Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4037/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 316/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1962 geborene Klägerin absolvierte im Zeitraum vom 01.09.1977 bis 30.07.1979 eine Ausbildung zur Verkäuferin und war danach in diesem Beruf mit einer Unterbrechung wegen Kindererziehung bis einschließlich Juni 1999 versicherungspflichtig beschäftigt. Im Zeitraum von November 1999 bis Mai 2000 war sie als Kassiererin geringfügig beschäftigt. Von Oktober 2000 bis 30.09.2001 war sie wiederum aufgrund eines befristeten Vertrags als Verkäuferin und Kassiererin tätig, wobei sie nach ihren Angaben tatsächlich 30 Stunden wöchentlich gearbeitet hat.
Am 19.02.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Beiziehung ärztlicher Behandlungsunterlagen ließ die Beklagte die Klägerin vom Orthopäden Dr.S. untersuchen. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 29.03.2001 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage sei, mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Gehen, Stehen und Sitzen, ohne längere Zwangshaltung und Kälteexposition vollschichtig zu verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.04.2001 insbesondere mit der Begründung ab, die Klägerin sei noch in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen legte die Klägerin am 17.05.2001 Widerspruch ein. Sie habe massive Wirbelsäulenbeschwerden, die sich vor allem auf den HWS- u. LWS-Bereich ausdehnten und Ausstrahlungen mit neurologischen Ausfallserscheinungen mit sich brächten. Der Schulter-Arm-Bereich sei auch erheblich eingeschränkt, in sämtlichen Gelenken bestehe eine Arthrose mit starken Schmerzen. Sie sei deshalb ständig auf starke Schmerzmittel angewiesen, ebenso auf eine LWS-Bandage. Laufen könne sie aufgrund der starken Beschwerden und der Ausstrahlungen nur noch mit zwei Krücken. Außerdem habe sie erneut einen zerebralen Krampfanfall erlitten und sich deshalb in stationärer Behandlung vom 12.01. bis 24.01.2001 in der Neurologie des J.spitals W. befunden. Dadurch sei sie psychisch stark belastet und könne sich nicht konzentrieren. Sie benötige häufige Ruhepausen und leide an einem ausgeprägten Erschöpfungssyndrom. In diesem Zusammenhang übersandte sie den vorläufigen Arztbrief der Stiftung J.spital W. vom 24.01.2001 sowie einen Bericht vom 26.02.2001. Nach Beiziehung ärztlicher Behandlungsunterlagen erstellte anschließend im Auftrag der Beklagten der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie - Sozialmedizin Prof. Dr.Dr.N. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 26.09.2001 ein Gutachten und vertrat darin die Auffassung, dass die Klägerin täglich noch 6 Stunden leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Stressbelastung, ohne Klettern, Steigen, Absturzgefahr und ohne besondere Gefährdungs- und Belastungsfaktoren vollschichtig verrichten könne. Nachdem der ärztliche Dienst der Beklagten (Fr.N.) am 17.10.2001 eine Stellungnahme nach Aktenlage abgegeben und die Beklagte den Arztbrief des Internisten/Rheumatologen Dr.H. vom 03.07.2001 beigezogen hatte, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2002 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.02.2002 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik H. über das stationäre Heilverfahren vom 13.02.2002 bis 06.03.2002, Arztbriefe des Internisten Dr.D. vom 07.08.2002, der Stiftung J.spital W. vom 26.02.2001, die Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern vom 21.03.2001 und 11.04.2002, das Gutachten des Arbeitsamtes W. vom 17.10.2002, Arztbriefe des Internisten Dr.S. vom 12.08.2003, der Frauenklinik und Hebammenschule der Bayer. J.-Universität W. vom 24.02.2003, der Medizinischen Poliklinik der Universität W. vom 29.08.2003, des Facharztes für psychotherapeutische Medizin Dr.S. vom 06.06.2002 sowie die Unterlagen des ZBFS W. beigezogen. Anschließend hat das SG Befundberichte der praktischen Ärztin Dr.K. vom 25.11.2003, des Allgemeinarztes Dr.K. vom 03.12.2003 und Arztbriefe des Internisten Dr.S. vom 31.03.2003 sowie der Stiftung J.spital W. - Chirurgische Klinik - vom 25.06.2003 beigezogen.
Gemäß Beweisanordnung vom 05.01.2004 hat der Orthopäde Dr.F. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 30.04.2004 ein Gutachten erstattet und ist dabei zur sozialmedizinischen Beurteilung gelangt, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten wechselweise im Sitzen und Stehen bzw. überwiegend im Sitzen und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich noch 6 Stunden und mehr zumutbar seien. Auf Antrag der Klägerin vom 30.07.2004 gemäß § 109 SGG hat der Internist Prof. Dr.A. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin das Gutachten vom 22.11.2004 erstattet und dabei die Auffassung vertreten, der Klägerin sei noch eine mittelschwere Tätigkeit vorwiegend in wechselnder Stellung (im Sitzen und Stehen) vollschichtig (6 Stunden täglich und mehr) und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen zumutbar.
