Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 996/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Ein gerichtlicher Vergleich steht in seiner Wirkung einem rechtskräftigen Urteil gleich. Er regelt wie ein Verwaltungsakt einen Einzelfall des Versorgungsrechtes.
2) Bei zweifelsfreier Unrichtigkeit des Vergleiches hat die Versorgungsbehörde einen Zugunstenbescheid nach § 40 VerwVG zu erteilen.
3) Bleibt in einem gerichtlichen Vergleich eine nach einem Rundschreiben des BMA zu prüfende Frage offen, so ist er, weil unvollständig, insoweit zweifelsfrei unrichtig.
2) Bei zweifelsfreier Unrichtigkeit des Vergleiches hat die Versorgungsbehörde einen Zugunstenbescheid nach § 40 VerwVG zu erteilen.
3) Bleibt in einem gerichtlichen Vergleich eine nach einem Rundschreiben des BMA zu prüfende Frage offen, so ist er, weil unvollständig, insoweit zweifelsfrei unrichtig.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Oktober 1970 und der Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 aufgehoben.
Der Beklagte hat dem Kläger die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1917 geborene Kläger ging am 2. November 1937 als Freiwilliger zur Deutschen Luftwaffe, nachdem er zwei Jahre beim Reichsarbeitsdienst gedient hatte und davor als Arbeiter beschäftigt gewesen war. Am 16. Januar 1941 unterzeichnete er einen Verpflichtungsschein, mit dem er sich für weitere 7 1/2 Dienstjahre bis zur Vollendung des 12. Dienstjahres – d.h. bis 30. September 1949 – zu allen Dienstleistungen in der Wehrmacht verpflichtete. Im Jahre 1945 führte er den Dienstgrad Feldwebel. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1948 arbeitete er als Kraftfahrer.
Wegen einer Lungentuberkulose stellte er 1952 Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem der Bescheid vom 15. Juli 1954 entsprach, mit dem als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. anerkannt worden ist:
"Doppelseitige offene, cavernöse Lungentuberkulose”.
Eine Beschäftigung übte er seitdem nicht mehr aus, sondern bezog von der Landesversicherungsanstalt Hessen Invalidenrente.
Mit Bescheid vom 25. Juni 1970 erhielt er Versorgungsbezüge nach dem Bundesgesetz zu Art. 131 GG als Ruhegehalt, bei denen Besoldungsgruppe A 6 zugrundegelegt worden ist. Ab 1. Januar 1967 ist ihm nachträglich aufgrund der Änderungsmitteilung vom 25. Oktober 1971 Kriegsunfallversorgung nach § 181 b BBG gewährt worden.
Er beantragte am 28. Februar 1964 Berufsschadensausgleich. Zu seinen beruflichen Werdegang gab er an, nach dem Volksschulbesuch von 1924 bis 1932 sei er in einer Bäckerei als Bäckerausläufer beschäftigt gewesen und sei dann in den Reichsarbeitsdienst eingetreteten. Ab 1937 sei er Berufssoldat gewesen. Nach 1945 sei er daran gehindert worden, diesen Beruf fortzuführen. Er habe daher von 1949 bis 1952 als Kraftfahrer gearbeitet. Mit Bescheid vom 25. Mai 1965 ist Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Berufs des Kraftfahrers im Baugewerbe im Wirtschaftsbereich Hoch- und Tiefbau mit der Leistungsgruppe 2 gewährt worden.
Der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 9. September 1965 stellte dazu noch fest, durch die Auflösung der Deutschen Wehrmacht im Jahre 1945 sei die Grundlage des Berufes als Berufsunteroffizier entfallen. Maßgebend sei bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs in diesen Fällen die Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte. Ohne die Schädigungsfolge hätte der Kläger wahrscheinlich den Beruf des Kraftfahrers im Baugewerbe weiter ausgeübt.
Mit Urteil vom 10. November 1966 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen, da der Kläger wahrscheinlich den gleichen Beruf ausüben würde, den er von 1949 bis 1953 verrichtet habe. Demzufolge sei das Durchschnittseinkommen nach der Leistungsgruppe 3 der männlichen Arbeiter zu berechnen. Der frühere Beruf des Berufssoldaten komme nicht in Betracht. Es sei nicht wahrscheinlich, daß eine Übernahme in die Bundeswehr erfolgt wäre.
