Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 2021/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 1353/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. November 2004 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 und die Erstattung bereits gewährter Leistungen in Höhe von 1.544,70 EUR (38 Tage).
Der 1948 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis zum 31. Mai 2001 bei der Firma S. AG überwiegend als Servicespezialist beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag vom 31. Oktober 2000 zum 31. Mai 2001 beendet. Am 9. Mai 2001 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA) Ludwigsburg arbeitslos. Mit Bescheid vom 9. August 2001 bewilligte das AA Ludwigsburg dem Kläger ab dem 1. Juni 2001 Alg für 780 Tage in Höhe von 558,88 EUR wöchentlich.
In der Zeit vom 30. Januar 2001 bis zum 13. März 2002 nahm der Kläger an einer von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligten Rehabilitationsmaßnahme teil. Am 14. März 2002 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos.
Mit Schreiben vom 24. April 2003, welches dem Kläger am gleichen Tage ausgehändigt wurde, forderte die Beklagte diesen auf, zur Beendigung seiner Beschäftigungslosigkeit Eigenbemühungen vorzunehmen und hierüber Nachweise vorzulegen. Folgende Eigenbemühungen wurden verlangt: Nachweise bzw. überprüfbare Angaben über die Nutzung des Stellen-Informations-Service (SIS) mindestens einmal wöchentlich, die wöchentliche Auswertung von Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und anderen Medien (z. B. Internet), die Vorlage einer Dokumentation der Bewerbungsaktivitäten mit mindestens 10 Bewerbungen, eine Dokumentation der Bewerbungsunterlagen bei mindestens 3 Zeitarbeitsfirmen und eine Dokumentation von mindestens 3 Bewerbungen unterhalb seiner Qualifikation. Um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistung weiterhin vorliegen, wurde er aufgefordert, sich am 10. Juni 2003 im AA Ludwigsburg einzufinden und die entsprechenden Nachweise vorzulegen. Dem Schreiben beigefügt waren eine sog. Rechtsfolgenbelehrung zur Meldeaufforderung nach § 309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), eine Rechtsbehelfsbelehrung und weitere Hinweise zur Meldeaufforderung sowie eine Rechtsfolgenbelehrung zu den erforderlichen Eigenbemühungen, eine (weitere) Rechtsbehelfsbelehrung sowie ein Hinweis zu den erforderlichen Eigenbemühungen sowie weitere Hinweise zur Zumutbarkeit von Beschäftigungen. Rechtsbehelfe hat der Kläger dagegen nicht eingelegt.
Bei einer Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 10. Juni 2003 legte dieser handschriftliche Aufzeichnungen über seine Eigenbemühungen vor, in denen verschiedene Firmen aufgeführt waren; von sieben Seiten handschriftlicher Aufzeichnungen des Klägers wurden Kopien gefertigt, die zur Akte genommen wurden. In einer Stellungnahme des Arbeitsvermittlers ist hierzu vermerkt, dass Eigenbemühungen nicht vorlägen, weil der Kläger zwar termingerecht Nachweise vorgelegt habe, diese aber den Vorgaben teilweise nicht entsprechen würden. Er habe lediglich sechs Nachweise erbringen können. Die restlichen Eigenbemühungen lägen vor dem rechtlich erheblichen Zeitraum. Auch die restlichen Dokumentationen würden in keinster Weise den Anforderungen entsprechen, weil lediglich Firmennamen und keine Zeiträume etc. aufgeführt worden seien.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2003 hob das AA Ludwigsburg die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 ganz auf und führte dazu aus, der Kläger habe nur unzureichende Nachweise vorgelegt. Er habe sich damit nicht in ausreichendem Maße um die Beendigung seiner Beschäftigungslosigkeit bemüht. Infolgedessen sei er im Nachweiszeitraum nicht arbeitslos gewesen und habe keinen Leistungsanspruch. Die bereits erhaltenen Leistungen in Höhe von 1.544,70 EUR habe er zu erstatten.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 15. Juli 2003 Widerspruch ein und brachte vor, er habe Unterlagen über seinen Gesundheitszustand, sowie den Grund für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vorgelegt. Er habe sich mit Schreiben vom 14. Februar 2003 zu einem Seminar angemeldet und auch daran teilgenommen. Beim Abschlussgespräch am 20. März 2003 sei ihm erklärt worden, dass er aus Versehen zu diesem Seminar geladen worden sei. Die Unterlagen über "Arbeitsmarktbezogene Chanceneinschätzung" seien ihm zurückgegeben worden. Er sei auf die Möglichkeit hingewiesen worden, beim Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) zu beantragen, um so als Behinderter höhere Chancen auf einen entsprechend ausgestatteten Arbeitsplatz zu bekommen. Bei der Vorsprache habe er als Nachweis sieben Absagen von Bewerbungen, eine nichtzustellbare Bewerbung und eine Liste mit Firmen vorgelegt. Bei 17 Firmen habe er sich beworben. Er habe nicht von allen eine Bestätigung erhalten. Von der Sachbearbeiterin sei dies als völlig unzureichend bezeichnet worden, auch weil er das Datum und die Uhrzeit der Bewerbung nicht angegeben habe. In den meisten Fällen habe er die Unterlagen der Firma Z. mit Flyer und Kurzbewerbung verwendet. Trotzdem habe er keine Einladung bzw. eine Arbeitsstelle bekommen. In mehreren Gesprächen habe er erfahren müssen, dass es unbedingt notwendig sei, eine aktuelle Qualifikation nachzuweisen. Seine Ausbildung im Prozessrechnerbereich sei heute nicht mehr aktuell.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe am 10. Juni 2003 lediglich sechs Bewerbungen vorgelegt. Die restlichen Bewerbungen hätten vor dem maßgeblichen Zeitraum gelegen. Der Kläger sei somit in der Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 nicht arbeitslos gewesen und habe für diese Zeit keinen Anspruch auf Alg. Die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für diesen Zeitraum sei aufzuheben gewesen, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen habe der Kläger zu erstatten.
Am 6. August 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben und vorgetragen, er habe beim Arbeitsamt eine Liste mit 17 Firmen vorgelegt, bei denen er sich schriftlich beworben habe. Die Bewerbungen seien, wie von der Firma Z. vorgeschlagen, mittels eines sog. Flyers erfolgt. Nachdem er bei anschließenden telefonischen Rückfragen erfahren habe, dass der Flyer nicht immer bei dem entsprechenden Mitarbeiter vorgelegen habe, habe er ein zusätzliches Anschreiben mit Firmenanschrift und dem Bezug auf eine entsprechende Stelle beigefügt. Er habe nur etwa von der Hälfte der Bewerbungen schriftliche Mitteilungen erhalten. In einem zweiten Bewerbungszeitraum seien die gleichen Forderungen vom AA gestellt worden. Bei 24 Bewerbungen seien schriftlich 14 bestätigt worden. Eine nicht zustellbare Bewerbung sei ebenfalls vorgelegt worden. Er habe sich so beworben, wie er es in einem vom AA geförderten Seminar gelernt habe. Bei den letzten Bewerbungen habe er die Zeit angegeben, wann die Bewerbung geschrieben wurde.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgebracht, das Übersenden des Flyers ohne ein zusätzliches Anschreiben könne nicht als ordnungsgemäße Bewerbung angesehen werden. In der Aufforderung sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Nachweise vorgelegt bzw. überprüfbare Angaben zu den Eigenbemühungen gemacht werden müssten.
