Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 941/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 51/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Bedingung, wonach eine psychologische Psychotherapeutin ihre Tätigkeit in einer Suchtberatungsstelle spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Zulassungsbeschlusses beenden und die Beendigung nachweisen muss, ist rechtmäßig. Die bisherige sozialgerichtliche Rechtsprechung zu qualitativen Beschränkungen nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV gilt auch nach Änderung durch das VÄndG für außerhalb eines Krankenhauses beschäftige Ärzte oder Psychotherapeuten.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Bedingung der Zulassung, ihre Tätigkeit beim C. e. V., D., spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Zulassungsbescheids aufzugeben.
Die 1957 geb. und jetzt 49-jährige Klägerin ist seit 1987 Diplom-Psychologin. Seit 1991 ist sie in diesem Beruf beim Caritasverband e. V., DX. beschäftigt. Seit 1999 ist sie approbierte Psychologische Psychotherapeutin.
Am 22.11.2005 beantragte die Klägerin die Zulassung als Praxisnachfolgerin der Psychologischen Psychotherapeutin S. in K., Kreis G ... Sie erklärte, sie sei derzeit beim C. e. V. teilzeitbeschäftigt (60 %) und beabsichtige, ihre Tätigkeit auf 13 Wochenstunden zu reduzieren.
Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab dem Antrag mit Beschluss vom 15.12.2005 (Beschlussausfertigung am 16.03.2006) unter der Bedingung, dass die Klägerin ihre Tätigkeit beim Caritasverband e. V., DX., spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses beende und die Beendigung nachweise, statt. In der Begründung heißt es, aufgrund der Reduzierung des Beschäftigungsverhältnisses werde die Klägerin ausreichend für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stehen. Es liege aber eine Interessen- und Pflichtenkollision nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV vor, weshalb die Zulassung nach Abs. 3 bedingt ausgesprochen werde.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.04.2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, mittlerweile sei die Verlegung des Praxissitzes nach G. genehmigt worden. Sie berate im Suchthilfezentrum DX. Klienten und vermittele ggf. zu Entzugsbehandlungen bzw. in stationäre Entwöhnungsbehandlungen. Eine Behandlung in ihrer Praxis sei deshalb ausgeschlossen. Dies wäre nicht professionell. Insofern gelte auch gegenüber ihrem Arbeitgeber ein "Wettbewerbsverbot". Eine "abstrakte" Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision gebe es nicht. Im Entwurf des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes sei eine Änderung enthalten. Die Gesetzesbegründung zeige, dass die Tätigkeiten miteinander vereinbar seien.
Mit Beschluss vom 05.07.2006, ausgefertigt am 13.09. und der Klägerin zugestellt am 14.09.2006, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter ausführlichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der Sozialgerichte sah er die Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision nach §20 Abs. 2 Ärzte-ZV. Die Tätigkeit der Klägerin in einem Suchthilfezentrum sei danach typischerweise als inkompatibel mit vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit anzusehen. Eine Selbstverpflichtung könne die abstrakte Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision nicht beseitigen. Der Gesetzentwurf beziehe sich nur auf die gleichzeitige Anstellung eines Arztes im Krankenhaus und im medizinischen Versorgungszentrum. Die Tätigkeit der Klägerin könne einer Tätigkeit in einer stationären Einrichtung nicht gleichgestellt werden. Maßgeblich sei im Übrigen die aktuell geltende Rechtslage.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2006 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor, eine "Vermischung" liege nicht vor, sie werde keine Klienten "an sich selbst" überweisen. Ihre Tätigkeit sei nicht mit der einer Beratungsstelle für Studierende einer Universität oder einer sozialtherapeutischen Beratungsstelle im Justizbereich vergleichbar. Inhalt ihrer Tätigkeit sei die psychologische Diagnostik, Durchführung ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, Krisenintervention, Therapieplanung, Team- und Fallbesprechung, Zwischen- und Abschlussberichte sowie Supervision. Wenn mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz eine Interessen- und Pflichtenkollision bei gleichzeitiger Tätigkeit eines Arztes im Krankenhaus und in niedergelassener Praxis nicht mehr bestehe, entfalle diese erst Recht in ihrem Fall. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz erlaube auch einen hälftigen Versorgungsauftrag. Dann dürfe aber in der verbleibenden Zeit jede andere berufliche oder sonstige Tätigkeit verrichtet werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung müsse überprüft werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 05.07.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.12.2005 ausgesprochene Bedingung, wonach sie ihre Tätigkeit beim Caritasverband e. V., DX. spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses beenden und die Beendigung nachweisen müsse, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seinen angefochtenen Beschluss und trägt weiter vor, die Klägerin verkenne den Begriff der "abstrakten Gefahr". Es solle eine auch nur theoretisch denkbare Kollision widerstreitender Interessen von vornherein ausgeschlossen werden. Suchtkranke würden nach einer stationären Behandlung ambulant psychotherapeutisch behandelt werden. Eine Behandlung Angehöriger komme ebf. in Betracht. Praxis und Arbeitsstelle seien nur etwa 30 km entfernt.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) und 8) haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 04.10.2006 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Kammer konnte dies trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 2 bis 8) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 05.07.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, die im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.12.2005 ausgesprochene Bedingung, wonach sie ihre Tätigkeit beim Caritasverband e. V., DX. spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses beenden und die Beendigung nachweisen müsse, aufzuheben.
