L 5 R 5851/06 PKH-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 3358/05 PKH-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 5851/06 PKH-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 9. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Im vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) anhängigen Hauptsacheverfahren (S 3 R 3422/03) begehrt der Kläger die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger beantragte am 4. Juli 2003 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger hatte sich von seinem erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur (1971 bis 1981) nicht aus gesundheitlichen Gründen gelöst. In einem früheren Rentenantrag vom 9. März 2000 gab er "Berufswechsel" als Grund für die Aufgabe der Tätigkeit als Gas- und Wasserinstallateur an. Von 1981 bis 1984 war er als Stahlbauer und anschließend seit 1985 als Arbeiter im städtischen Klinikum in H. in der Zentralsterilisation tätig. Nach Einholung eines sozialmedizinischen Gutachtens bei Dr. S. vom 21. August 2003 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. August 2003 und Widerspruchsbescheid vom 11. November 2003 den Rentenantrag ab, da der Kläger noch mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung entsprechender qualitativer Einschränkungen jedenfalls leichte körperliche Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben könne und er auch keinen Berufsschutz (mehr) genieße.

Das SG hat im Rahmen des Klageverfahrens die sachverständige Zeugeauskunft von D. J., Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie im Klinikum am W., vom 2. März 2004 eingeholt, die die Auffassung vertreten hat, der Kläger sei noch in der Lage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig mit bestimmten qualitativen Einschränkungen auszuüben. Der Orthopäde Dr. B. vertrat in seiner Auskunft vom 10. März 2004 bezogen auf sein Fachgebiet ebenfalls die Auffassung, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt der Kläger noch eine leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig verrichten könne. Der Internist M. schätzte dagegen auf seinem Fachgebiet das Leistungsvermögen des Klägers dahingehend ein, dass er aktuell arbeitsunfähig sei und daher auch derzeit keine entsprechende Leistungsfähigkeit bestehe. Das SG hat sodann bei Dr. Su. das internistische Gutachten vom 9. August 2004 sowie des weiteren bei Dr. T. das orthopädische Gutachten vom 11. November 2004 eingeholt. Beide Gutachter gelangten bezogen auf ihr Fachgebiet zu der Einschätzung, dass der Kläger noch in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig unter Berücksichtigung bestimmter qualitativer Einschränkungen auszuüben.

Nachdem dem Kläger die Gutachten übersandt worden waren und er auch in dem Zusammenhang zur Rücknahme der Klage aufgefordert worden war (siehe Verfügung vom 2. Dezember 2004 Blatt 105 SG-Akte) legitimierte sich am 12. Januar 2005 Rechtsanwalt K. für den Kläger und machte mit Schreiben vom 3. März 2005 geltend, die von den Gutachtern vorgenommene Einschätzung könne nicht geteilt werden. Es bestünden noch weitere Beschwerden, etwa insulinpflichtiger Diabetes mellitus, chronischer Alkoholabusus, depressive Verstimmung und permanente Kopfschmerzen. Mit Schreiben vom 26. Juli 2005 teilte RA K. mit, dass der Kläger von ihm nicht mehr vertreten werde.

Mit Schreiben vom 15. August 2005 wurde der Kläger vom SG auf sein Antragsrecht nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen. Mit Schreiben vom 26. August 2005 legitimierte sich daraufhin die jetzige Bevollmächtigte für den Kläger und beantragte durch Schreiben vom 12. Oktober 2005 am 13. Oktober 2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe. Die Bevollmächtigte legte hierbei ein Schreiben der Rechtsschutzversicherung des Klägers vor, wonach diese die Kosten des zweiten Anwalts nicht (mehr) übernehme. Der Kläger legte ferner eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 10. Oktober 2005 vor.

Nach Zahlung des Kostenvorschusses durch die Rechtsschutzversicherung wurde nach § 109 SGG das Gutachten des Internisten und Rheumatologen Dr. B. vom 24. April 2006 eingeholt, der im Unterschied zu den Vorgutachtern der Auffassung ist, der Kläger könne auch leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch etwa drei Stunden täglich verrichten.

Mit Beschluss vom 10. August 2006 (S 3 R 3358/05 PKH-A) bewilligte daraufhin das SG dem Kläger Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren.