Mit Urteil vom 14.03.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Aufgrund der eingeholten Gutachten im Verwaltungsverfahren (Dr.S. und Prof.Dr.Dr.N.) sowie aufgrund der Gutachten der vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr.F. und Dr.A. stehe fest, dass die Klägerin noch in der Lage sei, wenigstens 6 Stunden mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend in wechselnder Stellung zu verrichten, wobei weitere qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten seien. Das im Vordergrund stehende statisch myalgische Wirbelsäulensyndrom, Zustand nach Bandscheibenvorfall L 4/L 5 sowie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ebenso wie die Autoimmunthrombozytopenie (Morbus Werlhof) mit Zustand nach Splenektomie und Cholezystektomie bedingten lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Eine schwere spezifische Leistungseinschränkung aufgrund des Verdachts auf kryptogene Epilepsie mit fokal eingeleiteten sekundär generalisierten Anfällen sei nicht anzunehmen. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass diese Anfälle in ihrer Häufigkeit sehr selten seien. Nach den vorliegenden Unterlagen (vgl. Teilgutachten im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens vom Nervenarzt Dr.B. vom 14.12.2001) gebe die Klägerin an, im Alter von 6 Jahren einen epileptischen Anfall gehabt zu haben, ein zweiter Anfall sei vor ca. 12 Jahren aufgetreten und im Juni des Jahres 2001 ein neuer Anfall. Auch aus den vorliegenden Befundberichten und ärztlichen Unterlagen ließen sich mehr als drei epileptische Anfälle in diesem Zeitraum nicht nachweisen (vgl. Schreiben der Rheumatologischen Schwerpunktpraxis Dr.D. vom 07.08.2002 an die Hausärztin der Klägerin).
Hiergegen richtet sich die beim SG am 26.04.2005 und beim Bayer. Landessozialgericht am 04.05.2005 eingegangene Berufung.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr.H. vom 11.02.2005 und 18.07.2005 einschließlich eines Arztbriefs vom 11.02.2005, den Arztbrief der Stiftung J.spital W. - Chirurgische Klinik - vom 25.06.2003, die Kumulativbefunde vom 27.05.2003 und 28.05.2003, den OP-Bericht des J.spitals W. - Chirurgische Klinik - vom 22.05.2003, den Befundbericht des Internisten Dr.D. vom 18.07.2005 einschließlich eines Arztbriefs vom 07.08.2002, Arztbriefe des Internisten/Rheumatologen Dr.H. vom 03.07.2001, des Universitätsklinikums W. vom 29.08.2003, 16.10.2003, 14.04.2004, 19.04.2004 09.06.2004, 16.06.2004, 02.01.2005 und vom 10.01.2005 sowie den Befundbericht der praktischen Ärztin Dr.J. vom 26.07.2005, Arztbriefe des Radiologen Dr.W. vom 17.06.2005, des Internisten PD Dr.W. vom 02.01.2005, des Internisten Dr.S. vom 31.03.2003 und 12.08.2003 sowie die Akten der Beklagten, die Schwerbehindertenakte des ZBFS N. , die Akte des SG (S 3 SB 459/02) und die Leistungsakte der Agentur für Arbeit W. beigezogen.
Ferner hat das Gericht Anschlussbefundberichte des Internisten/ Rheumatologen Dr.D. vom 28.04.2006 einschließlich eines Arztbriefs vom 05.09.2005, der praktischen Ärztin Dr.K. vom 18.05.2006, Röntgenaufnahmen des J.spitals W. sowie Arztbriefe des Universitätsklinikums W. vom 13.01.2006, des Radiologen Dr.T. vom 12.04.2006 und des Laborarztes Dr.S. vom 24.04.2006 beigezogen.
Gemäß Beweisanordnung vom 10.11.2005 hat der Anästhesist-Psychotherapeut Dr.A. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 30.06.2006 ein Gutachten erstattet und ist dabei zu der sozialmedizinischen Beurteilung gelangt, dass der Klägerin noch leichte, vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich 6 Stunden und mehr zumutbar seien.