Nach § 20 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung steht oder eine Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Entsprechend muss der Vertragsarzt dem Zulassungsantrag eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses vorlegen (vgl. § 18 Abs. 2 lit. d Ärzte-ZV).
Weitere ärztliche Tätigkeitsverhältnissen unterliegen damit Beschränkungen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs (quantitative Beschränkungen, vgl. § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV) und ihres Inhalts (qualitative Beschränkungen, vgl. § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV). Eine Zulassung kann unter der Bedingung erfolgen, dass das Zulassungshindernis beseitigt, also die weitere Tätigkeit aufgegeben oder beschränkt wird (vgl. § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV).
Nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist vom BSG wiederholt als verfassungsgemäß angesehen worden (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 23/94 - BSGE 76, 59, 63 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 1 = NZS 1996, 90 = juris Rdnr. 31-36; BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 39/96 - BSGE 80, 130 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 2 = MedR 1997, 515 = juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 21). Nach der Rechtsprechung des BSG will diese Vorschrift ihrem Sinn und Zweck nach ausschließen, dass bei der Zulassung eines Arztes als Vertragsarzt in dieser Eigenschaft durch eine anderweitig von ihm ausgeübte ärztliche Tätigkeit Interessen- und Pflichtenkollisionen entstehen. Solche sind u. a. dann anzunehmen, wenn sich die anderweitige ärztliche Tätigkeit und vertragsärztliche Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten u. a. wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen zum anderen Bereich verlagert werden können; oder wenn nicht gewährleistet ist, dass der Arzt aufgrund seiner anderweitigen ärztlichen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen persönlichen Mittel selbst bestimmen kann (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 22). Die Rechtsprechung hat bisher u. a. als zulässig angesehen die Niederlassung eines im Krankenhaus angestellte Pathologen, da es sich um Ärzte handelt, die ihrem typischen Fachgebietsinhalt nach regelmäßig nicht unmittelbar patientenbezogen ärztlich tätig sind, keinen direkten Kontakt zu einzelnen Patienten haben, die Behandlung nicht steuern und auch keine Leistungen Dritter veranlassen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 24-25). Lediglich rein technisch-administrative, organisatorische, dokumentarische oder publizistische Aufgaben dürfen wahrgenommen werden, wobei auch einer Psychotherapeutin gestattet sein müsste, für kurzfristig erforderlich werdende Behandlungen bzw. Kriseninterventionen in ihrer Arbeitsstelle abkömmlich zu sein (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 38).
Unzulässig ist in der Regel eine gleichzeitige patientenbezogene Tätigkeit in einem Krankenhaus. Unvereinbar ist die faktische Wahrnehmung der Tätigkeit eines Krankenhausarztes durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt, die nicht in den dafür zulassungsrechtlich vorgesehenen Formen wie der belegärztlichen Tätigkeit vorgenommen wird (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 23/94 - BSGE 76, 59 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 1 = juris Rdnr. 36). Im Einzelnen hat das BSG bisher entschieden, dass eine Vermischung beider Versorgungsbereiche regelmäßig in den Fällen vorliegt, in denen der die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Einzugsbereich des Krankenhauses begehrende Krankenhausarzt bei stationärem Aufenthalt von Patienten unmittelbar in deren Versorgung eingebunden ist. Es liegt nahe, dass sich z. B. Versicherte nach Beendigung der stationären Behandlung verpflichtet sehen könnten, die sich anschließende ambulante Behandlung bei dem gleichzeitig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhausarzt fortzusetzen, schon weil bei erneuter Inanspruchnahme stationärer Versorgung mit der Behandlung durch den Krankenhausarzt gerechnet werden kann. Auch die Möglichkeit, dass ein am Krankenhaus und gleichzeitig in der vertragsärztlichen Praxis tätiger Arzt aus nicht sachgerechten Gründen Behandlungsschritte bei Versicherten vom ambulanten in den stationären Bereich und umgekehrt verlagern kann, ist nicht von der Hand zu weisen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = juris Rdnr. 23). Ein am Krankenhaus angestellter Anästhesist kann nicht zugleich in dessen Einzugsbereich Vertragsarzt sein. Er arbeitet sowohl bei der narkosemäßigen Versorgung von Patienten aus Anlass von Operationen als auch im Rahmen der Schmerztherapie unmittelbar patientenbezogen (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 = juris Rdnr. 31). Die vertragsärztliche Tätigkeit neben einer werksärztlichen Tätigkeit auf dem Betriebsgelände ist unzulässig, wenn die Praxis mit Hilfe des Personals, das von der Firma für die betriebliche Ambulanz angestellt ist, und unter Benutzung der Einrichtungen der Ambulanz geführt wird, der Arzt bei halber Arbeitszeit das volle Gehalt weiter erhält, aber 100 % der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit bis zu dem Betrag, der 50 % ihres jeweiligen Bruttogehalts entspricht, und von den darüber hinausgehenden Einnahmen 70 % abführen muss. Die vertragliche Bindung des Arztes mit der Firma als Arbeitgeber begründet die Gefahr, dass der Arzt bei der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht frei von möglichen Einflussnahmen ist bzw. sich nicht von derartigen Einflussnahmen frei fühlen kann. Es besteht die Gefahr, dass sich werksärztliche und vertragsärztliche Tätigkeit in unzuträglicher Weise vermischen und dies sich zum Nachteil der Versicherten auswirkt und dass das Rechts der freien Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1) beeinträchtigt wird (vgl. BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 39/96 - BSGE 80, 130 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 2 = juris Rdnr. 16-23). Patientenbezogen ist auch die Tätigkeit der Psychiater und Psychotherapeuten (vgl. BSG, Urt. v. 25.11.1998 - B 6 KA 18/98 B – juris Rdnr. 4; BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 35).