Mit Urteil vom 19. November 2004 hat das Sozialgericht Heilbronn (SG) den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2003 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) lägen nicht vor, weil weder in den rechtlichen noch in den tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten sei. Weder zum 24. April 2003 noch zu einem anderen Zeitpunkt danach bis zum 9. Juli 2003 sei nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Alg nicht mehr erfüllt seien. Dass bei einem mangelnden Nachweis über die Beschäftigungssuche zwangsläufig Arbeitslosigkeit entfallen solle, ergebe sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Der Rückschluss von einer nicht erfüllten Nachweisverpflichtung auf das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III könne auch deshalb nicht ohne Weiteres gezogen werden, weil offen bleiben müsse, ab welchem Zeitpunkt dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt gewesen sein sollte. In der Literatur werde überwiegend die Auffassung vertreten, dass als Rechtsfolge lediglich der Entzug der Leistung nach § 66 SGB I mit der Möglichkeit der Nachholung der Mitwirkungshandlung gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 144 SGB III dürfte davon auszugehen sein, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolgen für einen ungenügenden oder fehlenden Nachweis im Sinne des § 119 Abs. 5 SGB III bislang nicht vorgesehen gehabt habe. Denn der Gesetzgeber habe den Verstoß gegen die Nachweisverpflichtung nunmehr als "versicherungswidriges Verhalten" in die Sperrzeitregelung aufgenommen. Ein Nachweis über die Zustellung des Urteils an die Beklagte ist in der Akte des SG nicht enthalten. Die Beklagte hat dem SG auf einen Anruf hin mitgeteilt, dass das genannte Urteil der Agentur Ludwigsburg am 24. Januar 2005 zugestellt worden ist.
Am 1. Februar 2005 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie macht geltend, der Kläger sei während des im Aufhebungs- und Erstattungsbescheids genannten Zeitraumes nicht arbeitslos gewesen, da er es an den erforderlichen Eigenbemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit habe fehlen lassen. Die Beschäftigungssuche als Teilelement der Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" sei durch das Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 neu in das Arbeitsförderungsrecht eingefügt worden. Die Beschäftigungssuche werde durch § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III definiert. Durch die Pflicht zur Eigenbemühung habe der Gesetzgeber verdeutlicht, dass es in erster Linie Aufgabe des Arbeitslosen selbst sei, für seine berufliche Wiedereingliederung Sorge zu tragen. § 119 Abs. 5 SGB III bestimme ergänzend, dass das AA den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung zur Beschäftigungssuche besonders hinzuweisen habe. Der Kläger habe bei der persönlichen Vorsprache am 10. Juni 2003 lediglich den Nachweis über sechs erfolgte Bewerbungen erbringen können. Die restlichen Bewerbungen hätten vor dem maßgeblichen Zeitraum gelegen. Die weiter gehende Dokumentation habe in keiner Weise den Anforderungen entsprochen; es seien lediglich Firmennamen ohne Angabe eines Bewerbungsdatums angegeben worden. Die Bewerbung des Klägers habe zumindest bei einem Teil der Firmen darin bestanden, dass er einfach nur einen Flyer ohne ein zusätzliches Schreiben dorthin übersandt habe. Eine formularmäßige Bewerbung ohne jeden Bezug zum Unternehmen könne jedoch nicht als ordnungsgemäße Bewerbung angesehen werden. Dies hätte der Kläger schon bei einfachsten und nahe liegenden Überlegungen erkennen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er sei aufgrund eigener Initiative über den geforderten Umfang der Bewerbungen (17 anstatt 10) hinaus gegangen und habe sich dabei auch neuer in einem Bewerbungsseminar erlernter Bewerbungsmethoden, sogenannter Flyer, bedient. Einige Tage nach Versand der Flyer habe er bei jeder der angeschriebenen Firmen angerufen und nachgehakt. Eine Liste der so angeschriebenen Firmen habe er der Beklagten vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2005 hat der Senat auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 21. März 2006 hat die Beklagte das Verfahren unter Hinweis auf zwei zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Urteile vom 20. Oktober 2005 - B 7a Al 18/05 R - und vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -) wieder angerufen.
Auf die Verfügung des Gerichts vom 29. Mai 2007, sämtliche aufgrund des Schreibens des AA vom 24. April 2003 unternommene Eigenbemühungen zu belegen, hat der Kläger ergänzend vorgetragen, eine "sofortige Reaktion auf Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes" sei nicht angezeigt gewesen, da es während der gesamten Leistungsbezugsdauer keinen Vermittlungsvorschlag seitens der Beklagten gegeben habe. Er habe aber regelmäßig den Stellen-Informations-Service (SIS) des Arbeitsamtes Ludwigsburg genutzt, wie diverse SIS-Ausdrucke im streitgegenständlichen Zeitraum belegten. Er habe neben dem Stellen-Informations-Service des Arbeitsamts auch Zeitungen, Fachzeitschriften und das Internet intensiv genutzt. Neben Tageszeitungen, Elektronik-Fachzeitschriften, der Wirtschaftswoche und dem Handelsblatt habe er u.a. auch die Internetstellenplattform scout24 regelmäßig ausgewertet. Eine nachweisbare Dokumentation sei dem Kläger nicht möglich, da er insbesondere Internetausdrucke mittlerweile entsorgt habe. Für den in Rede stehenden Zeitraum könne der Kläger lediglich einen Internet-Ausdruck vom 2. Juni 2003 nebst Bewerbungsschreiben vorlegen.
Hinsichtlich der geforderten Anzahl von 10 Bewerbungen werde eine handschriftliche Auflistung des Klägers über insgesamt 17 Bewerbungen im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegt. Auf diese Bewerbungen seien insgesamt acht Absagen erfolgt; ein Bewerbungsschreiben sei als unzustellbar zurück gekommen. Für den Zeitraum ab 10. Juni 2003 werde eine handschriftliche Auflistung des Klägers über 25 schriftlich bestätigte Absagen auf ca. 40 Bewerbungsschreiben vorgelegt. Bei Durchsicht der Unterlagen sei zudem festgestellt worden, dass zumindest vier dieser ca. 40 Bewerbungsschreiben noch vor dem 10. Juni 2003, also innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums versandt worden seien; zum Nachweis würden die Bewerbungsschreiben an die Firma E. GmbH vom 7. Juni 2003, an die Firma V. vom 10. Juni 2003 eingereicht, ferner die schriftliche Absagen der Firma R. B. GmbH vom 30. Juni 2003 auf die Bewerbung vom 7. Juni 2003 sowie der Firma B. vom 19. Juni 2003 auf die Bewerbung vom 9. Juni 2003. Für den streitgegenständlichen Zeitraum könnten also insgesamt 12 schriftliche Absagen dokumentiert werden. Sämtliche Bewerbungen lägen nahezu ausnahmslos unter der Qualifikation des Klägers, der vor seiner Arbeitslosigkeit über einen Zeitraum von 37 Jahren als technischer Betriebswirt im mittleren Führungskreis der S. AG tätig gewesen sei, zunächst als Vertriebsbeauftragter für den süddeutschen Raum für den Bereich Audio/ Video, sodann als Produktionsspezialist für Prozessrechner und Automatisierungssysteme. Da insbesondere die spezielle Prozessrechnertechnik mittlerweile überholt sei und eine Förderung der Weiterbildung für dezentral vernetzte Systeme seitens der Beklagten nicht unterstützt worden sei, habe der Kläger sich ausweislich des bereits vorgelegten flyers als Techniker mit der Fachrichtung Elektrotechnik für nahezu alle Bereiche der Elektronik, Automation und Prozessrechner beworben.
