S 2 KA 124/06

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 124/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Unter teilweiser Abänderung des Abrechnungsbescheides für das Quartal 3/2005 in der Gestalt des Widerspruchs- bescheides vom 08. Mai 2006 wird die Beklagte verurteilt, Leistungen nach der EBM-Nummer 05350 in Leistungen nach der EBM-Nr. 31503 umzuwandeln. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand:

Streitig sind sachlich-rechnerische Berichtigungen.

Die Kläger waren im streitbefangenen Quartal 3/2005 in Gemeinschaftspraxis als Fachärzte für Anästhesiologie in E niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Gegen den Honorarbescheid 3/2005 legten sie Widerspruch ein, mit welchem sie u.a. die Umwandlung der Leistungen nach der EBM-Nr. 05350 in 269 Fällen in die Ziffer 31503 EBM begehrten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Die Abrechnung der Nr. 05350 EBM sei laut Leistungslegende nur im Anschluss an die Leistung nach der Nr. 05330 EBM abrechnungsfähig. Die hierzu gewünschte Umwandlung in die Nr. 31503 EBM für das Quartal 3/2005 könne gemäß § 4 Abs. 5 des Honorarverteilungsvertrages (HVV) nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen einer unvollständigen Abrechnung nicht mehr geltend gemacht werden. Ungeachtet dessen sei in Anbetracht voneinander abweichender Inhalte der Nr. 05350 EBM bzw. der Nr. 31503 EBM eine Umwandlung vorliegend nicht möglich.

Hiergegen richtet sich die am 02.06.2006 erhobene Klage.

Die Kläger sind der Ansicht, die Erklärung der Beklagten, eine Umwandlung von Leistungen nach der EBM-Nr. 05350 in Leistungen nach der EBM-Nr. 31503 sei nicht möglich, weil es sich um voneinander abweichende Inhalte handele, sei insofern nicht nachvollziehbar, als die Beklagte bei gleich gelagertem Sachverhalt im Quartal 2/2005 auf den Widerspruch der Kläger hin für in Leistungen nach der EBM-Nr. 31503 umgewandelte Leistungen eine Nachvergütung gezahlt habe. Zwar sei der Leistungsinhalt der Nr. 31503 EBM nicht identisch mit demjenigen der Ziffer 05350 EBM. Insbesondere der nach der Ziffer 31503 EBM obligate Leistungsinhalt einer Kontrolle von Atmung, Kreislauf, Vigilanz sowie Abschlussuntersuchungen entsprächen regelmäßig Leistungen, die auch bei der Ziffer 05350 EBM erbracht würden. Auch in den streitgegenständlichen Fällen sei dieser Leistungsinhalt erbracht worden. Folgerichtig habe die Beklagte im Quartal 2/2005 eine Nachvergütung vorgenommen. Ein rechtswidriges Verhalten könne hierin nicht gesehen werden, vielmehr sei eine Vertrauensschutz auslösende rechtmäßige Nachvergütung vorgenommen worden.

Die Rechtmäßigkeit der Vornahme einer Nachvergütung ergebe sich auch aus § 4 Abs. 6 HVV, nach dem auch verspätete Abrechnungen - unter Abzug eines Verwaltungsaufwandes bis zu 10 % - hätten berücksichtigt werden können. Der vorliegende Fall sei für die Beklagte noch einfacher zu handhaben gewesen als eine tatsächlich nachträglich eingereichte Abrechnung, da sie berechtigt sei, unmittelbar mit der Honorarfestsetzung eine sachlich-rechnerische Berichtigung dahingehend vorzunehmen, dass nur die tatsächlich erbrachte Leistung (hier: Ziffer 31503 EBM) anerkannt werde. Daher entstünden weder zeitliche Verzögerungen noch seien negative Auswirkungen auf die Gesamtvergütung zu befürchten.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Abrechnungsbescheides für das Quartal 3/2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2006 zu verurteilen, Leistungen nach der EBM-Nr. 05350 in Leistungen nach der EBM- Nr. 31503 umzuwandeln.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

Die Nr. 05350 EBM sei zu Recht gestrichen worden, weil in den streitigen Fällen die sog. Grundleistung gefehlt habe. Eine Umwandlung in die Nr. 31503 EBM sei aufgrund der abweichenden Leistungsinhalte nicht möglich. Die Nachvergütung der Nr. 31503 EBM im Vorquartal sei zu Unrecht geschehen, so dass ein Anspruch auf Fortführung dieser Vorgehensweise nicht bestehe.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Kläger sind durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese rechtswidrig sind.