Soweit die Gefahr von Interessen- und Pflichtenkollisionen vorliegt, kann diese nicht durch eine Selbstverpflichtungserklärung beseitigt werden (vgl. BSG v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 37).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist der angefochtene Beschluss des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist in ihrem Beschäftigungsverhältnis auch psychotherapeutisch tätig. Ausreichend ist die abstrakte Gefahr der Vermischung beider Tätigkeitsbereiche. Diese kann aufgrund der räumlichen Entfernung oder des Zuständigkeitsbereichs der Beratungsstelle in DX., in der die Klägerin eingesetzt ist, nicht ausgeschlossen werden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von dem, über den das SG Stuttgart, Urt. v. 16.03.2007 – S 12 KA 4768 – zu befinden hatte. Praxisstandort und Beschäftigungsort lagen dort mehrere hundert Kilometer auseinander.
Soweit Art. 5 Nr. 6 des Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) v. 22.12.2006, BGBl. I S. 3439, mit Geltung ab 01.01.2007, dem § 20 Abs. 2 folgenden Satz angefügt hat: "Die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar." ergibt sich, auch soweit diese Regelung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV i.d.F. des VÄndG Psychotherapeuten anzuwenden ist, keine Änderung der Rechtslage für außerhalb eines Krankenhauses beschäftige Ärzte oder Psychotherapeuten. Die zitierte Rechtsprechung ist daher für diesen Bereich nicht überholt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des angefügten Satzes. Hätte der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage für alle Versorgungsbereiche angestrebt, so hätte er den Abs. 2 des § 20 Ärzte-ZV vollständig streichen können, was er aber nicht getan hat. Damit hat er gerade für die übrigen Versorgungsbereiche die sozialgerichtliche Rechtsprechung bestätigt. Die nunmehr nach § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV bestehende Berechtigung eines Arztes bzw. Psychotherapeuten, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte des Versorgungsauftrages nach Absatz 1 zu beschränken, hat allenfalls Auswirkungen auf die quantitativen Beschränkungen nach § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV, nicht aber auf die qualitativen Beschränkungen nach Abs. 2.
Auch aus den gesetzgeberischen Motiven ergibt sich keine andere Erkenntnis. In der Gesetzesbegründung heißt es (BTagDrs. 16/2474, S. 29):
"Die Änderung ermöglicht zunächst, dass ein Vertragsarzt über die bereits von der Rechtsprechung anerkannten Fälle der nicht patientenbezogenen Tätigkeit hinaus (BSGE 81, 143 m. w. N. – Arzt für Pathologie –) in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen worden ist, tätig sein kann oder mit einer solchen Einrichtung kooperieren kann, ohne dass damit seine Eignung als Vertragsarzt in Frage gestellt ist. Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen der Arzt als angestellter Arzt der Organisationshoheit des Krankenhauses unterworfen ist (so in BSGE 81, 143; vgl. oben), als auch für die Fälle, in denen der Arzt in anderer Form mit dem Krankenhaus oder der Rehabilitationseinrichtung kooperiert (z. B. als Konsiliararzt, der vom Krankenhaus zur Beratung oder Mitbehandlung herangezogen wird).
