L 1 Kr 776/91

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 4 An 1126/89
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kr 776/91
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bezieht ein Rentenempfänger neben einer die Beitragspflicht zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) begründenden Rente (hier: Witwenrente) zusätzlich ein eigenes, ausschließlich auf freiwilliger Beitragsnachentrichtung beruhendes Altersruhegeld (sog. „Artikelrente”), so sind seit Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) am 1. Januar 1989 auch aus diesem Altersruhegeld Beiträge zur KVdR einzubehalten und abzuführen. Hierbei ist es unerheblich, daß die „Artikelrente” bis zum 31. Dezember 1988 nicht beitragspflichtig war.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. Mai 1991 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte nach Inkrafttreten des Gesundheits-Reformgesetzes (GRG) zum 1. Januar 1989 berechtigt ist, aus dem der Klägerin seit dem 1. März 1976 gewährten, ausschließlich auf freiwilliger Beitragsnachentrichtung beruhenden Altersruhegeld (sog. "Artikelrente”) zusätzlich Pflichtbeiträge zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einzubehalten, nachdem die Klägerin aufgrund der Beantragung und des Bezuges von Witwenrente bereits seit Mai 1970 bei der beigeladenen Krankenkasse in der KVdR versichert ist und entsprechende Beiträge leistet. Bis zum 31. Dezember 1988 war insoweit die Einbehaltung von Beiträgen zur KVdR aus dem Altersruhegeld unterblieben, nachdem der Bezug dieser Rente vorliegend für sich einerseits bereits gemäß Art. 2 § 49 a Abs. 4 Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) keine Versicherungspflicht in der KVdR nach § 165 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a Reichsversicherungsordnung (RVO), jeweils in der Fassung, die bis zum Inkrafttreten des GRG am 1. Januar 1989 galt, begründete und andererseits auch bei anderweitiger Versicherungspflicht in der KVdR gemäß § 180 Abs. 8 Satz 1 RVO ausdrücklich nicht zu dem Grundlohn zählte, nach dem sich in diesen Fällen die Höhe des Beitrags zur KVdR bemaß.

Mit Bescheid vom 3. März 1989 teilte die Beklagte der Klägerin dann jedoch unter Hinweis auf die seit dem 1. Januar 1989 geltende Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nrn. 11 und 12 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) in Verbindung mit Art. 56 Abs. 1 GRG mit, daß sie seit dem 1. Januar 1989 nun auch hinsichtlich des ihr gewährten Altersruhegeldes der KVdR unterfalle und aus der Rente die entsprechenden Beiträge durch die Beklagte einzubehalten seien, wobei sich der einzubehaltende Beitrag bei einer monatlichen Rente von 590,40 DM und einem Beitragssatz von 11,8 v.H. der monatlichen Rente auf somit 69,67 DM belaufe, diesem Beitrag jedoch ein monatlicher Zuschuß von 5,9 v.H. der monatlichen Rente, also in Höhe von 34,83 DM, gegenüberstehe. Nachdem die Klägerin gleichzeitig Anspruch auf Zahlung weiterer monatlich 84,00 DM nach dem Leistungsverbesserungsgesetz hatte, setzte die Beklagte den laufenden monatlichen Zahlbetrag neu mit 639,56 DM fest; gleichzeitig machte sie für die Monate Januar bis März 1989 eine Beitragsnachforderung in Höhe von 104,52 DM geltend.

