L 19 B 284/07 AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 99 AS 9857/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 284/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Dezember 2006 aufgehoben. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Gründe:

I. Mit Bescheid vom 25. Juli 2005 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen an die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2005 ab. Auf den Überprüfungsantrag erteilte er am 2. Juni 2006 einen Bescheid, in dem er ausführte, die Überprüfung habe ergeben, dass der Bescheid dahingehend zu korrigieren sei, dass er sich auf die Zeit seit dem 1. Juli 2005 beziehe. Im Übrigen sei er nicht zu beanstanden. Die Klägerin erhob dagegen am 15. Juni 2006 ohne Begründung Widerspruch. Der Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 27. Juni 2006 den Eingang des Widerspruchs und führte weiter aus: "Ich werde mich bemühen, ihn so schnell wie möglich zu bearbeiten. Dies kann jedoch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Bitte sehen Sie deshalb möglichst von Rückfragen ab.

Soweit Sie ihren Widerspruch noch nicht begründet haben, bitte ich Sie, die Begründung innerhalb der nächsten vier Wochen nachzureichen." Am 27. Oktober 2006 erhob die Klägerin Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Erteilung eines Widerspruchbescheides zu verurteilen. Am 29. November 2006 erging der Widerspruchbescheid. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragte, der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Mit Beschluss vom 23. Januar 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass der Beklagte der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten hat. Es sei zu berücksichtigen, dass der Beklagte über den Widerspruch der Klägerin mit zureichendem Grund nicht innerhalb der Dreimonatsfrist entschieden habe. Denn der Bevollmächtigte der Klägerin sei ausdrücklich zu einer Begründung des Widerspruchs aufgefordert worden. Dies sei jedoch bis zum Zeitpunkt der Klageerhebung nicht erfolgt. Bei dieser Sachlage habe die Klägerin eine Entscheidung innerhalb der Dreimonatsfrist nicht erwarten können. Gegen den am 14. Februar 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 16. Februar 2007 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Die Klägerin ist der Ansicht, die außergerichtlichen Kosten müssten der Beklagten auferlegt werden. Der Eingangsbestätigung sei nicht zu entnehmen gewesen, dass der Widerspruch nicht beschieden werde, wenn sie ihn nicht begründe. II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet. Der Beklagte hat der Klägerin die Verfahrenskosten zu erstatten. Nach § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes SGG ist über die Erstattung der Kosten ei¬nes ohne Urteil abgeschlossenen Verfahrens auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden. Das Verfahren ist durch die einseitige Erledigungserklärung der Klägerin beendet worden. Sie ist einer Klagerücknahme gleichzusetzen (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Dezember 2005 – B 7a AL 192/05 B ). Die Kostenentscheidung durch das Gericht ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Ausschlaggebend ist in der Regel der mutmaßliche Verfahrensausgang. Jedoch können auch andere Gesichtspunkte wie z. B. die Veranlassung zur Klageerhebung berücksichtigt werden, Hier ist ausschlaggebend, dass der Beklagte den Prozess wahrscheinlich verloren hätte. Nach § 88 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 SGG ist eine auf den Erlass eines Widerspruchbescheides gerichtete Klage nicht vor Ablauf von 3 Monaten nach Einlegung des Widerspruchs zulässig. Diese sog. Untätigkeitsklage ist zulässig und begründet, wenn der Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist. Auszugehen ist hier von einem am 15. Juni 2006 eingelegten Widerspruch. Für die Prüfung, ob ein zureichender Grund für die Dauer des Verwaltungsverfahrens vorliegt, muß der Beklagte darlegen, welche Gründe eine frühere Bescheiderteilung verhindert haben. Die von dem Beklagten geltend gemachten Gründe sind nicht zureichend im Sinne von § 88 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Beklagte hat als Begründung der späten Entscheidung lediglich angegeben, angesichts der bekannten Vielzahl vorliegender Widersprüche werde es für sachgerecht gehalten, bevorzugt die begründeten Widersprüche zu bearbeiten. Es ist jedoch kein zureichender Grund für die verspätete Erteilung eines Widerspruchbescheides, wenn ein Widerspruch nicht begründet wird. Auch ein unbegründeter Widerspruch muss beschieden werden. Ein zureichender Grund liegt nur vor, solange der Beklagte für den jeweiligen Widerspruchsführer ersichtlich auf eine Begründung wartet. Dieser Zeitraum kann vom Widerspruchsführer beendet werden, indem er die Begründung einreicht oder mitteilt, dass er die Abgabe einer Begründung nicht beabsichtigt. Im vorliegenden Fall lag somit ein zureichender Grund nur vor, während die Klägerin davon ausgehen musste, dass der Beklagte den Eingang einer Begründung abwartet. Dies war seit ihrer Kenntnis des Schreibens des Beklagten vom 27. Juni 2006 bis zum Ablauf der dort genannten vier Wochen der Fall. In dieser Zeit musste sie davon ausgehen, dass der Widerspruch vor der Begründung nicht bearbeitet wird. Aber selbst wenn man diese Frist der Dreimonatsfrist des § 88 Abs. 2 SGG hinzurechnet, war die am 27. Oktober 2006, also mehr als vier Monate nach Einlegung des Widerspruchs eingegangene Klage zulässig und begründet. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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