L 12 AL 6215/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 1422/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 6215/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.10.2006 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Förderung einer Umschulungsmaßnahme.

Die 1952 geborene Klägerin absolvierte 1989/1991 eine Ausbildung zur Hauswirtschaftsmeisterin, außerdem verfügt sie über einen Abschluss als Arbeitstherapeutin und einen als Sozialwirtin (1999/2000). Nachdem die Klägerin von 1992 bis 2001 als Arbeitstherapeutin und Hauswirtschaftsleitung bei der C. beschäftigt war, bestand nach einer mehrmonatigen Erkrankung und einer dreimonatigen Beschäftigung als Ausbilderin ab Januar 2002 Arbeitslosigkeit. Von Oktober 2002 bis März 2003 war die Klägerin in der Nachbarschaftshilfe beschäftigt, danach war sie erneut arbeitslos. Am 1.7.2003 nahm die Klägerin eine bis 28.9.2003 befristete Beschäftigung als Behindertenhelferin auf, die von der Beklagten mit Leistungen zur Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer gefördert wurde.

Der Klägerin wurden von Januar bis August 2002 sieben Stellenangebote unterbreitet, von März bis Juli 2003 drei. Im August 2003 erfolgte ein Vermittlungsvorschlag. Die Klägerin hatte sich von April bis Juni 2003 daneben auf zehn weitere Stellen in S. und S. beworben.

Am 11.7.2003 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor: "zu Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer beraten und Antrag ausgehändigt. Verfahren erklärt". Am 25.8.2003 erfolgte eine erneute Vorsprache: "möchte sich zur Altenpflegerin umschulen lassen, habe Zusage von Schule, ist jetzt mit niedriger Vergütung beschäftigt, ..., verlangt FW 1 Antrag, ausgehändigt, ohne Zusage".

Bereits zuvor hatte die Klägerin im Juni 2003 mit der Berufsfachschule für Altenpflege Leben und Wohnen, Eigenbetrieb der Stadt S. (ELW) wegen einer Ausbildung zur Altenpflegerin Kontakt aufgenommen. Am 24.6.2003 forderte die Berufsfachschule für Altenpflege ELW bei der Klägerin eine "Aufnahmegebühr für 2003" an. Die Klägerin vermerkte darauf "gezahlt 3.7.03". Am 1.8.2003 unterschrieb die Klägerin einen Ausbildungsvertrag mit der Berufsfachschule für Altenpflege ELW über eine Ausbildung zur Altenpflegerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2006. Daneben war die Klägerin bei der genannten Einrichtung als Altenpflegehelferin mit einem durchschnittlichen monatlichen Entgelt von zuletzt etwa 900 EUR beschäftigt.

Auf den am 25.8.2003 mündlich gestellten Förderungsantrag fand am 18.9.2003 ein Beratungsgespräch über die Möglichkeit einer Förderung der beruflichen Bildungsmaßnahme statt. Eine Förderung wurde wegen des Berufsabschlusses der Klägerin nicht als notwendig angesehen. Am 25.9.2003 unterschrieb die Klägerin den Beschäftigungsvertrag und nahm am 1.10.2003 die Ausbildung auf.

Mit Bescheid vom 22.10.2003 lehnte die Beklagte den Förderungsantrag mit der Begründung ab, die Ausbildung sei nicht notwendig, da die Klägerin über einen Berufsabschluss verfüge, der auf dem Arbeitsmarkt auch verwertbar sei. Den Widerspruch der Klägerin dagegen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.2.2004 zurück.

Dagegen hat die Klägerin am 4.3.2004 beim Sozialgericht S. (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Klage auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2006 durch Urteil vom selben Tag abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Förderung der Ausbildung zur Altenpflegerin. Die Weiterbildung sei nicht notwendig. Die Klägerin verfüge zumindest mit der Hauswirtschaftsmeisterin über einen anerkannten Berufsabschluss, der auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verwertbar sei. Auch zur beruflichen Eingliederung sei die Weiterbildung nicht notwendig, weil eine solche bereits durch bundesweite Vermittlungsbemühungen im erlernten Beruf einer Hauswirtschafterin möglich wäre.

