L 10 U 5001/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 463/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 5001/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31.08.2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin aufgrund der bei ihr anerkannten Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ( - BKV - schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen) erneut Anspruch auf Verletztenrente hat.

Mit Bescheid vom 28.07.1981 anerkannte die Beklagte auf Grund des Gutachtens der Hautärztin Dr. J. (Untersuchung 27.10.1980, keine Hauterscheinungen mehr) bei der am 20.02.1946 geborenen Klägerin eine BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV (damals noch BKVO) und als Folgen: "Erkrankung des Hautorgans (toxisches Ekzem) durch die am Arbeitsplatz verwendeten Stoffe Kitt und Polidur". Sie bewilligte Verletztenrente für die Zeit vom 01.05.1979 bis 26.10.1980 nach einer MdE von 20 v. H.

Die Klägerin arbeitete seit 01.03.1970 bei der Firma C. Z. in O., zunächst an verschiedenen Arbeitsplätzen, vom 01.05.1979 bis 1995 als Kontrolleurin in der Brillenglasendkontrolle. Sie kontrollierte dort vorgereinigte und mit Reinstwasser gespülte getrocknete Brillengläser auf Sauberkeit und reinigte bei Bedarf nach. Dazu rieb sie mit Fingerling und Baumwollhandschuh die Gläser mit Aceton und einem Baumwolltuch ab. Von 1995 bis 1998 verpackte sie Grundgläser und USA-Gläser in Papiertüten, von 1998 bis Februar 2000 bediente sie einen Verpackungsautomaten für Brillengläser, wobei sie direkten Hautkontakt zu hochwertigem Verpackungspapier hatte. Dabei wurden die Brillengläser in Kunststoffkästen angeliefert und lagen in einem Schaumstoff der festeren Art. Anhand von Laufzetteln wurden die Angaben mittels PC-Tastatur in den Computer eingegeben und ausgedruckt. Das selbstklebende Etikett wurde von der Klägerin auf eine Faltschachtel aufgeklebt, die dann in Pappschachteln eingelegt wurden. Auf einen Teil der Faltschachteln musste die Klägerin mit rotem Marker (enthält Tinte auf Alkoholbasis - wasserfrei -) einen Strich ziehen. Zuletzt trug die Klägerin bei dieser Tätigkeit Baumwollhandschuhe (Bericht des Berufshelfers Gr. der Beklagten vom 25.06.2001).

Eine von dem Hautarzt Dr. H. im Oktober 1999 durchgeführte Testung ergab Reaktionen auf Formaldehyd und Kolophonium und es bestanden Ekzeme an den Händen der Klägerin die unter adäquater Lokaltherapie binnen vier Tagen abheilten. Bei weiteren Untersuchungen im Februar 2000 bestanden keine Hauterscheinungen, im Juli 2000 lediglich diskrete Ekzeme am linken Handgelenk.

Nach Herstellerangaben waren Kolophonium und Formaldehyd im Kleber der von der Klägerin verwendeten Papierbeutel und im Thermatransferband sowie Etikettenband nicht enthalten und nach Einschätzung des Betriebsarztes und Facharztes für Arbeits- und Umweltmedizin Dr. H. auch im Übrigen im Arbeitsprozess nicht vorhanden. Am 31.03.2002 schied die Klägerin aus dem Unternehmen der Firma C. Z. nach häufigen Arbeitsunfähigkeitszeiten seit 1999 in Folge von Beschwerden insbesondere auf internistischem, orthopädischem und nervenärztlichem Gebiet aus. Sie bezieht seit 1.2.2003 - insbesondere aufgrund von Gesundheitsstörungen auf internistischem Gebiet - Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Den im Februar 2000 von der Klägerin gestellten Antrag auf Gewährung von Verletztenrente (ihre Hautkrankheit sei wieder aufgetreten und sie leide unter ständigem Juckreiz an beiden Armen und im Gesicht) lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.07.2000 und Widerspruchsbescheid vom 25.01.2001 ab. Parallele Ermittlungen der Berufsgenossenschaft der keramischen und Glas-Industrie hatten ergeben, dass bei den von dem Hautarzt Dr. B. am 16. und 20.10.2000 durchgeführten Testungen eine Kontaktallergie auf Kolophonium, fraglich Abietinsäure bestand. Eine Reaktion auf von der Klägerin vom Arbeitsplatz mitgebrachte Etiketten, Papiertüten, Verschluss der Tüten und Metall lag nicht vor.