Gegen den Bescheid vom 3. März 1989 legte die Klägerin am 4. April 1989 Widerspruch ein. Sie machte geltend, bereits aufgrund des Witwenrentenbezuges in der KVdR pflichtversichert zu sein, so daß die von der Beklagten geltend gemachte Beitragspflicht des Altersruhegeldes lediglich zu einer doppelten Beitragsbelastung, nicht jedoch zu einer leistungsmäßigen Besserstellung im krankenversicherungsrechtlichen Leistungsfalle führe und insoweit für eine zweite Krankenversicherung kein Raum bestehe. Darüber hinaus habe sie bei der der Gewährung des Altersruhegeldes zugrundeliegenden freiwilligen Beitragsnachentrichtung aber auch davon ausgehen können, daß die aufgrund dieser Beitragsleistung gewährte Rente nicht der Beitragspflicht zur KVdR unterliege; hierauf habe sie vertraut. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1989 als unbegründet zurück. Sie führte aus, daß mit dem Inkrafttreten des GRG die Vorschrift des Art. 2 § 49 a Abs. 4 AnVNG gestrichen worden sei, so daß die der Klägerin gewährte Rente hinsichtlich der Beitragserhebungs- und Beitragszuschußregelungen wie alle übrigen Renten der gesetzlichen Rentenversicherung zu behandeln sei. Nachdem die Krankenkasse der Klägerin auf Rückfrage der Beklagten mitgeteilt habe, daß die Klägerin dort bereits seit dem 20. Mai 1970 bis laufend aufgrund einer beantragten bzw. bewilligten Rente in der KVdR pflichtversichert und insoweit seit dem 1. Januar 1989 nunmehr auch hinsichtlich des Altersruhegeldes die Vorversicherungszeit für die Versicherung in der KVdR erfülle, wobei von einer am 1. Januar 1989 fingierten Rentenantragstellung ausgegangen werde, bedeute das konkret, daß die Klägerin auch aus ihrem Altersruhegeld jetzt die nichtgeleistete Eigenbeteiligung an den Beiträgen für die KVdR zu tragen habe.

Die Klägerin hat am 18. Juli 1989 Klage vor dem Sozialgericht in Gießen erhoben. Nach Beiladung der Barmer Ersatzkasse hat das Sozialgericht entsprechend dem Antrag der Klägerin mit Urteil vom 15. Mai 1991 den Bescheid der Beklagten vom 3. März 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 1989 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen führt das Sozialgericht aus, daß entgegen der Auffassung der Beklagten auf Seiten der Klägerin durch den Bezug des Altersruhegeldes auch nach dem am 1. Januar 1989 in Kraft getretenen GRG Beitragspflicht in der KVdR nicht eingetreten sei. Zwar seien nunmehr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V alle Personen in der KVdR versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hätten, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraumes Mitglied oder nach § 10 versichert gewesen seien; die Anwendung dieser Vorschrift setze jedoch voraus, daß nicht nur – wie vorliegend – ein Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bestehe, sondern weiterhin, daß der Rentenberechtigte einen (Renten-)Antrag gestellt habe. Dies sei hier aber nicht der Fall. Im Zeitpunkt des Inkrafttretens des GRG habe kein Rentenantrag der Klägerin vorgelegen. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung des Altersruhegeldes datiere vielmehr vom 20. Oktober 1975. Über ihn sei auch bereits durch Bescheid vom 15. April 1976 entschieden worden. Die Verfahrensweise der Beklagten, bei Prüfung der Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR eine Rentenantragstellung am 1. Januar 1989 zu fingieren, finde im Gesetz keine Stütze. Ebensowenig finde die Übergangsvorschrift des Art. 56 Abs. 1 GRG Anwendung. Danach würden nämlich nur dann Personen in der KVdR versichert, die bis zum 31. Dezember 1993 eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beantragen und die Voraussetzungen für den Bezug der Rente erfüllten, wenn die in § 5 Abs. 1 SGB V vorgeschriebene Vorversicherungszeit nicht nachgewiesen sei. Die Klägerin habe den Antrag auf Altersruhegeld wie ausgeführt aber bereits im Oktober 1975 gestellt, so daß es daher schon der Wortlaut des Art. 56 Abs. 1 GRG verbiete, die Neuregelung des GRG in der Weise anzuwenden, wie es die Beklagte in dem angefochtenen Bescheid getan habe.