Zur Berufungsbegründung trägt die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23.05.2005, 28.03.2006 und 21.08.2006 Folgendes vor: Sie sei nicht mehr in der Lage, eine mindestens 6-stündige leichte Tätigkeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Sie leide nach Ausführung ihrer Allgemeinärztin glaubhaft an starken Schmerzen im HWS-, BWS- und im LWS-Bereich, welche leider therapieresistent seien. Weiterhin bestehe ein Erschöpfungssyndrom sowie eine Fibromyalgieerkrankung, welche bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Ungünstig sei der bestehende Tinnitus, welcher bei Erschöpfungserscheinungen deutlich zunehme. Bereits Dr.H. habe in seinem Gutachten für das Arbeitsamt am 17.10.2004 festgestellt, dass bei ihr ein Leistungsvermögen von nennenswertem Umfang nicht vorhanden sei. Dr.H. habe diese Einschränkung des Leistungsvermögens allerdings für eine Dauer von unter 6 Monaten prognostiziert. Letztendlich habe sich jedoch gezeigt, dass sie dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, eine Erwerbtätigkeit aufzunehmen. Die vorhandene Oligo-Epilepsie sowie die vorhandene Somatisierungsstörung bewirkten im Zusammenspiel mit den übrigen Gesundheitsstörungen, dass sie Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr verrichten könne.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund des Antrags vom 19.02.2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Berufungserwiderung trägt die Beklagte mit Schriftsätzen vom 25.05.2005, 13.06.2005 und 13.10.2005 Folgendes vor: Nach dem Gutachten von Prof.A. ließen sich die von der Klägerin geklagten Funktionseinschränkungen nur teilweise objektivieren. Sie sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Nach dem aktuellsten Befundbericht seien die epileptischen Anfälle sehr selten aufgetreten. Die Thrombozytenwerte seien stabil geblieben. Daraus ergäben sich lediglich qualitative Einschränkungen. Hinweise auf durch die Somatisierungsstörung in Form einer Fibromyalgie bedingte gravierende psychische Störungen fänden sich in den Unterlagen nicht, sodass es auch in Bezug auf dieses Krankheitsbild bei der Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für körperlich leichte Tätigkeiten verbleibe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Beklagten, des ZBFS, des SG (Az: S 2 RA 37/02 und S 3 SB 459/02) der Arbeitsagentur W. und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.11.2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung abgewiesen. Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung ab 01.01.2001 noch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 1 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2001 zu. Denn sie ist trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte, vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen täglich 6 Stunden und mehr zu verrichten. Dabei sollten Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Knien oder Hocken, in Zwangshaltungen und Überkopf, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie unter erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefährdung, mit häufig wechselnden Temperaturen oder unter Exposition gegenüber Nässe, Kälte oder Zugluft sowie gegenüber Reizstoffen vermieden werden. Von besonderer Bedeutung ist das Vermeiden von psychischen Belastungen, entweder durch Lärmexposition, Leistungs- oder Zeitdruck, Akkord oder Wechsel- und Nachtschicht. Es sollte auch die Möglichkeit bestehen, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens Arbeitsablauf und Arbeitstempo selbstständig zu variieren.
Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI (nF) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI (nF) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Die vom Gericht durchgeführte Beweisaufnahme hat das vom SG gefundene Ergebnis im Wesentlichen bestätigt. Dabei stützt sich das Gericht auf die Würdigung der in den Akten enthaltenen ärztlichen Befunde und Gutachten, insbesondere auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.A. vom 30.06.2006.
Danach liegen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen vor: 1. Chronische unspezifische lumbale Rückenschmerzen auf der Grundlage der langsam fortschreitenden degenerativen Veränderungen ohne Ausstrahlung und ohne Nervenreizerscheinugen mit bisher nur mäßigen ausgeprägten funktionellen Einschränkungen. 2. Rezidivierende Schulter- und Nackenschmerzen überwiegend rechts. 3. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Schmerzen wechselnder Lokalisation und verminderter psychischer Belastbarkeit. 4. Anbehandelte Anpassungsstörung. 5. Oligoepilepsie. 6. Autoimmunthrombozytopenie.
Die tief lumbalen Rückenschmerzen der Klägerin sind als unspezifisch einzuordnen. Zu keinem Zeitpunkt wurde nach den vorliegenden Untersuchungsberichten das Bestehen eines manifesten Bandscheibenvorfalls oder eine Affektion von Nervenwurzeln nachgewiesen, auch nicht bei gezielter neurologischer Untersuchung wie im Januar 2001 in der neurologischen Abteilung des J.spitals in W. oder während der gutachterlichen Untersuchung durch den Neurologen Dr.B. im Dezember 2001. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit kann aus dieser Gesundheitsstörung nicht abgeleitet werden, sie bedingt lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. So erscheinen überwiegend mittelschwere Tätigkeiten als nicht mehr zumutbar, auch nicht Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen oder in Zwangshaltungen. Vermieden werden sollten das Bewegen von Lasten in ungünstiger Körperhaltung mit besonderer Belastung des Rückens; ferner sollten die Lasten auf fünf Kilogramm begrenzt bleiben. Ebenso zu vermeiden sind häufige Temperaturwechsel sowie die Exposition gegenüber Nässe und Zugluft.
Bei der Untersuchung der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. zeigte sich eine Schmerzhaftigkeit der oberen beidseitigen Nackenmuskulatur, wenig betroffen erschien aktuell die Schultermuskulatur, bei der lediglich rechtsseitig mäßige Auffälligkeiten festzustellen waren. Die im zeitlichen Verlauf wechselnde Ausprägung des Beschwerdebildes spricht gegen eine dauerhafte funktionelle Einschränkung des Nackens und des Schultergürtels. Den Beschwerden sollte in der Leistungsbeurteilung dadurch Rechnung getragen werden, dass Tätigkeiten über Kopf oder unter besonderer statischer Belastung der Arme, etwa Tätigkeiten in längerer Armvorhalte vermieden werden. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ist aus den Beschwerden nicht abzuleiten.
Die Diagnose einer Fibromyalgie konnte durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. nicht bestätigt werden. Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr.A. wurde die erforderliche Anzahl an positiv getesteten Tenderpoints - im Gegensatz zur Untersuchung durch den PD Dr.F. - nicht erreicht. Die damit dokumentierte Besserung steht in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin bzgl. einer Stabilisierung des Befindens im Laufe des Jahres 2004 und zu ihren Alltagsaktivitäten.