Gegen einen Anspruch auf die begehrte Förderung spreche auch, dass die Klägerin sich bereits im Juni/Juli für den Ausbildungsgang verbindlich angemeldet habe, dass der Antrag erst danach gestellt worden und auch die Beratung durch die Beklagte erst am 18.9.2003 erfolgt sei. Spätestens mit der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages am 1.8.2003 habe sich die Klägerin verbindlich auf die Ausbildung festgelegt, so dass zum einen Vermittlungsbemühungen oder Beobachtungen des Arbeitsmarktes verhindert worden seien, zum anderen das Beratungsgespräch am 18.9.2003 nicht ergebnisoffen habe geführt werden können und damit vollständig ins Leere habe gehen müssen.

Gegen dieses am 14.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 13.12.2006 Berufung eingelegt. Die Klägerin, die im übrigen zum 30.9.2006 die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat und nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit ab 1.10.2006 seit 15.12.2006 als Altenpflegerin beschäftigt ist, bringt zur Begründung vor, die streitige Weiterbildung habe sich inzwischen im Ergebnis als erfolgreich dargestellt. Die von der Beklagten und vom SG vorgenommene negative Prognose sei damit widerlegt. Es sei auch unrichtig, dass der Ausbildungsvertrag nach dem 1.10.2003 nicht hätte aufgelöst werden können. Richtig sei dagegen, dass der Vertrag mit der Berufsfachschule für Altenpflege auf den Wunsch der Klägerin jederzeit einvernehmlich hätte aufgelöst werden können. Vor allem hätte der Klägerin nicht zugemutet werden können, sich bundesweit auf Arbeitsstellen zu bewerben, da sie seit 1983 in S. lebe, hier ihren absoluten Lebensmittelpunkt habe und hier in fester Partnerschaft mit einem Lebenspartner lebe. Im übrigen sei es nach der Erinnerung der Klägerin bei der persönlichen Vorsprache am 11.7.2003 nicht nur um die damalige Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer gegangen, sondern auch um Weiterbildungsmaßnahmen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts S. vom 25.10.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.10.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2.3.2004 zu verurteilen, der Klägerin Leistungen zur beruflichen Weiterbildung für die Umschulung zur Altenpflegerin zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Ergänzend weist sie darauf hin, dass ein Anspruch der Klägerin auf Förderung der begehrten Maßnahme am nicht erfüllten Tatbestandsmerkmal der vorherigen Beratung (§ 77 Abs. 1 Nr. 2 SGB III) scheitere. Im übrigen sei bei der anzustellenden Prognoseentscheidung auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen, weshalb das Argument, dass die Klägerin im Ergebnis erfreulicherweise eine unbefristete Anstellung gefunden habe, fehl gehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Förderung ihrer Weiterbildung zur Altenpflegerin in der Zeit vom 1.10.2003 bis 30.9.2006.

Das SG hat im angefochtenen Urteil die hier anzuwendenden Rechtsnormen zutreffend zitiert. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen darauf Bezug. Das SG hat auch im Einzelnen ausführlich und zutreffend begründet, dass die Prognoseentscheidung der Beklagten, die Weiterbildungsmaßnahme der Klägerin sei nicht notwendig, im Ergebnis zutreffend ist. Das SG hat auch zutreffend begründet, dass eine Förderung der Maßnahme schon daran scheitert, dass keine ausreichende "vorherige Beratung" i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III stattgefunden hat. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück, er nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug und verzichtet insoweit auf eine eigene Begründung (§ 153 Abs. 2 SGG).