Am 20.02.2001 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Ulm erhoben und zur Begründung vorgebracht, nach wie vor seien die an ihrem Arbeitsplatz verwendeten Arbeitsmaterialien und Arbeitsstoffe nicht auf ihre Beschaffenheit bzw. auf ihre Substanzen im Einzelnen untersucht worden. Tatsache sei, dass während Arbeitsunfähigkeitszeiten die Hauterscheinungen abheilten.

Das Sozialgericht hat die behandelnden Ärzte Dr. H. und Dr. G. (Hausarzt) sowie Dr. B. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und das Gutachten von Prof. Dr. Sch.-K., Ärztliche Direktorin der Universitätsklinik für Dermatologie und Allergologie in U. eingeholt. Sie hat zusammenfassend ausgeführt, bei der Klägerin bestehe berufsbedingt eine Sensibilisierung vom verzögerten Typ gegen Kolophonium und Terpentin (Gruppenallergie) sowie gegen Duftstoffmix (bei Aufschlüsselung Eichenmoos absolue). Die Sensibilisierung auf Kolophonium sei mit großer Wahrscheinlichkeit auf den langjährigen beruflichen Umgang mit Kartonagen, Klebestreifen und selbstklebenden Etiketten zurückzuführen. Im Rahmen der beruflichen Tätigkeit hätten diese Sensibilisierungen zu allergischen Kontaktekzemen geführt. Da die für die MdE als maßgeblich angesehene Sensibilisierung gegen ubiquitär vorkommende Substanzen der Kolophoniumgruppe weiter bestehe, werde die MdE mit 20 v. H. eingeschätzt. Die Aufgabe der Tätigkeit sei durch Schutzmaßnahmen nur unzureichend zu vermeiden, da es sich um aerogene Kontaktallergien handle.

In seiner Stellungnahme für die Beklagte hat Priv. Doz. Dr. K. u. a. die Auffassung vertreten, Kolophonium sei in den Berufsstoffen nicht enthalten gewesen. Außerdem sei die Hauterkrankung klinisch nicht ausgeprägt gewesen, sie sei wahrscheinlich rezidivierend gewesen, jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die berufliche Tätigkeit am neuen Arbeitsplatz ausgelöst.

Das Sozialgericht hat die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. Sch.-K. vom 29.06.2004 eingeholt. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Sensibilisierung vom verzögerten Typ gegen Kolophonium und Terpentin insbesondere auf den langjährigen beruflichen Umgang mit Papier und Kartonagen zurückzuführen sei, bei dem ein feiner Abrieb entstehe, der aerogen zu einer allergischen Kontaktdermatitis führen könne. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass durch den Kontakt mit kolophoniumhaltigen Papierstäuben es zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung der sicherlich bestehenden atopischen Diathese gekommen sei.

Mit Urteil vom 31.08.2004 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von mindestens 20 v. H. Die geltend gemachte Verschlimmerung der bestandkräftig festgestellten BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen. Zum einen habe die Testung der übersandten Arbeitsmaterialien durch den Hautarzt Dr. B. (Gutachten vom 11.10.2000) keine Allergisierung ausgelöst. Zum anderen habe Prof. Dr. Sch.-K. ausgeführt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass es durch den Kontakt mit kolophoniumhaltigen Papierstäuben zu einer richtungweisenden Verschlimmerung der sicherlich bestehenden atopischen Diathese gekommen sei. Die bloße Möglichkeit genüge jedoch nicht, vielmehr müssten die Hauterscheinungen mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen sein.

