L 18 B 472/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 3323/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 472/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 28. Februar 2007 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin weitere 57,80 EUR als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 08. Februar 2007 bis 31. März 2007 zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Mit dieser wendet er sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 28. Februar 2007 über seine Verpflichtung im Wege der Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der Antragstellerin weitere 60,07 EUR als Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 08. Februar 2007 bis zum 31. März 2007 zu gewähren. Dabei ist Gegenstand des ursprünglichen Antrags allein die Begrenzung der auf die Antragstellerin entfallenen Regelleistung von monatlich 345 EUR (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) auf den nach § 20 Abs. 3 SGB II auf 90 vom Hundert abgestuften Regelsatz (311 EUR). Die Beschränkung des Streitgegenstandes ist insoweit zulässig. Denn es handelt sich bei der Verfügung über die Höhe der auf die Antragstellerin entfallenen Regelleistung um eine abtrennbare Verfügung (= Verwaltungsakt iS § 31 Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -) des Änderungsbescheides vom 20. Dezember 2006. Mit diesem Bescheid hat der Antragsgegner Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01. Januar 2007 bis 31. März 2007 an die Antragstellerin und ihre mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder K, Y und N bewilligt.

Der Anordnungsanspruch (materieller Anspruch der Hauptsache) der Regelungsanordnung ist bei der insoweit nur gebotenen summarischen Prüfung gegeben. Denn die Antragstellerin ist nicht eine von zwei Partnern der Bedarfsgemeinschaft im Rechtssinne des § 20 Abs. 3 SGB II. Zwar lebt sie nach eigenem Vortrag und nach Aktenlage mit dem Vater der Kinder in einem gemeinsamen Haushalt und somit mit ihm gemäß § 7 Abs. 3 SGB II in einer Bedarfsgemeinschaft. Der Partner ist jedoch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil er Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bezieht. Auf diese Form der Bedarfsgemeinschaft ist § 20 Abs. 3 SGB II bei summarischer Prüfung nicht anzuwenden. So hat der Gesetzgeber des SGB II im Gegensatz zur früheren Regelsatzverordnung bewusst auf die Normierung der Rechtsfigur eines "Haushaltsvorstandes" verzichtet. Durch § 20 Abs. 3 SGB II wird klar gestellt, dass immer dann, wenn zwei Angehörige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, ihre Regelleistung jeweils 90 vom Hundert, also den rechnerischen Durchschnitt zwischen der Regelleistung für den Alleinstehenden und für seinen Partner, beträgt. In der Summe erhalten also zwei erwachsene Partner denselben Betrag wie bei der sozialhilferechtlichen Aufteilung in 100 vom Hundert für Haushaltsvorstände und 80 vom Hundert für Haushaltsangehörige, die das 14. Lebensjahr vollendet haben (vgl. BSG, Urteil vom 07. November 2006, B 7b AS 6/06 R, veröffentlicht in juris, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen). Die Reduzierung der Regelleistungen auf einen "Mischregelsatz" von 90 vom Hundert hat den Regelfall einer aus zwei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bestehenden Bedarfsgemeinschaft vor Augen. Dieser Mischregelsatz ist nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung auch auf - vom Gesetzgeber möglicherweise nicht bedachte - Fälle einer Bedarfsgemeinschaft eines volljährigen Grundsicherungsberechtigten nach dem 4. Kapitel Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe mit einem volljährigen Bezieher von Arbeitslosengeld (Alg) II zu berücksichtigen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. September 2006, L 7 SO 5536/05, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Dezember 2005, L 15 B 1095/05 SO, beide veröffentlicht in juris). Nach Sinn und Zweck des § 20 Abs. 3 SGB II kann dieser "Mischregelsatz" jedoch bei summarischer Prüfung nicht für eine Bedarfsgemeinschaft gelten, in der ein Partner Alg II und der andere Partner nur Leistungen nach dem AsylbLG bezieht, denn diese Bedarfsgemeinschaft erhält nicht den zweifachen "Mischregelsatz". Der Lebenspartner der Antragstellerin erhält - neben den anteiligen Kosten der Unterkunft - lediglich einen Geldbetrag (40,90 EUR) und Zusatzleistungen (181,07 EUR) nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 AsylbLG (insg. 221,97 EUR). Mit einer Absenkung der auf die Antragstellerin entfallenden Regelleistung nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 SGB II würde sie mittelbar von der Vorschrift des § 1a AsylbLG betroffen, dass Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG nach diesem Gesetz nur Leistungen erhalten, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Der in der Höhe des Regelsatzes zum Ausdruck kommende sozialhilferechtliche Bedarf der Antragstellerin (vgl. dazu Behrendt in: jurisPK-SGB II, § 20 Rn. 24) wäre somit nicht mehr abgedeckt, weil die Absenkung um 34 EUR nach Maßgabe des § 20 Abs. 3 SGB II nicht durch Leistungen des Partners in Höhe von 90 vom Hundert des Regelsatzes kompensiert würde.

Für die Zeit ab 08. Februar 2007 (Eingang des Rechtschutzantrags) bis zum 31. März 2007 (Ende des Bewilligungszeitraumes) ist auch ein eiliges Regelungsbedürfnis (Anordnungsgrund) dargetan. Durch die Absenkung des Regelsatzes auf 90 vom Hundert ist der sozialhilferechtliche Bedarf der Antragstellerin nicht mehr abgedeckt. Im Hinblick auf die existenzsichernde Funktion der Regelleistung ist ihr ein Zuwarten auf die Entscheidung in der Hauptsache nicht zumutbar. Im Zeitraum vom 08. bis 28. Februar 2007 sind weitere 21/30 von 34 EUR (vgl. § 41 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II sowie Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB II, § 41 Rn. 23 a) sowie für den Monat März 2007 weitere 34 EUR Regelleistungen zu gewähren (insg. 23,80 EUR + 34 EUR = 57,80 EUR). Der angefochtene Beschluss des SG war auf die Beschwerde des Antragsgegners insoweit zu ändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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