Hinsichtlich der geforderten drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen sei es bei einem Meeting von ca. 30 Arbeitssuchenden - unter ihnen der Kläger - bei der Beklagten im April 2003 zu Rückfragen mehrerer Teilnehmer gekommen, ob insbesondere im Hinblick auf schlechte Erfahrungen sowohl der Teilnehmer als auch der Bundesagentur für Arbeit Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen eingereicht werden müssten. Hierauf habe die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Bräutigam, erklärt, dass es ausreichend sei, wenn nur insgesamt 10 Bewerbungen dokumentiert würden. Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen seien nicht erforderlich; dies werde bei der Agentur für Arbeit grundsätzlich so gehandhabt. Mit Blick auf das Vorbringen der Beklagten, die Bewerbungen mittels Flyer seien nicht ordnungsgemäß, sei nochmals darauf hinzuweisen, dass dem Kläger in einem von der Agentur für Arbeit geförderten Bewerbungsseminar gerade diese Bewerbungsmethode nahe gelegt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2007 ist der Kläger informatorisch angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die gefertigte Sitzungsniederschrift verwiesen.
Dem Gericht liegen die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde formgerecht (§ 151 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )) und rechtzeitig erhoben und ist auch sonst zulässig. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Verfahren der Zustellung richtet sich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung ( ZPO ) (§ 63 Abs. 2 SGG). Ein Nachweis über die Zustellung des Urteils des SG vom 19. November 2004 ist in den SG-Akten nicht enthalten. Die Beklagte hat dem SG mit Schreiben vom 19. Mai 2005 mitgeteilt, dass ihr das genannte Urteil am 24. Januar 2005 zugestellt worden sei. Da es an einem Nachweis der Zustellung fehlt, ist für den Beginn der Frist der tatsächliche Zugang am 24. Januar 2005 maßgebend (§ 63 Abs. 2 SGG i. V. m. § 189 ZPO). Der Beschwerdewert von 500,- EUR ist erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben, mit welcher der Kläger die Aufhebung des streitbefangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids der Beklagten begehrt; dem klägerischen Begehren lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, dass dieser auch das Aufforderungsschreiben vom 24. April 2003 mit Rechtsbehelfen angreifen wollte (zur Einbeziehung eines Aufforderungsschreibens als (Form-) Verwaltungsakt, vgl. BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R - SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 und vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -)
Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 27. Juni 2003 ausgesprochene Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Alg ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III. Rechtsgrundlage für den mit der Rücknahmeentscheidung verbundenen Erstattungsanspruch hinsichtlich des gezahlten Alg ist § 50 SGB X.
Der Bescheid vom 27. Juni 2003 ist zwar ohne vorherige Anhörung des Klägers ergangen (§ 24 Abs. 1 SGB X), dieser Verfahrensmangel ist jedoch mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Alg rückwirkend für die Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 ist aber aus materiell-rechtlichen Gründen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die (teilweise) Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung verlangt eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Rückwirkend ist eine Aufhebung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Eine Änderung der Verhältnisse besteht dann, wenn nach Ergehen des Bewilligungsbescheids der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alg entfallen ist. Dies ist jedoch beim Kläger nicht der Fall, denn entgegen der Auffassung der Beklagten war er im betreffenden Zeitraum arbeitslos. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2004 gültigen Fassung sucht nur der eine Beschäftigung und ist deshalb auch nur der arbeitslos i.S. des § 118 Abs. 1 SGB III (i.d.F., die § 118 durch das 1. SGB III-ÄndG erhalten hat), der alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Nach § 119 Abs. 5 Satz 1 SGB III hat das Arbeitsamt (heute Agentur für Arbeit) den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs. 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen. Nach Satz 2 des Abs. 5 hat der Arbeitslose auf Verlangen des Arbeitsamtes seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist. Arbeitslosigkeit setzt danach nicht nur (faktische) Beschäftigungslosigkeit, sondern auch Beschäftigungssuche des Arbeitslosen voraus (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs 1 SGB III, wer den Eigenbemühungen nachkommt (Nr. 1) und (Nr. 2) den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Der Gesetzgeber hat auf diese Weise den Begriff der Arbeitslosigkeit - wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits ausgeführt hat - in einer "Begriffspyramide" geregelt (vgl. BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 3 S 10). Bei den vom Gesetz geforderten Eigenbemühungen handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um eine zur Anspruchsvoraussetzung gewordene versicherungsrechtliche Obliegenheit (BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R - SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 und vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -; vgl. auch BSGE 86, 147, 149 = SozR 3-4300 § 156 Nr. 1). Hiervon ausgehend hat die Beklagte zwar in ihrem Aufforderungsschreiben vom 24. April 2003 die Obliegenheit des Klägers hinreichend konkretisiert und ihm auch keine unzumutbaren Eigenbemühungen abverlangt.
Der Kläger hat die gebotenen Eigenbemühungsverpflichtung jedoch nicht schuldhaft verletzt. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger sämtlichen ihm aufgegebenen Eigenbemühungen objektiv nachgekommen ist, was - zumindest bei isolierter Betrachtung - jedenfalls bezüglich des Gebots, die Bewerbung bei mindestens drei Zeitarbeitsfirmen zu dokumentieren, zu verneinen ist und bezüglich der geforderten 10 Eigenbewerbungen bei privaten Arbeitgebern davon abhängt, ob die erfolgten Kurzbewerbungen per sog. Flyer den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bewerbung (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 2. März 2005 - L 5 AL 2544/04- und vom 23. März 2005 - L 5 AL 2344/04 -) genügten. Denn unabhängig von der objektiven Erfüllung der durch das Aufforderungsschreiben konkretisierten Eigenbemühungsanforderungen lässt sich jedenfalls kein Verschulden des Klägers in Bezug auf die mögliche Verletzung dieser Verhaltensanforderungen feststellen. Die für den Wegfall der Anspruchsvoraussetzung erhebliche Obliegenheitsverletzung setzt aber nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zu beurteilendes schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen voraus (BSG, a.a.O.). Dabei ist, wenn kein Vorsatz vorliegt, anders als im Zivilrecht ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen; es genügt jede Art von Fahrlässigkeit (vgl. allgemein: BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R; Urteile vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 94/04 R). Abzustellen ist mithin auf die individuellen Fähigkeiten des Klägers.