Mit der Änderung wird weiter klargestellt, dass ein Arzt als Angestellter gleichzeitig in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig sein kann. Dies ergibt sich bereits – auch ohne Änderung des § 20 Abs. 2 – aus Folgendem: Der Gesetzgeber hat die Regelungen zu den medizinischen Versorgungszentren in Kenntnis der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 20 Abs. 2 (BSGE 81, 143 m. w. N.; vgl. oben) getroffen. Durch die Zulassung der Krankenhäuser als Gründer von medizinischen Versorgungszentren in § 95 Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz SGB V hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er eine enge Verzahnung von Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren anstrebt. Diese enge Verzahnung durch Trägeridentität kann jedoch nur dann wirtschaftlich sinnvoll ausgestaltet werden, wenn es dem Träger auch gestattet ist, die personellen Ressourcen optimal zu nutzen und das Personal sowohl im Krankenhaus als auch im medizinischen Versorgungszentrum einzusetzen. Es ist daher davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 20 Abs. 2 schon bisher so auszulegen ist, dass das Zulassungsrecht der gleichzeitigen Anstellung eines Arztes im Krankenhaus und im medizinischen Versorgungszentrum nicht entgegensteht, so dass eine derartige Beschäftigung vertragsarztrechtlich möglich ist.
Allerdings ist diese Auslegung nicht unumstritten. Einzelne Zulassungsausschüsse haben § 20 Abs. 2 auf die gleichzeitige Tätigkeit von Ärzten im medizinischen Versorgungszentrum und Krankenhaus angewandt und eine derartige Tätigkeit wegen der oben genannten Rechtsprechung ausgeschlossen.
Um eine einheitliche und klare Rechtsanwendung zu ermöglichen, stellt die Ergänzung des § 20 Abs. 2 nunmehr auch sicher, dass ein Arzt als Angestellter gleichzeitig in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig sein kann. Diese Rechtsfolge folgt aus § 1 Abs. 3, der regelt, dass die Zulassungsverordnung – und damit auch der § 20 Abs. 2 in der geänderten Fassung – u. a. für die in medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte entsprechend gilt. Soweit der neue Satz 2 des § 20 Abs. 2 daher einem Vertragsarzt ausdrücklich ermöglicht, gleichzeitig in einem Krankenhaus tätig zu sein, gilt dies über die Regelung des § 1 Abs. 3 nunmehr auch für den in einem medizinischen Versorgungszentrum angestellten Arzt.
Gleiches gilt für die gleichzeitige Tätigkeit als angestellter Arzt in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung und in einem medizinischen Versorgungszentrum.
Die gleichzeitige Anstellung in einer Vertragsarztpraxis nach § 95 Abs. 9 SGB V und in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung ist ebenfalls möglich. Dies ergab sich in der Vergangenheit daraus, dass eine entsprechende Geltung der Zulassungsverordnung auf die in Vertragsarztpraxen angestellten Ärzte – anders als bei den in medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzten (§ 1 Abs. 3) – nicht angeordnet war. Durch die Änderung des § 1 Abs. 3 gilt § 20 Abs. 2 nunmehr ausdrücklich auch für die bei Vertragsärzten angestellten Ärzte entsprechend.
Diese Änderung, insbesondere die Möglichkeit der gleichzeitigen Tätigkeit von angestellten Ärzten in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum, stellt einen wichtigen Beitrag zur besseren Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung dar. Krankenhäuser, die Träger eines medizinischen Versorgungszentrums sind, erhalten die Möglichkeit, die personellen Ressourcen optimal zu nutzen, indem sie das ärztliche Personal sowohl im Krankenhaus als auch im medizinischen Versorgungszentrum einsetzen."
Auch nach dem Willen des Gesetzgebers betrifft die Änderung lediglich Krankenhausärzte bzw. Krankenhauspsychotherapeuten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich um eine bloße Klarstellung oder nicht doch um eine Gesetzesänderung handelt. Von daher ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin meint, die Änderung beträfe auch ihre Tätigkeit in einer Suchtberatungsstelle.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Klägerin hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beklagten und die Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Bedingung der Zulassung, ihre Tätigkeit beim C. e. V., D., spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Zulassungsbescheids aufzugeben.
Die 1957 geb. und jetzt 49-jährige Klägerin ist seit 1987 Diplom-Psychologin. Seit 1991 ist sie in diesem Beruf beim Caritasverband e. V., DX. beschäftigt. Seit 1999 ist sie approbierte Psychologische Psychotherapeutin.
Am 22.11.2005 beantragte die Klägerin die Zulassung als Praxisnachfolgerin der Psychologischen Psychotherapeutin S. in K., Kreis G ... Sie erklärte, sie sei derzeit beim C. e. V. teilzeitbeschäftigt (60 %) und beabsichtige, ihre Tätigkeit auf 13 Wochenstunden zu reduzieren.
Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab dem Antrag mit Beschluss vom 15.12.2005 (Beschlussausfertigung am 16.03.2006) unter der Bedingung, dass die Klägerin ihre Tätigkeit beim Caritasverband e. V., DX., spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses beende und die Beendigung nachweise, statt. In der Begründung heißt es, aufgrund der Reduzierung des Beschäftigungsverhältnisses werde die Klägerin ausreichend für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stehen. Es liege aber eine Interessen- und Pflichtenkollision nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV vor, weshalb die Zulassung nach Abs. 3 bedingt ausgesprochen werde.