Nach § 45 Abs. 1, 2 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs. 4 des Bundesmantelvertrages-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä) obliegt den Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich ihrer sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt ggf. die

fehlerhafte Honorarforderung des Vertragsarztes.

Zwar haben die Kläger in den streitbefangenen Fällen unstreitig den Leistungsinhalt der Nr. 05350 EBM (Beobachtung und Betreuung eines Patienten nach einem operativen oder diagnostischen Eingriff im Anschluss an die Leistung nach der Nr. 05330) nicht erfüllt, da es an der Grundleistung nach Nr. 05330 EBM (Anästhesie und/oder Narkose ... mittels eines oder mehrerer (näher bezeichneter) Verfahren) gefehlt hatte. Die mit zwei Vertragsärzten fachkundig besetzte Kammer hatte jedoch keine Bedenken an der Annahme, dass die Kläger den Leistungsinhalt der Nr. 31503 EBM (postoperative Überwachung im Anschluss an die Erbringung einer Leistung nach den Nrn. 31 ...) erbracht haben. Obligater Leistungsinhalt der Nr. 31503 EBM sind die Kontrolle von Atmung, Kreislauf, Vigilanz sowie die Vornahme einer oder mehrerer Abschlussuntersuchungen. Zwar weist die Beklagte hierbei zutreffend darauf hin, dass der Leistungsinhalt der Nr. 05350 EBM von demjenigen der Nr. 31503 EBM abweicht. Obligater Leistungsinhalt der Nr. 05350 EBM sind die Beobachtung und Betreuung für mindestens zwei Stunden, die Stabilisierung und Kontrolle der Vitalfunktionen, die Steuerung der postoperativen Analgesie sowie die Vornahme einer Abschlussuntersuchung. Jedoch decken sich die Leistungsbeschreibungen inhaltlich weitgehend, was auch in der annähernd gleichen Bewertung mit 1405 Punkten (Nr. 05350) bzw. 1400 Punkten (Nr. 31503) zum Ausdruck kommt. Der ärztliche Leistungsanteil unterscheidet sich dabei nur geringfügig (Nr. 05350: Summe Punktzahl 140; Nr. 31503: Summe Punktzahl 135), der technische Leistungsanteil ist mit einer Punktzahlsumme von 95 identisch. Die weitgehende Übereinstimmung erklärt auch, dass beide Leistungen nicht nebeneinander abrechnungsfähig sind (dritte Anmerkung zu Nr. 05350 EBM, einzige Anmerkung zu Nr. 31503 EBM). Demgemäß geht die Kammer davon aus, dass die Nachvergütung nach Umwandlung im Quartal 2/2005 nicht zu Unrecht geschehen war, sondern zu Recht, zumal nicht davon auszugehen ist, dass die Beklagte im Rahmen des durch besonders eingehende Prüfung gekennzeich neten Widerspruchsverfahrens rechtswidrige Umwandlungen vorgenommen hat.

Die Bestimmung des § 4 Abs. 5 des im Quartal 3/2005 geltenden HVV (Rhein. Ärzteblatt 3/2005, 88, 91) steht der geltend gemachten Umwandlung vorliegend nicht entgegen. Danach kann der Arzt eine nachträgliche Berichtigung oder Ergänzung einer unvollständigen Abrechnung für eingereichte Abrechnungsscheine nach Abgabe der Abrechnungsunterlagen nicht mehr geltend machen (zur Rechtmäßigkeit vgl. LSG NRW, Urteile vom 15.01.1997 - L 11 Ka 74/96 - und - L 11 Ka 70/96 -; vom 15.01.2003 - L 11 KA 192/00 -; vom 07.06.2006 - L 11 KA 26/05 -). Nach Auffassung der Kammer rechtfertigt jedoch diese Regelung auch bei Vorliegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen hier keine Streichung der Nr. 05350 EBM in toto.

