S 23 AS 3/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
23
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 3/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2004 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.12.2004 und 03.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2005 und des Änderungsbescheides vom 16.01.2007 wird die Beklagte verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 864,50 EUR monatlich zu bewilligen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Anspruchs der Klägerin auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005.

Die am 00.00.1962 geborene, alleinerziehende Klägerin, die bis zum 07.12.2003 Arbeitslosengeld und anschließend Arbeitslosenhilfe bezog, beantragte gegenüber der Beklagten am 01.10.2004 Leistungen nach dem SGB II. Sie gab an, mit ihrem am 00.00.1996 geborenen Sohn in einem gemeinsamen Haushalt zu leben. Für ihre 81 m² große Wohnung zahle sie eine Miete in Höhe von 540,00 EUR zuzüglich Nebenkosten (Betriebskostenvorauszahlung sowie Kosten für die Treppenhausreinigung, einen Kabelanschluss und eine Wasseruhr) in Höhe von 153,00 EUR monatlich. Für ihren Sohn erhalte sie Unterhalt in Höhe von 249,00 EUR und Kindergeld.

Mit Bescheid vom 30.11.2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen in Höhe von 637,50 EUR monatlich. Dieser Betrag umfasste Regelleistungen in Höhe von 345,00 EUR für die Klägerin und 207,00 EUR für ihren Sohn, einen Alleinerziehenden-Mehrbedarf in Höhe von 41,00 EUR sowie Miete in Höhe von 269,00 EUR, Heizkosten in Höhe von 22,00 EUR und Nebenkosten in Höhe von 46,50 EUR monatlich. Die Beklagte brachte einen Betrag in Höhe von 403,00 EUR in Abzug, der sich aus dem Unterhalt für den Sohn der Klägerin und dem Kindergeld zusammensetzte. Zusätzlich gewährte die Beklagte der Klägerin einen befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in Höhe von 160,00 EUR.

Die Klägerin erhob am 14.12.2004 Widerspruch. Die bewilligten Unterkunft- und Heizkosten entsprächen nicht der Realität. Darüber hinaus teilte sie der Beklagten am 20.12.2004 mit, dass der unterhaltsverpflichtete Vater ihres Sohnes am 22.09.2004 verstorben sei. Ihr Sohn werde eine Halbwaisenrente erhalten.

Mit Bescheid vom 23.12.2004 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin dahingehend ab, dass sie die tatsächlichen Unterkunftskosten übernahm. Sie bewilligte der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2005 Leistungen in Höhe von 1.224,00 EUR monatlich unter Berücksichtigung von Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 675,00 Euro monatlich.

Die Klägerin erhob am 13.01.2005 Widerspruch. Die Höhe der bewilligten Unterkunftskosten erschließe sich ihr weiterhin nicht. Darüber hinaus erweise sich die Regelleistung für ihren Sohn als unzureichend.

Am 21.01.2005 wies die Klägerin nach, dass ihr Sohn Waisengeld in Höhe von 489,73 EUR monatlich erhielt.

Mit Änderungsbescheid vom 03.03.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 Leistungen in Höhe von 826,27 EUR monatlich. Sie übernahm nunmehr Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 737,00 EUR und brachte statt des Unterhalts für den Sohn der Klägerin dessen Waisengeld in Abzug. Den befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bewilligte die Beklagte der Klägerin nunmehr in Höhe von 110,00 EUR monatlich.

Am 11.03.2005 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie machte ergänzend geltend, das Waisengeld dürfe nicht angerechnet werden. Die Berechnung des Alleinerziehenden-Mehrbedarfs sei nicht verständlich. Das gleiche gelte für die Bereinigung des Einkommens ihres Sohnes um einen Betrag von 30,00 EUR, die Anrechnung von Einkommen auch auf ihren Bedarf und die Höhe des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld.

Im Rahmen einer Anhörung am 24.08.2006 erzielten die Beteiligten eine Klärung bezüglich des Alleinerziehenden-Mehrbedarfs und des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld. Die Klägerin wies ergänzend nach, dass sie über eine Privathaftpflicht-, eine Hausrat-, eine Unfall- und eine Kfz-Haftplicht-Versicherung verfügte.

