S 47 AS 349/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
47
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 47 AS 349/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 135/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Der Topos des Verwandtenmietverhältnis (dazu u.a. VG Frankfurt am Main, Beschl. v. 15.12.1999, Az.: 3 G 4001/99) ist, soweit ein Unterhaltsregress nach § 33 Abs. 2 SGB II ausgeschlossen ist, im Streit um die übernahmefähigen Kosten der Unterkunft und Heizung nur von Relevanz, wenn der Betroffene sich aus welchen Gründen auch immer - außer dem Druck der Leistungsablehnung - entscheidet, seine Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Ansonsten führen die mietvertraglichen Verpflichtungen - die selbstverständlich einen wirksamen Mietvertrag voraussetzen, was bei familiären Bindungen der Vertragsparteien nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann und daher genauerer Überprüfung bedarf - zu erstattungsfähigen Aufwendungen.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 14.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2006 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 30.09.2005 bis 31.12.2005 weiteres Arbeitslosengeld II für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 9 Euro für den September 2005 und je 284 Euro für die Monate Oktober bis Dezember 2005 zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger 2/3 der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Kosten der Unterkunft für die vom Kläger bewohnte, im Haus seiner Eltern gelegene Wohnung.

Der 1977 geborene Kläger zeichnete unter dem 5. Juli 2005 einen ihm am gleichen Tag ausgegebenen und am 14. Juli 2005 bei dem Beklagten wieder eingegangenen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Zu seinem Mietverhältnis gab er dabei an, seine Eltern vermieteten ihm ein Ein-Zimmer-Apartment. Die Höhe der Grundmiete betrage 150 EUR. Die vorgesehenen Formularfelder für Umlagen und Heizkosten sind ebenso freigelassen wie die Angaben zu der Frage, ob die Mieteinnahmen vom Vermieter versteuert würden. Zu Mietrückständen ist das Feld für die Antwort ‚ja’ angekreuzt, Angaben für die Zeit, für die Mietrückstände bestehen, sind jedoch nicht gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag Blatt 1ff. der Leistungsakte des Beklagten (im Folgenden: LA), konkret Blatt 4 LA, Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2005 erbat der Beklagte weitere Unterlagen bezüglich des Antrags. Auf dem Schreiben - dabei ist nicht erkennbar, ob die Angaben vom Kläger oder von einem Mitarbeiter des Beklagten gemacht wurden - ist zu der Frage, von was der Kläger seit November 2002 seinen Lebensunterhalt bestritten habe, "Eltern" vermerkt. Entsprechende Angaben finden sich auch in einem Schreiben des Klägers vom 25. Juli 2005.

Mit Bescheid vom 16. August 2005 bewilligte der Beklagte sodann Leistungen für die Zeit vom 5. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 in Höhe von monatlich 345 EUR. Kosten für die Unterkunft nach § 22 SGB II wurden in die Berechnung nicht eingestellt.

Der Kläger wandte sich dann mit Schreiben vom 30. September 2005, bei dem Beklagten eingegangen am 04.10.2005, erneut an den Beklagten und teilte mit, er bewohne eine Ein-Zimmer-Wohnung im Hause seiner Eltern, für die er bisher keine Miete oder Umlagen gezahlt habe. Seine Eltern seien nicht mehr bereit und finanziell in der Lage, ihm zukünftig kostenfreie Unterkunft zu gewähren. Sie verlangten ab sofort den Abschluss eines Mietvertrages für die von ihm bewohnten Räumlichkeiten (ein Zimmer, circa 30 m², nebst Dusche und WC) unter Zugrundelegung einer monatlichen Miete inklusive aller Nebenkosten wie Heizung, Wasser, Strom in Höhe von 320 EUR. Da er selbst derzeit nicht in der Lage sei, monatlich diesen Betrag aufzubringen, bitte er um die Gewährung einer entsprechenden Leistung durch den Beklagten.

Der Beklagte erbat daraufhin mit einem Schreiben vom 6. April 2005 (?) weitere Nachweise beziehungsweise Unterlagen, insbesondere zur finanziellen Situation der Eltern des Klägers sowie zu den anfallenden monatlichen Ausgaben.

Mit einem Schreiben vom 13. Oktober 2005 wandten sich sodann die Eltern des Klägers an den Beklagten und überreichten eine ausgefüllte Mietbescheinigung, in der eine Gesamtmiete einschließlich Nebenkosten ohne weitere Aufschlüsselung von 320 EUR angegeben ist, sowie Unterlagen über ihre Vermögensverhältnisse. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 55 LA verwiesen.