Dies ergibt sich schon aus dem Sinn und Zweck des Berichtigungsauftrages der Beklagten. Bereits nach dem Wortsinn bedeutet die in den Bundesmantelverträgen genannte "Berichtigung" die Richtigstellung, d.h. die Korrektur einer Unrichtigkeit in eine Richtigkeit. Demgemäß entspricht es gängiger Praxis der Kassenärztlichen Vereinigungen und auch der Beklagten, in den Fällen, in denen Leistungsinhalte einer EBM-Ziffer nicht oder nicht vollständig erbracht worden sind, die Leistungen aber den Leistungsinhalt einer anderen EBM-Ziffer erfüllen, entsprechende Umwandlungen vorzunehmen (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 06.09.2006 - B 6 KA 40/05 R - (zur Umwandlung der Nr. 5 in die Nr. 6); Urteil vom 01.07.1998 - B 6 KA 48/97 R - (zur Umwandlung der Nr. 4481 in Nr. 4480); Urteil vom 20.12.1995 - 6 RKa 25/95 - (zur Umwandlung der Nrn. 5 und 6 in Nr. 4 und Nrn. 2 und 3 in Nr. 1); LSG NRW, Urteil vom 07.06.2006 - L 11 KA 26/05 - (zur Umwandlung der Scheinart "ärztlicher Notfalldienst" in "Notfall"); LSG NRW, Urteil vom 21.05.2003 - L 11 KA 107/01 - (zur Umwandlung der Nr. 5410 in Nr. 5411)). In Fällen, in denen Umwandlungen nicht möglich sind (z.B. bei Erbringung fachfremder Leistungen), führt die Berichtigung zu einer Streichung der Gebührenziffern.

Vorliegend bestand - wie dargelegt - die Möglichkeit einer Umwandlung der Nr. 05350 EBM in die Nr. 31503 EBM. Diese Umwandlung konnte die Beklagte auch für das Quartal 3/2005 unschwer vornehmen. Bei der Erteilung des Abrechnungsbescheides 3/2005 vom 30.01.2006 lag ihr der Widerspruch der Kläger vom 24.11.2005 gegen den Abrechnungsbescheid 2/2005 vor, mit welchem ihr das Problem des unrichtigen Ansatzes der Nr. 05350 EBM vermittelt worden war. Da die Berichtigung auch tatsächlich bereits in dem Abrechnungsbescheid 3/2005 und nicht durch einen eigenständigen, nachgehenden Bescheid vorgenommen wurde, wäre zu diesem Zeitpunkt anstelle einer Totalstreichung der Nr. 05350 EBM auch die Umwandlung in die Nr. 31503 EBM möglich und geboten gewesen.

Dies widerspräche auch nicht dem Sinn und Zweck des Ausschlusses nachträglicher Korrekturen von bereits vorgelegten Abrechnungsscheinen durch § 4 Abs. 5 HVV. Dieser Abrechnungsausschluss rechtfertigt sich aus dem Zweck der Honorarverteilung, dass nach jedem Quartal möglichst schnell und möglichst umfassend die für die Honorarverteilung zur Verfügung stehenden Beträge ausgekehrt werden. Dies entspricht insbesondere dem Interesse der Vertragsärzte. Denn diese sind - insbesondere wegen der zu bestreitenden Praxiskosten - auf eine möglichst kurze Zeitspanne zwischen Leistungserbringung und Leistungshonorierung angewiesen. Auch widerspräche die Zahlung lediglich von Abschlägen auf das voraussichtliche Honorar über einen längeren Zeitraum hinweg dem berechtigten Interesse der Ärzte an der Kalkulierbarkeit ihrer Einnahmen (BSG, Urteil vom 22.06.2005 - B 6 KA 19/04 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 19). Diese Gesichtspunkte greifen jedoch nicht, wenn - wie hier - eine Berichtigung bereits mit der Erteilung des Abrechnungsbescheides selbst vorgenommen wird.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Rechtskraft
Aus
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