Hiergegen legte die Klägerin am 18.04.2006 Widerspruch ein. Sie führte aus, mittlerweile sei die Verlegung des Praxissitzes nach G. genehmigt worden. Sie berate im Suchthilfezentrum DX. Klienten und vermittele ggf. zu Entzugsbehandlungen bzw. in stationäre Entwöhnungsbehandlungen. Eine Behandlung in ihrer Praxis sei deshalb ausgeschlossen. Dies wäre nicht professionell. Insofern gelte auch gegenüber ihrem Arbeitgeber ein "Wettbewerbsverbot". Eine "abstrakte" Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision gebe es nicht. Im Entwurf des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes sei eine Änderung enthalten. Die Gesetzesbegründung zeige, dass die Tätigkeiten miteinander vereinbar seien.
Mit Beschluss vom 05.07.2006, ausgefertigt am 13.09. und der Klägerin zugestellt am 14.09.2006, wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Unter ausführlichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der Sozialgerichte sah er die Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision nach §20 Abs. 2 Ärzte-ZV. Die Tätigkeit der Klägerin in einem Suchthilfezentrum sei danach typischerweise als inkompatibel mit vertragspsychotherapeutischer Tätigkeit anzusehen. Eine Selbstverpflichtung könne die abstrakte Gefahr einer Interessen- und Pflichtenkollision nicht beseitigen. Der Gesetzentwurf beziehe sich nur auf die gleichzeitige Anstellung eines Arztes im Krankenhaus und im medizinischen Versorgungszentrum. Die Tätigkeit der Klägerin könne einer Tätigkeit in einer stationären Einrichtung nicht gleichgestellt werden. Maßgeblich sei im Übrigen die aktuell geltende Rechtslage.
Hiergegen hat die Klägerin am 29.09.2006 die Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor, eine "Vermischung" liege nicht vor, sie werde keine Klienten "an sich selbst" überweisen. Ihre Tätigkeit sei nicht mit der einer Beratungsstelle für Studierende einer Universität oder einer sozialtherapeutischen Beratungsstelle im Justizbereich vergleichbar. Inhalt ihrer Tätigkeit sei die psychologische Diagnostik, Durchführung ambulanter psychotherapeutischer Behandlung, Krisenintervention, Therapieplanung, Team- und Fallbesprechung, Zwischen- und Abschlussberichte sowie Supervision. Wenn mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz eine Interessen- und Pflichtenkollision bei gleichzeitiger Tätigkeit eines Arztes im Krankenhaus und in niedergelassener Praxis nicht mehr bestehe, entfalle diese erst Recht in ihrem Fall. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz erlaube auch einen hälftigen Versorgungsauftrag. Dann dürfe aber in der verbleibenden Zeit jede andere berufliche oder sonstige Tätigkeit verrichtet werden. Die höchstrichterliche Rechtsprechung müsse überprüft werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 05.07.2006 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.12.2005 ausgesprochene Bedingung, wonach sie ihre Tätigkeit beim Caritasverband e. V., DX. spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses beenden und die Beendigung nachweisen müsse, aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verweist auf seinen angefochtenen Beschluss und trägt weiter vor, die Klägerin verkenne den Begriff der "abstrakten Gefahr". Es solle eine auch nur theoretisch denkbare Kollision widerstreitender Interessen von vornherein ausgeschlossen werden. Suchtkranke würden nach einer stationären Behandlung ambulant psychotherapeutisch behandelt werden. Eine Behandlung Angehöriger komme ebf. in Betracht. Praxis und Arbeitsstelle seien nur etwa 30 km entfernt.
Die Beigeladene zu 1) beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beigeladene zu 2) und 8) haben keinen Antrag gestellt.
Die Beigeladenen haben sich schriftsätzlich zum Verfahren nicht geäußert.
Die Kammer hat mit Beschluss vom 04.10.2006 die Beiladung ausgesprochen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten und der Krankenkassen verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die Kammer konnte dies trotz Ausbleibens eines Vertreters der Beigeladenen zu 2 bis 8) tun, weil diese ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sind (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Beschluss des Beklagten vom 05.07.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, die im Beschluss des Zulassungsausschusses vom 15.12.2005 ausgesprochene Bedingung, wonach sie ihre Tätigkeit beim Caritasverband e. V., DX. spätestens drei Monate nach Bestandskraft des Beschlusses beenden und die Beendigung nachweisen müsse, aufzuheben.
Nach § 20 der Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der wegen eines Beschäftigungsverhältnisses für die Versorgung der Versicherten persönlich nicht im erforderlichen Maße zur Verfügung steht oder eine Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Entsprechend muss der Vertragsarzt dem Zulassungsantrag eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse unter Angabe des frühestmöglichen Endes des Beschäftigungsverhältnisses vorlegen (vgl. § 18 Abs. 2 lit. d Ärzte-ZV).
