Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 SO 91/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 29/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klagen werden abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anspruchsübergangsanzeige gem. § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die (zumindest seit 1995 anerkannt) schwerstpflegebedürftige Klägerin zu 2) ist die Mutter der Klägerin zu 1). Deren Ehemann/Vater X.Q. verstarb am 10.09.2002. Seit Oktober 2002 lebt die Klägerin zu 2) in einem Altenpflegeheim. Seit 01.06.2002 erhält sie von dem Beklagten Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten.
Durch notariellen Vertrag vom 20.02.2001 übertrugen die Klägerin zu 2) und ihr Ehemann ihre jeweiligen 1/2-Miteigentumsanteile am Hausgrundbesitz in H., die Klägerin zu 2) zusätzlich einen Miteigentumsanteil an einer Ackerparzelle auf die Klägerin zu 1) zu deren Alleineigentum; die Klägerin zu 1) räumte in dem Vertrag ihren Eltern ein lebenslanges Wohnrecht an dem übertragenen Hausgrundstück ein.
Durch Bescheid vom 27.09.2006 zeigte der Beklagte den Klägerinnen den Übergang eines (vermeintlichen) Rückforderungsanspruch der Klägerin zu 2) gegen die Klägerin zu 1) nach § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bis zur Höhe der Sozialaufwendungen auf den Beklagten als örtlichen Träger der Sozialhilfe an. Die dagegen eingelegten Widersprüche der Klägerinnen wies der Beklagte durch zwei Widerspruchsbescheide vom 20.11.2006 als unbegründet zurück.
Dagegen haben die Klägerinnen jeweils am 22.12.2006 Klage erhoben. Sie halten die Überleitungsanzeige für rechtswidrig. Sie meinen, ein Rückforderungsanspruch der Klägerin zu 2) nach § 528 BGB bestehe nicht, weil es sich bei der Grundbesitzübertragung durch den Notarvertrag aus dem Jahre 2001 nicht um eine Schenkung gehandelt habe; es liege keine Unentgeltlichkeit im Sinne einer Schenkung vor, da die Übertragung nicht unabhängig von einer Gegenleistung geschehen sei; vielmehr habe die Klägerin zu 1) ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Des weiteren sind die Klägerinnen der Ansicht, eine Rückforderung des hälftigen Eigentumsanteils des verstorbenen Vaters sei nicht mehr möglich. Auch die Rückforderung des früheren Miteigentumsanteils der Klägerin zu 2) sei nicht durchführbar, da die zugewandten Grundstücke unteilbar seien. Schließlich stehe der Rechtmäßigkeit einer Anspruchsüberleitung entgegen, dass es sich um nicht einzusetzendes, weil nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschütztes Vermögen handele. Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 27.09.2006 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 20.11.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er meint, die Rechtmäßigkeit der Überleitung sei grundsätzlich nicht vom Bestehen und dem Umfang des übergeleiteten Anspruchs abhängig. Rechtswidrigkeit liege nur dann vor, wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs nach materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen und damit die Überleitungsanzeige selbst erkennbar sinnlos sei. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen sind zulässig, aber nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 27.09.2006 beinhaltet lediglich die Anzeige des Übergangs eines möglichen Anspruchs der Klägerin zu 2) gegen die Klägerin zu 1) auf den Beklagten. Diese Übergangsanzeige ist formell ordnungsgemäß ergangen und auch materiell rechtmäßig. Dadurch wird nicht etwa für die Klägerinnen verbindlich festgestellt, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hängt die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige nicht davon ab, ob der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1969 - BVerwGE 34, 219; Urteil vom 17.05.1973 = BVerwGE 42, 198; Urteil vom 06.11.1975 = BVerwGE 49, 316; Urteil vom 05.10.1978 - BVerwGE 56, 300; Beschluss vom 15.04.1996 - 5 B 12/96). Es genügt, dass die übergeleiteten Ansprüche möglich erscheinen. Die Überleitung wäre nur dann rechtswidrig, wenn der betreffende Anspruch offensichtlich ausgeschlossen wäre (Negativevidenz). Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall.
Was den Einwand fehlender Unentgeltlichkeit der Übertragung angeht, sprechen weder die Wortwahl "Grundstücksübertragungsvertrag" in der notariellen Urkunde vom 20.02.2001 noch das eingeräumte Wohnrecht evident gegen eine Schenkung. Im Gegenteil: Die in einem Übertragungsvertrag auferlegte Versorgung des Übergebers ist in der Regel nicht Gegenleistung, sondern Auflage. Ein eingeräumtes Wohnrecht ist regelmäßig keine Gegenleistung, sondern mindert den Wert des Geschenkes (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.1989 - V ZR 252/87 = BGHZ 107, 156 = NJW 1989, 2122).