Der Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin unter dem 14. Oktober 2005 einen erneuten Bescheid über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 05. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005. Die Höhe der gewährten Leistungen blieb dabei unverändert. Zur Begründung führte der Beklagte unter anderem aus, bei Mietverhältnissen zwischen Verwandten sei im Regelfall davon auszugehen, dass die Eltern im Hinblick auf deren Unterhaltspflicht nach dem BGB und der inneren Bindungen an ihr Kind in Notzeiten im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit für das Kind einstünden und die Bereitstellung des Wohnraumes nicht von der Bezahlung einer Miete abhängig machten. Im Falle des Klägers habe dieser laut seines Antrages bisher mietfrei gewohnt. Aufgrund der von den Eltern des Klägers eingereichten Nachweise könne davon ausgegangen werden, dass seine Eltern nicht auf die Einnahmen aus dem vermieteten Wohnraum angewiesen seien, um ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten zu können.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger durch Schreiben vom 20. Oktober 2005 Widerspruch ein. Er führte darin aus, er sei dringend auf die Übernahme von Miete und Nebenkosten angewiesen, da seine Eltern nicht bereit seien, ihn weiterhin in der Ein-Zimmer-Wohnung in ihrem Hause wohnen zu lassen, wenn er dafür nichts zahle. Sie hätten bereits in der Vergangenheit einen monatlichen Betrag von 320 EUR für Miete und alle Nebenkosten vereinbart. Aus finanziellen Gründen habe er allerdings bisher keine Zahlungen geleistet. Seine Eltern, die ihn lange finanziell unterstützt hätten, seien jetzt auf monatliche Mieteinnahmen zur Deckung der anfallenden Unkosten angewiesen (sein Vater sei inzwischen Rentner wegen Erwerbsunfähigkeit - Grad der Behinderung 70). Sie hätten ihm bereits mit Schreiben vom 1. August 2005 erklärt, dass er ansonsten ausziehen müsse und sie gezwungen seien, anderweitig zu vermieten. Es könne doch nicht sein, dass er beim Wohnen in einer Wohnung im Haus seiner Eltern, was allemal günstiger sei als das Wohnen in einem fremden Hause, schlechter gestellt sei als bei einem Auszug, der mit erheblichen zusätzlichen Kosten verbunden sei. Der Kläger fügte ein auf den 1. August 2005 datiertes Schreiben seiner Eltern bei, in dem diese mitteilten, es sei ihnen leider aus finanziellen Gründen nicht mehr möglich, ihm zukünftig die Wohnung in ihrem Haus zur Verfügung zu stellen. Trotz mehrfacher Aufforderung habe er es bisher unterlassen, Miete zu zahlen oder sich an den Nebenkosten zu beteiligen. Es gebe die Möglichkeit, dass er zukünftig die vereinbarte Miete zahle und sich angemessen an den Umlagen beteilige oder ausziehe und sie die Wohnung an einen Interessenten vermieteten, der monatlich Miete und Nebenkosten zahle. Der monatlich für den Kläger vorgesehene Betrag von 320 EUR inklusive aller Nebenkosten stelle für die gut möblierte Ein-Zimmer-Wohnung mit Einbauküche, Dusche und WC ein Entgegenkommen ihrerseits dar. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 94ff. LA Bezug genommen.

Im Rahmen eines Schreibens vom 4. November 2005 bat der Kläger zum einen um die Zusicherung der Übernahme von Kosten für Miete, Nebenkosten und Kaution für den Fall eines Umzugs, der notwendig werde, wenn der Beklagte die Kosten der Unterkunft für die Wohnung bei seinen Eltern nicht übernehme. Zum anderen beantragte er die Weitergewährung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes über den 31. Dezember 2005 hinaus.

Mit Änderungsbescheid vom 18. November 2005 senkte der Beklagte die von ihm gewährten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Monat Dezember 2005 auf 310 EUR ab. Die bisher erfolgte Hilfebewilligung hob er gemäß § 48 SGB X auf. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit einem Schreiben vom 24. November 2005 Widerspruch ein.

Am 19. Dezember 2005 erteilte der Beklagte einen Bescheid hinsichtlich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis zum 31. Mai 2006 in Höhe von 310 EUR monatlich. Kosten der Unterkunft waren wiederum nicht berücksichtigt.

Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 22. Dezember 2005 Widerspruch ein, wobei er sich sowohl gegen die Absenkung des Regelsatzes als auch gegen die fehlende Übernahme der Kosten der Unterkunft wandte. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 144ff. verwiesen.

Der Beklagte wies dann den Widerspruch gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2005 durch Widerspruchsbescheid vom 21. März 2006 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er insbesondere aus, wenn Mietverhältnisse mit Mietzinsforderungen zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltsverpflichteten bestünden, sei die Übernahme der Kosten der Unterkunft nicht möglich, da durch das einvernehmliche Zurverfügungstellen der Wohnung der erforderliche Unterkunftsbedarf im Sinne des SGB II sichergestellt sei. Somit seien bereite Mittel vorhanden, die im Hinblick auf den Nachranggrundsatz das Einschreiten des Sozialleistungsträgers ausschlössen. Erst wenn der Unterhaltspflichtige darlegen könne, dass er die Mieteinnahmen zum Bestreiten des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne von § 9 SGB II oder zur Sicherstellung der Finanzierung der vermieteten Räume benötige, seien gegebenenfalls die Kosten der Unterkunft als Bedarf des Hilfesuchenden anzuerkennen. Diese Voraussetzungen würden bei den Eltern des Klägers nicht gesehen. Nach den vorliegenden Unterlagen verblieben seinen Eltern nach Abzug der Hausbelastungen noch insgesamt 2124,05 EUR um ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Untermauert werde dies durch die Tatsache, dass der Kläger zuvor von November 2002 bis zum 31. August 2005 keine Miete an seine Eltern zu zahlen gehabt habe. Mit der Geltendmachung von Mietzahlungen ab dem 1. September 2005 sei vielmehr davon auszugehen, dass ein Sachverhalt konstruiert worden sei, der die Leistungspflicht des Sozialleistungsträgers auslösen solle.

