L 6 R 146/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RJ 835/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 R 146/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 27. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der Kläger ist 1963 geboren und hat von 1979 bis 1982 eine Lehre als Bauschlosser erfolgreich absolviert. Er hat diese Tätigkeit noch bis Dezember 1982 ausgeübt und dann wegen der Schließung des Unternehmens aufgegeben. Als Bauschlosser war er danach nicht mehr tätig.

Beim Kläger ist eine Lunatum-Malazie der rechten Hand als Berufskrankheit anerkannt und mit einer MdE um 20 v.H. bewertet. Ursache der Erkrankung sind Tätigkeiten in der Schlosserlehre, der Beginn der Berufskrankheit ist auf 1982 datiert. Im Jahre 1983 wurde eine Silikoplastik am Handgelenk durchgeführt, die jedoch nach Ansicht der Sachverständigen erfolglos war und in der Folge Ende der Neunzigerjahre zu Tumoren geführt hat. Die Behinderungen der rechten Hand sind die wesentliche Ursache seiner Leistungseinschränkung. Alle seit 1998 eingeholten Gutachten in der Rentenversicherungsangelegenheit kommen zu dem Ergebnis, dass der Kläger nicht mehr als Bauschlosser tätig sein könne.

Zuletzt vor seinem ersten Rentenantrag am 07.01.1998 war der Kläger von 1985 bis Oktober 1996 in einem metallverarbeitenden Betrieb als Einrichter, Bandaufleger/Maschinenbediener und mit anderen Arbeiten der maschinellen Metallbearbeitung tätig und wurde auf Grund einer analytischen Arbeitsbewertung zuletzt wie ein Facharbeiter entlohnt. Berücksichtigt wurden dabei auch die Exposition gegenüber Ölen und Fetten sowie Lärm und die Unfallgefahr. Ohne den Berufsabschluss als Bauschlosser wäre die Bewertung durch den Arbeitgeber gleich ausgefallen. Der Kläger hat nach Auskunft des Arbeitgebers nicht über alle praktischen und theoretischen Kenntnisse eines voll ausgebildeten Facharbeiters verfügt, es habe ihm an fundierten Fachkenntnissen in der industriellen Metallbearbeitung gefehlt. Als Maschinenbediener sei er nur in Teilbereichen des Facharbeiterberufes eingesetzt gewesen. Beendet wurde die Tätigkeit infolge Personalabbaus.

Anschließend war der Kläger arbeitslos. 1997 und 1998 war er wenige Tage in der Postzustellung beschäftigt. Nach dem Absolvieren eines entsprechenden Kurses war der Kläger vom 08.03. bis 10.10.1999 als Wachmann beschäftigt und beendete die Tätigkeit wegen eines Konfliktes am Arbeitsplatz. Danach war er im Jahre 2000 wenige Tage als Helfer in einer Landschaftsgärtnerei und vom 10.07. bis 16.08.2000 als Kommissionierer in einem Tiefkühllager tätig.

Der Rentenantrag vom 07.01.1998 wurde mit Bescheid vom 01.04.1998 abgelehnt.

Ein am 20.01.1999 gestellter Antrag wurde mit Bescheid vom 09.06.1999 ebenfalls abgelehnt, weil der Kläger noch vollschichtig in Prüf- und Kontrolltätigkeiten in der metallverarbeitenden Industrie sowie als Apparatewärter tätig sein könne.

Das gegenwärtige Verfahren wurde mit dem Rentenantrag vom 12.12.1999 eingeleitet. In einem Gutachten für die Beklagte vom 18.03.1998 war die Chirurgin Dr.P. zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne noch vollschichtig leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Beanspruchung des rechten Handgelenks und ohne Kontakt mit allergieauslösenden Stoffen (Industrieöle mit Perubalsam) verrichten, im Rahmen der Belastbarkeit auch als Metallverarbeiter.

In einem Gutachten vom 26.04.1999 war der Chirurg Dr.M. zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger könne noch vollschichtig leichte Tätigkeiten ohne dauernde und einseitige Belastung der rechten Hand verrichten, die derzeit ausgeübte Tätigkeit als Wachmann sei weiter vollschichtig zumutbar.

Der als Sachverständiger von der Beklagten gehörte Chirurg Dr.S. kam in seinem Gutachten vom 01.03.2000 zu dem selben Ergebnis wie zuvor Dr.M ... Nach Beiziehung weiterer Unterlagen schloss sich die Chirurgin Dr.P. dieser Einschätzung an und ergänzte, die Beurteilung bezüglich der Hautreizstoffe sei überfürsorglich gewesen und deshalb zu streichen. Mit Bescheid vom 14.03.2000 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab und verwies den Kläger auf Tätigkeiten als Apparateprüfer oder Prüfer und Kontrolleur. Den anschließenden Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2000 als unbegründet zurück und verwies den Kläger auf Tätigkeiten als Maschinenbediener, Apparatewärter oder Qualitätsprüfer in der metallverarbeitenden Industrie.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Landshut ein Gutachten des Orthopäden Dr.E. vom 11.07.2002 eingeholt, dem zufolge der Kläger schwere Handarbeiten und solche mit wiederkehrenden Handbewegungen nicht mehr verrichten könne. Er könne nicht mehr als Bauschlosser, in der bis 1996 ausgeübten Tätigkeit, wohl aber als Wachmann, Maschinenbediener, Apparatewärter, Qualitätsprüfer, Pförtner und Museumsaufseher vollschichtig tätig sein.