Auf ein Schreiben der Beklagten vom 02.09.2005, das die Anrechenbarkeit des Waisengeldes erläuterte, und die Bitte um Mitteilung, bezüglich welcher Punkte der Widerspruch aufrecht erhalten werde, fand zwischen den Beteiligten weiterer Schriftverkehr statt. Diesen fasste die Beklagte dahingehend zusammen, dass sich der Widerspruch nunmehr auf die Anrechnung des Waisengeldes und des Kindergeldes als Einkommen, die Unvereinbarkeit des gesetzlichen Taschengeldanspruchs mit der Höhe der Regelleistung und die Aufteilung der Wohnkosten beschränke. Die Klägerin antwortete: "Ich denke, das ist so in Ordnung."

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Sohn der Klägerin sei nicht hilfebedürftig, da er seinen Bedarf mit dem als Einkommen anzurechnenden Waisengeld und Kindergeld decken könne. Damit scheide er als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aus. Die Einkommensanrechnung beruhe auf § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II. Sowohl das Waisengeld als auch das Kindergeld unterfielen nicht den Ausnahmetatbeständen des § 11 SGB II und des § 1 Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V). Der den Bedarf des Sohnes übersteigende Anteil des Kindergeldes, der sich auf 68,23 EUR belaufe, sei um die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 3 Nr. 1 Alg II-V in Höhe von 30,00 EUR zu bereinigen und gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II als Einkommen auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen. Der Einsatz des Einkommens minderjähriger Kinder, das deren eigenen Bedarf übersteige, auf den Bedarf der Eltern werde allerdings kontrovers diskutiert. Den Einwänden gegen die Höhe der Regelleistung für ihren Sohn könne nicht gefolgt werden. Maßgebend sei § 28 Abs. 1 SGB II. Das Sozialgeld stelle das soziokulturelle Existenzminimum sicher. Es handele sich um eine Pauschale für den gesamten Lebensunterhalt, die Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarfe des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben umfasse. Darunter falle auch das angesprochene Taschengeld, auf das im Übrigen kein Rechtsanspruch bestehe. Die Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen entspreche der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.

Am 03.01.2006 hat die Klägerin Klage erhoben.

Die Klägerin trägt vor, das den Bedarf ihres Sohnes übersteigende Kindergeld dürfe nicht auf ihren Bedarf angerechnet werden. Das Argument, das Kindergeld stelle eigentlich eine Leistung an die Eltern dar, überzeuge nicht. Das SGB II ordne dieses gemäß § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II den minderjährigen Kindern zu. Im Übrigen wäre auch die Sichtweise möglich, dass nicht ein Teil des Kindergeldes den Bedarf ihres Sohnes übersteige, sondern ein Teil des Waisengeldes. Auch die Höhe des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld bedürfe weiterer Erläuterung.

Die Beklagte hat erwidert, die Höhe des befristeten Zuschlags nach dem Bezug von Arbeitslosengeld sei nicht mehr Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin habe ihren Widerspruch auf die Anrechenbarkeit des Waisengeldes und des Kindergeldes auf den Bedarf ihres Sohnes, die Unvereinbarkeit des Taschengeldanspruchs mit der Höhe des Sozialgeldes und die Aufteilung der Unterkunftskosten nach der Anzahl der im Haushalt lebenden Personen beschränkt und ihn im Übrigen zurückgenommen.

Die Klägerin hat entgegnet, sie bezweifele, dass ihre Erklärung als Verzicht gewertet werden könne. Es sei jedenfalls möglich, einen zunächst verkannten Gesichtspunkt im Klageverfahren geltend zu machen.

Das Gericht hat unter dem 13.06.2006 ausgeführt, dass es die Auffassung der Beklagten zur Möglichkeit der Geltendmachung von Aspekten im Klageverfahren, die im Widerspruchsverfahren nicht aufgegriffen worden seien, derzeit teile und sich auf die Rechtsprechung des BSG und auf eine Kommentierung berufen.

Die Klägerin hat die Fundstellen anders interpretiert.

Anlässlich eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 27.10.2006 hat das Gericht seine Auffassung dahingehend geändert, dass es einen Verzicht zwar als grundsätzlich möglich angesehen und die Erklärung der Klägerin entsprechend gewertet hat. Es hat aber weiter ausgeführt, es fehle an der erforderlichen Schriftlichkeit der Erklärung, so dass eine ergänzende Bescheidung des Widerspruchs der Klägerin geboten und das Verfahren entsprechend auszusetzen seien. Daraufhin hat die Klägerin ihren Widerspruch auf die Fragen beschränkt, ob das Einkommen ihres Sohnes um die Versicherungspauschale zu bereinigen sei und das seinen Bedarf übersteigende Kindergeld auf ihren Bedarf angerechnet werden dürfe und die übrigen im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwände als erledigt angesehen. Sie hat ergänzt, dass die bestehende Unfallversicherung für ihren Sohn abgeschlossen sei, und dessen Jahresbeitrag später mit 60,59 EUR für das Jahr 2005 nachgewiesen. Die Beklagte hat sich zu einer ergänzenden Bescheidung des Widerspruchs der Klägerin bereit erklärt.