Dem Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 18. November 2005 half der Beklagte durch Bescheid vom 28. März 2006 ab.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 3. April 2006, eingegangen bei Gericht am 6. April 2006, hat der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 14. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 erhoben und gleichzeitig den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.

Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, dass die Ausführungen des Beklagten zu den finanziellen Verhältnissen seiner Eltern nicht zutreffend seien. Deren Nettoeinkommen betrage circa 3000 EUR im Monat. Aus dem Schreiben seiner Eltern sei zu entnehmen, dass diese für Belastungen des Hauses monatlich 994,86 EUR zu tragen hätten. Daneben fielen an Nebenkosten monatlich circa 700 EUR an. Hinzu kämen Aufwendungen für weitere Versicherungen. Es verblieben daher rechnerisch lediglich 1255,59 EUR und nicht, wie von dem Beklagten ausgeführt, 2124,05 EUR monatlich für den Lebensunterhalt. Bei dieser Aufstellung seien die vorhandenen Versicherungen wegen Krankheit sowie die Lebensversicherungen zur Altersabsicherung der Eltern nicht einmal berücksichtigt. Gleiches gelte für die Kosten für die Kraftfahrzeughaftpflicht und die Kraftfahrzeugsteuer. Aus alledem ergebe sich, dass die Eltern des Klägers auf die Einkünfte aus Vermietung angewiesen seien. Gegenüber dem volljährigen Sohn müsse den Eltern auch ein angemessener eigener Unterhaltsbedarf verbleiben, der vorliegend nicht erreicht sei. Im Übrigen habe der Beklagte die mietvertraglichen Gestaltungen zwischen dem Kläger und seinen Eltern zu akzeptieren. Das Vorgehen des Antragsgegners sei insofern auch als Eingriff in das Eigentum der Eltern zu werten.

Der Kläger hat im ergänzenden Eilverfahren eine eidesstattliche Versicherung vom 7. April 2006 zu den Akten gereicht. Darin hat er u. a. erklärt, seine Eltern verlangten von ihm 320 EUR Miete. Dabei sei die Nettomiete 200 EUR, die Nebenkosten beliefen sich auf 120 EUR. Seine Eltern verlangten seit September 2005 von ihm die Zahlung der Miete, nachdem er bereits die Zeit davor mit den Mietzahlungen in Verzug geraten sei. Sein Vater sei Erwerbsminderungsrentner geworden, er sei schwerbehindert und habe ein Merkzeichen G erhalten. Ihm sei das Mietverhältnis bereits gekündigt worden, weil er bislang nicht in der Lage gewesen sei, die Kosten aufzubringen. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 30 der Eilverfahrensakte Bezug genommen.

Der Kläger hat weitere Unterlagen über die finanziellen Belastungen seiner Eltern zu den Akten gereicht. Diesbezüglich wird auf auf Blatt 31ff. der Gerichtsakte zum parallelen Eilverfahren Bezug genommen.

Der Kläger hat vor diesem Hintergrund beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 14.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.03.2006 zu verurteilen, ihm Kosten der Unterkunft in Höhe von 320 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung hat er unter Vertiefung seiner bereits im Ausgangs- und im Widerspruchsbescheid geäußerten Auffassung insbesondere ausgeführt, es handele sich um ein so genanntes Verwandtenmietverhältnis. Die Kosten der Unterkunft könnten daher nur übernommen werden, wenn die Verwandten, hier also die Eltern des Klägers, auf die Mietzahlungen angewiesen seien. Das sei hier nicht der Fall. Die Eltern des Klägers seien im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB leistungsfähig. Zumindest seien sie dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass sie nicht ohne Gefährdung ihres eigenen Unterhalts den Unterhalt für den Kläger in Form der unentgeltlichen Zurverfügungstellung des Wohnraumes gewähren könnten. Selbst wenn man davon ausgehe, dass der Kläger durch einen Mietvertrag rechtlich wirksam verpflichtet wäre, einen Mietzins zu entrichten, ändere sich an der Unterhaltspflicht der Eltern nichts, da der Kläger deren Mietzinsforderung die ihm zustehenden Unterhaltsansprüche entgegenhalten könne. Festzuhalten sei also, dass der Kläger durch die zur Verfügung gestellte Wohnung Naturalunterhalt erhalte, wodurch sich der Umfang seiner Leistungsbedürftigkeit entsprechend vermindere. Auch habe eine jahrelange Praxis bestanden, den Kläger mietfrei wohnen zu lassen, so dass sich auch unter Berücksichtigung der Beweiserhebung im Erörterungstermin keine abweichende Situation ergebe.