Mit Schreiben vom 14. September 2006 (Eingang 25. September 2006) erhob der Bezirksrevisor gegen den ihm am 12. September 2006 bekannt gegebenen Beschluss Beschwerde. Zur Begründung machte er geltend, das Formular vom 10. Oktober 2005 über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sei zum Zeitpunkt der Entscheidung bereits fast ein Jahr alt gewesen.

Mit Beschluss vom 9. Oktober 2006 (S 3 R 3500/06 PKH-B) hat das SG der Beschwerde des Bezirksrevisors abgeholfen und den Beschluss vom 10. August 2006 wieder aufgehoben. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass zum einen die Entscheidung schon deshalb aufzuheben sei, da die Angaben im Formular über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers vom 10. Oktober 2005 veraltet gewesen seien und nicht mehr zuverlässig Auskunft über die tatsächlichen Verhältnisse geben könnten. Des weiteren ist das SG der Auffassung gewesen, dass hier ein Anspruch auf eine unbeschränkte Beiordnung eines neuen Rechtsanwaltes auch aus anderen Gründen möglicherweise unzulässig gewesen wäre. So scheide ein Anspruch auf unbeschränkte Beiordnung eines neuen Rechtsanwaltes immer dann aus, wenn der Rechtsanwaltswechsel mutwillig erfolgt sei und hierfür ein triftiger (wichtiger) Grund fehle, der auch einen verständigen und auf eigene Kosten klagenden Kläger zur Kündigung des Mandats veranlasst hätte. Ob diese Voraussetzungen hier vorlägen, sei nach Aktenlage unklar. Es könne jedoch dahinstehen, denn der Antragsteller sei auch nicht bedürftig. Er habe eine Rechtsschutzversicherung. Soweit der Wechsel des Rechtsanwalts notwendig sei, müsse die Rechtsschutzversicherung auch die Kosten eines zweiten Anwalts in einer Instanz übernehmen (mit Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Köln vom 23. Februar 1989 - 5 U 163/88 -). Eine anderweitige ablehnende Auskunft der Rechtsschutzversicherung sei daher unbeachtlich, wenn sie zu Unrecht erfolge. Der Kläger müsste gegebenenfalls gegen seine Rechtsschutzversicherung vorgehen. Sollte dagegen die Ablehnung zu Recht erfolgt sein - falls der Kläger seinen Anwalt ohne wichtigen Grund gewechselt habe - bestehe auch aus den bereits genannten Gründen kein Anspruch auf Prozesskostenhilfe.

Der Kläger hat gegen den seiner Bevollmächtigten am 16. Oktober 2006 mit Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss am 13. November 2006 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen und die es dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat (Beschluss vom 16. November 2006). Zur Begründung legt der Kläger eine neue Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25. Januar 2006 vor und macht geltend, dass sich bei den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nur unwesentliche Änderungen ergeben hätten. Er hat in der Zwischenzeit auch noch die aktuellen Bewilligungsbescheide der Agentur für Arbeit H. und der Stadt H. vorgelegt. Ferner teilt er mit, dass der vorherige Anwalt das Mandat niedergelegt habe und er selbst nicht habe nachvollziehen können, auf Grund welcher Umstände dies erfolgt sei. Die Mandatskündigung sei nicht von Seiten des Klägers erfolgt.

Der Kläger beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 9. Oktober 2006 aufzuheben und ihm unter Beiordnung von Rechtsanwältin G. Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 3 R 3422/03 zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist jedoch unbegründet. Entgegen der Auffassung des SG ist allerdings Prozesskostenhilfe unabhängig von der Frage der Bedürftigkeit und auch unabhängig von der Frage, ob hier noch ein Anspruch des Klägers gegen seine Rechtsschutzversicherung auf Übernahme der Kosten für einen weiteren Rechtsanwalt besteht, schon deshalb nicht zu gewähren, weil die Klage zum Zeitpunkt der Antragstellung im Oktober 2005 keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (mehr) hatte.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist gegeben, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände der mit der Klage vertretene Standpunkt in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht vertretbar erscheint oder anders formuliert, bei summarischer tatsächlicher und rechtlicher Prüfung eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit des Rechtsmittels besteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl.; § 73a Rdnr. 7 mwN); im tatsächlichen Bereich müssen Tatsachen erweisbar sein; ein günstiges Beweisergebnis darf nicht unwahrscheinlich sein. Prozesskostenhilfe ist zu verweigern, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber eine nur entfernte ist (vgl. auch BVerfGE 81, 347; BSG SozR 3-1500 § 260 Nr. 19).