Der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Orthopäde und Chirurg Dr.A. hat in seinem Gutachten vom 21.03.2003 eine Verschlimmerung durch ein Tumorrezidiv in der rechten Hand konstatiert. Ansonsten ist er zu einer im Wesentlichen gleichen Einschätzung gekommen, hält den Kläger allerdings für nur noch in geschlossenen Räumen und ohne Zwangshaltung einsatzfähig. Er hat eine Kontaktallergie für Industrieöle als einschränkend angesehen. Möglich seien Tätigkeiten als Pförtner, Museumsaufseher, Montierer, Sortierer und Verpacker ohne Kontakt zu Industrieölen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 27.10.2003 als unbegründet abgewiesen, den Kläger in seiner letzten Tätigkeit bis 1996 als Angelernten im oberen Bereich angesehen und ihn auf Tätigkeiten als Sortierer, Pförtner, Verwieger und Verpacker verwiesen.

Mit seiner Berufung macht der Kläger geltend, die genannten Verweisungsberufe ließen sich mit seiner Behinderung an der rechten Hand nicht vereinbaren.

Der Senat hat Gutachten von dem Chirurgen Dr.L. und der Neurologin und Psychiaterin Dr.M. und auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG von dem Neurologen und Psychiater Dr.S. eingeholt.

Dr.L. kommt in seinem Gutachten vom 16.06.2004 zu keinem wesentlich neuen Ergebnis. Arbeiten, welche an Kraft und Geschicklichkeit der Finger der rechten Hand besondere Ansprüche stellten, sowie Heben und Tragen von Lasten über 7,5 kg seien nicht mehr möglich. Insoweit sieht er ebenso wie die Vorgutachter keine Besserungsaussicht. Er benennt im Übrigen die Verweisungsberufe, die Dr.E. benannt hat.

Dr.M. und Dr.S. kommen zu keinen Diagnosen auf ihrem Fachgebiet und dementsprechend zu keinen weiteren Leistungseinschränkungen.

Die Beklagte hat als Verweisungsberufe zuletzt die eines Pförtners oder Registrators benannt, hilfsweise, soweit der Kläger Berufsschutz als Facharbeiter genieße, den Beruf des Hochregallagerarbeiters.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 27.10.2003 sowie des Bescheides vom 14.03.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2000 zu verurteilen, ihm ab 01.01.2000 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Landshut in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Auf den Rentenanspruch des Klägers, der für eine Zeit vor dem 01.01.2001 geltend gemacht wird, sind die §§ 43, 44 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung anzuwenden (§ 300 Abs.2 SGB VI). Nach § 43 Abs.1 SGB VI in dieser Fassung hatten Versicherte Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie unter anderem berufsunfähig waren. Nach Abs.2 der Vorschrift waren Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken war. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen war, umfasste alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprachen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden konnten. Berufsunfähig war nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben konnte; dabei war die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit war danach der bisherige Beruf. Das ist die zuletzt und auf Dauer ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung. Hat ein Versicherter eine als höherwertig einzuschätzende Beschäftigung aufgegeben, ist diese als bisheriger Beruf anzusehen, wenn der Beruf gesundheitsbedingt aufgegeben wurde (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr.38). Ansonsten ist eine höherwertige Tätigkeit erst dann aufgegeben, wenn der Versicherte dieser Berufstätigkeit erkennbar nicht mehr nachgehen will und sich endgültig einer anderen Berufstätigkeit zuwendet (BSG SozR 2200 § 1246 Nr.130).

Letzter Beruf des Klägers in diesem Sinne war seine Tätigkeit bis 1996. Diese Tätigkeit hat der Kläger zwar nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen Personalabbaus aufgegeben. Seinen durch diese Tätigkeit erworbenen Berufsschutz hätte der Kläger allerdings erst durch die endgültige Zuwendung zu einer anderen Tätigkeit, die auf Dauer ausgeübt werden sollte, verloren. Eine solche ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. In Frage käme allenfalls die Tätigkeit als Wachmann, die nach Absolvierung einer entsprechenden Ausbildung auf Dauer ausgeübt werden sollte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnte der Kläger allerdings die frühere Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, eine endgültige Loslösung hiervon wäre deshalb aus gesundheitlichen Gründen geschehen. Kein Ausgangspunkt der Beurteilung der Berufsunfähigkeit war die Tätigkeit des Klägers als Bauschlosser. Diese Tätigkeit hat der Kläger nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern wegen der Schließung des Unternehmens aufgegeben. Auf die Frage, ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt einen entsprechenden Berufsschutz erworben hatte, wenn er die allgemeine Wartezeit von 60 Kalendermonaten noch nicht erfüllt hatte (vgl. BSG SozR 2200 § 1246 Nr.126), kommt es deshalb nicht mehr an.

Die letzte Tätigkeit des Klägers ist vom Sozialgericht zu Recht im Rahmen des Mehrstufenschemas als die eines gehobenen Angelernten angesehen worden, der sich auf alle ungelernten Tätigkeiten, die sich durch die Qualitätsmerkmale der Einweisung und Einarbeitung auszeichnen, verweisbar war. Der Senat sieht insoweit nach § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Bezüglich der Einsatzfähigkeit des Klägers hat die Beweiserhebung im Berufungsverfahren keine weitergehenden Einschränkungen der Leistungsfähigkeit des Klägers erbracht. Es verbleiben jedenfalls die Verweisungsberufe des Pförtners und des Museumsaufsehers, insbesondere aber der des Wachmanns, für den der Kläger eine kurzzeitige Ausbildung absolviert und den er aus anderen als gesundheitlichen Gründen aufgegeben hat und insoweit noch ausüben könnte. Insoweit ist auch zu beachten, dass für den Anspruch des Klägers eine Verschlechterung der gesundheitlichen Verhältnisse nach dem Jahre 2000 nicht mehr entscheidungserheblich ist. Der Kläger ist 1963 geboren und kann deshalb keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung haben. Eine Leistungseinschränkung, die einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung begründen könnte, liegt beim Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht vor.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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