Gegen das am 08.10.2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 04.11.2004 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht, die Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. Sch.-K. seien überzeugend. Sie legt u. a. den Epikutantest der Klinik für Hautkrankheiten in Z. vom März 2004 (positive Reaktionen auf Nickelsulfat und Thiuram-Verbindungen) vor.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 31. August 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04. Juli 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2001aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr aufgrund der als Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anerkannten Hauterkrankung Verletztenrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente ab 24. Februar 2000 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass die Befunde der Poliklinik Z. und des Dr. D. erst im Jahr 2004 erhoben worden seien, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Klägerin bereits über ein Jahr nicht mehr berufstätig gewesen sei.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Gewährung von Rente wegen der von ihr mit Bescheid vom 28.07.1981 anerkannten BK Nr. 5101 der Anlage zur BKV abgelehnt.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente - hier die Bestimmung des § 56 SGB VII - zutreffend wiedergegeben und rechtsfehlerfrei ausgeführt, weswegen die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung von Rente hat. Dem schließt sich der Senat nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten an. Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht er gemäß § 153 Abs. 2 SGG unter Hinweis auf die Gründe des angefochtenen Urteils von einer weiteren Darstellung weitgehend ab. Ergänzend ist insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren anzumerken:

Soweit die Klägerin sich auch im Berufungsverfahren auf die Ausführungen der Gerichtsgutachterin Prof. Dr. Sch.-K. beruft, ist nochmals auf folgendes hinzuweisen: Prof. Dr. Sch.-K. hat zwar in ihrem Gutachten vom 5.11.2002 einen wahrscheinlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem langjährigen beruflichen Umgang mit Kartonagen, Klebestreifen und selbstklebenden Etiketten und der Sensibilisierung auf Kolophonium bejaht, jedoch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 29.06.2004 - auf ergänzende Fragen des Sozialgerichts - lediglich noch angegeben, dass es nicht ausgeschlossen werden könne, dass es durch den Kontakt mit kolophoniumhaltigen Papierstäuben zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung der bestehenden atopischen Diathese gekommen sei. Damit hält sie einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Klägerin mit Papier und Kartonagen und der Sensibilisierung auf Kolophonium lediglich noch für möglich und nicht mehr für wahrscheinlich. Die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen beruflichen Einwirkungen und den Hauterscheinungen genügt jedoch nicht.

Im Übrigen hat die Klägerin auf die von ihr für das Auftreten ihrer Sensibilisierung verdächtigten Arbeitsstoffe bei der Testung durch Dr. B. am 16.10.2000 (Etikett, Papiertüte, Verschluss der Tüte mit Kleber, Metall) keine Reaktion gezeigt. Dies spricht gegen eine beruflich bedingte Verschlimmerung der Hauterscheinungen der Klägerin.

Auch die von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Atteste der Poliklinik Z. mit Testbericht vom März 2004 lassen einen Zusammenhang zwischen den Hauterscheinungen der Klägerin und ihrer beruflichen Tätigkeit bei der Firma C. Z. nicht erkennen. Dort ist eine positive Reaktion auf Nickelsulfat und Thiuram-Verbindungen festgestellt worden. Gleichzeitig wird erläutert, dass sich Nickel in modernem Schmuck, Haarnadeln, Haar-Eindreher, Verschlüssen, Spangen, Regenschirm-Griffen, Münzen, Besteck, Wasserhähnen, Metall-Leguren, Industrie-Farben befindet und in der Elektronik sowie bei der Erzeugung von Insektiziden und Fungiziden verwendet wird. Diese Gegenstände bzw. Stoffe waren jedoch am Arbeitsplatz der Klägerin nicht vorhanden. Thiuram-Verbindungen befinden sich nach Angaben der Universitätsklinik Z. in fast allen Gummi-Erzeugnissen, Schuhen, Handschuhen, Schürzen aus elastischem Gummi, Gummi-Bändern, Gummi-Werkzeugen und Gummi-Ballons, in Lederkleber und Polivinilerzeugnissen sowie in Insektiziden, Pestiziden, Fungiziden, Schmieröl und in Antabus-Präparaten (Alkoholentwöhnungsmittel). Der Senat hat keine Hinweise dafür, dass diese Gegenstände bzw. Stoffe am Arbeitsplatz der Klägerin zum Einsatz kamen. Die Klägerin arbeitete dort zwar mit Klebern, jedoch nicht mit Lederklebern und auch der damals verwendete Kleber wurde von Dr. B. negativ getestet.

Damit kann weiterhin nicht vom Vorliegen einer wahrscheinlichen beruflich bedingten Verschlimmerung der anerkannten Hauterkrankung ausgegangen werden.

Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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