Hiervon ausgehend kann dem Kläger kein Schuldvorwurf in Bezug auf die (mögliche) Verletzung der Eigenbemühungsobliegenheiten gemacht werden. Was die geforderten zehn Bewerbungen anbelangt, so hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen darauf abgestellt, der Kläger habe seine diesbezüglichen Aktivitäten nicht bzw. unzureichend nachgewiesen. Dieser Vorwurf geht indessen fehl. Denn von der Pflicht des Arbeitslosen, sich selbst um eine Beschäftigung zu bemühen, zu unterscheiden ist die in § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III vorgesehene "Verpflichtung" des Arbeitslosen, auf Verlangen des Arbeitsamtes seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist. Sie steht zwar in einem unlösbaren Zusammenhang mit Abs. 5 Satz 1, ist jedoch selbst keine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg bzw. Alhi, sondern eine Beweislastregelung (nur) für den Fall, dass die Beklagte die Eigenbemühungsverpflichtung rechtzeitig, also so, dass sich der Arbeitslose darauf einstellen konnte, konkretisiert hat (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005, a.a.O.). Es kommt also nicht darauf an, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund der Kläger die Nachweise für seine Eigenbemühungen nicht bereits am 10. Juni 2003 vollständig vorgelegt hat, sondern allein darauf, ob ein Verschulden bezüglich einer möglichen Obliegenheitsverletzung festgestellt werden kann. An Letzterem fehlt es jedoch schon mit Blick darauf, dass die Beklagte selbst nicht konkretisiert hat, was unter "Bewerbungsaktivitäten" bzw. "10 Bewerbungen" zu verstehen sein soll bzw. was sie als "ordnungsgemäße" Bewerbungen ansehen will. Eine diesbezügliche Konkretisierung ist weder im Aufforderungsschreiben noch - soweit ersichtlich - zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt. Hiervon ausgehend erscheint es auch wenig schlüssig, wenn die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden sechs Bewerbungen (allein) deswegen "akzeptiert" hat, weil hierauf bezogene Ablehnungsschreiben von Firmen vorgelegt wurden, andere - ebenfalls per Flyer erfolgte - Bewerbungen aber nicht. Hinzu kommt, dass der Kläger schlüssig und detailliert vorgetragen hat, ihm sei in einem von der Beklagten geförderten Bewerbungsseminar bei der Fa. Zauner explizit geraten worden, Bewerbungen mittels sog. Flyer vorzunehmen, um dadurch die Einstellungschancen zu erhöhen. Wie der Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung durch den Senat ergänzend ausgeführt hat, wurde dabei der sog. Flyer, mit welchem er sich in der Folgezeit bewerben hat, in Form und Inhalt entwickelt in Verbindung mit der Empfehlung, diesen bei nachfolgenden Eigenbewerbungen zu verwenden. Auf die Sachgerechtigkeit dieser Empfehlung, für deren Richtigkeit nicht der Kläger, sondern allenfalls die Beklagte Verantwortung trägt, durfte der Kläger vertrauen. Dementsprechend kann dem Kläger auch unter Würdigung seiner individuellen Vorkenntnisse, die im technischen und nicht im kaufmännisch-personalwirtschaftlichen Bereich liegen, kein Schuldvorwurf deswegen gemacht werden, weil er die bei objektiver Betrachtung jedenfalls nicht schlechterdings ungeeignete, wenngleich hier erfolglos gebliebene Bewerbungsmethode per Flyer in der Folgezeit praktiziert hat.
Ein schuldhaftes Verhalten des Klägers vermag der Senat auch nicht in Bezug auf die unterlassenen (mindestens) drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen festzustellen. Der Kläger hat dazu - in Ergänzung seines schriftlichen Vorbringens - im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, das besagte Aufforderungsschreiben sei ihm ebenso wie 20 bis 30 anderen, gleichzeitig anwesenden Arbeitsuchenden im Rahmen einer gemeinsamen Termins am 24. April 2003 im großen Sitzungssaal des Arbeitsamts Ludwigsburg von Mitarbeitern des Arbeitsamts übergeben und erläutert worden. Auf Rückfragen einiger anderer Teilnehmer, die bereits schlechte Erfahrungen mit Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen gemacht hätten, sei ihnen seitens der anwesenden Arbeitsamtsmitarbeiter der Eindruck vermittelt worden, dass die Bewerbung bei Zeitarbeitsfirmen nicht zwingend sei, insbesondere dass anderweitige Eigenbewerbungen genügten, sofern diese den geforderten quantitativen Umfang erreichten; einer der Arbeitsamtsmitarbeiter habe sogar gesagt: "Dann bringen Sie eben 13 andere Bewerbungen, dann ist es auch in Ordnung". Vor dem Hintergrund dieser Angaben, an deren Zuverlässigkeit der Senat aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks keinen Zweifel hat, lässt sich unter Zugrundelegung eines subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005, a.a.O., m.w.N.) ein Verschulden des Klägers auch diesbezüglich nicht feststellen. Denn in dieser Situation durfte dieser ohne Verschulden davon ausgehen, seinen Eigenbemühungsobliegenheiten auch ohne die im Aufforderungsschreiben geforderten drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen in vollem Umfang nachgekommen zu sein, wenn er - wie geschehen - innerhalb des bestimmten Zeitraums eine entsprechend höhere Zahl an Bewerbungen unternehme und nachweise als die geforderten zehn ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Die Rechtssache ist weder rechtsgrundsätzlich bedeutsam noch liegt eine Divergenz vor. Insbesondere ist die Beurteilung des Verschuldens im Rahmen der Erfüllung der Eigenbemühungsobliegenheit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 31. Dezember 2004 gültigen Fassung nicht von rechtsgrundsätzlicher im Sinne allgemeiner Bedeutung, sondern eine Frage des Einzelfalles.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 und die Erstattung bereits gewährter Leistungen in Höhe von 1.544,70 EUR (38 Tage).
Der 1948 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Oktober 1970 bis zum 31. Mai 2001 bei der Firma S. AG überwiegend als Servicespezialist beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag vom 31. Oktober 2000 zum 31. Mai 2001 beendet. Am 9. Mai 2001 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (AA) Ludwigsburg arbeitslos. Mit Bescheid vom 9. August 2001 bewilligte das AA Ludwigsburg dem Kläger ab dem 1. Juni 2001 Alg für 780 Tage in Höhe von 558,88 EUR wöchentlich.
In der Zeit vom 30. Januar 2001 bis zum 13. März 2002 nahm der Kläger an einer von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte bewilligten Rehabilitationsmaßnahme teil. Am 14. März 2002 meldete sich der Kläger wieder arbeitslos.