Die Kammer hat im Rahmen des Erörterungstermins vom 23.06.2006 den Kläger persönlich gehört und die Eltern des Klägers, E. und H. S., als Zeugin bzw. Zeugen vernommen. Insofern wird auf die Sitzungsniederschrift Bl. 103ff. Bezug genommen. Die Kammer hat anschließend am 27. Juni 2006 eine einstweilige Anordnung erlassen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 117 der Eilverfahrensakte Bezug genommen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zum Kläger geführten Leistungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakte zu den Aktenzeichen S 47 AS 348/06 ER und S 47 AS 349/06 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 105 Abs. 1 S. 1 SGG. Die Beteiligten wurden entsprechend § 105 Abs. 1 S. 2 SGG vorher gehört.

Die Klage ist zulässig und teilweise begründet. Der Kläger hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II in Gestalt der Kosten für die Unterkunft und Heizung. Insoweit ist der angefochtene Bescheid vom 14. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Im Übrigen sind übernahmefähige Kosten für Unterkunft und Heizung dagegen nicht feststellbar; die Klage war daher im Übrigen abzuweisen.

I. Gegenstand des Verfahrens sind nur der Bescheid vom 14. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 und der dort (nochmals vollständig) geregelte Leistungszeitraum vom 05. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005.

a) Die Kammer geht in Übereinstimmung mit der zwischenzeitlich vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urtle. v. 07.11.2006, Az.: B 7b AS 14/06 R und B 7b AS 8/06 R sowie vom 23.11.2006, Az.: B 11b AS 9/06 R) davon aus, dass Folgebescheide für weitere Leistungszeiträume nicht über eine entsprechende Anwendung von § 96 SGG in ein Verfahren über einen früheren Leistungszeitraum einzubeziehen sind, selbst wenn die im Zentrum der Auseinandersetzung stehenden Fragen sich entsprechen. Die für eine Einbeziehung im Rahmen der vergleichbaren Problematik bei der Arbeitslosenhilfe angeführten Gesichtspunkte der Prozessökonomie sprechen bei Leistungsbescheiden über Arbeitslosengeld II gerade für das gegenteilige Ergebnis. Insbesondere wenn einzelne Berechnungsfaktoren streitig sind, führt der Umstand, dass das Gericht in einem derartigen so genannten Höhenstreit grundsätzlich (auch) alle (anderen) – u.U. häufig sich ändernden – Faktoren mit Einfluss auf die Leistungshöhe prüfen muss, dazu, dass die Einbeziehung von Folgebescheiden gerade unter prozessökonomischen Gesichtspunkten nicht zu rechtfertigen ist.

Die Leistungsbescheide für die weiteren Leistungszeiträume ab dem 01. Januar 2006, namentlich der Bescheid vom 19. Dezember 2005, sind daher nicht zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens geworden.

b) Ob der Minderungsbescheid vom 18. November 2006 über § 86 SGG zum Gegenstand des laufenden Widerspruchs- und damit ggf. auch des Klageverfahrens geworden ist – wofür spricht, dass mit der Absenkung für den Dezember 2006 eine Änderung der hier streitigen Leistungsbewilligung (allerdings nur hinsichtlich der Regelleistung) verbunden war –, kann offen bleiben, nachdem der Beklagte dem Widerspruch gegen diesen Bescheid durch Bescheid vom 28. März 2006 abgeholfen und den Absenkungsbescheid damit aus der Welt geschaffen hat.

c) Die Klage beschränkt sich im Übrigen auf die Frage, ob der Kläger (höhere) Kosten der Unterkunft geltend machen kann. Die Kammer geht mit dem Bundessozialgericht (vgl. Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 8/06 R) davon aus, dass es sich bei der Bewilligung (oder Ablehnung) der Kosten der Unterkunft und Heizung um einen abtrennbaren Verfügungssatz handelt. Diese können daher in einer Klage auch geltend gemacht werden, ohne dass die Leistungsbewilligung im Übrigen, namentlich hinsichtlich des Regelsatzes oder der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen, wenn es die Höhe der (zusätzlich) übernahmefähigen Kosten der Unterkunft nicht beeinflusst, streitig gestellt wird. Die Kammer geht dabei davon aus, dass bei anwaltlich vertretenen Klägern von einer entsprechenden Beschränkung des Streitgegenstandes auszugehen ist, wenn der Klageantrag entsprechend formuliert ist; hier kommt hinzu, dass ein ausführlicher Erörterungstermin stattgefunden hat und zwischen den Beteiligten nie streitig war, dass die gerichtliche Auseinandersetzung in diesem Verfahren nur um die Kosten der Unterkunft geführt wird.

II. Die Klage ist mit diesem Gegenstand als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) zulässig, insbesondere form- und fristgerecht sowie nach Durchführung des notwendigen Vorverfahrens beim zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 4a, 78 Abs. 1 S. 1, 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, 90 SGG).