Weitere ärztliche Tätigkeitsverhältnissen unterliegen damit Beschränkungen hinsichtlich des zeitlichen Umfangs (quantitative Beschränkungen, vgl. § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV) und ihres Inhalts (qualitative Beschränkungen, vgl. § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV). Eine Zulassung kann unter der Bedingung erfolgen, dass das Zulassungshindernis beseitigt, also die weitere Tätigkeit aufgegeben oder beschränkt wird (vgl. § 20 Abs. 3 Ärzte-ZV).
Nach § 20 Abs. 2 Ärzte-ZV ist für die Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nicht geeignet ein Arzt, der eine ärztliche Tätigkeit ausübt, die ihrem Wesen nach mit der Tätigkeit des Vertragsarztes am Vertragsarztsitz nicht zu vereinbaren ist. Diese Vorschrift ist vom BSG wiederholt als verfassungsgemäß angesehen worden (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 23/94 - BSGE 76, 59, 63 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 1 = NZS 1996, 90 = juris Rdnr. 31-36; BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 39/96 - BSGE 80, 130 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 2 = MedR 1997, 515 = juris Rdnr. 15; BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 21). Nach der Rechtsprechung des BSG will diese Vorschrift ihrem Sinn und Zweck nach ausschließen, dass bei der Zulassung eines Arztes als Vertragsarzt in dieser Eigenschaft durch eine anderweitig von ihm ausgeübte ärztliche Tätigkeit Interessen- und Pflichtenkollisionen entstehen. Solche sind u. a. dann anzunehmen, wenn sich die anderweitige ärztliche Tätigkeit und vertragsärztliche Tätigkeit vermischen können und dies sich zum einen zum Nachteil der Versicherten u. a. wegen einer faktischen Beschränkung des Rechts auf freie Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1) und zum anderen zum Nachteil der Kostenträger auswirken kann, weil insoweit je nach persönlichem Interesse des Arztes Leistungen aus nicht sachgerechten Gründen von dem einen zum anderen Bereich verlagert werden können; oder wenn nicht gewährleistet ist, dass der Arzt aufgrund seiner anderweitigen ärztlichen Tätigkeit Inhalt und Umfang einer vertragsärztlichen Tätigkeit und den Einsatz der der Praxis zugeordneten sachlichen persönlichen Mittel selbst bestimmen kann (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 22). Die Rechtsprechung hat bisher u. a. als zulässig angesehen die Niederlassung eines im Krankenhaus angestellte Pathologen, da es sich um Ärzte handelt, die ihrem typischen Fachgebietsinhalt nach regelmäßig nicht unmittelbar patientenbezogen ärztlich tätig sind, keinen direkten Kontakt zu einzelnen Patienten haben, die Behandlung nicht steuern und auch keine Leistungen Dritter veranlassen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = NJW 1998, 3442 = juris Rdnr. 24-25). Lediglich rein technisch-administrative, organisatorische, dokumentarische oder publizistische Aufgaben dürfen wahrgenommen werden, wobei auch einer Psychotherapeutin gestattet sein müsste, für kurzfristig erforderlich werdende Behandlungen bzw. Kriseninterventionen in ihrer Arbeitsstelle abkömmlich zu sein (vgl. BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 38).
Unzulässig ist in der Regel eine gleichzeitige patientenbezogene Tätigkeit in einem Krankenhaus. Unvereinbar ist die faktische Wahrnehmung der Tätigkeit eines Krankenhausarztes durch einen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt, die nicht in den dafür zulassungsrechtlich vorgesehenen Formen wie der belegärztlichen Tätigkeit vorgenommen wird (vgl. BSG, Urt. v. 15.03.1995 - 6 RKa 23/94 - BSGE 76, 59 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 1 = juris Rdnr. 36). Im Einzelnen hat das BSG bisher entschieden, dass eine Vermischung beider Versorgungsbereiche regelmäßig in den Fällen vorliegt, in denen der die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Einzugsbereich des Krankenhauses begehrende Krankenhausarzt bei stationärem Aufenthalt von Patienten unmittelbar in deren Versorgung eingebunden ist. Es liegt nahe, dass sich z. B. Versicherte nach Beendigung der stationären Behandlung verpflichtet sehen könnten, die sich anschließende ambulante Behandlung bei dem gleichzeitig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Krankenhausarzt fortzusetzen, schon weil bei erneuter Inanspruchnahme stationärer Versorgung mit der Behandlung durch den Krankenhausarzt gerechnet werden kann. Auch die Möglichkeit, dass ein am Krankenhaus und gleichzeitig in der vertragsärztlichen Praxis tätiger Arzt aus nicht sachgerechten Gründen Behandlungsschritte