Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 50 SO 2620/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 250/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 20. November 2006 wird der Antragsgegner im Wege der einst-weiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig – längstens bis zu ei-ner Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 3. November 2006 – der Antragstellerin Leistungen der Hilfe bei Schwangerschaft sowie der Hilfe bei Krankheit unter Berücksich-tigung der Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zu erbringen.
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtzügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt nach ihrem ausdrücklichen Antrag die Verpflichtung des Antrags-gegners zur ausschließlichen Gewährung von "Hilfe bei Schwangerschaft bzw. Krankenbe-handlung", hilfsweise zur Übernahme der "Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung". Mit Bescheid vom 19. September 2006 lehnte das JobCenter Neukölln den Antrag der Antrag-stellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab. Nach ihrem Vortrag hat die Antragstellerin hiergegen Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 3. November 2006 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von "Leistun-gen wegen Krankenbehandlung, Hilfe bei Schwangerschaften, sowie Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung" ab; eine Zuständigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sei nicht gegeben. Am 2. November 2006 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anord-nung. Mit Beschluss vom 20. November 2006 lehnte das Sozialgericht Berlin den Antrag ab. Die Antragstellerin sei gehalten, ihr Begehren auf Sicherstellung einer Krankenbehandlung gegenüber dem zuständigen JobCenter Neukölln geltend zu machen. Im Übrigen sei das Vor-liegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft dargetan. Gegen den ihrem Prozessbevoll-mächtigten am 27. November 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 1. Dezember 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Beschluss des Sozialgerichts erweist sich als rechtswidrig. Die Antragstellerin hat sowohl das Vorliegen eines Anordnungsgrundes als auch eines Anord-nungsanspruches hinreichend glaubhaft gemacht ist (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ZPO ).
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft gemäß § 50 SGB XII und der Hilfe bei Krankheit gemäß § 48 SGB XII, d. h. für gesundheitliche Störungen, die durch die Schwangerschaft hervorgerufen werden, aber keine eigentlichen Schwangerschaftsbeschwerden darstellen (vgl. Wahrendorf in: Gru-be/Wahrendorf, SGB XII, § 50 Rn. 3), dem Grunde nach glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin ist derzeit weder krankenversichert, noch gilt sie als krankenversichert. Ob die Antragstellerin grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberichtigt ist, was im Verfahren gegen das JobCenter zu klären ist, kann insoweit dahinstehen, das nur Leistungsempfänger nach dem SGB II nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Versicherungsschutz besteht für die Antragstelle-rin auch nicht nach § 264 Abs. 2 SGB V. Der Antragsgegner lehnt Leistungen nach dem SGB XII ab. Da Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung nicht bestehen, sind Leis-tungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII dem Grunde nach möglich. Gerade für nicht krankenversicherte Mütter und Wöchnerinnen schließt § 50 SGB XII diese Lücke (vgl. Wah-rendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 50 Rn. 2). Die Antragstellerin hat jedenfalls dem Grunde nach auch glaubhaft gemacht, dass ihr die Auf-bringung der Mittel für die Leistungen nach § 50 und § 48 SGB XII nach § 85 Abs. 1 SGB XII nicht zumutbar ist. Sie trägt – unbestritten – vor, dass sie selbst über keine Mittel verfügt, um diesen Bedarf zu decken. Sie trägt weiterhin vor, dass ein Lebenspartner, dem die Aufbringung der Mittel zuzumuten wäre, nicht existiert. Dem ist der Antragsgegner in der Sache nicht ent-gegengetreten. Er hat weder das Vorliegen einer Lebenspartnerschaft mit Herrn B noch ggf. die Aufbringbarkeit der Mittel durch diesen geprüft. Beides ist für den Senat im Eilverfahren ohne das Vorliegen irgendwelcher Unterlagen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Zwar deutet einiges darauf hin, dass die Einschätzung des JobCenters Neukölln des Vorliegens einer Lebenspartnerschaft des Herrn B mit der Antragstellerin zutreffend sein dürfte, keinesfalls lässt sich aber die Zumutbarkeit der Mittelaufbringung durch diesen feststellen, ohne dass Unterla-gen – die dem JobCenter offensichtlich vorgelegen haben – dem Senat vorliegen. Ein Anordnungsgrund ist im Hinblick auf die nachgewiesene Schwangerschaft, die damit ver-bundenen Untersuchungs-, Behandlungs- und sonstigen Bedarfe, hinreichend glaubhaft ge-macht. Die Antragstellerin kann keineswegs darauf verwiesen werden, dass ein Arzt bei Vorliegen einer mit der Schwangerschaft verbundenen Komplikation bzw. bei Beginn der Geburt, eine Behandlung der Antragsstellerin kaum wird ablehnen können. Der Antragsgegner war deshalb dazu verpflichten, vorläufig die tenorierten Leistungen aufzu-bringen. Dem Antragsgegner ist es ausdrücklich jedoch gestattet, bei Feststellung der zumutba-ren Aufbringbarkeit der Mittel durch die Antragstellerin oder ihren vermeintlichen Lebenspart-ner die Leistung erneut einzustellen. Da eine solche Entscheidung, soweit sie denn erfolgt, in der Regel mit Bescheidung des Widerspruchs geschieht, war der Beschluss auch insoweit zeit-lich zu begrenzen. Über den hilfsweise gestellten Antrag war im Hinblick auf den Erfolg des Hauptantrages nicht zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtzügen zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt nach ihrem ausdrücklichen Antrag die Verpflichtung des Antrags-gegners zur ausschließlichen Gewährung von "Hilfe bei Schwangerschaft bzw. Krankenbe-handlung", hilfsweise zur Übernahme der "Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung". Mit Bescheid vom 19. September 2006 lehnte das JobCenter Neukölln den Antrag der Antrag-stellerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ab. Nach ihrem Vortrag hat die Antragstellerin hiergegen Widerspruch eingelegt. Mit Bescheid vom 3. November 2006 lehnte der Antragsgegner die Bewilligung von "Leistun-gen wegen Krankenbehandlung, Hilfe bei Schwangerschaften, sowie Übernahme der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung" ab; eine Zuständigkeit nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) sei nicht gegeben. Am 2. November 2006 beantragte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anord-nung. Mit Beschluss vom 20. November 2006 lehnte das Sozialgericht Berlin den Antrag ab. Die Antragstellerin sei gehalten, ihr Begehren auf Sicherstellung einer Krankenbehandlung gegenüber dem zuständigen JobCenter Neukölln geltend zu machen. Im Übrigen sei das Vor-liegen eines Anordnungsgrundes nicht glaubhaft dargetan. Gegen den ihrem Prozessbevoll-mächtigten am 27. November 2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 1. Dezember 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg. Der Beschluss des Sozialgerichts erweist sich als rechtswidrig. Die Antragstellerin hat sowohl das Vorliegen eines Anordnungsgrundes als auch eines Anord-nungsanspruches hinreichend glaubhaft gemacht ist (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung ZPO ).