III. Die Klage ist schließlich in dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang auch begründet. Auf der Grundlage der Zeugenvernehmung im Erörterungstermin und der Einlassungen des Klägers ist die Kammer überzeugt, dass für den Zeitraum ab 30.09.2005 ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der (übernahmefähigen) Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Beklagten besteht.

1. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II erhalten Leistungen nach diesem Gesetz Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind, sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet haben. Zu den zu gewährenden Leistungen gehören als Arbeitslosengeld II insbesondere die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II).

Diese Anspruchsvoraussetzungen sind, abgesehen von der Hilfebedürftigkeit im Hinblick auf die Kosten der Unterkunft, zwischen den Beteiligten unstreitig; auch die Kammer sieht insoweit keinen Anlass zu zweifeln.

2. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln oder aus den zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Die Kammer ist (erst) für die Zeit ab dem 30. September 2005 überzeugt, dass dem Kläger bedarfssteigernde Kosten für die Unterkunft entstanden sind, ohne dass dieser Teil seines Lebensunterhalts durch berücksichtigungsfähige Mittel Dritter gesichert wäre. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass keine übernahmefähigen Kosten der Unterkunft entstanden sind, weil der Kläger die Wohnung seiner Eltern bewohnt hat.

a) Der Kläger und seine Eltern bildeten unstreitig keine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II. Auch ist die Kammer auf Grund der Einlassungen des Klägers und den Aussagen seiner Eltern überzeugt, dass diese nicht in einer Haushaltsgemeinschaft leben, so dass § 9 Abs. 5 SGB II keine Anwendung finden kann.

b) Die Kammer ist weiter auf Grund der Vernehmung der Zeugen und der Einlassungen des Klägers im Erörterungstermin am 23.06.2006 zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest ab dem 30.09.2005 ein rechtlich wirksamer Mietvertrag zwischen dem Kläger und seinen Eltern (und nicht nur ein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB – Bürgerliches Gesetzbuch) vorlag.

aa) Allerdings bestehen aus Sicht der Kammer erhebliche Zweifel, dass bereits unmittelbar nach dem erneuten Einzug des Klägers nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft ein Mietvertrag zwischen ihm und seinen Eltern zustande gekommen ist. Namentlich die Umstände der nur mehr oder minder widerwilligen erneuten Aufnahme auf Grund der unmittelbaren drohenden Obdachlosigkeit nach der Haftentlassung lassen es aus Sicht der Kammer als mindestens gut möglich erscheinen, dass der Einzug selbst und auch die Duldung des Klägers in den Räumen zumindest in der ersten Zeit nicht auf der Grundlage eines bereits geschlossenen Mietvertrags, sondern auf der Grundlage einer (wenn auch beanspruchten und widerwilligen) elterlichen Solidarität erfolgte. Die widersprüchlichen Angaben des Klägers zur Miethöhe, die zwischen den beiden Zeugen abweichenden Aussagen zum Vorliegen eines schriftlichen Mietvertrags (und dessen fehlende zeitnahe Vorlage) und die damit aus Sicht der Kammer verbleibenden Unsicherheiten hinsichtlich des genauen zeitlichen Ablaufs "auf dem Weg zu einem Mietvertrag" lassen es auch als problematisch erscheinen, einen genauen Termin anzugeben, zu dem eine Einigung des Klägers und seiner Eltern auf die so genannten essentialia negotii, also die für das Rechtsgeschäft kennzeichnenden und unverzichtbaren Vertragsbestandteile, konkret die Miethöhe, stattgefunden hat. Verbleibende Unsicherheiten müssen dabei auf Grund der Verteilung der materiellen Beweislast zu Lasten des Klägers gehen.

bb) Die Kammer konnte sich (erst) für die Zeit ab 30. September 2005 die hinreichend sicher Überzeugung bilden, dass die Eltern des Klägers nur bereit waren, diesen weiterhin in der Wohnung wohnen zu lassen, wenn er sich zu Mietzahlungen in Höhe von 200 Euro zuzüglich Nebenkosten bereit fände, und der Kläger sich darauf (und sei es mangels Alternative) eingelassen hat. Angesichts der fehlenden Formgebundenheit für einen Mietvertrag ist dies ausreichend, um von einer Einigung über einen Mietvertrag mit entsprechendem Inhalt auszugehen, da eine bindende Verständigung über die essentialia negotii stattgefunden hat.