bei Versicherten vom ambulanten in den stationären Bereich und umgekehrt verlagern kann, ist nicht von der Hand zu weisen (vgl. BSG, Urt. v. 05.11.1997 – 6 RKa 52/97 – BSGE 81, 143 = SozR 3-2500 § 95 Nr. 16 = juris Rdnr. 23). Ein am Krankenhaus angestellter Anästhesist kann nicht zugleich in dessen Einzugsbereich Vertragsarzt sein. Er arbeitet sowohl bei der narkosemäßigen Versorgung von Patienten aus Anlass von Operationen als auch im Rahmen der Schmerztherapie unmittelbar patientenbezogen (vgl. BSG, Urt. v. 05.02.2003 - B 6 KA 22/02 R - SozR 4-2500 § 95 Nr. 2 = juris Rdnr. 31). Die vertragsärztliche Tätigkeit neben einer werksärztlichen Tätigkeit auf dem Betriebsgelände ist unzulässig, wenn die Praxis mit Hilfe des Personals, das von der Firma für die betriebliche Ambulanz angestellt ist, und unter Benutzung der Einrichtungen der Ambulanz geführt wird, der Arzt bei halber Arbeitszeit das volle Gehalt weiter erhält, aber 100 % der Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit bis zu dem Betrag, der 50 % ihres jeweiligen Bruttogehalts entspricht, und von den darüber hinausgehenden Einnahmen 70 % abführen muss. Die vertragliche Bindung des Arztes mit der Firma als Arbeitgeber begründet die Gefahr, dass der Arzt bei der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nicht frei von möglichen Einflussnahmen ist bzw. sich nicht von derartigen Einflussnahmen frei fühlen kann. Es besteht die Gefahr, dass sich werksärztliche und vertragsärztliche Tätigkeit in unzuträglicher Weise vermischen und dies sich zum Nachteil der Versicherten auswirkt und dass das Rechts der freien Arztwahl (§ 76 Abs. 1 S. 1) beeinträchtigt wird (vgl. BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 39/96 - BSGE 80, 130 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 2 = juris Rdnr. 16-23). Patientenbezogen ist auch die Tätigkeit der Psychiater und Psychotherapeuten (vgl. BSG, Urt. v. 25.11.1998 - B 6 KA 18/98 B – juris Rdnr. 4; BSG, Urt. v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 35).
Soweit die Gefahr von Interessen- und Pflichtenkollisionen vorliegt, kann diese nicht durch eine Selbstverpflichtungserklärung beseitigt werden (vgl. BSG v. 30.01.2002 - B 6 KA 20/01 R - BSGE 89, 134 = SozR 3-5520 § 20 Nr. 3 = juris Rdnr. 37).
Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist der angefochtene Beschluss des Beklagten nicht zu beanstanden. Die Klägerin ist in ihrem Beschäftigungsverhältnis auch psychotherapeutisch tätig. Ausreichend ist die abstrakte Gefahr der Vermischung beider Tätigkeitsbereiche. Diese kann aufgrund der räumlichen Entfernung oder des Zuständigkeitsbereichs der Beratungsstelle in DX., in der die Klägerin eingesetzt ist, nicht ausgeschlossen werden. Insofern unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von dem, über den das SG Stuttgart, Urt. v. 16.03.2007 – S 12 KA 4768 – zu befinden hatte. Praxisstandort und Beschäftigungsort lagen dort mehrere hundert Kilometer auseinander.
Soweit Art. 5 Nr. 6 des Gesetz zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) v. 22.12.2006, BGBl. I S. 3439, mit Geltung ab 01.01.2007, dem § 20 Abs. 2 folgenden Satz angefügt hat: "Die Tätigkeit in oder die Zusammenarbeit mit einem zugelassenen Krankenhaus nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung nach § 111 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Tätigkeit des Vertragsarztes vereinbar." ergibt sich, auch soweit diese Regelung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 Ärzte-ZV i.d.F. des VÄndG Psychotherapeuten anzuwenden ist, keine Änderung der Rechtslage für außerhalb eines Krankenhauses beschäftige Ärzte oder Psychotherapeuten. Die zitierte Rechtsprechung ist daher für diesen Bereich nicht überholt. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des angefügten Satzes. Hätte der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage für alle Versorgungsbereiche angestrebt, so hätte er den Abs. 2 des § 20 Ärzte-ZV vollständig streichen können, was er aber nicht getan hat. Damit hat er gerade für die übrigen Versorgungsbereiche die sozialgerichtliche Rechtsprechung bestätigt. Die nunmehr nach § 19a Abs. 2 Ärzte-ZV bestehende Berechtigung eines Arztes bzw. Psychotherapeuten, durch schriftliche Erklärung gegenüber dem Zulassungsausschuss seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte des Versorgungsauftrages nach Absatz 1 zu beschränken, hat allenfalls Auswirkungen auf die quantitativen Beschränkungen nach § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV, nicht aber auf die qualitativen Beschränkungen nach Abs. 2.