In dem Verfahren vor dem Hess. Landessozialgericht, in der dem Kläger, wie im Klageverfahren, vortrug, ohne die Schädigung sei er wieder Berufssoldat in der Bundeswehr geworden, erklärte sich der Beklagte bereit, die der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde gelegte Tätigkeit als Kraftfahrer nach der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter zu bewerten. Das führte zu dem in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 1967 geschlossenen Vergleich, mit dem er dem Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 1964 ab den Berufsschadensausgleich nach der im Bescheid vom 25. Mai 1965 aufgeführten Vergleichsgrundlage im Wirtschaftsbereich Hoch- und Tiefbau Gruppe 2 (statt bisher Gruppe 3) zahlte. Der Kläger nahm dieses Angebot an und beantragte zugleich, für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Januar 1964 Berufsschadensausgleich nach dieser vereinbarten Leistungsgruppe zu gewähren und gemäß § 40 VerwVG darüber einen Bescheid zu erteilen. Die daraufhin ergangene Ausführungsbenachrichtigung vom 7. August 1967 führte diesen Vergleich aus, während der Bescheid vom 9. August 1967 es ablehnte, Berufsschadensausgleich bereits für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Januar 1964 zu zahlen. Der Widerspruch insoweit blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid v. 10.11.1967). Auch nahm der Kläger die erhobene Klage zurück.
Er beantragte dann am 5. Januar 1968 die Erteilung eines Zugunstenbescheides, mit dem er begehrte, bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 BBesG zugrunde zu legen. Dieser Antrag ist mit Bescheid vom 11. Juli 1968 abgelehnt worden, da die Ausführungsbenachrichtigung, die auf dem vor dem Hess. Landessozialgericht am 25. Juli 1967 abgeschlossenen Vergleich basiere, nicht unrichtig sei.
Der Widerspruchsbescheid vom 17. September 1968 führte noch aus, im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs sei das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Februar 1967 bekannt gewesen. Auch der Kläger sei von den Erkenntnissen ausgegangen, daß er ohne die anerkannten Schädigungsfolgen nach 1956 nicht in die Bundeswehr eingetreten wäre.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat er vorgetragen, die getroffene Einstufung mit der Leistungsgruppe 2 der männlichen Arbeiter werde den Sachverhalt nicht gerecht. Entsprechend dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit seien Berufssoldaten nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 BBesG einzustufen.
Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, bereits in den vorherigen Klageverfahren sei die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 8 BBesG als Berufssoldat begehrt worden. Bei Abschluß des am 25. Juli 1967 vor dem Hess. Landessozialgericht geschlossenen Vergleichs sei der Kläger jedoch selbst der Auffassung gewesen, daß die Einstufung als Kraftfahrer richtig sei. Ermessensfehlgebrauch der Verwaltungsbehörde sei nicht zu erkennen.
Mit Urteil vom 12. Oktober 1970 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, im Hinblick auf den vor dem Hess. Landessozialgericht geschlossenen Vergleich habe der Beklagte zu Recht den Erlaß eines Zugunstenbescheides abgelehnt. Denn trotz Vorliegens des Rundschreibens des Bundesministers für Arbeit sei der Vergleich abgeschlossen worden, was den Schluß zulasse, daß der Kläger eine Einstellung in die Bundeswehr nicht für wahrscheinlich gehalten habe.