Trotz der aufgeführten Unstimmigkeiten und des massiven Eigeninteresses der Zeugen an einem Obsiegen des Klägers haben diese nämlich nach Auffassung der Kammer die Konflikte mit dem Zeugen und ihre daraus resultierende fehlende Bereitschaft, diesen dauerhaft weiter ohne Mietzahlungen in der Wohnung wohnen zu lassen, mit einer Plastizität und Detailtreue bekundet, die die Kammer davon überzeugt hat, dass dieser Kern ihrer Aussage zutrifft. Die Zeugen haben – insoweit glaubhaft und glaubwürdig – geschildert, dass sie auf Grund der Vorgeschichte jedenfalls nicht dauerhaft bereit waren, den Kläger wiederum mietfrei aufzunehmen. Vielmehr war nur die Kombination aus familiärer Verbundenheit und der Aussicht auf Mietzahlungen überhaupt geeignet, insbesondere den Vater des Klägers dazu zu bewegen, dem Kläger nochmals über längere Zeit Wohnraum einzuräumen. Plausibel werden die diesbezüglichen Aussagen zudem durch die glaubhaft geschilderten Absichten, den Kläger durch die finanzielle Unterstützung Anfang 2005 und die damit ermöglichte Selbständigkeit einschließlich des damit verbundenen Auszugs, dauerhaft ‚aus dem Haus zu bekommen’. Gestützt werden die Aussagen zu diesem Geschehensablauf durch den belegten Pflichtteilsverzicht und die in Kopie vorgelegte Grundschulderklärung. Unter diesen Umständen ist es für die Kammer überzeugend, dass die Zeugen jedenfalls nicht bereit waren, den Kläger (erneut) dauerhaft unentgeltlich im Hause zu wohnen zu lassen, und dass der Kläger sich zumindest unter dem Druck der Situation auch in rechtlicher bindender Weise auf das Ansinnen, einen Mietvertrag zu akzeptieren, eingelassen hat. Wann genau die vorübergehende Wiederaufnahme in einer Notsituation, für die eine mietrechtliche Grundlage für die Kammer nicht, jedenfalls nicht sicher erkennbar ist, in ein – auch vom Kläger akzeptiertes – Mietverhältnis mit einer Mietzinsschuld von 320,- Euro inklusive Nebenkosten übergegangen ist, lässt sich, wie bereits erwähnt, nur schwer eindeutig festmachen.

cc) Allerdings ist die Kammer für die Zeit ab dem 30. September 2005 überzeugt, dass der Kläger (spätestens) zu diesem Zeitpunkt akzeptiert hat, dass er jedenfalls nunmehr nicht weiter ohne die ihm angesonnenen Mietzahlungen in der elterlichen Souterrainwohnung verbleiben könne. Auch wenn man auf Grund der erwähnten Unklarheiten und der beim Kläger liegenden Beweislast insoweit Zurückhaltung zu wahren hat, ist das erneute Herantreten des Klägers an den Beklagten mit dem Schreiben vom 30. September 2005, nachdem er den Bescheid vom 16. August 2005 zunächst akzeptiert hatte, für das Gericht eine hinreichend klare Zäsur. Dabei ist nach Auffassung der Kammer auch nicht der Zugang des Schreibens bei dem Beklagten (am 4. Oktober 2005) maßgeblich, sondern das Datum, unter dem das Schreiben verfasst ist, nachdem dies in hinreichend engem zeitliche Zusammenhang mit dem Eingang beim Beklagten steht, um von einer zutreffenden Datierung auszugehen: Mit diesem Schreiben – ab diesem Zeitpunkt variieren im Übrigen auch die angegeben Daten zu Miete und sonstigen Kosten nicht mehr – wird hinreichend und angesichts der sonstigen Umstände die Kammer überzeugend deutlich, dass die Eltern des Klägers nunmehr mit dem notwendigen Nachdruck an diesen herangetreten sind und er sich der rechtlich bindenden Verständigung auf ein Mietverhältnis und dessen konkrete Bedingungen nun nicht mehr weiter entziehen konnte.

Im Ergebnis ist die Kammer (erst) für die Zeit ab 30. September 2005 überzeugt, dass der Kläger mietvertraglich zu Zahlungen von 320,- Euro für das von ihm bewohnte Apartment verpflichtet ist.

c) Der Beklagte hat die (berücksichtigungsfähigen) Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft zu übernehmen; der Umstand, dass es sich um ein so genanntes Verwandtenmietverhältnis handelt steht dem nicht entgegen (vgl. so auch SG Fulda, Urtl. vom 13.02.2007, Az.: S 10 AS 21/05).

Dabei ist zunächst festzustellen, dass das Gesetz diesen Begriff nicht kennt. Der Beklagte könnte die Zahlung daher auf gesetzlicher Grundlage nur verweigern, wenn davon ausgegangen werden könnte, dass der Kläger den Wohnraum von seinen Eltern (unentgeltlich) zur Verfügung gestellt bekäme und daher die Hilfebedürftigkeit entfiele, weil der Kläger im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II die Hilfe von Angehörigen erhielte. Da der Kläger, wie bereits ausgeführt, mietvertraglich zu Zahlungen verpflichtet ist, könnte dies nach Auffassung der Kammer nur dann der Fall sein, wenn der Kläger den mietrechtlichen Ansprüchen eigene Unterhaltsansprüche entgegenhalten könnte - und müsste. Letzteres ist aber gerade nicht der Fall, so dass hier weder die Frage, zu beantworten ist, ob die Eltern als unterhaltsfähig anzusehen sind - wofür nach Auffassung der Kammer einiges spricht -, noch die Frage, ob einem Unterhaltsanspruch des Klägers möglicherweise § 1611 BGB entgegensteht, noch auch die Frage, inwiefern bei der Einräumung von Wohnraum von so genannten bereiten Mitteln auch dann die Rede sein kann, wenn Mietzahlungen mit Nachruck verlangt werden.