Gegen das der Beklagten am 8. Juli 1991 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Gießen hat diese mit Schriftsatz vom 19. Juli 1991 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 25. Juli 1991 – Berufung eingelegt, mit der sie sich gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Grundlage der angegriffenen Bescheide sei nämlich nicht die Beitragspflicht der Klägerin zur KVdR aufgrund des ihr ausschließlich aufgrund freiwilliger Beitragsnachentrichtung gewährten Altersruhegeldes, einer sog. "Artikelrente”, sondern allein, daß der Beitragsbemessung in der KVdR nach § 237 Nr. 1 SGB V seit dem 1. Januar 1989 jetzt insgesamt der "Zahlbetrag der Rente” zugrunde gelegt werde, wobei sich beim Bezug mehrerer Renten die endgültige Beitragshöhe nach der Zusammenrechnung der einzelnen Zahlbeträge ergebe. Nachdem die Klägerin bereits seit Mai 1970 in der KVdR bei der Beigeladenen pflichtversichert sei und das Gesetz seit dem 1. Januar 1989 eine § 180 Abs. 8 RVO entsprechende Regelung, wonach aus "Artikelrenten” Beiträge selbst dann nicht zu entrichten waren, wenn sich die Pflichtversicherung z.B. aus dem Bezug einer weiteren Rente ergab, habe die Klägerin nunmehr, wie alle anderen Rentenbezieher auch, insgesamt einkommensabhängige Beiträge zu entrichten. Die von der Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken im Sinne eines Rückwirkungsverbotes griffen schließlich ebenfalls nicht durch. Der bis zum 31. Dezember 1988 in Art. 2 § 49 a Abs. 4 AnVNG enthaltene Ausschluß von der Versicherungspflicht in der KVdR habe seinerzeit nämlich allein den Grund gehabt, daß man denjenigen Rentenbeziehern, deren Rentenanspruch lediglich auf nach Abs. 2 nachentrichteten Beiträgen beruhte, den Vorteil, beitragsfrei in der KVdR versichert zu sein, nicht habe zukommen lassen wollen. Dieses Motiv sei nach Einführung der Beitragszahlungspflicht entfallen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 15. Mai 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Gießen für zutreffend. Im übrigen beziehe sich ihrer Auffassung nach § 237 SGB V aber auch allein auf Versicherungspflichtige Rentner nach § 5 SGB V; eine solche Versicherungspflicht aufgrund des der Klägerin gewährten Altersruhegeldes läge – wie im Urteil des Sozialgerichts Gießen ausgeführt – jedoch gerade nicht vor.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Mit der Beklagten vertritt jedoch auch sie die Auffassung, daß unabhängig davon, ob die der Klägerin gewährte "Artikelrente” ab 1. Januar 1989 für sich allein eine Versicherungspflicht der Klägerin in der KVdR bewirken würde, die Altersrente ab 1. Januar 1989 der Beitragspflicht bereits gemäß § 228 in Verbindung mit § 237 SGB V unterläge.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere wegen des jeweiligen weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Die Berufung ist auch sachlich begründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Gießen war aufzuheben, da das der Klägerin mit Wirkung vom 1. März 1976 an als sog. "Artikelrente” gewährte Altersruhegeld seit dem 1. Januar 1989 neben der ihr gewährten, die Beitragspflicht zur KVdR begründenden Witwenrente zum beitragspflichtigten Zahlbetrag der Rente im Sinne des Gesetzes gehört und zwar unabhängig davon, ob die Artikelrente für sich selbst Beitragspflicht bewirkt. Insoweit ist allein auf die aufgrund des Witwenrentenbezuges ohnehin bestehende Versicherungspflicht abzustellen, so daß hier lediglich die Beitragshöhe berührt wird. Die Beklagte hat daher mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt, daß ab dem 1. Januar 1989 auch aus dem der Klägerin gewährten Altersruhegeld rückwirkend und laufend Pflichtbeiträge zur KVdR einzubehalten sind. Die Berechnung des von der Klägerin zu leistenden Eigenanteils und der Nachforderung sind dabei ebenfalls nicht zu beanstanden.

Mit dem durch das GRG in Kraft getretenen SGB V sind in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig unter anderem gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrages mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren. Die Mittel für die Krankenversicherung werden schließlich gemäß § 220 Abs. 1 Satz 1 SGB V durch Beiträge und sonstige Einnahmen aufgebracht, wobei diese gemäß § 223 Abs. 2 Satz 1 SGB V wiederum nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen werden. Nach § 237 Satz 1 werden bei Versicherungspflichtigen Rentnern der Beitragsbemessung dabei 1. der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung, 2. der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen und 3. das Arbeitseinkommen zugrunde gelegt. Als Rente der gesetzlichen Rentenversicherung gelten schließlich gemäß § 228 Abs. 1 SGB V Renten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten sowie Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung ohne die darin enthaltenen Kinderzuschüsse.