Die Antragstellerin hat einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft gemäß § 50 SGB XII und der Hilfe bei Krankheit gemäß § 48 SGB XII, d. h. für gesundheitliche Störungen, die durch die Schwangerschaft hervorgerufen werden, aber keine eigentlichen Schwangerschaftsbeschwerden darstellen (vgl. Wahrendorf in: Gru-be/Wahrendorf, SGB XII, § 50 Rn. 3), dem Grunde nach glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin ist derzeit weder krankenversichert, noch gilt sie als krankenversichert. Ob die Antragstellerin grundsätzlich nach dem SGB II leistungsberichtigt ist, was im Verfahren gegen das JobCenter zu klären ist, kann insoweit dahinstehen, das nur Leistungsempfänger nach dem SGB II nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Versicherungsschutz besteht für die Antragstelle-rin auch nicht nach § 264 Abs. 2 SGB V. Der Antragsgegner lehnt Leistungen nach dem SGB XII ab. Da Leistungsansprüche gegen die gesetzliche Krankenversicherung nicht bestehen, sind Leis-tungen nach dem Fünften Kapitel des SGB XII dem Grunde nach möglich. Gerade für nicht krankenversicherte Mütter und Wöchnerinnen schließt § 50 SGB XII diese Lücke (vgl. Wah-rendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 50 Rn. 2). Die Antragstellerin hat jedenfalls dem Grunde nach auch glaubhaft gemacht, dass ihr die Auf-bringung der Mittel für die Leistungen nach § 50 und § 48 SGB XII nach § 85 Abs. 1 SGB XII nicht zumutbar ist. Sie trägt – unbestritten – vor, dass sie selbst über keine Mittel verfügt, um diesen Bedarf zu decken. Sie trägt weiterhin vor, dass ein Lebenspartner, dem die Aufbringung der Mittel zuzumuten wäre, nicht existiert. Dem ist der Antragsgegner in der Sache nicht ent-gegengetreten. Er hat weder das Vorliegen einer Lebenspartnerschaft mit Herrn B noch ggf. die Aufbringbarkeit der Mittel durch diesen geprüft. Beides ist für den Senat im Eilverfahren ohne das Vorliegen irgendwelcher Unterlagen nicht mit hinreichender Sicherheit festzustellen. Zwar deutet einiges darauf hin, dass die Einschätzung des JobCenters Neukölln des Vorliegens einer Lebenspartnerschaft des Herrn B mit der Antragstellerin zutreffend sein dürfte, keinesfalls lässt sich aber die Zumutbarkeit der Mittelaufbringung durch diesen feststellen, ohne dass Unterla-gen – die dem JobCenter offensichtlich vorgelegen haben – dem Senat vorliegen. Ein Anordnungsgrund ist im Hinblick auf die nachgewiesene Schwangerschaft, die damit ver-bundenen Untersuchungs-, Behandlungs- und sonstigen Bedarfe, hinreichend glaubhaft ge-macht. Die Antragstellerin kann keineswegs darauf verwiesen werden, dass ein Arzt bei Vorliegen einer mit der Schwangerschaft verbundenen Komplikation bzw. bei Beginn der Geburt, eine Behandlung der Antragsstellerin kaum wird ablehnen können. Der Antragsgegner war deshalb dazu verpflichten, vorläufig die tenorierten Leistungen aufzu-bringen. Dem Antragsgegner ist es ausdrücklich jedoch gestattet, bei Feststellung der zumutba-ren Aufbringbarkeit der Mittel durch die Antragstellerin oder ihren vermeintlichen Lebenspart-ner die Leistung erneut einzustellen. Da eine solche Entscheidung, soweit sie denn erfolgt, in der Regel mit Bescheidung des Widerspruchs geschieht, war der Beschluss auch insoweit zeit-lich zu begrenzen. Über den hilfsweise gestellten Antrag war im Hinblick auf den Erfolg des Hauptantrages nicht zu entscheiden. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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