Mit Schreiben vom 24. April 2003, welches dem Kläger am gleichen Tage ausgehändigt wurde, forderte die Beklagte diesen auf, zur Beendigung seiner Beschäftigungslosigkeit Eigenbemühungen vorzunehmen und hierüber Nachweise vorzulegen. Folgende Eigenbemühungen wurden verlangt: Nachweise bzw. überprüfbare Angaben über die Nutzung des Stellen-Informations-Service (SIS) mindestens einmal wöchentlich, die wöchentliche Auswertung von Stellenanzeigen in Zeitungen, Fachzeitschriften und anderen Medien (z. B. Internet), die Vorlage einer Dokumentation der Bewerbungsaktivitäten mit mindestens 10 Bewerbungen, eine Dokumentation der Bewerbungsunterlagen bei mindestens 3 Zeitarbeitsfirmen und eine Dokumentation von mindestens 3 Bewerbungen unterhalb seiner Qualifikation. Um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen für die Zahlung der Leistung weiterhin vorliegen, wurde er aufgefordert, sich am 10. Juni 2003 im AA Ludwigsburg einzufinden und die entsprechenden Nachweise vorzulegen. Dem Schreiben beigefügt waren eine sog. Rechtsfolgenbelehrung zur Meldeaufforderung nach § 309 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), eine Rechtsbehelfsbelehrung und weitere Hinweise zur Meldeaufforderung sowie eine Rechtsfolgenbelehrung zu den erforderlichen Eigenbemühungen, eine (weitere) Rechtsbehelfsbelehrung sowie ein Hinweis zu den erforderlichen Eigenbemühungen sowie weitere Hinweise zur Zumutbarkeit von Beschäftigungen. Rechtsbehelfe hat der Kläger dagegen nicht eingelegt.
Bei einer Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 10. Juni 2003 legte dieser handschriftliche Aufzeichnungen über seine Eigenbemühungen vor, in denen verschiedene Firmen aufgeführt waren; von sieben Seiten handschriftlicher Aufzeichnungen des Klägers wurden Kopien gefertigt, die zur Akte genommen wurden. In einer Stellungnahme des Arbeitsvermittlers ist hierzu vermerkt, dass Eigenbemühungen nicht vorlägen, weil der Kläger zwar termingerecht Nachweise vorgelegt habe, diese aber den Vorgaben teilweise nicht entsprechen würden. Er habe lediglich sechs Nachweise erbringen können. Die restlichen Eigenbemühungen lägen vor dem rechtlich erheblichen Zeitraum. Auch die restlichen Dokumentationen würden in keinster Weise den Anforderungen entsprechen, weil lediglich Firmennamen und keine Zeiträume etc. aufgeführt worden seien.
Mit Bescheid vom 27. Juni 2003 hob das AA Ludwigsburg die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 ganz auf und führte dazu aus, der Kläger habe nur unzureichende Nachweise vorgelegt. Er habe sich damit nicht in ausreichendem Maße um die Beendigung seiner Beschäftigungslosigkeit bemüht. Infolgedessen sei er im Nachweiszeitraum nicht arbeitslos gewesen und habe keinen Leistungsanspruch. Die bereits erhaltenen Leistungen in Höhe von 1.544,70 EUR habe er zu erstatten.
Gegen den Bescheid legte der Kläger am 15. Juli 2003 Widerspruch ein und brachte vor, er habe Unterlagen über seinen Gesundheitszustand, sowie den Grund für die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses vorgelegt. Er habe sich mit Schreiben vom 14. Februar 2003 zu einem Seminar angemeldet und auch daran teilgenommen. Beim Abschlussgespräch am 20. März 2003 sei ihm erklärt worden, dass er aus Versehen zu diesem Seminar geladen worden sei. Die Unterlagen über "Arbeitsmarktbezogene Chanceneinschätzung" seien ihm zurückgegeben worden. Er sei auf die Möglichkeit hingewiesen worden, beim Versorgungsamt einen Grad der Behinderung (GdB) zu beantragen, um so als Behinderter höhere Chancen auf einen entsprechend ausgestatteten Arbeitsplatz zu bekommen. Bei der Vorsprache habe er als Nachweis sieben Absagen von Bewerbungen, eine nichtzustellbare Bewerbung und eine Liste mit Firmen vorgelegt. Bei 17 Firmen habe er sich beworben. Er habe nicht von allen eine Bestätigung erhalten. Von der Sachbearbeiterin sei dies als völlig unzureichend bezeichnet worden, auch weil er das Datum und die Uhrzeit der Bewerbung nicht angegeben habe. In den meisten Fällen habe er die Unterlagen der Firma Z. mit Flyer und Kurzbewerbung verwendet. Trotzdem habe er keine Einladung bzw. eine Arbeitsstelle bekommen. In mehreren Gesprächen habe er erfahren müssen, dass es unbedingt notwendig sei, eine aktuelle Qualifikation nachzuweisen. Seine Ausbildung im Prozessrechnerbereich sei heute nicht mehr aktuell.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2003 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe am 10. Juni 2003 lediglich sechs Bewerbungen vorgelegt. Die restlichen Bewerbungen hätten vor dem maßgeblichen Zeitraum gelegen. Der Kläger sei somit in der Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 nicht arbeitslos gewesen und habe für diese Zeit keinen Anspruch auf Alg. Die Entscheidung über die Bewilligung von Alg für diesen Zeitraum sei aufzuheben gewesen, die zu Unrecht erhaltenen Leistungen habe der Kläger zu erstatten.
Am 6. August 2003 hat der Kläger beim Sozialgericht Heilbronn Klage erhoben und vorgetragen, er habe beim Arbeitsamt eine Liste mit 17 Firmen vorgelegt, bei denen er sich schriftlich beworben habe. Die Bewerbungen seien, wie von der Firma Z. vorgeschlagen, mittels eines sog. Flyers erfolgt. Nachdem er bei anschließenden telefonischen Rückfragen erfahren habe, dass der Flyer nicht immer bei dem entsprechenden Mitarbeiter vorgelegen habe, habe er ein zusätzliches Anschreiben mit Firmenanschrift und dem Bezug auf eine entsprechende Stelle beigefügt. Er habe nur etwa von der Hälfte der Bewerbungen schriftliche Mitteilungen erhalten. In einem zweiten Bewerbungszeitraum seien die gleichen Forderungen vom AA gestellt worden. Bei 24 Bewerbungen seien schriftlich 14 bestätigt worden. Eine nicht zustellbare Bewerbung sei ebenfalls vorgelegt worden. Er habe sich so beworben, wie er es in einem vom AA geförderten Seminar gelernt habe. Bei den letzten Bewerbungen habe er die Zeit angegeben, wann die Bewerbung geschrieben wurde.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat vorgebracht, das Übersenden des Flyers ohne ein zusätzliches Anschreiben könne nicht als ordnungsgemäße Bewerbung angesehen werden. In der Aufforderung sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Nachweise vorgelegt bzw. überprüfbare Angaben zu den Eigenbemühungen gemacht werden müssten.