Zutreffend weist der gerichtliche Sachverständige Dr.A. darauf hin, dass sich seit dem Vorgutachten vom 30.04.2004 der Gesundheitszustand der Klägerin hinsichtlich der generalisierten Schmerzproblematik und Erschöpfungszustände, die zunächst zur Diagnose einer Fibromyalgie geführt haben, verbessert hat. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits im Gutachten von Prof. Dr.A. vom 22.11.2004 ab und wird durch die Untersuchung der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. bestätigt. Die bisher durchgeführte Psychotherapie hat zu einer Abmilderung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung geführt. Dabei blieben, soweit dies trotz der vielfältigen Überlagerung durch körperliche und seelische Gesundheitsstörungen im Rahmen des Gesamtbeschwerdebildes retrospektiv beurteilbar ist, die unspezifischen lumbalen Rückenschmerzen seit Antragstellung im Wesentlichen unverändert. Bei der Untersuchung der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. präsentierte sich das ehemals diagnostizierte pseudoradikuläre HWS-Syndrom gegenüber der Untersuchung am 22.09.2004 durch Dr.A. , Stiftung J.spital W. aktuell als gebessert. Zudem wurde der Tinnitus inzwischen erfolgreich behandelt.
Die im Zeitraum zwischen Oktober 2001 und Juni 2004 während der psychotherapeutischen Behandlung gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung ist retrospektiv als Intensivierung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu interpretieren. Nach psychotherapeutischer Behandlung hat die Klägerin eine deutliche Stimmungsverbesserung erfahren. Der derzeitige psychische Zustand mit gedrückter Stimmungslage ist als Anpassungstörung im Sinn einer zeitlich begrenzten psychischen Reaktion zu bewerten.
Zu Recht hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.10.2005 vorgetragen, dass epileptische Anfälle bei der Klägerin sehr selten aufgetreten sind. Während des stationären Aufenthalts der Klägerin im Zeitraum vom 12.01.2001 bis 24.01.2001 in der Stiftung J.spital W. wurde als Diagnose "V.a. kryptogene Epilepsie mit fokal eingeleiteten, sekundär generalisierten Anfällen" gestellt. Der Anfall trat nach Infusion von Maprotilin zur Behandlung von Rückenschmerzen auf. Anhaltspunkte für fokal-neurologische Ausfälle fanden sich nicht. In der Vorgeschichte der Klägerin ereigneten sich zwei weitere Anfallereignisse, einmal 6-jährig als Kind, zuletzt vor 12 Jahren im Urlaub.
Die Oligoepilelpsie der Klägerin führt lediglich dazu, dass Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie unter erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefährdung zu vermeiden sind, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergibt sich daraus jedoch nicht.
Die Autoimmunthrombozytopenie ist bisher erfolgreich behandelt worden. Die neu aufgetretene generalisierte Lymphknotenschwellung ist ursächlich noch ungeklärt und bedarf der medizinischen Beobachtung. Zutreffend weist der gerichtliche Sachverständige Dr.A. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Gesundheitsstörung offensichtlich ohne Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Klägerin bleibt.
Die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen in Verbindung mit der vom gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. aufgezeigten Notwendigkeit der Möglichkeit, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens Arbeitsablauf und Arbeitstempo zu variieren, bedingen nach der Überzeugung des Gerichts keine Verschlossenheit des Arbeitsmarkts aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (s. BSG SozR 2200 § 1246 Nr 75, 81, 90, 104, 117, 136; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 = NZS 1996, 228; BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 = SGb 1998, 221). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn die Klägerin ist trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage, z.B. einfache Bürohilfstätigkeiten zu verrichten. Dabei besteht regelmäßig die Möglichkeit, den Arbeitsablauf und das Arbeitstempo selbstständig so zu variieren, dass ihr die Ausübung dieser Tätigkeit unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen vollschichtig zumutbar ist.
Somit bleibt festzuhalten, dass die Klägerin nicht vermindert erwerbsfähig iS des § 43 Abs 3 SGB VI (nF) ist, so dass ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Die 1962 geborene Klägerin absolvierte im Zeitraum vom 01.09.1977 bis 30.07.1979 eine Ausbildung zur Verkäuferin und war danach in diesem Beruf mit einer Unterbrechung wegen Kindererziehung bis einschließlich Juni 1999 versicherungspflichtig beschäftigt. Im Zeitraum von November 1999 bis Mai 2000 war sie als Kassiererin geringfügig beschäftigt. Von Oktober 2000 bis 30.09.2001 war sie wiederum aufgrund eines befristeten Vertrags als Verkäuferin und Kassiererin tätig, wobei sie nach ihren Angaben tatsächlich 30 Stunden wöchentlich gearbeitet hat.
