L 18 B 1326/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 8622/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 B 1326/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 27. Juni 2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Wegen der Dringlichkeit der Sache war in entsprechender Anwendung von § 155 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz durch den Vorsitzenden zu entscheiden.

Die Beschwerde der Antragsteller ist nicht begründet. Gegenstand von Antrag und Beschwerde sind geltend gemachte Ansprüche der beiden Antragsteller, die als Eheleute (vgl. § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3a Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – SGB II -) in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Ob der Antragstellerin zu 1., die eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) bezieht, allerdings eigene Ansprüche nach dem SGB II zustehen, hängt davon ab, ob sie erwerbsfähig i. S. des § 8 SGB II ist; der Bezug einer EU-Rente besagt aber grundsätzlich nichts über die Erwerbs(un)fähigkeit nach dem SGB II (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 10/06 R – veröffentlicht in juris). Selbst bei Annahme einer EU im vorgenannten Sinne kann aber ein Anspruch der Antragstellerin zu 1. auf Sozialgeld nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestehen, soweit diese keinen Anspruch nach den §§ 41 ff Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) hat. Danach erhalten zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dauerhafter Erwerbsminderung Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, auf Antrag die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach diesem Kapitel des SGB XII. Ob die Antragstellerin zu 1. diese Voraussetzungen erfüllt – mit der Folge, dass sie in jedem Fall nach dem SGB II nicht leistungsberechtigt wäre – bedarf jedoch vorliegend keiner abschließenden Klärung. Denn selbst wenn zugunsten der Antragstellerin zu 1. eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II unterstellt wird, ergeben sich – was noch darzulegen sein wird – für die Zeit ab 11. April 2007 (Antragseingang bei dem Sozialgericht – SG -) für die Antragsteller keine höheren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als die zuletzt in dem maßgebenden Änderungsbescheid des Antragsgegners vom 16. Mai 2007 für die Zeit bis 30. September 2007 festgesetzten.

Soweit die Antragsteller den Erlass einer auf Gewährung höherer SGB II-Leistungen gerichteten gerichtlichen Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG für die Zeit vor dem Eingang ihres Rechtsschutzantrages bei dem SG (11. April 2007) begehren, fehlt es bereits an einem Anordnungsgrund; als "Notfallhilfe" kommt die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes insoweit nicht in Betracht. Hinsichtlich des Zeitraumes ab 1. Oktober 2007 wäre ein Antrag überdies bereits unzulässig, weil eine Verwaltungsentscheidung bzw. eine Vorbefassung des Antragsgegners für Leistungszeiträume ab 1. Oktober 2007 nicht ersichtlich ist.

Für den verbleibenden Zeitraum vom 11. April 2007 bis 30. September 2007 gilt Folgendes:

In Bezug auf die – abtrennbaren (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – veröffentlicht in juris) – Kosten für Unterkunft und Heizung (vgl. § 22 SGB II) ist ein eiliges Regelungsbedürfnis und mithin ein Anordnungsgrund ebenfalls nicht dargetan. Eine Wohnungs- oder gar Obdachlosigkeit der Antragsteller sind nicht zu besorgen. Auch im Übrigen ist eine dringende gegenwärtige Notlage durch gegebenenfalls nicht entrichtete Grundstücks- und Betriebskosten nicht erkennbar. Die eingereichten Belege beziehen sich zudem überwiegend auf Zeiträume, die hier nicht in Rede stehen. Hinzu kommt, dass Aufwendungen, die – wie bspw. die Heizölrechnung vom 13. März 2007 – vor dem Antragseingang getätigt worden sind, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind (vgl. hierzu allgemein: BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 8/06 R – veröffentlicht in juris). Denn nur ein tatsächlicher aktueller Bedarf kann insoweit maßgebend sein. Die Stromkosten sind darüber hinaus Bestandteil der Regelleistung (vgl. § 20 Abs. 1 SGB II) und nicht der Unterkunftskosten, weil die Antragsteller mit Öl heizen.

Höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts – nur insoweit läge ein Anordnungsgrund wegen des existenzsichernden Charakters dieser Leistungen vor - können die Antragsteller für die Zeit vom 11. April 2007 bis 30. September 2007 nicht verlangen. Wird zugunsten der Antragstellerin zu 1. – wie sie selbst auch vorträgt – eine Anspruchsberechtigung nach dem SGB II unterstellt, ist von einem Regelbedarf von jeweils 311,- EUR, ab 1. Juli 2007 von jeweils 312,- EUR für beide Antragsteller auszugehen, wobei offen bleiben kann, ob sich ein entsprechender Anspruch der Antragstellerin zu 1. aus § 28 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB II oder unmittelbar aus § 19 Satz 1 i.V. mit § 20 Abs. 3 SGB II ergibt. Ein Mehrbedarf kommt nicht zum Tragen, weil der Antragstellerin zu 1. nicht das Merkzeichen "G" (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 SGB II) zuerkannt ist. Hieraus ergibt sich ein Gesamtbedarf an Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Unterkunftskosten von 622,- EUR bzw. 624,- EUR. Von dem Renteneinkommen der Antragstellerin zu 1. in Höhe von monatlich 621,78 EUR ist die Versicherungspauschale von 30,- EUR (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung) abzuziehen, das sich sodann ergebende einsetzbare Einkommen von 591,78 EUR ist im Verhältnis des jeweils eigenen Bedarfs jedes Antragstellers zum Gesamtbedarf (vgl. § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II) zu verteilen, d.h. bei jedem der beiden Antragsteller ist Einkommen in Höhe von jeweils 295,89 EUR zu berücksichtigen. Die Versicherungspauschale kann bei dem Antragsteller zu 2. nicht nochmals in Ansatz gebracht werden, weil sie die tatsächliche Erzielung von Einkommen voraussetzt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R – veröffentlicht in juris). Da das einsetzbare Einkommen gemäß § 19 Satz 3 SGB II zunächst die Geldleistungen der Agentur für Arbeit und erst danach die Leistung der kommunalen Träger (= Kosten der Unterkunft) mindert, sind bei den Antragstellern jeweils 295,89 EUR in vollem Umfang auf den Regelbedarf anzurechnen; es verbleiben Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (ohne Unterkunftskosten) in Höhe von jeweils 15,11 EUR bzw. 16,11 EUR monatlich (gerundet nach § 41 Abs. 2 SGB VI: 15,- EUR bzw. 16,- EUR). Durch die Rentenerhöhung zum 1. Juli 2007 dürfte sich der Anrechnungsbetrag zudem noch geringfügig erhöhen. Da der Antragsgegner deutlich höhere monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 11. April 2007 bis 30. September 2007 festgestellt hat, kommt eine zusätzliche Leistungsgewährung insoweit nicht in Betracht. Der Berechnungsmodus des Antragsgegners geht davon aus, dass die Antragstellerin zu 1. nach dem SGB II nicht leistungsberechtigt ist. In diesem Fall greift nämlich § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II nicht ein.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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