Mit Urteil vom 19. November 2004 hat das Sozialgericht Heilbronn (SG) den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2003 aufgehoben. In den Entscheidungsgründen ist im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) lägen nicht vor, weil weder in den rechtlichen noch in den tatsächlichen Verhältnissen eine Änderung eingetreten sei. Weder zum 24. April 2003 noch zu einem anderen Zeitpunkt danach bis zum 9. Juli 2003 sei nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für den Bezug von Alg nicht mehr erfüllt seien. Dass bei einem mangelnden Nachweis über die Beschäftigungssuche zwangsläufig Arbeitslosigkeit entfallen solle, ergebe sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Der Rückschluss von einer nicht erfüllten Nachweisverpflichtung auf das Fehlen der Tatbestandsvoraussetzungen im Sinne des § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III könne auch deshalb nicht ohne Weiteres gezogen werden, weil offen bleiben müsse, ab welchem Zeitpunkt dieses Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt gewesen sein sollte. In der Literatur werde überwiegend die Auffassung vertreten, dass als Rechtsfolge lediglich der Entzug der Leistung nach § 66 SGB I mit der Möglichkeit der Nachholung der Mitwirkungshandlung gerechtfertigt sei. Unter Berücksichtigung der ab dem 1. Januar 2005 geltenden Fassung des § 144 SGB III dürfte davon auszugehen sein, dass der Gesetzgeber die Rechtsfolgen für einen ungenügenden oder fehlenden Nachweis im Sinne des § 119 Abs. 5 SGB III bislang nicht vorgesehen gehabt habe. Denn der Gesetzgeber habe den Verstoß gegen die Nachweisverpflichtung nunmehr als "versicherungswidriges Verhalten" in die Sperrzeitregelung aufgenommen. Ein Nachweis über die Zustellung des Urteils an die Beklagte ist in der Akte des SG nicht enthalten. Die Beklagte hat dem SG auf einen Anruf hin mitgeteilt, dass das genannte Urteil der Agentur Ludwigsburg am 24. Januar 2005 zugestellt worden ist.
Am 1. Februar 2005 hat die Beklagte beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie macht geltend, der Kläger sei während des im Aufhebungs- und Erstattungsbescheids genannten Zeitraumes nicht arbeitslos gewesen, da er es an den erforderlichen Eigenbemühungen zur Beendigung der Arbeitslosigkeit habe fehlen lassen. Die Beschäftigungssuche als Teilelement der Anspruchsvoraussetzung "Arbeitslosigkeit" sei durch das Inkrafttreten des SGB III am 1. Januar 1998 neu in das Arbeitsförderungsrecht eingefügt worden. Die Beschäftigungssuche werde durch § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III definiert. Durch die Pflicht zur Eigenbemühung habe der Gesetzgeber verdeutlicht, dass es in erster Linie Aufgabe des Arbeitslosen selbst sei, für seine berufliche Wiedereingliederung Sorge zu tragen. § 119 Abs. 5 SGB III bestimme ergänzend, dass das AA den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung zur Beschäftigungssuche besonders hinzuweisen habe. Der Kläger habe bei der persönlichen Vorsprache am 10. Juni 2003 lediglich den Nachweis über sechs erfolgte Bewerbungen erbringen können. Die restlichen Bewerbungen hätten vor dem maßgeblichen Zeitraum gelegen. Die weiter gehende Dokumentation habe in keiner Weise den Anforderungen entsprochen; es seien lediglich Firmennamen ohne Angabe eines Bewerbungsdatums angegeben worden. Die Bewerbung des Klägers habe zumindest bei einem Teil der Firmen darin bestanden, dass er einfach nur einen Flyer ohne ein zusätzliches Schreiben dorthin übersandt habe. Eine formularmäßige Bewerbung ohne jeden Bezug zum Unternehmen könne jedoch nicht als ordnungsgemäße Bewerbung angesehen werden. Dies hätte der Kläger schon bei einfachsten und nahe liegenden Überlegungen erkennen müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 19. November 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er trägt vor, er sei aufgrund eigener Initiative über den geforderten Umfang der Bewerbungen (17 anstatt 10) hinaus gegangen und habe sich dabei auch neuer in einem Bewerbungsseminar erlernter Bewerbungsmethoden, sogenannter Flyer, bedient. Einige Tage nach Versand der Flyer habe er bei jeder der angeschriebenen Firmen angerufen und nachgehakt. Eine Liste der so angeschriebenen Firmen habe er der Beklagten vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2005 hat der Senat auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 21. März 2006 hat die Beklagte das Verfahren unter Hinweis auf zwei zwischenzeitlich ergangene Entscheidungen des Bundessozialgerichts (Urteile vom 20. Oktober 2005 - B 7a Al 18/05 R - und vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -) wieder angerufen.
Auf die Verfügung des Gerichts vom 29. Mai 2007, sämtliche aufgrund des Schreibens des AA vom 24. April 2003 unternommene Eigenbemühungen zu belegen, hat der Kläger ergänzend vorgetragen, eine "sofortige Reaktion auf Vermittlungsvorschläge des Arbeitsamtes" sei nicht angezeigt gewesen, da es während der gesamten Leistungsbezugsdauer keinen Vermittlungsvorschlag seitens der Beklagten gegeben habe. Er habe aber regelmäßig den Stellen-Informations-Service (SIS) des Arbeitsamtes Ludwigsburg genutzt, wie diverse SIS-Ausdrucke im streitgegenständlichen Zeitraum belegten. Er habe neben dem Stellen-Informations-Service des Arbeitsamts auch Zeitungen, Fachzeitschriften und das Internet intensiv genutzt. Neben Tageszeitungen, Elektronik-Fachzeitschriften, der Wirtschaftswoche und dem Handelsblatt habe er u.a. auch die Internetstellenplattform scout24 regelmäßig ausgewertet. Eine nachweisbare Dokumentation sei dem Kläger nicht möglich, da er insbesondere Internetausdrucke mittlerweile entsorgt habe. Für den in Rede stehenden Zeitraum könne der Kläger lediglich einen Internet-Ausdruck vom 2. Juni 2003 nebst Bewerbungsschreiben vorlegen.
Hinsichtlich der geforderten Anzahl von 10 Bewerbungen werde eine handschriftliche Auflistung des Klägers über insgesamt 17 Bewerbungen im streitgegenständlichen Zeitraum vorgelegt. Auf diese Bewerbungen seien insgesamt acht Absagen erfolgt; ein Bewerbungsschreiben sei als unzustellbar zurück gekommen. Für den Zeitraum ab 10. Juni 2003 werde eine handschriftliche Auflistung des Klägers über 25 schriftlich bestätigte Absagen auf ca. 40 Bewerbungsschreiben vorgelegt. Bei Durchsicht der Unterlagen sei zudem festgestellt worden, dass zumindest vier dieser ca. 40 Bewerbungsschreiben noch vor dem 10. Juni 2003, also innerhalb des streitgegenständlichen Zeitraums versandt worden seien; zum Nachweis würden die Bewerbungsschreiben an die Firma E. GmbH vom 7. Juni 2003, an die Firma V. vom 10. Juni 2003 eingereicht, ferner die schriftliche Absagen der Firma R. B. GmbH vom 30. Juni 2003 auf die Bewerbung vom 7. Juni 2003 sowie der Firma B. vom 19. Juni 2003 auf die Bewerbung vom 9. Juni 2003. Für den streitgegenständlichen Zeitraum könnten also insgesamt 12 schriftliche Absagen dokumentiert werden. Sämtliche Bewerbungen lägen nahezu ausnahmslos unter der Qualifikation des Klägers, der vor seiner Arbeitslosigkeit über einen Zeitraum von 37 Jahren als technischer Betriebswirt im mittleren Führungskreis der S. AG tätig gewesen sei, zunächst als Vertriebsbeauftragter für den süddeutschen Raum für den Bereich Audio/ Video, sodann als Produktionsspezialist für Prozessrechner und Automatisierungssysteme. Da insbesondere die spezielle Prozessrechnertechnik mittlerweile überholt sei und eine Förderung der Weiterbildung für dezentral vernetzte Systeme seitens der Beklagten nicht unterstützt worden sei, habe der Kläger sich ausweislich des bereits vorgelegten flyers als Techniker mit der Fachrichtung Elektrotechnik für nahezu alle Bereiche der Elektronik, Automation und Prozessrechner beworben.