Bei Versicherungspflichtigen gilt für die Bemessung der Beiträge aus Renten der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 247 Satz 1 SGB V sodann der durchschnittliche allgemeine Beitragssatz der Krankenkassen, den der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung jeweils zum 1. Januar feststellt und am 1. Januar 1989 entsprechend der bis 31. Dezember 1988 geltenden Regelung des § 385 Abs. 2 RVO seit dem 1. Januar 1983 unverändert 11,8 v.H. betrug. Bis 31. Dezember 1991 trugen die Versicherungspflichtigen Rentner nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V die Beiträge aus den Renten der gesetzlichen Rentenversicherung schließlich allein, sie erhielten hierzu aber gemäß § 83 e Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) einen Beitragszuschuß des Rentenversicherungsträgers in Höhe der Hälfte des zu leistenden Beitrages; seit dem 1. Januar 1992 tragen die Versicherungspflichtigen und die Rentenversicherungsträger die nach der Rente zu bemessenden Beiträge gemäß § 249 a SGB V jetzt jeweils zur Hälfte. Beiträge, die Versicherungspflichtige aus ihrer Rente zu tragen haben, sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 SGB V bei der Zahlung der Rente einzubehalten; ist bei der Zahlung der Rente die Einbehaltung nach Abs. 1 unterblieben, sind gemäß § 255 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz SGB V die rückständigen Beiträge durch den Träger der Rentenversicherung aus der weiterhin zu zahlenden Rente einzubehalten.

Nachdem die Klägerin am 31. Dezember 1988 aufgrund des Bezuges einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, hier der Witwenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann, in der KVdR gemäß § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO (in der Fassung des FÄndG 1967 vom 21. Dezember 1967, BGBl. I S. 1259) ohne Rücksicht auf eine Vorversicherungszeit unstreitig versicherungspflichtig war, ist sie dies auch über diesen Zeitpunkt hinaus geblieben. Dies folgt aus der Überleitungsvorschrift des Art. 56 Abs. 2 GRG, wonach derjenige, der am 31. Dezember 1988 aufgrund des Bezugs einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist oder wegen Beantragung einer Rente als Mitglied gilt, für die Dauer des Bezugs dieser Rente oder bis zu dem Tag, an dem der Rentenantrag zurückgezogen oder die Ablehnung des Antrags unanfechtbar wird, auch dann versicherungspflichtig bleibt, wenn er die Voraussetzungen des ab 1. Januar 1989 die Versicherungspflicht von Rentnern regelnden § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V nicht erfüllt. Insoweit besteht die einmal aufgrund des Witwenrentenbezuges erworbene Pflichtmitgliedschaft fort, die zudem allein auf dem Witwenrentenbezug und nicht bereits auch auf dem Bezug der der Klägerin seit 1. März 1976 zusätzlich gewährten Artikelrente beruhte. Bis zum 31. Dezember 1988 galten nämlich gemäß Art. 2 § 49 a Abs. 4 AnVNG Renten aus der Rentenversicherung der Angestellten nicht als die Rentenversicherungspflicht begründende Renten im Sinne des § 165 RVO, wenn sie auf gemäß Art. 2 § 49 a Abs. 2 AnVNG nachentrichteten Beiträgen beruhten. Eine – im Falle der Klägerin nicht zutreffende – Ausnahme galt nur dann, wenn die in Abs. 4 bezeichneten Wartezeiten schon mit anderen Beiträgen erfüllt waren. Darüber hinaus blieben diese Renten bei der Berechnung des der Beitragsbemessung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 RVO zugrunde zu legenden Grundlohnes nach § 180 Abs. 8 Satz 1 RVO unberücksichtigt. Das der Klägerin gezahlte Altersruhegeld begründete damit bis zum 31. Dezember 1988 für sie weder Beitragspflicht zur KVdR noch gehörte diese Rente neben der Witwenrente zum Zahlbetrag der Rente, nach der sich die von der Klägerin zu leistenden Beiträge zur KVdR bemaßen. Zumindest letzteres ist seit dem 1. Januar 1989 jedoch nicht mehr der Fall, nachdem die Versicherungspflicht der Klägerin zur KVdR bereits allein aufgrund des Witwenrentenbezuges über den 31. Dezember 1988 hinaus fortbesteht. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung und den Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Gießen setzt die Einbehaltung von Beiträgen aus einer Artikelrente seit dem 1. Januar 1989 nämlich keine Beitragspflicht der Artikelrente zur KVdR mehr selbst voraus, wenn der Rentner – wie vorliegend – gleichzeitig eine weitere, die Beitragspflicht begründende Rente bezieht.