Bei der Prüfung der "hinreichenden Erfolgsaussicht" ist auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen, den Zeitpunkt also, zu dem eine ordnungsgemäße Entscheidung des zuständigen Gerichts über das jeweilige Gesuch an und für sich hätte erfolgen können. Die Bewilligungsreife lag bereits im Oktober 2005 zum Zeitpunkt der (erstmaligen) Antragstellung vor, es lagen - jedenfalls für die zu diesem Zeitpunkt naheliegende Ablehnungsentscheidung - genügend Unterlagen vor.

Im Rahmen der hier vorzunehmenden Prüfung hinsichtlich der Erfolgsaussicht der Klage zum Zeitpunkt der (erstmaligen) Antragstellung am 13. Oktober 2005 ist festzustellen, dass die Klage zu diesem Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte.

Zum Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung auf Gewährung von Prozesskostenhilfe am 13. Oktober 2005 lagen neben dem bereits für den Kläger negativen Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren von Dr. S. die negative Auskunft der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie D. J., des Orthopäden Dr. Bachmann und die Gutachten von Dr. Su. und Dr. T. vor, die alle davon ausgehen, dass der Kläger unter Berücksichtigung qualitativer Leistungseinschränkungen noch in der Lage sei, leichte körperliche Arbeiten vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Das heißt mit anderen Worten, zu diesem Zeitpunkt hatte auf der Grundlage der vom SG durchgeführten Ermittlungen (sachverständige Zeugenauskünfte/Gutachten) die Klage keine Aussicht auf Erfolg. Folgerichtig hatte die damalige Vorsitzende der zuständigen Kammer des SG auch zur Rücknahme der Klage nach Übersendung des zuletzt eingeholten orthopädischen Gutachtens im November 2004 (Verfügung vom 2. Dezember 2004) aufgefordert.

Das im April 2006 noch vorgelegte weitere auf Antrag des Klägers erstellte Gutachten von Dr. B. kann jedoch nichts an der Bewertung zur Frage der "hinreichenden Erfolgsaussicht" ändern. Abzustellen wäre insoweit auf die Sach- und Rechtslage, wie sie sich dem Senat zum Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellt. Im Rahmen der hierbei vorzunehmenden summarischen Prüfung dieses Gutachtens in Abwägung zu den anderen bereits vorliegenden internistischen und orthopädischen Gutachten sowie insbesondere zu der kritischen Stellungnahme des Dr. L. vom sozialmedizinischen Dienst der Beklagten vom 30. August 2006 und zu der ergänzenden Stellungnahme von Dr. T. vom 25. September 2006 dürfte dieses Gutachten zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen. So zeigt insbesondere ein Vergleich der einerseits von Dr. B. und andererseits den Vorgutachtern (Dr. Su. und Dr. T.) erhobenen Befunde keine relevanten Abweichungen, was insbesondere Dr. T. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 25. September 2006 ausführlich und überzeugend herausgearbeitet hat. Soweit Dr. B. im Unterschied zu den Vorgutachtern das (quantitative) Leistungsvermögen des Klägers unter Hinweis auf eine "Gesamtbeurteilung " deutlich schlechter eingeschätzt hat, ist ihm Dr. L. mit überzeugenden Argumenten entgegen getreten. Der Senat vermag sich aus diesen Gründen Dr. B. nicht anzuschließen, was zur Folge hat, dass er nicht einmal den Rechtsstreit vom Ergebnis her als offen anzusehen oder dem Kläger noch hinreichende Erfolgsaussichten einzuräumen vermag, sondern beim derzeitigen Sach- und Streitstand eine Klagabweisung für überwiegend wahrscheinlich hält.

Da folglich sowohl zum Zeitpunkt der Bewilligungsreife im Oktober 2005 als auch beim jetzigen Sach- und Streitstand die im Dezember 2003 erhobene Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte, ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe schon aus diesen Gründen zu versagen. Ob und inwieweit dem (im übrigen wohl tatsächlich bedürftigen) Kläger hier hätte zugemutet werden können, zunächst mit seiner Rechtsschutzversicherung einen Streit darüber zu führen, ob diese die Kosten für einen zweiten Rechtsanwalt übernimmt, kann daher letztlich dahingestellt bleiben.

Aus diesem Gründen war damit aber im Ergebnis die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 73a SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG)
Rechtskraft
Aus
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