Am 19.02.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Nach Beiziehung ärztlicher Behandlungsunterlagen ließ die Beklagte die Klägerin vom Orthopäden Dr.S. untersuchen. Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 29.03.2001 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin noch in der Lage sei, mittelschwere körperliche Tätigkeiten im Wechselrhythmus von Gehen, Stehen und Sitzen, ohne längere Zwangshaltung und Kälteexposition vollschichtig zu verrichten. Daraufhin lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit Bescheid vom 20.04.2001 insbesondere mit der Begründung ab, die Klägerin sei noch in der Lage, in ihrem bisherigen Beruf mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Hiergegen legte die Klägerin am 17.05.2001 Widerspruch ein. Sie habe massive Wirbelsäulenbeschwerden, die sich vor allem auf den HWS- u. LWS-Bereich ausdehnten und Ausstrahlungen mit neurologischen Ausfallserscheinungen mit sich brächten. Der Schulter-Arm-Bereich sei auch erheblich eingeschränkt, in sämtlichen Gelenken bestehe eine Arthrose mit starken Schmerzen. Sie sei deshalb ständig auf starke Schmerzmittel angewiesen, ebenso auf eine LWS-Bandage. Laufen könne sie aufgrund der starken Beschwerden und der Ausstrahlungen nur noch mit zwei Krücken. Außerdem habe sie erneut einen zerebralen Krampfanfall erlitten und sich deshalb in stationärer Behandlung vom 12.01. bis 24.01.2001 in der Neurologie des J.spitals W. befunden. Dadurch sei sie psychisch stark belastet und könne sich nicht konzentrieren. Sie benötige häufige Ruhepausen und leide an einem ausgeprägten Erschöpfungssyndrom. In diesem Zusammenhang übersandte sie den vorläufigen Arztbrief der Stiftung J.spital W. vom 24.01.2001 sowie einen Bericht vom 26.02.2001. Nach Beiziehung ärztlicher Behandlungsunterlagen erstellte anschließend im Auftrag der Beklagten der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie - Sozialmedizin Prof. Dr.Dr.N. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 26.09.2001 ein Gutachten und vertrat darin die Auffassung, dass die Klägerin täglich noch 6 Stunden leichte und mittelschwere Tätigkeiten ohne besondere Stressbelastung, ohne Klettern, Steigen, Absturzgefahr und ohne besondere Gefährdungs- und Belastungsfaktoren vollschichtig verrichten könne. Nachdem der ärztliche Dienst der Beklagten (Fr.N.) am 17.10.2001 eine Stellungnahme nach Aktenlage abgegeben und die Beklagte den Arztbrief des Internisten/Rheumatologen Dr.H. vom 03.07.2001 beigezogen hatte, wies sie den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 04.01.2002 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 07.02.2002 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben. Das SG hat den ärztlichen Entlassungsbericht der Klinik H. über das stationäre Heilverfahren vom 13.02.2002 bis 06.03.2002, Arztbriefe des Internisten Dr.D. vom 07.08.2002, der Stiftung J.spital W. vom 26.02.2001, die Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Bayern vom 21.03.2001 und 11.04.2002, das Gutachten des Arbeitsamtes W. vom 17.10.2002, Arztbriefe des Internisten Dr.S. vom 12.08.2003, der Frauenklinik und Hebammenschule der Bayer. J.-Universität W. vom 24.02.2003, der Medizinischen Poliklinik der Universität W. vom 29.08.2003, des Facharztes für psychotherapeutische Medizin Dr.S. vom 06.06.2002 sowie die Unterlagen des ZBFS W. beigezogen. Anschließend hat das SG Befundberichte der praktischen Ärztin Dr.K. vom 25.11.2003, des Allgemeinarztes Dr.K. vom 03.12.2003 und Arztbriefe des Internisten Dr.S. vom 31.03.2003 sowie der Stiftung J.spital W. - Chirurgische Klinik - vom 25.06.2003 beigezogen.
Gemäß Beweisanordnung vom 05.01.2004 hat der Orthopäde Dr.F. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 30.04.2004 ein Gutachten erstattet und ist dabei zur sozialmedizinischen Beurteilung gelangt, dass der Klägerin leichte Tätigkeiten wechselweise im Sitzen und Stehen bzw. überwiegend im Sitzen und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich noch 6 Stunden und mehr zumutbar seien. Auf Antrag der Klägerin vom 30.07.2004 gemäß § 109 SGG hat der Internist Prof. Dr.A. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin das Gutachten vom 22.11.2004 erstattet und dabei die Auffassung vertreten, der Klägerin sei noch eine mittelschwere Tätigkeit vorwiegend in wechselnder Stellung (im Sitzen und Stehen) vollschichtig (6 Stunden täglich und mehr) und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen zumutbar.