Gegen das ihm am 26. Oktober 1970 zugestellte Urteil ist die Berufung am 5. November 1970 bei dem Hess. Landessozialgericht eingegangen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Oktober 1970 und den Bescheid vom 11. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, nicht jeder ehemalige Berufsunteroffizier sei nach dem Endgrundgehalt A 8 BBesG einzustufen. Diese Einstufung komme nur dann in Betracht, wenn das Erreichen einer Beamtenanstellung nur wegen der Schädigungsfolgen wahrscheinlich vereitelt worden sei. Berufssoldat wäre der Kläger nicht mehr geworden, da er schon 1956 39 Jahre alt gewesen sei. Die Schädigungsfolgen seien 1952 aufgetreten. Bis dahin habe er es nur zu dem Kraftfahrer im Baugewerbe gebracht. Es sei kein Ermessensfehlgebrauch darin zu sehen, daß er den Vergleich vom 25. Juli 1967 nicht durch einen Zugunstenbescheid ändern wolle, weil keine neuen Tatsachen vorlägen und nicht mit Wahrscheinlichkeit gesagt werden könne, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Bundeswehrsoldat und später Beamter geworden wäre. Hinzu komme noch, daß ein Vergleich gerade auf einer Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis beruhe, so daß es dann später bei gleichbleibenden Voraussetzungen kaum zu einer Feststellung einer Unrichtigkeit kommen könne. Auch liege damit keine Entscheidung im Sinne der Verwaltungsvorschrift Nr. 2 zu § 40 VerwVG vor, denn ein Vergleich sei keine Entscheidung.
Die Verwaltungsakte mir der Grdl. Nr. XXX, die Akten des Sozialgerichts Gießen S – 8/V – 1107/58 und S – 9/V – 1756/65 und die Akte des Sozialgerichts Darmstadt S – 6/V – 539/67 sowie die Akten des Regierungspräsidenten in Darmstadt die Versorgung des Klägers nach Gesetz zu Art. 131 GG betreffend haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 11. Juli 1968, der in der Gestalt des Widerspuchsbescheides vom 17. September 1968 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist rechtswidrig.
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenbescheides nach § 40 VerwVG Berechnung des Berufsschadensausgleichs auf Grund des § 4 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nach dem Durchschnittseinkommen eines Beamten des mittleren Dienstes von vollendeten 45. Lebensjahr an mit den Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 des BBesG. Damit erhebt sich die Frage, ob ein Zugunstenbescheid nach § 40 VerwVG auch dann erteilt werden kann, wenn vorher wie hier durch gerichtlichen Vergleich ein niedrigeres Durchschnittseinkommen zugrundegelegt worden ist. Denn mit Vergleich vom 25. Juli 1967 hatte sich der Beklagte mit Einverständnis des Klägers verpflichtet, den Berufsschadensausgleich mit Wirkung vom 1. Februar 1964 nach der Leistungsgruppe 2 des Wirtschaftsbereichs Hoch- und Tiefbau ab 1. Februar 1964 zu gewähren.
Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten einen Vergleich schließen, "soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können”. Ob der Beklagte über den Gegenstand der Klage verfügen kann, richtet sich danach, ob er in Stande ist, den materiellen Anspruch des Klägers durch einen Verwaltungsakt rechtswirksam zu regeln. Insoweit ist der Beklagte grundsätzlich befugt gewesen, einen Prozeßvergleich abzuschließen, der nach herrschender Meinung (vgl. u.a. BGHZ 16, 388 ff.) eine Doppelnatur hat. Er ist seinerseits öffentlich – rechtlicher Vertrag, welcher den Beteiligten bestimmte materiell – rechtliche Verpflichtungen auferlegt, andererseits eine Prozeßhandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt. Als eine Vereinbarung der Beteiligten ist er für beide Teile bindend. Der Prozeßvergleich steht in seiner Wirkung einem Urteil gleich (Soz. R. SGG § 101 Nr. 4 Da 4). Dies bedeutet, daß zugunsten des Berechtigten die Verwaltungsbehörde wie bei einem als zweifelsfrei unrichtig erkannten Urteil auch bei einem Vergleich jederzeit einen neuen Bescheid erteilen kann. Die Rechtslage ist dabei anders wie bei einer Entscheidung nach Verwaltungsvorschrift Nr. 7 zu § 41 VerwVG, weil es dort um die Anfechtung eines Vergleichs schlechthin, hier aber um die Erteilung eines Zugunstenbescheides geht. Selbst wenn man aber für die Fortsetzung des früheren Verfahrens eintreten wollte, wäre das rechtliche Ergebnis im vorliegenden Falle des gleiche, weil, wie noch darzulegen sein wird, eine im Vergleich offen gebliebene Frage, keine rechtliche Bindung für die Beteiligten haben kann.