Entscheidend ist vielmehr, dass angesichts eines wirksamen Mietvertrages dem Betroffenen ungeachtet verwandtschaftlicher Bindung entsprechende mietvertragliche Zahlungsverpflichtungen aus § 535 BGB treffen. Die einvernehmliche Aufnahme, auf die sich der Beklagte beruft, ist dabei zivilrechtlich wenig aussagekräftig, verlangt vielmehr der Qualifizierung, ob sie auf mietrechtlicher, unterhaltsrechtlicher oder einer sonstigen Grundlage beruht. Die zivilrechtliche Gestaltung liegt dem Sozialrecht dabei zunächst einmal voraus und führt bei einer (durchaus einvernehmlichen) Aufnahme im Rahmen eines Mietverhältnisses dazu, dass grundsätzlich erstattungsfähige Aufwendungen entstehen.

Diesen mietvertraglichen Pflichten könnte der Betroffene allerdings ggf. eigene unterhaltsrechtliche Ansprüche im Wege der Aufrechnung (§ 387 BGB) oder (möglicherweise, da erhebliche Zweifel im Hinblick auf die notwendige Konnexität bestehen dürften) der Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) entgegen halten. Sozialhilferechtlich bzw. nach dem Recht der Grundsicherung für Arbeitssuchende ist er gerade dazu jedoch nach Auffassung der Kammer nicht verpflichtet. Nach § 33 Abs. 2 SGB II kann der Leistungsträger Unterhaltsansprüche gegen Verwandte in Konstellationen wie dieser gerade nicht auf sich überleiten. Sinn und Zweck der Regelung ist erkennbar, dass der Gesetzgeber im Umfang der Rückgriffsbeschränkung die Hilfebedürftigen nicht auf die Inanspruchnahme ihrer Verwandten mit den damit nicht selten einhergehenden Konflikten verweisen wollte. Der Nachranggrundsatz der Leistungen des SGB II ist dadurch eingeschränkt. Nach Auffassung der Kammer kann diese Rückgriffsbeschränkung nicht dadurch umgangen werden, dass man den Betroffenen durch die Ablehnung entsprechender Leistungen dazu zwingt, den Unterhaltsanspruch selbst geltend zu machen, sei es im Klageweg, sei es - wie hier - durch eine Aufrechnungserklärung oder die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts. Andernfalls liefe die Vorschrift, die den Unterhaltsberechtigten davor schützt, die mit einem Unterhalts(rechts)streit einhergehenden Konflikte gegen seinen Willen hervorrufen zu müssen, in Konstellationen wie dieser leer. Dabei sind keine Umstände erkennbar, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten; im Gegenteil müsste die Ausübung entsprechender Gegenrechte gegenüber dem mietrechtlichen Anspruch unmittelbar in der innerfamiliären Interaktion stattfinden, während § 33 Abs. 2 SGB II die Betroffenen sogar davor schützt, dass der Anspruch durch den Leistungsträger geltend gemacht wird, obwohl sie an der entsprechenden Auseinandersetzung nur mittelbar beteiligt sind.

Der Topos des Verwandtenmietverhältnis (dazu u.a. VG Frankfurt am Main, Beschl. v. 15.12.1999, Az.: 3 G 4001/99) ist daher, soweit ein Unterhaltsregress ausgeschlossen ist, nach Auffassung der Kammer nur von Relevanz, wenn der Betroffene sich aus welchen Gründen auch immer - außer dem Druck der Leistungsablehnung - entscheidet, seine Unterhaltsansprüche geltend zu machen. Ansonsten führen die mietvertraglichen Verpflichtungen - die selbstverständlich einen wirksamen Mietvertrag voraussetzen, was bei familiären Bindungen der Vertragsparteien nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden kann und daher genauerer Überprüfung bedarf - zu erstattungsfähigen Aufwendungen.

d) Die Kammer war hinsichtlich der Höhe der vom Beklagten zu übernehmenden Aufwendungen für die Unterkunft der Auffassung, dass diese grundsätzlich in voller Höhe zu übernehmen sind.