Mit Urteil vom 14.03.2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Aufgrund der eingeholten Gutachten im Verwaltungsverfahren (Dr.S. und Prof.Dr.Dr.N.) sowie aufgrund der Gutachten der vom Gericht beauftragten Sachverständigen Dr.F. und Dr.A. stehe fest, dass die Klägerin noch in der Lage sei, wenigstens 6 Stunden mittelschwere Tätigkeiten vorwiegend in wechselnder Stellung zu verrichten, wobei weitere qualitative Leistungseinschränkungen zu beachten seien. Das im Vordergrund stehende statisch myalgische Wirbelsäulensyndrom, Zustand nach Bandscheibenvorfall L 4/L 5 sowie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule ebenso wie die Autoimmunthrombozytopenie (Morbus Werlhof) mit Zustand nach Splenektomie und Cholezystektomie bedingten lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. Eine schwere spezifische Leistungseinschränkung aufgrund des Verdachts auf kryptogene Epilepsie mit fokal eingeleiteten sekundär generalisierten Anfällen sei nicht anzunehmen. Zu berücksichtigen sei dabei insbesondere, dass diese Anfälle in ihrer Häufigkeit sehr selten seien. Nach den vorliegenden Unterlagen (vgl. Teilgutachten im Rahmen des Schwerbehindertenverfahrens vom Nervenarzt Dr.B. vom 14.12.2001) gebe die Klägerin an, im Alter von 6 Jahren einen epileptischen Anfall gehabt zu haben, ein zweiter Anfall sei vor ca. 12 Jahren aufgetreten und im Juni des Jahres 2001 ein neuer Anfall. Auch aus den vorliegenden Befundberichten und ärztlichen Unterlagen ließen sich mehr als drei epileptische Anfälle in diesem Zeitraum nicht nachweisen (vgl. Schreiben der Rheumatologischen Schwerpunktpraxis Dr.D. vom 07.08.2002 an die Hausärztin der Klägerin).
Hiergegen richtet sich die beim SG am 26.04.2005 und beim Bayer. Landessozialgericht am 04.05.2005 eingegangene Berufung.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr.H. vom 11.02.2005 und 18.07.2005 einschließlich eines Arztbriefs vom 11.02.2005, den Arztbrief der Stiftung J.spital W. - Chirurgische Klinik - vom 25.06.2003, die Kumulativbefunde vom 27.05.2003 und 28.05.2003, den OP-Bericht des J.spitals W. - Chirurgische Klinik - vom 22.05.2003, den Befundbericht des Internisten Dr.D. vom 18.07.2005 einschließlich eines Arztbriefs vom 07.08.2002, Arztbriefe des Internisten/Rheumatologen Dr.H. vom 03.07.2001, des Universitätsklinikums W. vom 29.08.2003, 16.10.2003, 14.04.2004, 19.04.2004 09.06.2004, 16.06.2004, 02.01.2005 und vom 10.01.2005 sowie den Befundbericht der praktischen Ärztin Dr.J. vom 26.07.2005, Arztbriefe des Radiologen Dr.W. vom 17.06.2005, des Internisten PD Dr.W. vom 02.01.2005, des Internisten Dr.S. vom 31.03.2003 und 12.08.2003 sowie die Akten der Beklagten, die Schwerbehindertenakte des ZBFS N. , die Akte des SG (S 3 SB 459/02) und die Leistungsakte der Agentur für Arbeit W. beigezogen.
Ferner hat das Gericht Anschlussbefundberichte des Internisten/ Rheumatologen Dr.D. vom 28.04.2006 einschließlich eines Arztbriefs vom 05.09.2005, der praktischen Ärztin Dr.K. vom 18.05.2006, Röntgenaufnahmen des J.spitals W. sowie Arztbriefe des Universitätsklinikums W. vom 13.01.2006, des Radiologen Dr.T. vom 12.04.2006 und des Laborarztes Dr.S. vom 24.04.2006 beigezogen.
Gemäß Beweisanordnung vom 10.11.2005 hat der Anästhesist-Psychotherapeut Dr.A. nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 30.06.2006 ein Gutachten erstattet und ist dabei zu der sozialmedizinischen Beurteilung gelangt, dass der Klägerin noch leichte, vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen und unter Beachtung weiterer qualitativer Leistungseinschränkungen täglich 6 Stunden und mehr zumutbar seien.
Zur Berufungsbegründung trägt die Klägerin mit Schriftsätzen vom 23.05.2005, 28.03.2006 und 21.08.2006 Folgendes vor: Sie sei nicht mehr in der Lage, eine mindestens 6-stündige leichte Tätigkeit zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Sie leide nach Ausführung ihrer Allgemeinärztin glaubhaft an starken Schmerzen im HWS-, BWS- und im LWS-Bereich, welche leider therapieresistent seien. Weiterhin bestehe ein Erschöpfungssyndrom sowie eine Fibromyalgieerkrankung, welche bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Ungünstig sei der bestehende Tinnitus, welcher bei Erschöpfungserscheinungen deutlich zunehme. Bereits Dr.H. habe in seinem Gutachten für das Arbeitsamt am 17.10.2004 festgestellt, dass bei ihr ein Leistungsvermögen von nennenswertem Umfang nicht vorhanden sei. Dr.H. habe diese Einschränkung des Leistungsvermögens allerdings für eine Dauer von unter 6 Monaten prognostiziert. Letztendlich habe sich jedoch gezeigt, dass sie dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, eine Erwerbtätigkeit aufzunehmen. Die vorhandene Oligo-Epilepsie sowie die vorhandene Somatisierungsstörung bewirkten im Zusammenspiel mit den übrigen Gesundheitsstörungen, dass sie Arbeiten von wirtschaftlichem Wert nicht mehr verrichten könne.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 20.04.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.01.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund des Antrags vom 19.02.2001 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Zur Berufungserwiderung trägt die Beklagte mit Schriftsätzen vom 25.05.2005, 13.06.2005 und 13.10.2005 Folgendes vor: Nach dem Gutachten von Prof.A. ließen sich die von der Klägerin geklagten Funktionseinschränkungen nur teilweise objektivieren. Sie sei noch in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein. Nach dem aktuellsten Befundbericht seien die epileptischen Anfälle sehr selten aufgetreten. Die Thrombozytenwerte seien stabil geblieben. Daraus ergäben sich lediglich qualitative Einschränkungen. Hinweise auf durch die Somatisierungsstörung in Form einer Fibromyalgie bedingte gravierende psychische Störungen fänden sich in den Unterlagen nicht, sodass es auch in Bezug auf dieses Krankheitsbild bei der Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens für körperlich leichte Tätigkeiten verbleibe.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten, der Beklagten, des ZBFS, des SG (Az: S 2 RA 37/02 und S 3 SB 459/02) der Arbeitsagentur W. und den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 29.11.2006 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG).
Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet.
Zu Recht hat das SG die Klage auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung abgewiesen. Der Klägerin steht weder ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung ab 01.01.2001 noch auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs 1 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2001 zu. Denn sie ist trotz der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage, leichte, vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen täglich 6 Stunden und mehr zu verrichten. Dabei sollten Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Knien oder Hocken, in Zwangshaltungen und Überkopf, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie unter erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefährdung, mit häufig wechselnden Temperaturen oder unter Exposition gegenüber Nässe, Kälte oder Zugluft sowie gegenüber Reizstoffen vermieden werden. Von besonderer Bedeutung ist das Vermeiden von psychischen Belastungen, entweder durch Lärmexposition, Leistungs- oder Zeitdruck, Akkord oder Wechsel- und Nachtschicht. Es sollte auch die Möglichkeit bestehen, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens Arbeitsablauf und Arbeitstempo selbstständig zu variieren.
Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI (nF) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie 1. voll erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Versicherte haben gemäß § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI (nF) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäfti gung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Die Klägerin ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Die vom Gericht durchgeführte Beweisaufnahme hat das vom SG gefundene Ergebnis im Wesentlichen bestätigt. Dabei stützt sich das Gericht auf die Würdigung der in den Akten enthaltenen ärztlichen Befunde und Gutachten, insbesondere auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des ärztlichen Sachverständigen Dr.A. vom 30.06.2006.
Danach liegen bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen vor: 1. Chronische unspezifische lumbale Rückenschmerzen auf der Grundlage der langsam fortschreitenden degenerativen Veränderungen ohne Ausstrahlung und ohne Nervenreizerscheinugen mit bisher nur mäßigen ausgeprägten funktionellen Einschränkungen. 2. Rezidivierende Schulter- und Nackenschmerzen überwiegend rechts. 3. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung mit Schmerzen wechselnder Lokalisation und verminderter psychischer Belastbarkeit. 4. Anbehandelte Anpassungsstörung. 5. Oligoepilepsie. 6. Autoimmunthrombozytopenie.
Die tief lumbalen Rückenschmerzen der Klägerin sind als unspezifisch einzuordnen. Zu keinem Zeitpunkt wurde nach den vorliegenden Untersuchungsberichten das Bestehen eines manifesten Bandscheibenvorfalls oder eine Affektion von Nervenwurzeln nachgewiesen, auch nicht bei gezielter neurologischer Untersuchung wie im Januar 2001 in der neurologischen Abteilung des J.spitals in W. oder während der gutachterlichen Untersuchung durch den Neurologen Dr.B. im Dezember 2001. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit kann aus dieser Gesundheitsstörung nicht abgeleitet werden, sie bedingt lediglich qualitative Leistungseinschränkungen. So erscheinen überwiegend mittelschwere Tätigkeiten als nicht mehr zumutbar, auch nicht Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder Gehen oder in Zwangshaltungen. Vermieden werden sollten das Bewegen von Lasten in ungünstiger Körperhaltung mit besonderer Belastung des Rückens; ferner sollten die Lasten auf fünf Kilogramm begrenzt bleiben. Ebenso zu vermeiden sind häufige Temperaturwechsel sowie die Exposition gegenüber Nässe und Zugluft.
Bei der Untersuchung der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. zeigte sich eine Schmerzhaftigkeit der oberen beidseitigen Nackenmuskulatur, wenig betroffen erschien aktuell die Schultermuskulatur, bei der lediglich rechtsseitig mäßige Auffälligkeiten festzustellen waren. Die im zeitlichen Verlauf wechselnde Ausprägung des Beschwerdebildes spricht gegen eine dauerhafte funktionelle Einschränkung des Nackens und des Schultergürtels. Den Beschwerden sollte in der Leistungsbeurteilung dadurch Rechnung getragen werden, dass Tätigkeiten über Kopf oder unter besonderer statischer Belastung der Arme, etwa Tätigkeiten in längerer Armvorhalte vermieden werden. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ist aus den Beschwerden nicht abzuleiten.