Bei Prüfung der Frage, ob ein Zugunstenbescheid auch gegenüber einem als zweifelsfrei unrichtig erkannten Vergleich möglich ist, war ferner zu beachten, daß der Vergleich vom 25. Juli 1967 Ausdruck in der Ausführungsbenachrichtigung vom 7. August 1967 und damit in einem einseitigen Verwaltungsakt des Beklagten gefunden hat. Im übrigen kann nach Ansicht des Senats für den Vergleich nichts anderes gelten als für die regelmäßige Form des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsakt, zu deren Aufhebung der Beklagte bei zweifelsfreier sachlicher Unrichtigkeit verpflichtet ist (vgl. Urt. BSG v. 4.5.72 AZ.: 10 RV 795/70). Denn wie bei einem Verwaltungsakt, so wird auch bei einem gerichtlichen Vergleich ein Einzelfall des Versorgungsrechts – hier die Festlegung des Durchschnittseinkommens beim Berufsschadensausgleich – verbindlich für die Beteiligten geregelt.
Wenn der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 festgestellt hat, daß die Unrichtigkeit des Vergleichs vom 25. Juli 1967, an dessen Zustandekommen der Kläger mitgewirkt hat, nicht festgestellt werden könne, so hat er damit jedoch das Tatbestandsmerkmal der Unrichtigkeit verkannt, das die Voraussetzung für das Ermessenshandeln der Verwaltungsbehörde bildet und dessen Vorliegen wie bei jedem anderen Tatbestandsmerkmal einer Gesetzesvorschrift gerichtlich überprüfbar ist. Daß eine Ermessensentscheidung nach § 40 VerwVG Unrichtigkeit des früheren Verwaltungsaktes voraussetzt, entspricht im übrigen der Rechtsprechung des BSG und folgt aus der Überschrift des Kapitels XI des VerwVG, das von der Berichtigung von Bescheiden handelt.
Der Prozeßvergleich war davon ausgegangen, daß dem Kläger ab 1. Februar 1964 ein Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 2 im Wirtschaftsbereich Hoch- und Tiefbau zustehe. Dabei haben die Beteiligten und auch das Landessozialgericht angenommen, daß der Kläger bei gesunder Heimkehr nicht wieder Berufssoldat in der Bundeswehr geworden wäre. Ob hierbei das Alter oder andere Umstände maßgeblich waren, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls folgt aus den Schriftsätzen des Beklagten vom 26. Januar 1966 und 28. Februar 1967 sowie der Erwiderung des Klägers vom 22. Juni 1966 und seinem Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 1967, daß Inhalt des Vergleichs und damit alleinige Vergleichsgrundlage nur die Frage einer Übernahme des Klägers in die Bundeswehr gewesen ist. Völlig offen blieb, ob der Kläger, nachdem er bei Entlassung aus der Gefangenschaft, diese eingerechnet, eine Dienstzeit von über 11 Jahren zurückgelegt hatte, nicht die Chance einer Übernahme in das Beamtenverhältnis gehabt hätte. Diese Frage wurde von den Prozeßbevollmächtigten des Klägers erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 1972 angeschnitten. Sie war nicht Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsakte, wie sich aus deren Begründung, insbesondere des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 ergibt. Wenn vor Abschluß des Vergleichs die Frage einer Übernahme in den Polizeidienst der Bundesbahn bzw. der Stadt F. erörtert wurde, so war hierbei an eine Verwendung im Polizeiaußendienst gedacht. Versorgungsanwärter wurde aber früher vorzugsweise gerader im Hinblick auf ihr Alter nach 12-jährigem Wehrdienst im Innendienst einer staatlichen oder kommunalen Verwaltungsbehörde oder bei Sonderverwaltungen wie Bundesbahn oder Bundespost beschäftigt. An eine solche Tätigkeit wurde weder bei Vergleichsabschluß gedacht noch war sie Gegenstand der verwaltungsmäßigen Prüfung der Bescheide vom 11. Juli und 17. September 1968. An die Begründung eines Dienstverhältnisses als Berufssoldat war aber vorzugsweise die Erwartung geknüpft, später als Beamter angenommen zu werden. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Rundschreiben vom 21. Februar 1967 (BVBl. 1967, 37 ff.) die zuständigen Behörden angewiesen, bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs die Stellung eines Beamten des mittleren Dienstes als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Damit hat er seine frühere im Rundschreiben vom 21. Mai 1965 (BVBl. S. 24 Nr. 49) vertretene Ansicht, die noch die Grundlage der Entscheidung des Sozialgerichts vom 10. November 1966 bildete, bewußt aufgegeben. Diesem neuen Rundschreiben ist jedoch mit der Ausführungsbenachrichtigung vom 7. August 1967 und dem zugrundeliegenden Vergleich vom 25. Juli 1967 keine Rechnung getragen worden, noch dazu der Kläger offensichtlich hierauf nicht hingewiesen hatte. Damit ist bei Abschluß des Prozeßvergleichs ein wesentlicher Punkt des Rundschreibens nicht berücksichtigt worden. Das macht den Vergleich unrichtig, weil er unvollständig ist. Diese durch das Rundschreiben vom 21. Februar 1967 aufgezeigte Alternative hätte der Beklagte, der weder einen fehlerhaften Verwaltungsakt erlassen noch an einem fehlerhaften, einem Verwaltungsakt gleichstehenden Rechtsakt festhalten darf, bei Erteilung des Bescheides nach § 40 VerwVG in den Kreis einer Erwägungen miteinbeziehen müssen. Gerader aufgrund des Berufswegs des Klägers nach 1935 war der Beklagte hierzu besonders angehalten. Denn wie bei jedem Berufssoldaten war an die Dienstverpflichtung vom 16. Januar 1941 vorzugsweise die Erwartung geknüpft worden, später als Beamter angenommen zu werden. Dem steht nicht entgegen, daß die Verpflichtung erst im Jahre 1949 geendet hätte. Den diese Zeit hatte der Kläger einmal, wenn man ihm eine gewisse Rekonvaleszenz zubilligt, die laut Beiakten zu den VA Bl. 1 bis weit in das Jahr 1949 (vgl. Bl. 15 dieser Akten) reichte, unter Einschluß der Kriegsgefangenschaft fast zurückgelegt. Zum anderen ist er heute als Berufsunteroffizier anerkannt und bezieht demgemäß Versorgungsansprüche aufgrund der Neufassung des Gesetzes zu Art. 131 GG. Auch der Umstand, daß er nach 1948 bis 1952 nicht Eingang in die Beamtenlaufbahn gefunden hat, sondern als Kraftfahrer tätig war, ändern an dieser Betrachtung nichts, da sich für ehemalige Berufssoldaten erst nach diesem Zeitpunkt berufliche Chancen als Beamter abgezeichnet haben, die der Kläger jedoch wegen der anerkannten Schädigungsfolgen nicht mehr hat wahrnehmen können. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, durch den Zusammenbruch 1945 habe der Kläger seine Rechte verloren, weil er nicht mehr eine der üblichen Heeresfachschulen habe besuchen können. Eine solche Betrachtungsweise wird weder den Bestimmungen des Gesetzes zu Art. 131 GG, das dem Berufssoldaten eine beamtenrechtliche oder wenigstens beamtenähnliche Versorgung sicherstellt, noch dem Rundschreiben des BMA vom 21. Februar 1967 gerecht, das eine solche Zässur im Hinblick auf den Zusammenbruch von 1945 nicht macht und offensichtlich auch nicht machen will.
Wenn in den Prozeßvergleich vom 27. Juli 1967 diese Umstände keine Berücksichtigung gefunden haben, so hätte Gelegenheit bestanden, diese in den angefochtenen Bescheiden vom 11. Juli und 17. April 1968 nachzuholen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hierauf hingewiesen, hat der Beklagte an seiner Entscheidung festgehalten. Hierin liegt eine fehlerhafte Betrachtung der Rechtslage, weil die ergangenen Verwaltungsakte notwendigerweise zweifelsfrei unrichtig sind, insofern sie eine nach den Rundschreiben vom 21. Februar 1967 zu prüfende Frage, nämlich die Übernahme in das Beamtenverhältnis, nicht erörtert haben. Sie sind zwangsläufig damit unvollständig geblieben. Wenn der Beklagte nach wie vor an den angefochtenen unrichtigen Verwaltungsakten festhält, so handelt er rechtswidrig und zugleich ermessensfehlerhaft. Demzufolge waren die ergangenen Verwaltungsakte wegen zweifelsfreier Unrichtigkeit entsprechend dem Antrag des Klägers aufzuheben.