Dabei ist bei der Beurteilung der Angemessenheit von Mietaufwendungen für eine Unterkunft im Hinblick auf die Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den notwendigen Bedarf sicherzustellen, nicht auf den jeweiligen örtlichen Durchschnitt aller gezahlten Mietpreise, sondern auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Leistungsempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen und auf dieser tatsächlichen Grundlage eine Mietpreisspanne zu ermitteln (BVerwG, Urteil vom 17. November 1994 – 5 C 11.93BVerwGE 97,110, inzw. auch BSG, Urtl. v. 07. November 2006, Az. B 7b AS 18/06 R). Die angemessene Höhe der Unterkunftskosten ist in diesem Rahmen als Produkt aus der für den Leistungsempfänger abstrakt angemessenen Wohnungsgröße und dem nach den örtlichen Verhältnissen angemessenen Mietzins pro m² zu ermitteln ("Produkttheorie", Hess. LSG, Beschl. v. 13.12.2005, Az.: L 9 AS 48/05 ER, LSG Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse v. 01.08.2005, Az.: L 19 B 21/05 AS ER und v. 24.08.2006, Az.: L 19 B 28/05 AS ER; aus der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung: BVerwG, Urteil vom 28.04.2005, Az.: 5 C 15/04, OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.03.2004 Az.: 12 A 714/03 – ZfSH/SGB 2005, 155 ff.).

Die vom Kläger genutzte elterliche Wohnung entspricht mit einer Größe von (deutlich) unter 45 Quadratmetern und einem (Kalt-)Mietpreis von 200 Euro den Angemessenheitskriterien, was auch vom Beklagten nicht in Frage gestellt worden ist.

Von den Heizkosten ist, da weder aus dem Vortrag noch aus der Nebenkostenaufstellung (Bl. 67) erkennbar und schließlich nicht vorgetragen ist, dass die Kosten für die Warmwasserbereitung separat berechnet würden, ein Anteil von 18% abzuziehen. Von den angesetzten 55 Euro sind daher nur 45,10 Euro berücksichtigungsfähig. Die Kosten für den Strom hat der Kläger aus der Regelleistung zu decken, so dass die dafür angeführten Kosten von 16,50 Euro ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig sind. Auch der Bezug von (Kalt-)Wasser ist aus der Regelleistung zu decken, wie sich aus den Berechnungsgrundlagen für die Regelleistung ergibt (vgl. dazu Gerenkamp, in: Mergler/Zink, Hdb. der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil I: Sozialgesetzbuch II, § 20, Rn. 16ff., insb. 18). Von den für Wasser und Kanal verlangten Nebenkosten in Höhe von zusammen 22, - Euro ist daher nur der für die Entwässerung anfallende Teil als Mietnebenkosten berücksichtigungsfähig. Auf der Grundlage der von den Eltern des Klägers vorgelegten Unterlagen, namentlich des Gebührenbescheides der Kreiswerke H. GmbH vom 03.12.2004, ist davon auszugehen, dass auf die Entwässerung ein Anteil von 529,39/937,51 entfällt, also 12,42 Euro berücksichtigungsfähig sind. Zu weiteren Ermittlungen sieht die Kammer insoweit auch deswegen keinen Anlass, weil beide Beteiligte, auch nachdem die Kammer im Rahmen der Begründung zum Beschluss vom 27. Juni 2006 entsprechende Überlegungen angestellt hatte, keine Einwände hinsichtlich der Berechnung geltend gemacht haben. Die auf eine Entscheidung des SG Mannheim gestützten grundsätzlichen Überlegungen der Klägervertreterin im Rahmen des Beschwerdeverfahrens (Schriftsatz vom 16. August 2006) zur Zuordnung von Strom- und Wasserkosten schließt sich die Kammer nicht an (vgl. auch Hess. Landessozialgericht, Beschl. v. 05.09.2006, Az.: L 7 AS 116/06 ER).

Insgesamt sind von den 120,- Euro an Neben- und Heizkosten daher nur 84,02 Euro zu übernehmen. Dementsprechend können die gesamten Unterkunfts- und Heizkosten nur mit einem Betrag in Höhe von 284,02 Euro angesetzt werden.

e) Da die Regelleistung mit einem vollen Euro-Betrag von 345 Euro angesetzt worden ist, ist der weiter zu berücksichtigende monatliche Betrag gemäß § 41 Abs. 2 auf 284 Euro abzurunden. Im September ist nur ein Tag zu berücksichtigen, so dass sich ein Betrag von 9,46 Euro ergibt, der auf 9 Euro abzurunden ist.

IV. Im Ergebnis war der angefochtene Bescheid vom 14. Oktober 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2006 daher abzuändern und der Beklagte in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Gewährung weiteren Arbeitslosengeldes II für die Kosten der Unterkunft und Heizung zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Dabei war bei der nach Ermessen zu treffenden Kostenverteilung maßgeblich, dass der Kläger hinsichtlich der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob Aufwendungen nach § 22 SGB II entstehen und zu übernehmen sind, grundsätzlich, hinsichtlich der Höhe für die Zeit seines Obsiegens zu etwa 9/10 und hinsichtlich der zeitlichen Dauer etwa zur Hälfte obsiegt hat, nachdem der angegriffene Bescheid den Zeitraum vom 05. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005 (erneut vollständig und nicht erst ab dem Eingang des Schreibens vom 30. September 2005) geregelt und der Kläger diesen ohne zeitliche Einschränkung angegriffen hat. Daher erscheint es sachgerecht, den Beklagten zur Übernahme von 2/3 der zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu verpflichten.
Rechtskraft
Aus
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