Die Diagnose einer Fibromyalgie konnte durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. nicht bestätigt werden. Bei der Untersuchung der Klägerin durch Dr.A. wurde die erforderliche Anzahl an positiv getesteten Tenderpoints - im Gegensatz zur Untersuchung durch den PD Dr.F. - nicht erreicht. Die damit dokumentierte Besserung steht in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin bzgl. einer Stabilisierung des Befindens im Laufe des Jahres 2004 und zu ihren Alltagsaktivitäten.
Zutreffend weist der gerichtliche Sachverständige Dr.A. darauf hin, dass sich seit dem Vorgutachten vom 30.04.2004 der Gesundheitszustand der Klägerin hinsichtlich der generalisierten Schmerzproblematik und Erschöpfungszustände, die zunächst zur Diagnose einer Fibromyalgie geführt haben, verbessert hat. Diese Entwicklung zeichnete sich bereits im Gutachten von Prof. Dr.A. vom 22.11.2004 ab und wird durch die Untersuchung der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. bestätigt. Die bisher durchgeführte Psychotherapie hat zu einer Abmilderung der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung geführt. Dabei blieben, soweit dies trotz der vielfältigen Überlagerung durch körperliche und seelische Gesundheitsstörungen im Rahmen des Gesamtbeschwerdebildes retrospektiv beurteilbar ist, die unspezifischen lumbalen Rückenschmerzen seit Antragstellung im Wesentlichen unverändert. Bei der Untersuchung der Klägerin durch den gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. präsentierte sich das ehemals diagnostizierte pseudoradikuläre HWS-Syndrom gegenüber der Untersuchung am 22.09.2004 durch Dr.A. , Stiftung J.spital W. aktuell als gebessert. Zudem wurde der Tinnitus inzwischen erfolgreich behandelt.
Die im Zeitraum zwischen Oktober 2001 und Juni 2004 während der psychotherapeutischen Behandlung gestellte Diagnose einer rezidivierenden depressiven Störung ist retrospektiv als Intensivierung einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung zu interpretieren. Nach psychotherapeutischer Behandlung hat die Klägerin eine deutliche Stimmungsverbesserung erfahren. Der derzeitige psychische Zustand mit gedrückter Stimmungslage ist als Anpassungstörung im Sinn einer zeitlich begrenzten psychischen Reaktion zu bewerten.
Zu Recht hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 13.10.2005 vorgetragen, dass epileptische Anfälle bei der Klägerin sehr selten aufgetreten sind. Während des stationären Aufenthalts der Klägerin im Zeitraum vom 12.01.2001 bis 24.01.2001 in der Stiftung J.spital W. wurde als Diagnose "V.a. kryptogene Epilepsie mit fokal eingeleiteten, sekundär generalisierten Anfällen" gestellt. Der Anfall trat nach Infusion von Maprotilin zur Behandlung von Rückenschmerzen auf. Anhaltspunkte für fokal-neurologische Ausfälle fanden sich nicht. In der Vorgeschichte der Klägerin ereigneten sich zwei weitere Anfallereignisse, einmal 6-jährig als Kind, zuletzt vor 12 Jahren im Urlaub.
Die Oligoepilelpsie der Klägerin führt lediglich dazu, dass Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie unter erhöhter Unfall- oder Verletzungsgefährdung zu vermeiden sind, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin ergibt sich daraus jedoch nicht.
Die Autoimmunthrombozytopenie ist bisher erfolgreich behandelt worden. Die neu aufgetretene generalisierte Lymphknotenschwellung ist ursächlich noch ungeklärt und bedarf der medizinischen Beobachtung. Zutreffend weist der gerichtliche Sachverständige Dr.A. in diesem Zusammenhang darauf hin, dass diese Gesundheitsstörung offensichtlich ohne Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Klägerin bleibt.
Die beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen in Verbindung mit der vom gerichtlichen Sachverständigen Dr.A. aufgezeigten Notwendigkeit der Möglichkeit, innerhalb eines vorgegebenen Rahmens Arbeitsablauf und Arbeitstempo zu variieren, bedingen nach der Überzeugung des Gerichts keine Verschlossenheit des Arbeitsmarkts aufgrund einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (s. BSG SozR 2200 § 1246 Nr 75, 81, 90, 104, 117, 136; SozR 3-2200 § 1246 Nr 50 = NZS 1996, 228; BSGE 81, 15 = SozR 3-2200 § 1247 Nr 23 = SGb 1998, 221). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, denn die Klägerin ist trotz der qualitativen Leistungseinschränkungen noch in der Lage, z.B. einfache Bürohilfstätigkeiten zu verrichten. Dabei besteht regelmäßig die Möglichkeit, den Arbeitsablauf und das Arbeitstempo selbstständig so zu variieren, dass ihr die Ausübung dieser Tätigkeit unter betriebsüblichen Arbeitsbedingungen vollschichtig zumutbar ist.
Somit bleibt festzuhalten, dass die Klägerin nicht vermindert erwerbsfähig iS des § 43 Abs 3 SGB VI (nF) ist, so dass ein Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung ausscheidet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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