Der Beklagte hat dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen. Dabei wird er prüfen müssen, ob der Kläger insbesondere nach dem Erlaß des BVG mit seinen Fürsorgebestimmungen nicht auch wie alle Berufssoldaten die Chance einer Übernahme in das Beamtenverhältnis gehabt hätte, wie sie der BMA allgemein für die Berufssoldaten annimmt oder aus welchen Gründen in seinem Fall eine Übernahme ausscheidet. Er wird dabei weiter beachten müssen, daß die Schädigungsfolgen mit einer MdE um 100 v.H. ab September 1952 einer Übernahme in das Beamtenverhältnis selbst nach der Entlassung aus der Heilstätte im Jahre 1956 möglicherweise hindernd im Wege standen. Da der Senat im Falle des § 40 VerwVG sein Ermessen nicht an die Stelle des der Verwaltung setzten darf und vor verwaltungsmäßiger Prüfung die Sache auch noch nicht spruchreif ist, waren die ergangenen Verwaltungsakte und das angefochtene Urteil aufzuhaben und der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da es gemäß § 162 Abs. 1 SGG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob nach einen Prozeßvergleich ein Zugunstenbescheid gemäß § 40 Abs. 2 VerwVG erteilt werden kann.
Der Beklagte hat dem Kläger die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der 1917 geborene Kläger ging am 2. November 1937 als Freiwilliger zur Deutschen Luftwaffe, nachdem er zwei Jahre beim Reichsarbeitsdienst gedient hatte und davor als Arbeiter beschäftigt gewesen war. Am 16. Januar 1941 unterzeichnete er einen Verpflichtungsschein, mit dem er sich für weitere 7 1/2 Dienstjahre bis zur Vollendung des 12. Dienstjahres – d.h. bis 30. September 1949 – zu allen Dienstleistungen in der Wehrmacht verpflichtete. Im Jahre 1945 führte er den Dienstgrad Feldwebel. Nach Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft 1948 arbeitete er als Kraftfahrer.
Wegen einer Lungentuberkulose stellte er 1952 Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz, dem der Bescheid vom 15. Juli 1954 entsprach, mit dem als Schädigungsfolge mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. anerkannt worden ist:
"Doppelseitige offene, cavernöse Lungentuberkulose”.
Eine Beschäftigung übte er seitdem nicht mehr aus, sondern bezog von der Landesversicherungsanstalt Hessen Invalidenrente.
Mit Bescheid vom 25. Juni 1970 erhielt er Versorgungsbezüge nach dem Bundesgesetz zu Art. 131 GG als Ruhegehalt, bei denen Besoldungsgruppe A 6 zugrundegelegt worden ist. Ab 1. Januar 1967 ist ihm nachträglich aufgrund der Änderungsmitteilung vom 25. Oktober 1971 Kriegsunfallversorgung nach § 181 b BBG gewährt worden.
Er beantragte am 28. Februar 1964 Berufsschadensausgleich. Zu seinen beruflichen Werdegang gab er an, nach dem Volksschulbesuch von 1924 bis 1932 sei er in einer Bäckerei als Bäckerausläufer beschäftigt gewesen und sei dann in den Reichsarbeitsdienst eingetreteten. Ab 1937 sei er Berufssoldat gewesen. Nach 1945 sei er daran gehindert worden, diesen Beruf fortzuführen. Er habe daher von 1949 bis 1952 als Kraftfahrer gearbeitet. Mit Bescheid vom 25. Mai 1965 ist Berufsschadensausgleich unter Zugrundelegung des Berufs des Kraftfahrers im Baugewerbe im Wirtschaftsbereich Hoch- und Tiefbau mit der Leistungsgruppe 2 gewährt worden.