Mit Teilabhilfebescheid vom 16.01.2007 hat die Beklagte den Bescheid vom 03.03.2005 dahingehend geändert, dass sie von dem Einkommen des Sohnes rückwirkend ab dem 01.01.2005 einen Betrag in Höhe von 5,05 EUR abgesetzt hat. Darüber hinaus hat sie einen entsprechenden Änderungsbescheid für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 erteilt und der Klägerin Leistungen in Höhe von 858,09 EUR monatlich bewilligt.

Die Klägerin trägt ergänzend vor, der Gleichheitssatz gebiete die Bereinigung des Einkommens ihres Sohnes um die vollständige Versicherungspauschale. Die Arbeitshinweise der Bundesagentur für Arbeit sähen dies vor.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 30.11.2004 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.12.2004 und 03.03.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.12.2005 und des Änderungsbescheides vom 16.01.2007 zu verurteilen, ihr höhere Leistungen nach dem SGB II zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt schriftlich,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Anrechnung des den Bedarf des Kindes übersteigenden Einkommens auf den Bedarf der Eltern sei durch die Rechtsprechung inzwischen mehrfach bestätigt worden. Eine Bereinigung des Einkommens des Sohnes der Klägerin um die Versicherungspauschale nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II und § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V komme derzeit nicht in Betracht. Die Verordnung stelle auf das Einkommen von Hilfebedürftigen ab, die in einer Bedarfsgemeinschaft lebten. Der Sohn der Klägerin gehöre wegen fehlender Hilfebedürftigkeit jedoch nicht zu ihrer Bedarfsgemeinschaft.

Die Klägerin hat am 11.03.2007 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Die Beklagte hat dieser am 30.03.2007 zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Danach ist Voraussetzung, dass die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt haben. Eine entsprechende Erklärung haben die Klägerin am 16.03.2007 und die Beklagte am 30.03.2007 abgegeben.

Die Klage hat Erfolg.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 30.11.2004 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 23.12.2004 und 03.03.2005, mit denen ihr die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 in Höhe von 826,27 EUR monatlich bewilligte, und den Widerspruchsbescheid vom 06.12.2005 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 16.01.2007, mit denen die Beklagte die Leistungen auf 858,09 EUR monatlich heraufsetzte und den Widerspruch im Übrigen zurückwies, gemäß § 54 Abs. 2 S. 1 SGG beschwert. Denn die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig.

Die Klägerin hat für die Zeit vom 01.01.2005 bis 31.03.2005 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 864,50 EUR monatlich.

Der Bedarf der Klägerin beträgt 754,50 EUR. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Regelleistung in Höhe von 345,00 EUR, einem Alleinerziehenden-Mehrbedarf in Höhe von 41.00 EUR und Unterkunfts- und Heizkosten in Höhe von 368,50 EUR. Letztere umfassen die Hälfte der Miete in Höhe von 540,00 EUR, der Nebenkosten in Höhe von 153,00 EUR und der Heizkosten in Höhe von 44,00 EUR monatlich. Es handelt sich um die aus dem Mietvertrag der Klägerin hervorgehenden Kosten (Miete und Nebenkosten) bzw. die - von der Klägerin nicht mehr angegriffene - Heizkostenpauschale der Beklagten.

Der Bedarf des Sohnes der Klägerin beträgt 575,50 EUR. Er umfasst die Regelleistung in Höhe von 207,00 EUR und Unterkunfts- und Heizkosten ebenfalls in Höhe von 368,50 EUR.

Denn gemäß § 19 S. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Die monatliche Regelleistung beträgt gemäß § 20 Abs. 2 SGB II für Personen, die alleinstehend oder alleinerziehend sind, in den alten Bundesländern einschließlich Berlin (Ost) 345,00 EUR. Leistungen für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Gemäß § 21 Abs. 3 SGB II ist darüber hinaus für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf in Höhe von 36 % der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung anzuerkennen, wenn sie mit einem Kind unter 7 Jahren oder mit zwei oder drei Kindern unter 16 Jahren zusammen leben, bzw. in Höhe von 12 % der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung für jedes Kind, wenn sich dadurch ein Höherer Vomhundertsatz ergibt.