Soweit die Klägerinnen geltend machen, ein Rückübertragungsanspruch könne allenfalls den seinerzeit übertragenen 1/2-Miteigentumsanteil der Klägerin zu 2) erfassen, nicht aber den des verstorbenen Vaters, stehen dem die angefochtenen Bescheide nicht entgegen. Der Beklagte hat in der Überleitungsanzeige vom 27.12.2006 ausdrücklich nur auf die Miteigentumsanteile der Klägerin zu 2) an der Ackerparzelle und dem Hausgrundstück Bezug genommen, nicht aber auf Miteigentumsanteile des verstorbenen Vaters der Klägerin zu 1). Insofern bezieht sich die Überleitung auch ausschließlich auf mögliche Rückübertragungsansprüche der Klägerin zu 2) gegen die Klägerin zu 1).
Der Einwand der Klägerinnen, dass auch diese Miteigentumsanteile nicht übertragen werden könnten, da der Grundbesitz nicht teilbar sei, entzieht sich dem Rechtsverständnis der Kammer. Die Unteilbarkeit von Grundbesitz hat keine Auswirkungen auf die Übertrag- barkeit von Miteigentumsanteilen an diesem Grundbesitz.
Schließlich ist auch der Einwand der Klägerinnen auf die Vorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht nachvollziehbar. Zwar ist ein angemessenes Hausgrundstück Schonvermögen, das sozialhilferechtlich anrechnungsfrei zu bleiben hat; jedoch gilt dies nur in Bezug auf die nachfragende sozialhilfebedürftige Person oder eine andere der in den § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Personen. Als solche kommt hier allein die Klägerin zu 2) in Betracht. Diese bewohnt jedoch das fragliche Hausgrundstück nicht mehr, sondern die Klägerin zu 1). Um deren Sozialhilfeanspruch geht es jedoch vorliegend nicht.
Ist nach alledem der von der Übergangsanzeige betroffene Anspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen, so sind Einwendungen gegen die rechtliche Existenz des übergeleiteten Anspruchs nicht im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern vor den Zivilgerichten zu prüfen, wenn der übergeleitete Anspruch vom Beklagten gegenüber der Klägerin zu 1) geltend gemacht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anspruchsübergangsanzeige gem. § 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
Die (zumindest seit 1995 anerkannt) schwerstpflegebedürftige Klägerin zu 2) ist die Mutter der Klägerin zu 1). Deren Ehemann/Vater X.Q. verstarb am 10.09.2002. Seit Oktober 2002 lebt die Klägerin zu 2) in einem Altenpflegeheim. Seit 01.06.2002 erhält sie von dem Beklagten Sozialhilfe (Hilfe zur Pflege) durch Übernahme der ungedeckten Heimkosten.
Durch notariellen Vertrag vom 20.02.2001 übertrugen die Klägerin zu 2) und ihr Ehemann ihre jeweiligen 1/2-Miteigentumsanteile am Hausgrundbesitz in H., die Klägerin zu 2) zusätzlich einen Miteigentumsanteil an einer Ackerparzelle auf die Klägerin zu 1) zu deren Alleineigentum; die Klägerin zu 1) räumte in dem Vertrag ihren Eltern ein lebenslanges Wohnrecht an dem übertragenen Hausgrundstück ein.
Durch Bescheid vom 27.09.2006 zeigte der Beklagte den Klägerinnen den Übergang eines (vermeintlichen) Rückforderungsanspruch der Klägerin zu 2) gegen die Klägerin zu 1) nach § 528 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bis zur Höhe der Sozialaufwendungen auf den Beklagten als örtlichen Träger der Sozialhilfe an. Die dagegen eingelegten Widersprüche der Klägerinnen wies der Beklagte durch zwei Widerspruchsbescheide vom 20.11.2006 als unbegründet zurück.