Auch aus den gesetzgeberischen Motiven ergibt sich keine andere Erkenntnis. In der Gesetzesbegründung heißt es (BTagDrs. 16/2474, S. 29):
"Die Änderung ermöglicht zunächst, dass ein Vertragsarzt über die bereits von der Rechtsprechung anerkannten Fälle der nicht patientenbezogenen Tätigkeit hinaus (BSGE 81, 143 m. w. N. – Arzt für Pathologie –) in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, mit der ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen worden ist, tätig sein kann oder mit einer solchen Einrichtung kooperieren kann, ohne dass damit seine Eignung als Vertragsarzt in Frage gestellt ist. Dies gilt sowohl für die Fälle, in denen der Arzt als angestellter Arzt der Organisationshoheit des Krankenhauses unterworfen ist (so in BSGE 81, 143; vgl. oben), als auch für die Fälle, in denen der Arzt in anderer Form mit dem Krankenhaus oder der Rehabilitationseinrichtung kooperiert (z. B. als Konsiliararzt, der vom Krankenhaus zur Beratung oder Mitbehandlung herangezogen wird).
Mit der Änderung wird weiter klargestellt, dass ein Arzt als Angestellter gleichzeitig in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig sein kann. Dies ergibt sich bereits – auch ohne Änderung des § 20 Abs. 2 – aus Folgendem: Der Gesetzgeber hat die Regelungen zu den medizinischen Versorgungszentren in Kenntnis der älteren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 20 Abs. 2 (BSGE 81, 143 m. w. N.; vgl. oben) getroffen. Durch die Zulassung der Krankenhäuser als Gründer von medizinischen Versorgungszentren in § 95 Abs. 1 Satz 3 zweiter Halbsatz SGB V hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er eine enge Verzahnung von Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren anstrebt. Diese enge Verzahnung durch Trägeridentität kann jedoch nur dann wirtschaftlich sinnvoll ausgestaltet werden, wenn es dem Träger auch gestattet ist, die personellen Ressourcen optimal zu nutzen und das Personal sowohl im Krankenhaus als auch im medizinischen Versorgungszentrum einzusetzen. Es ist daher davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers § 20 Abs. 2 schon bisher so auszulegen ist, dass das Zulassungsrecht der gleichzeitigen Anstellung eines Arztes im Krankenhaus und im medizinischen Versorgungszentrum nicht entgegensteht, so dass eine derartige Beschäftigung vertragsarztrechtlich möglich ist.
Allerdings ist diese Auslegung nicht unumstritten. Einzelne Zulassungsausschüsse haben § 20 Abs. 2 auf die gleichzeitige Tätigkeit von Ärzten im medizinischen Versorgungszentrum und Krankenhaus angewandt und eine derartige Tätigkeit wegen der oben genannten Rechtsprechung ausgeschlossen.
Um eine einheitliche und klare Rechtsanwendung zu ermöglichen, stellt die Ergänzung des § 20 Abs. 2 nunmehr auch sicher, dass ein Arzt als Angestellter gleichzeitig in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig sein kann. Diese Rechtsfolge folgt aus § 1 Abs. 3, der regelt, dass die Zulassungsverordnung – und damit auch der § 20 Abs. 2 in der geänderten Fassung – u. a. für die in medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzte entsprechend gilt. Soweit der neue Satz 2 des § 20 Abs. 2 daher einem Vertragsarzt ausdrücklich ermöglicht, gleichzeitig in einem Krankenhaus tätig zu sein, gilt dies über die Regelung des § 1 Abs. 3 nunmehr auch für den in einem medizinischen Versorgungszentrum angestellten Arzt.
Gleiches gilt für die gleichzeitige Tätigkeit als angestellter Arzt in einer Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtung und in einem medizinischen Versorgungszentrum.
Die gleichzeitige Anstellung in einer Vertragsarztpraxis nach § 95 Abs. 9 SGB V und in einem Krankenhaus oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung ist ebenfalls möglich. Dies ergab sich in der Vergangenheit daraus, dass eine entsprechende Geltung der Zulassungsverordnung auf die in Vertragsarztpraxen angestellten Ärzte – anders als bei den in medizinischen Versorgungszentren angestellten Ärzten (§ 1 Abs. 3) – nicht angeordnet war. Durch die Änderung des § 1 Abs. 3 gilt § 20 Abs. 2 nunmehr ausdrücklich auch für die bei Vertragsärzten angestellten Ärzte entsprechend.
Diese Änderung, insbesondere die Möglichkeit der gleichzeitigen Tätigkeit von angestellten Ärzten in einem Krankenhaus und in einem medizinischen Versorgungszentrum, stellt einen wichtigen Beitrag zur besseren Verzahnung ambulanter und stationärer Versorgung dar. Krankenhäuser, die Träger eines medizinischen Versorgungszentrums sind, erhalten die Möglichkeit, die personellen Ressourcen optimal zu nutzen, indem sie das ärztliche Personal sowohl im Krankenhaus als auch im medizinischen Versorgungszentrum einsetzen."
Auch nach dem Willen des Gesetzgebers betrifft die Änderung lediglich Krankenhausärzte bzw. Krankenhauspsychotherapeuten, wobei dahingestellt bleiben kann, ob es sich um eine bloße Klarstellung oder nicht doch um eine Gesetzesänderung handelt. Von daher ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerin meint, die Änderung beträfe auch ihre Tätigkeit in einer Suchtberatungsstelle.
Nach allem war die Klage daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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