Nicht erwerbsfähige Angehörige, die mit erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft leben, erhalten gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 SGB II Sozialgeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach §§ 41 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) haben. Dieses umfasst gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB II die sich aus § 19 S. 1 Nr. 1 SGB II ergebenden Leistungen. Bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres beträgt die Regelleistung dabei 60 % der nach § 20 Abs. 2 SGB II maßgebenden Regelleistung (§ 28 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 SGB II).

Auf den Bedarf des Sohnes der Klägerin ist zunächst dessen Waisengeld in Höhe von 489,73 EUR anzurechnen, das er seit dem Tod seines Vaters am 22.09.2004 erhält.

Denn gemäß § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig nur, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit oder aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann, und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Bei dem Waisengeld handelt es sich um Einkommen in diesem Sinne.

Denn gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldes Wert zu berücksichtigen. Ausgenommen sind lediglich Leistungen nach dem SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen, sowie der Renten oder Beihlfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) für einen Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit erbracht werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind weiter Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen oder Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II dienen und die Lage des Empfängers nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt wären, und Entschädigungen, die wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, nach § 253 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geleistet werden (§ 11 Abs. 3 SGB II).

Das Waisengeld unterfällt weder der Ausnahme nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II noch dem Tatbestand des § 11 Abs. 3 SGB II. Die Gewährung des Waisengeldes beruht auf § 43 Soldatenversorgungsgesetz (SVG), der unter anderen auf §§ 23, 24 Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) verweist, die Regelungen bezüglich des Waisengeldes enthalten. Es handelt sich um einen Versorgungsanspruch, der der Sicherstellung des Lebensunterhalts des Hinterbliebenen dient.

Darüber hinaus ist das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR monatlich auf den Bedarf des Sohnes der Klägerin anzurechnen.

Denn gemäß § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II ist das Kindergeld für minderjährige Kinder diesen als Einkommen zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.

Seinen ermittelten Bedarf in Höhe von 575,50 EUR kann der Sohn der Klägerin mit dem sich auf 489,73 EUR belaufenden Waisengeld nicht decken.

Sofern die Klägerin auf § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II Bezug nimmt, nach dem bei minderjährigen unverheirateten Kindern, die mit ihren Eltern oder einem Elternteil in einer Bedarfsgemeinschaft leben und die die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht aus ihrem eigenen Einkommen oder Vermögen beschaffen können, auch das Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils zu berücksichtigen sind, und der Auffassung ist, dieser verbiete im Umkehrschluss, ein Einkommen des Kindes auf den Bedarf der Eltern anzurechnen, steht diesem die eindeutige Regelung des § 11 Abs. 1 S. 3 SGB II entgegen. Diese stellt eine Ausnahmen von dem kindergeldrechtlichen Grundsatz dar, dass Kindergeldberechtigter im Sinne des Einkommensteuerrechts eigentlich der Elternteil ist und das Kindergeld grundsätzlich dem Kindergeldberechtigten als Einkommen sozialhilferechtlich zuzurechnen wäre (BSG, Urteil vom 07.11.2006, Az.: B 7b AS 18/06 R). Dieser Grundsatz beruht auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Danach ist das Kindergeld Einkommen dessen, der es erhält; aus dem Zweck des Kindergeldes folgt keine von der Auszahlung unabhängige Zuordnung als Einkommen des Kindes; denn ein Zweck des Kindergeldes ist es, die steuerliche Freistellung eines Einkommensbetrages in Höhe des Existenzminimums eines Kindes zu bewirken; mit diesem wird Kindergeld nicht dem Kind selbst als Einkommen zur Sicherung seines Existenzminimums gewährt, sondern es bleibt der Teil des elterlichen Einkommens steuerfrei, den diese zur Existenzsicherung ihres Kindes benötigen; den Eltern steht ein für ihre Kinder einsetzbares Einkommen sozialhilferechtlich allerdings erst zur Verfügung, wenn sie es nicht selbst zur Deckung ihres eigenen Existenzminimums benötigen (BVerwG, Urteil vom 17.12.2003, Az.: 5 C 25.02). Gegen diese Ausnahmen bestehen keine verfassungsrechtliche Bedenken, zumal das Regelungskonzept der Gestaltung der Freiheit des Gesetzgebers unterliegt (BSG, a. a. O.).