Hinsichtlich der geforderten drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen sei es bei einem Meeting von ca. 30 Arbeitssuchenden - unter ihnen der Kläger - bei der Beklagten im April 2003 zu Rückfragen mehrerer Teilnehmer gekommen, ob insbesondere im Hinblick auf schlechte Erfahrungen sowohl der Teilnehmer als auch der Bundesagentur für Arbeit Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen eingereicht werden müssten. Hierauf habe die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau Bräutigam, erklärt, dass es ausreichend sei, wenn nur insgesamt 10 Bewerbungen dokumentiert würden. Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen seien nicht erforderlich; dies werde bei der Agentur für Arbeit grundsätzlich so gehandhabt. Mit Blick auf das Vorbringen der Beklagten, die Bewerbungen mittels Flyer seien nicht ordnungsgemäß, sei nochmals darauf hinzuweisen, dass dem Kläger in einem von der Agentur für Arbeit geförderten Bewerbungsseminar gerade diese Bewerbungsmethode nahe gelegt worden sei.
In der mündlichen Verhandlung am 19. Juli 2007 ist der Kläger informatorisch angehört worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die gefertigte Sitzungsniederschrift verwiesen.
Dem Gericht liegen die zur Sache gehörenden Verwaltungsakten der Beklagten und die Akten des SG vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie wurde formgerecht (§ 151 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz ( SGG )) und rechtzeitig erhoben und ist auch sonst zulässig. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Das Verfahren der Zustellung richtet sich nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung ( ZPO ) (§ 63 Abs. 2 SGG). Ein Nachweis über die Zustellung des Urteils des SG vom 19. November 2004 ist in den SG-Akten nicht enthalten. Die Beklagte hat dem SG mit Schreiben vom 19. Mai 2005 mitgeteilt, dass ihr das genannte Urteil am 24. Januar 2005 zugestellt worden sei. Da es an einem Nachweis der Zustellung fehlt, ist für den Beginn der Frist der tatsächliche Zugang am 24. Januar 2005 maßgebend (§ 63 Abs. 2 SGG i. V. m. § 189 ZPO). Der Beschwerdewert von 500,- EUR ist erreicht (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG).
Die Berufung der Beklagten ist jedoch unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben, mit welcher der Kläger die Aufhebung des streitbefangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheids der Beklagten begehrt; dem klägerischen Begehren lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, dass dieser auch das Aufforderungsschreiben vom 24. April 2003 mit Rechtsbehelfen angreifen wollte (zur Einbeziehung eines Aufforderungsschreibens als (Form-) Verwaltungsakt, vgl. BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R - SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 und vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -)
Rechtsgrundlage für die mit Bescheid vom 27. Juni 2003 ausgesprochene Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Alg ist § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III. Rechtsgrundlage für den mit der Rücknahmeentscheidung verbundenen Erstattungsanspruch hinsichtlich des gezahlten Alg ist § 50 SGB X.
Der Bescheid vom 27. Juni 2003 ist zwar ohne vorherige Anhörung des Klägers ergangen (§ 24 Abs. 1 SGB X), dieser Verfahrensmangel ist jedoch mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X). Die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Alg rückwirkend für die Zeit vom 24. April 2003 bis zum 10. Juni 2003 ist aber aus materiell-rechtlichen Gründen rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
Die (teilweise) Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung verlangt eine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen (§ 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Rückwirkend ist eine Aufhebung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X möglich. Eine Änderung der Verhältnisse besteht dann, wenn nach Ergehen des Bewilligungsbescheids der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alg entfallen ist. Dies ist jedoch beim Kläger nicht der Fall, denn entgegen der Auffassung der Beklagten war er im betreffenden Zeitraum arbeitslos. Nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der vom 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2004 gültigen Fassung sucht nur der eine Beschäftigung und ist deshalb auch nur der arbeitslos i.S. des § 118 Abs. 1 SGB III (i.d.F., die § 118 durch das 1. SGB III-ÄndG erhalten hat), der alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Nach § 119 Abs. 5 Satz 1 SGB III hat das Arbeitsamt (heute Agentur für Arbeit) den Arbeitslosen bei der Arbeitslosmeldung auf seine Verpflichtung nach Abs. 1 Nr. 1 besonders hinzuweisen. Nach Satz 2 des Abs. 5 hat der Arbeitslose auf Verlangen des Arbeitsamtes seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist. Arbeitslosigkeit setzt danach nicht nur (faktische) Beschäftigungslosigkeit, sondern auch Beschäftigungssuche des Arbeitslosen voraus (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III). Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs 1 SGB III, wer den Eigenbemühungen nachkommt (Nr. 1) und (Nr. 2) den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Der Gesetzgeber hat auf diese Weise den Begriff der Arbeitslosigkeit - wie das Bundessozialgericht (BSG) bereits ausgeführt hat - in einer "Begriffspyramide" geregelt (vgl. BSG SozR 3-4300 § 119 Nr 3 S 10). Bei den vom Gesetz geforderten Eigenbemühungen handelt es sich nach der Rechtsprechung des Senats um eine zur Anspruchsvoraussetzung gewordene versicherungsrechtliche Obliegenheit (BSG, Urteile vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 18/05 R - SozR 4-4300 § 119 Nr. 3 und vom 31. Januar 2006 - B 11a AL 13/05 R -; vgl. auch BSGE 86, 147, 149 = SozR 3-4300 § 156 Nr. 1). Hiervon ausgehend hat die Beklagte zwar in ihrem Aufforderungsschreiben vom 24. April 2003 die Obliegenheit des Klägers hinreichend konkretisiert und ihm auch keine unzumutbaren Eigenbemühungen abverlangt.