Dies folgt nach Auffassung des Senats in Übereinstimmung mit der von der Beklagten und der Beigeladenen vertretenen Ansicht daraus, daß seit dem 1. Januar 1989 weder § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V noch § 237 Satz 1 Nr. 1 SGB V im Unterschied zu § 180 Abs. 8 Satz 1 RVO die Artikelrente im Beitragsrecht von den beitragspflichtigen Einnahmen ausnehmen, so daß der der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Zahlbetrag der Rente unabhängig von einer durch die Artikelrente selbst begründeten Versicherungspflicht zumindest in den Fällen die Artikelrente umfaßt, in denen die Beitragspflicht als solche bereits wie hier durch den Bezug einer anderen Versicherungspflichtigen Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung begründet wurde. Insoweit gehört zum Zahlbetrag der Rente im Sinne von § 237 Nr. 1 SGB V mit der Beklagten nicht nur die die Pflichtversicherung begründende Rente, sondern daneben zusätzlich jede weitere Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so daß auf das gesamte Renteneinkommen abzustellen ist. Dies rechtfertigt sich daraus, daß sämtliche Renten der gesetzlichen Rentenversicherung Lohnersatzfunktion haben und es dem in der gesetzlichen Krankenversicherung geltenden Solidarprinzip entspricht, ihre Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 1986, Az.: 12 RK 50/84 = SozR 2200 § 180 Nr. 29). Durch die Heranziehung sämtlicher Renteneinkünfte aus der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Bemessung der Beiträge pflichtversicherter Rentner wird insofern auch eine am allgemeinen Gleichheitssatz orientierte Behandlung dieser Rentner untereinander gewährleistet, da das Solidaritätsprinzip in der gesetzlichen Krankenversicherung seine sinngebende Funktion, insbesondere seine Legitimation für die Abstufung der Beiträge nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten, nur dann behält, wenn die Beiträge pflichtversicherter Rentner, die neben der die Pflichtversicherung begründenden Rente noch andere Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen, nicht allein nach der Höhe der die Versicherungspflicht begründenden Rente, sondern nach dem gesamten Renteneinkommen bemessen werden (so zur Berücksichtigung von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen neben der Rente für die Bemessung des Beitrags zur KVdR BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1988, Az.: 2 BVL 18/84 = SozR 2200 § 180 Nr. 46). Dabei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß andernfalls z.B. bereits der Bezug einer die Versicherungspflicht begründenden Kleinstrente unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des pflichtversicherten Rentners diesen durch die KVdR vollständig und ausreichend gegen die wirtschaftlichen Risiken einer Krankheit schützen würde und insoweit – bezogen auf den vorliegenden Fall – eine Ungleichbehandlung gegenüber den pflichtversicherten Rentnern vorläge, die lediglich eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezögen, diese der Höhe nach aber der Summe der von der Klägerin bezogenen Witwen- und Artikelrente entspräche. Damit stellt sich bei ohnehin bestehender Versicherungspflicht zur KVdR die Einbeziehung der Artikelrente in den der Beitragsbemessung zugrunde zu legenden Zahlbetrag der Rente seit dem 1. Januar 1989 als insgesamt sach- und systemgerecht dar und führt zu mehr Beitragsgerechtigkeit innerhalb der Gruppe der pflichtversicherten Rentner. Letztlich trägt sie auch dazu bei, die Belastung der "aktiven” Kassenmitglieder nicht in dem selben Maße wie bisher steigen zu lassen, nachdem die Ausgaben der Krankenkassen für je einen Rentner die Ausgaben für je einen noch im Berufsleben stehenden Versicherten nach wie vor übersteigen (vgl. hierzu insgesamt unter anderem BSG, Urteile vom 18. Dezember 1984, Az.: 12 RK 33/83 und 12 RK 11/84 = SozR 2200 § 180 Nrn. 21 und 23; BSG, Urteil vom 11. Dezember 1987, Az.: 12 RK 3/86 = SozR 2200 § 180 Nr. 38).