Das Einkommen des Sohnes der Klägerin ist schließlich gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 3 Nr. 1 Alg II-V um einen Betrag in Höhe von 30,00 EUR, das heißt die volle Versicherungspauschale, zu bereinigen.

Danach sind vom Einkommen Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen abzusetzen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind; die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, sind als Pauschbeträge von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger abzusetzen, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen in Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II leben, und zwar in Höhe von 30,00 EUR monatlich.

Zwar haben minderjährige Kinder nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die in Bedarfsgemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben, keinen Anspruch auf diese Pauschale, denn sie nehmen im Regelfall am Versicherungsschutz teil, den die Eltern durch den Abschluss einer Versicherung begründet haben (BSG, a. a. O.).

Der Sohn der Klägerin fällt aber aufgrund seines Einkommens, das seine Hlfebedürftigkeit beseitigt, aus der Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin heraus. Zu dieser gehören gemäß § 7 Abs. 3 SGB II die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen (Nr. 1) und die dem Haushalt angehörenden minderjährigen unverheirateten Kindern dieser Personen, soweit sie nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beschaffen können (Nr. 4).

Damit ist für diesen eine Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR monatlich zu berücksichtigen (BSG, a. a. O.) und verbleibt ein den Bedarf des Sohnes der Klägerin übersteigendes Einkommen in Höhe von 38,23 EUR monatlich.

Dieses Einkommen ist auf den Bedarf der Klägerin anzurechnen, das seinerseits um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR und den gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II zusätzlich zu berücksichtigenden Beitrag zur Kfz-Haftpflicht-Versicherung in Höhe von 26,77 EUR monatlich (vgl. Blatt 63 b der Verwaltungsakte der Beklagten) zu bereinigen ist.

Damit verbleibt kein auf den Bedarf der Klägerin anrechenbares Einkommen.

Vielmehr kann die Klägerin Leistungen in Höhe ihres Bedarfs von 775,50 EUR beanspruchen.

Zusätzlich erhält sie einen befristeten Zuschlag nach dem Bezug von Arbeitslosengeld. Denn gemäß § 24 Abs. 1 S. 1 SGB II erhält der erwerbsfähige Hilfebedürftige, der Arbeitslosengeld II innerhalb von zwei Jahren nach dem Ende des Bezugs von Arbeitslosengeld bezieht, in diesem Zeitraum einen monatlichen Zuschlag. Nach Ablauf des ersten Jahres wird der Zuschlag um 50 % vermindert (§ 24 Abs. 1 S. 2 SGB II). Der Zuschlag ist im ersten Jahr bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen auf höchstens 160,00 EUR und für die mit dem Zuschlagberechtigten in Bedarfsgemeinschaft zusammen lebenden minderjährigen Kinder auf höchstens 60,00 EUR pro Kind begrenzt (§ 24 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 SGB II). Angesichts der Erschöpfung ihres Arbeitslosengeldanspruchs am 07.10.2003 endete der Anspruch der Klägerin auf den Zuschlag nach § 24 SGB II am 07.10.2005. Mithin konnte sie für die Zeit vom 01.01.2005 bis 07.10.2005 lediglich den Zuschlag für das zweite Jahr beanspruchen. Dieser beläuft sich auf 110,00 EUR (160,00 EUR + 60,00 EUR: 2).

Der Anspruch der Klägerin beträgt damit 864,50 EUR.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Abs. 1 S. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrem Begehren voll durchgedrungen ist, obwohl das Gericht die Auffassung der Beklagten zur Anrechnung des den Bedarf ihres Sohnes übersteigenden Einkommens auf ihren Bedarf bestätigte.

Die Berufungssumme nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG in Höhe von 500,00 EUR war nicht erreicht. Von einer Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat die Kammer abgesehen. Angesichts der Reduktion des Streitgegenstandes auf die Frage der Anrechnung des Einkommens des Sohnes der Klägerin auf den Bedarf der Klägerin und die Frage, ob auch der Sohn der Klägerin eine Bereinigung seines Einkommens um die volle Versicherungspauschale beanspruchen konnte, einerseits und der inzwischen vorliegenden Entscheidung des BSG (a. a. O.) andererseits verbleibt keine höchstrichterlich noch zu klärende Frage.
Rechtskraft
Aus
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