Zum Berufungsvorbringen der Klägerin ist hier anzumerken, dass entsprechend dem Hinweis der Beklagten die zu treffende Prognoseentscheidung im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, also im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides, zu beurteilen ist. Daher war und ist es unerheblich, dass die Klägerin die Maßnahme erfolgreich abgeschlossen hat und diese auch zu einer Eingliederung der Klägerin ins Arbeitsleben geführt hat.

Vor allem ist dem Vortrag der Klägerin entgegenzuhalten, dass sie tatsächlich nicht rechtzeitig die "vorherige Beratung" i. S. des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III durchgeführt hat. Das SG hat zutreffend begründet, dass die Beratung nicht nur vor dem Beginn der Teilnahme erfolgt sein muss, sondern auch vor einer Festlegung des Antragstellers auf eine bestimmte Maßnahme. Dies ergibt sich bereits zwanglos aus dem Sinn und Zweck der Beratung. Durch das Beratungserfordernis soll sichergestellt werden, dass der Arbeitnehmer an derjenigen Maßnahme teilnimmt, die für ihn arbeitsmarktpolitisch die zweckmäßigste ist. Damit wird der Arbeitsagentur ein weiteres Kontrollmittel an die Hand gegeben, um insbesondere den sinnvollen Einsatz ihrer Mittel zu steuern (Niesel, SGB III, 3. Aufl., § 77 Anm. 19). Die Entscheidung der Arbeitsagentur über die Förderung soll nicht durch die "normative Kraft des Faktischen" (d. h. dadurch, dass der Teilnehmer auf die Maßnahme, deren Förderung er wünscht, schon vorher vertraglich festgelegt ist) beeinflusst werden (Niewald in Spellbrink, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, München 2003, § 4 Anm. 81). Bis Ende 2002 war in § 77 Abs. 1 Nr. 3 SGB III sogar gefordert, dass nicht nur die Beratung, sondern auch die Zustimmung der Arbeitsagentur vor dem Beginn der Teilnahme bzw. vor der vertraglichen Festlegung auf eine Maßnahme erfolgt sein musste. Auf Grund der Neufassung durch das Hartz-I-Gesetz (vom 23.12.2002 - BGBl I 4607 -, in Kraft ab 1.1.2003) ist das bisherige Zustimmungserfordernis entfallen. Die Zustimmung der Arbeitsagentur ist nunmehr entbehrlich, weil die Maßnahmeauswahl jetzt allein durch den Arbeitnehmer selbst erfolgt, und zwar durch den in § 77 Abs. 3 SGB III neu eingeführten Bildungsgutschein. Am Sinn und Zweck der vorherigen Beratung hat sich dagegen nichts geändert. Nach wie vor verfehlt diese Beratung ihren Zweck, wenn die Arbeitsagentur nicht mehr die Möglichkeit hat, im Einzelfall die Erforderlichkeit einer etwa ins Auge gefassten Maßnahme zu prüfen oder alternativer Förderungsmöglichkeiten auszuloten, weil sich der Arbeitnehmer - wie hier - bereits vorher vertraglich für eine bestimmte Bildungsmaßnahme gebunden hat.

Das Vorbringen der Klägerin, nach ihrer Erinnerung sei auch bei der Vorsprache am 11.7.2003 nicht nur über die Entgeltsicherung für ältere Arbeitnehmer gesprochen worden, sondern auch über Weiterbildungsmaßnahmen, ändert daran nichts. Nach den aktenkundigen Unterlagen fand das wesentliche Beratungsgespräch am 18.9.2003 und damit zwar vor dem Beginn der Teilnahme am 1.10.2003, jedoch nach der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages am 1.8.2003 statt. Die Klägerin war damit im Zeitpunkt der Beratung bereits vertraglich gebunden, für eine andere Förderungsmöglichkeit war kein Raum mehr. Die Beratung konnte also den gesetzlich vorgesehenen Zweck nicht mehr erreichen. Schon daran scheitert ein Anspruch der Klägerin auf Forderung ihrer Ausbildung zur Altenpflegerin.

Die Berufung der Klägerin ist damit als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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