Soweit sich die Klägerin darauf beruft, bei der Begründung ihres Anspruchs auf Gewährung des Altersruhegeldes durch die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge darauf vertraut zu haben, daß ihr diese danach zu zahlende Rente weder für sich Beitragspflicht zur KVdR begründe, noch aus ihr Beiträge zur bereits bestandenen KVdR zu zahlen seien, vermochte der Senat die von der Klägerin insoweit erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die nachträgliche Einbeziehung der der Klägerin gewährten Artikelrente in die Beitragsbemessung zur KVdR bereits unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen nicht zu teilen. Im übrigen hat der Gesetzgeber bei Regelungen über die Finanzierung eines sozialen Sicherungssystems aber auch einen weiten Gestaltungsspielraum, den er gerade nicht überschreitet, wenn er dabei als Maßstab für die Beitragsleistung der Versicherten ihre allgemeine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wählt und sich dementsprechend an der Gesamtheit ihrer Einkünfte orientiert (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 1987, Az.: 12 RK 49/83 = SozR 2200 § 180 Nr. 37). Allein die Erwartung der Klägerin, daß die sie begünstigende Regelung des § 180 Abs. 8 Satz 1 RVO auch unter veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen bestehen bleiben werde, begründete für sie insoweit keinen schutzwürdigen Vertrauenstatbestand (zum Vertrauen in eine nach altem Recht bestandene Anwartschaft auf eine beitragsfreie Krankenversicherung vgl. BSG, Urteil vom 16. Februar 1983, Az.: 12 RK 79/80 = SozR 2200 § 165 Nr. 69; zum Vertrauen in eine Aussicht auf beitragslosen Krankenversicherungsschutz im Rentenfall vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, Az.: 1 BVL 5/80 = SozR 2200 § 165 Nr. 81). Wer als Pflichtversicherter der gesetzlichen Pflichtversicherung beitritt, kann nämlich nicht von vornherein erwarten, daß die gesetzlichen Vorschriften für die Leistungen auf Dauer unverändert fortbestehen und daß er bei notwendigen Änderungen besser gestellt wird als andere Pflichtversicherte. Die gesetzlichen Sozialversicherungen sind Solidargemeinschaften auf Dauer, die sich im Laufe der Zeit vielfachen Veränderungen anpassen müssen. Wer so geprägten Gemeinschaften beitritt, erwirbt letztlich nicht nur die damit verbundenen Chancen, sondern trägt mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken (so BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985, a.a.O.).

Der Senat vermochte damit aber nicht nur keinen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) zu erkennen, gleiches gilt nach Auffassung des Senats auch hinsichtlich des von der Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführten Verstoßes gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG. Art. 14 GG schützt nämlich grundsätzlich nicht gegen Zugriffe auf das Vermögen oder Einkommen durch Auferlegung von Geldleistungen, was auch für Zwangsbeiträge gilt. Zu beachten ist insoweit neben den o.a. Grundsätzen des Vertrauensschutzes u.a. zwar noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. April 1986, a.a.O., Urteil vom 10. September 1987, a.a.O., Urteil vom 10. Juni 1988, Az.: 12 RK 24/87 = SozR 2200 § 180 Nr. 40); gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Vorgaben wird die Einbeziehung der Artikelrente in die Beitragsbemessung jedoch durch den gestiegenen Finanzbedarf der Krankenkassen und dem Ziel einer gerechteren Kostenverteilung getragen, so daß auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt bleibt, zumal der Rentenbezieher im Ergebnis selbst allein mit dem hälftigen Beitragssatz belastet wird. Auch die Notwendigkeit einer Übergangsregelung vermochte der Senat danach nicht zu erkennen.

Nachdem in den angefochtenen Bescheiden schließlich nach Überprüfung durch den Senat auch die Berechnung sowohl des laufenden monatlichen Beitragsanteils als auch des nicht verjährten nachgeforderten Betrages nicht zu beanstanden ist, mußte das Urteil des Sozialgerichts Gießen auf die Berufung der Beklagten deshalb aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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