schriftliche Renteninformation. Nach Satz 2 a. a. O. wird die Renteninformation nach Vollendung des 54. Lebensjahres alle drei Jahre durch eine Rentenauskunft ersetzt. Gemäß § 109 Abs. 2 SGB VI n. F. sind die Renteninformation und die Rentenauskunft mit dem Hinweis zu versehen, dass sie auf der Grundlage des geltenden Rechts und der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten erstellt sind und damit unter dem Vorbehalt künftiger Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten stehen. Die Renteninformation hat nach § 109 Abs. 3 SGB VI n. F. insbesondere zu enthalten 1. Angaben über die Grundlage der Rentenberechnung, 2. Angaben über die Höhe einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, die zu zahlen wäre, würde der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung vorliegen, 3. eine Prognose über die Höhe der zu erwartenden Regelaltersrente, 4. Informationen über die Auswirkungen künftiger Rentenanpassungen, 5. eine Übersicht über die Höhe der Beiträge, die für Beitragszeiten vom Versicherten, dem Arbeitgeber oder von öffentlichen Kassen gezahlt worden sind.

Ein mit der Verpflichtungsklage durchsetzbarer Anspruch auf Änderung der in der Renteninformation 2005 mitgeteilten Entgeltpunkte auf 27,0248 steht dem Kläger schon deswegen nicht zu, weil die Verpflichtungsklage in zulässiger Weise nur darauf gerichtet sein kann, einen Verwaltungsakt zu erlassen. Der Anspruch des Klägers aus § 109 SGB VI ist aber nicht auf Erlass eines Verwaltungsaktes, sondern auf Erteilung von Auskünften gerichtet. Das gilt sowohl für die Rentenauskunft als auch (erst recht) für die vorliegend in Rede stehende Renteninformation (zum Verhältnis von Renteninformation und Rentenauskunft vgl. Drechsler, RVaktuell 2006, 254, 255). Im Übrigen kommt den in der Renteninformation mitgeteilten Auskünften keine Rechtsverbindlichkeit zu. Dies ergab sich bis Ende 2003 aus der ausdrücklichen Regelung in § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB VI a. F. und folgt nach geltendem Recht aus dem in § 109 Abs. 2 SGB VI statuierten Vorbehalt hinsichtlich künftiger Rechtsänderungen sowie der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Versicherungskonto gespeicherten rentenrechtlichen Zeiten, auf den in der Renteninformation hinzuweisen ist. Mit einem entsprechenden Vorbehalt hat die Beklagte die Renteninformation 2004 unter "6. Erläuterungen" auch versehen. Eine Klagebefugnis ergibt sich auch nicht aus der sog. Verfahrensgarantie des Art. 14 Grundgesetz (GG). Denn der Abwehrgehalt dieser Grundrechtsposition kann das Begehren des Klägers unter keinem Gesichtspunkt rechtfertigen (vgl. BSG, Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 R = SozR 3-2600 § 149 Nr. 6, Rn. 36).

Auch die sinngemäß erhobene Klage auf Feststellung, dass die Renteninformation 2005 mindestens 27,0248 Entgeltpunkte enthalten muss, ist unzulässig. Denn der Kläger begehrt damit eine unzulässige Elemententeilvorabfeststellung, nämlich die Pflicht zur Festschreibung der Entgeltpunkte der Renteninformation 2004 in die Renteninformation 2005 (und darüber hinaus). Die sachliche Richtigkeit der mitgeteilten Entgeltpunkte ist nicht zu prüfen. Nicht entscheidungserheblich sind ferner die Daten des vom Kläger angesprochenen Versicherungsverlaufs vom 23. Mai 1989.

Eine Klage auf gerichtliche Feststellung des jeweils erreichten Mindest-Rangstellenwertes, die nach Maßgabe des Urteils des BSG vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 R = SozR 3-2600 § 149 Nr. 6, Rn. 43 ff., 48 statthaft sein kann, hat der Kläger nicht erhoben; er hat diesen Anspruch auch nicht zuvor gegenüber der Beklagten geltend gemacht.

Für die vom Kläger beantragte Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) bestand kein Anlass. Soweit der Kläger in der Berufungsschrift die Vorlage an das BVerfG "mit einem Eilantrag" begehrt, ist er bereits mit der Bestätigung des Eingangs der Berufung darauf hingewiesen worden, dass derartige "Eil-Vorlagen" gesetzlich nicht vorgesehen sind. Auch im Übrigen sind die Voraussetzungen für eine Aussetzungsanordnung gemäß Art. 100 Abs. 1 GG nicht gegeben. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 109 SGB VI bestehen nicht. Mit Rücksicht auf den (grundrechtlichen) Auskunftsanspruch des Klägers über seinen erlangten Mindest-Rangstellenwert liegt auch keine unzulässige Verkürzung des verfassungsrechtlich aus Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG gebotenen Rechtsschutzes vor (vgl. nochmals BSG, Urteil vom 30. August 2001 – B 4 RA 114/00 R = SozR 3-2600 § 149 Nr. 6, Rn. 42 ff.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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