Dagegen haben die Klägerinnen jeweils am 22.12.2006 Klage erhoben. Sie halten die Überleitungsanzeige für rechtswidrig. Sie meinen, ein Rückforderungsanspruch der Klägerin zu 2) nach § 528 BGB bestehe nicht, weil es sich bei der Grundbesitzübertragung durch den Notarvertrag aus dem Jahre 2001 nicht um eine Schenkung gehandelt habe; es liege keine Unentgeltlichkeit im Sinne einer Schenkung vor, da die Übertragung nicht unabhängig von einer Gegenleistung geschehen sei; vielmehr habe die Klägerin zu 1) ein lebenslanges Wohnrecht eingeräumt. Des weiteren sind die Klägerinnen der Ansicht, eine Rückforderung des hälftigen Eigentumsanteils des verstorbenen Vaters sei nicht mehr möglich. Auch die Rückforderung des früheren Miteigentumsanteils der Klägerin zu 2) sei nicht durchführbar, da die zugewandten Grundstücke unteilbar seien. Schließlich stehe der Rechtmäßigkeit einer Anspruchsüberleitung entgegen, dass es sich um nicht einzusetzendes, weil nach § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII geschütztes Vermögen handele. Die Klägerinnen beantragen,
den Bescheid des Beklagten vom 27.09.2006 in der Fassung der beiden Widerspruchsbescheide vom 20.11.2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
Er meint, die Rechtmäßigkeit der Überleitung sei grundsätzlich nicht vom Bestehen und dem Umfang des übergeleiteten Anspruchs abhängig. Rechtswidrigkeit liege nur dann vor, wenn das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs nach materiellem Recht offensichtlich ausgeschlossen und damit die Überleitungsanzeige selbst erkennbar sinnlos sei. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Klägerinnen betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klagen sind zulässig, aber nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Bescheid vom 27.09.2006 beinhaltet lediglich die Anzeige des Übergangs eines möglichen Anspruchs der Klägerin zu 2) gegen die Klägerin zu 1) auf den Beklagten. Diese Übergangsanzeige ist formell ordnungsgemäß ergangen und auch materiell rechtmäßig. Dadurch wird nicht etwa für die Klägerinnen verbindlich festgestellt, dass der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) hängt die Rechtmäßigkeit einer Überleitungsanzeige nicht davon ab, ob der übergeleitete Anspruch tatsächlich besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.11.1969 - BVerwGE 34, 219; Urteil vom 17.05.1973 = BVerwGE 42, 198; Urteil vom 06.11.1975 = BVerwGE 49, 316; Urteil vom 05.10.1978 - BVerwGE 56, 300; Beschluss vom 15.04.1996 - 5 B 12/96). Es genügt, dass die übergeleiteten Ansprüche möglich erscheinen. Die Überleitung wäre nur dann rechtswidrig, wenn der betreffende Anspruch offensichtlich ausgeschlossen wäre (Negativevidenz). Dies ist jedoch ersichtlich nicht der Fall.
Was den Einwand fehlender Unentgeltlichkeit der Übertragung angeht, sprechen weder die Wortwahl "Grundstücksübertragungsvertrag" in der notariellen Urkunde vom 20.02.2001 noch das eingeräumte Wohnrecht evident gegen eine Schenkung. Im Gegenteil: Die in einem Übertragungsvertrag auferlegte Versorgung des Übergebers ist in der Regel nicht Gegenleistung, sondern Auflage. Ein eingeräumtes Wohnrecht ist regelmäßig keine Gegenleistung, sondern mindert den Wert des Geschenkes (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.1989 - V ZR 252/87 = BGHZ 107, 156 = NJW 1989, 2122).
Soweit die Klägerinnen geltend machen, ein Rückübertragungsanspruch könne allenfalls den seinerzeit übertragenen 1/2-Miteigentumsanteil der Klägerin zu 2) erfassen, nicht aber den des verstorbenen Vaters, stehen dem die angefochtenen Bescheide nicht entgegen. Der Beklagte hat in der Überleitungsanzeige vom 27.12.2006 ausdrücklich nur auf die Miteigentumsanteile der Klägerin zu 2) an der Ackerparzelle und dem Hausgrundstück Bezug genommen, nicht aber auf Miteigentumsanteile des verstorbenen Vaters der Klägerin zu 1). Insofern bezieht sich die Überleitung auch ausschließlich auf mögliche Rückübertragungsansprüche der Klägerin zu 2) gegen die Klägerin zu 1).
Der Einwand der Klägerinnen, dass auch diese Miteigentumsanteile nicht übertragen werden könnten, da der Grundbesitz nicht teilbar sei, entzieht sich dem Rechtsverständnis der Kammer. Die Unteilbarkeit von Grundbesitz hat keine Auswirkungen auf die Übertrag- barkeit von Miteigentumsanteilen an diesem Grundbesitz.
Schließlich ist auch der Einwand der Klägerinnen auf die Vorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht nachvollziehbar. Zwar ist ein angemessenes Hausgrundstück Schonvermögen, das sozialhilferechtlich anrechnungsfrei zu bleiben hat; jedoch gilt dies nur in Bezug auf die nachfragende sozialhilfebedürftige Person oder eine andere der in den § 19 Abs. 1 bis 3 SGB XII genannten Personen. Als solche kommt hier allein die Klägerin zu 2) in Betracht. Diese bewohnt jedoch das fragliche Hausgrundstück nicht mehr, sondern die Klägerin zu 1). Um deren Sozialhilfeanspruch geht es jedoch vorliegend nicht.
Ist nach alledem der von der Übergangsanzeige betroffene Anspruch nicht offensichtlich ausgeschlossen, so sind Einwendungen gegen die rechtliche Existenz des übergeleiteten Anspruchs nicht im sozialgerichtlichen Verfahren, sondern vor den Zivilgerichten zu prüfen, wenn der übergeleitete Anspruch vom Beklagten gegenüber der Klägerin zu 1) geltend gemacht wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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