Der Kläger hat die gebotenen Eigenbemühungsverpflichtung jedoch nicht schuldhaft verletzt. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger sämtlichen ihm aufgegebenen Eigenbemühungen objektiv nachgekommen ist, was - zumindest bei isolierter Betrachtung - jedenfalls bezüglich des Gebots, die Bewerbung bei mindestens drei Zeitarbeitsfirmen zu dokumentieren, zu verneinen ist und bezüglich der geforderten 10 Eigenbewerbungen bei privaten Arbeitgebern davon abhängt, ob die erfolgten Kurzbewerbungen per sog. Flyer den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Bewerbung (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteile vom 2. März 2005 - L 5 AL 2544/04- und vom 23. März 2005 - L 5 AL 2344/04 -) genügten. Denn unabhängig von der objektiven Erfüllung der durch das Aufforderungsschreiben konkretisierten Eigenbemühungsanforderungen lässt sich jedenfalls kein Verschulden des Klägers in Bezug auf die mögliche Verletzung dieser Verhaltensanforderungen feststellen. Die für den Wegfall der Anspruchsvoraussetzung erhebliche Obliegenheitsverletzung setzt aber nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab zu beurteilendes schuldhaftes Verhalten des Arbeitslosen voraus (BSG, a.a.O.). Dabei ist, wenn kein Vorsatz vorliegt, anders als im Zivilrecht ein subjektiver Fahrlässigkeitsmaßstab anzulegen; es genügt jede Art von Fahrlässigkeit (vgl. allgemein: BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R; Urteile vom 18. August 2005 - B 7a AL 4/05 R und B 7a/7 AL 94/04 R). Abzustellen ist mithin auf die individuellen Fähigkeiten des Klägers.
Hiervon ausgehend kann dem Kläger kein Schuldvorwurf in Bezug auf die (mögliche) Verletzung der Eigenbemühungsobliegenheiten gemacht werden. Was die geforderten zehn Bewerbungen anbelangt, so hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen darauf abgestellt, der Kläger habe seine diesbezüglichen Aktivitäten nicht bzw. unzureichend nachgewiesen. Dieser Vorwurf geht indessen fehl. Denn von der Pflicht des Arbeitslosen, sich selbst um eine Beschäftigung zu bemühen, zu unterscheiden ist die in § 119 Abs 5 Satz 2 SGB III vorgesehene "Verpflichtung" des Arbeitslosen, auf Verlangen des Arbeitsamtes seine Eigenbemühungen nachzuweisen, wenn er rechtzeitig auf die Nachweispflicht hingewiesen worden ist. Sie steht zwar in einem unlösbaren Zusammenhang mit Abs. 5 Satz 1, ist jedoch selbst keine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg bzw. Alhi, sondern eine Beweislastregelung (nur) für den Fall, dass die Beklagte die Eigenbemühungsverpflichtung rechtzeitig, also so, dass sich der Arbeitslose darauf einstellen konnte, konkretisiert hat (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005, a.a.O.). Es kommt also nicht darauf an, ob und gegebenenfalls aus welchem Grund der Kläger die Nachweise für seine Eigenbemühungen nicht bereits am 10. Juni 2003 vollständig vorgelegt hat, sondern allein darauf, ob ein Verschulden bezüglich einer möglichen Obliegenheitsverletzung festgestellt werden kann. An Letzterem fehlt es jedoch schon mit Blick darauf, dass die Beklagte selbst nicht konkretisiert hat, was unter "Bewerbungsaktivitäten" bzw. "10 Bewerbungen" zu verstehen sein soll bzw. was sie als "ordnungsgemäße" Bewerbungen ansehen will. Eine diesbezügliche Konkretisierung ist weder im Aufforderungsschreiben noch - soweit ersichtlich - zu einem anderen Zeitpunkt erfolgt. Hiervon ausgehend erscheint es auch wenig schlüssig, wenn die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden sechs Bewerbungen (allein) deswegen "akzeptiert" hat, weil hierauf bezogene Ablehnungsschreiben von Firmen vorgelegt wurden, andere - ebenfalls per Flyer erfolgte - Bewerbungen aber nicht. Hinzu kommt, dass der Kläger schlüssig und detailliert vorgetragen hat, ihm sei in einem von der Beklagten geförderten Bewerbungsseminar bei der Fa. Zauner explizit geraten worden, Bewerbungen mittels sog. Flyer vorzunehmen, um dadurch die Einstellungschancen zu erhöhen. Wie der Kläger im Rahmen der informatorischen Anhörung durch den Senat ergänzend ausgeführt hat, wurde dabei der sog. Flyer, mit welchem er sich in der Folgezeit bewerben hat, in Form und Inhalt entwickelt in Verbindung mit der Empfehlung, diesen bei nachfolgenden Eigenbewerbungen zu verwenden. Auf die Sachgerechtigkeit dieser Empfehlung, für deren Richtigkeit nicht der Kläger, sondern allenfalls die Beklagte Verantwortung trägt, durfte der Kläger vertrauen. Dementsprechend kann dem Kläger auch unter Würdigung seiner individuellen Vorkenntnisse, die im technischen und nicht im kaufmännisch-personalwirtschaftlichen Bereich liegen, kein Schuldvorwurf deswegen gemacht werden, weil er die bei objektiver Betrachtung jedenfalls nicht schlechterdings ungeeignete, wenngleich hier erfolglos gebliebene Bewerbungsmethode per Flyer in der Folgezeit praktiziert hat.
Ein schuldhaftes Verhalten des Klägers vermag der Senat auch nicht in Bezug auf die unterlassenen (mindestens) drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen festzustellen. Der Kläger hat dazu - in Ergänzung seines schriftlichen Vorbringens - im Rahmen seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar und schlüssig ausgeführt, das besagte Aufforderungsschreiben sei ihm ebenso wie 20 bis 30 anderen, gleichzeitig anwesenden Arbeitsuchenden im Rahmen einer gemeinsamen Termins am 24. April 2003 im großen Sitzungssaal des Arbeitsamts Ludwigsburg von Mitarbeitern des Arbeitsamts übergeben und erläutert worden. Auf Rückfragen einiger anderer Teilnehmer, die bereits schlechte Erfahrungen mit Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen gemacht hätten, sei ihnen seitens der anwesenden Arbeitsamtsmitarbeiter der Eindruck vermittelt worden, dass die Bewerbung bei Zeitarbeitsfirmen nicht zwingend sei, insbesondere dass anderweitige Eigenbewerbungen genügten, sofern diese den geforderten quantitativen Umfang erreichten; einer der Arbeitsamtsmitarbeiter habe sogar gesagt: "Dann bringen Sie eben 13 andere Bewerbungen, dann ist es auch in Ordnung". Vor dem Hintergrund dieser Angaben, an deren Zuverlässigkeit der Senat aufgrund des vom Kläger gewonnenen Eindrucks keinen Zweifel hat, lässt sich unter Zugrundelegung eines subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005, a.a.O., m.w.N.) ein Verschulden des Klägers auch diesbezüglich nicht feststellen. Denn in dieser Situation durfte dieser ohne Verschulden davon ausgehen, seinen Eigenbemühungsobliegenheiten auch ohne die im Aufforderungsschreiben geforderten drei Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen in vollem Umfang nachgekommen zu sein, wenn er - wie geschehen - innerhalb des bestimmten Zeitraums eine entsprechend höhere Zahl an Bewerbungen unternehme und nachweise als die geforderten zehn ...
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Die Rechtssache ist weder rechtsgrundsätzlich bedeutsam noch liegt eine Divergenz vor. Insbesondere ist die Beurteilung des Verschuldens im Rahmen der Erfüllung der Eigenbemühungsobliegenheit nach § 119 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der zwischen dem 1. Januar 1998 und dem 31. Dezember 2004 gültigen Fassung nicht von rechtsgrundsätzlicher im Sinne allgemeiner Bedeutung, sondern eine Frage des Einzelfalles.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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