Der ablehnende Widerspruchsbescheid vom 9. September 1965 stellte dazu noch fest, durch die Auflösung der Deutschen Wehrmacht im Jahre 1945 sei die Grundlage des Berufes als Berufsunteroffizier entfallen. Maßgebend sei bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs in diesen Fällen die Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, seinen beruflichen Kenntnissen und Fähigkeiten wahrscheinlich angehört hätte. Ohne die Schädigungsfolge hätte der Kläger wahrscheinlich den Beruf des Kraftfahrers im Baugewerbe weiter ausgeübt.
Mit Urteil vom 10. November 1966 hat das Sozialgericht Gießen die Klage abgewiesen, da der Kläger wahrscheinlich den gleichen Beruf ausüben würde, den er von 1949 bis 1953 verrichtet habe. Demzufolge sei das Durchschnittseinkommen nach der Leistungsgruppe 3 der männlichen Arbeiter zu berechnen. Der frühere Beruf des Berufssoldaten komme nicht in Betracht. Es sei nicht wahrscheinlich, daß eine Übernahme in die Bundeswehr erfolgt wäre.
In dem Verfahren vor dem Hess. Landessozialgericht, in der dem Kläger, wie im Klageverfahren, vortrug, ohne die Schädigung sei er wieder Berufssoldat in der Bundeswehr geworden, erklärte sich der Beklagte bereit, die der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde gelegte Tätigkeit als Kraftfahrer nach der Leistungsgruppe 2 der Arbeiter zu bewerten. Das führte zu dem in der mündlichen Verhandlung vom 25. Juli 1967 geschlossenen Vergleich, mit dem er dem Kläger mit Wirkung vom 1. Februar 1964 ab den Berufsschadensausgleich nach der im Bescheid vom 25. Mai 1965 aufgeführten Vergleichsgrundlage im Wirtschaftsbereich Hoch- und Tiefbau Gruppe 2 (statt bisher Gruppe 3) zahlte. Der Kläger nahm dieses Angebot an und beantragte zugleich, für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Januar 1964 Berufsschadensausgleich nach dieser vereinbarten Leistungsgruppe zu gewähren und gemäß § 40 VerwVG darüber einen Bescheid zu erteilen. Die daraufhin ergangene Ausführungsbenachrichtigung vom 7. August 1967 führte diesen Vergleich aus, während der Bescheid vom 9. August 1967 es ablehnte, Berufsschadensausgleich bereits für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Januar 1964 zu zahlen. Der Widerspruch insoweit blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid v. 10.11.1967). Auch nahm der Kläger die erhobene Klage zurück.
Er beantragte dann am 5. Januar 1968 die Erteilung eines Zugunstenbescheides, mit dem er begehrte, bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs das Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 BBesG zugrunde zu legen. Dieser Antrag ist mit Bescheid vom 11. Juli 1968 abgelehnt worden, da die Ausführungsbenachrichtigung, die auf dem vor dem Hess. Landessozialgericht am 25. Juli 1967 abgeschlossenen Vergleich basiere, nicht unrichtig sei.
Der Widerspruchsbescheid vom 17. September 1968 führte noch aus, im Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs sei das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 21. Februar 1967 bekannt gewesen. Auch der Kläger sei von den Erkenntnissen ausgegangen, daß er ohne die anerkannten Schädigungsfolgen nach 1956 nicht in die Bundeswehr eingetreten wäre.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Darmstadt hat er vorgetragen, die getroffene Einstufung mit der Leistungsgruppe 2 der männlichen Arbeiter werde den Sachverhalt nicht gerecht. Entsprechend dem Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit seien Berufssoldaten nach dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 BBesG einzustufen.
Demgegenüber hat der Beklagte vorgetragen, bereits in den vorherigen Klageverfahren sei die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 8 BBesG als Berufssoldat begehrt worden. Bei Abschluß des am 25. Juli 1967 vor dem Hess. Landessozialgericht geschlossenen Vergleichs sei der Kläger jedoch selbst der Auffassung gewesen, daß die Einstufung als Kraftfahrer richtig sei. Ermessensfehlgebrauch der Verwaltungsbehörde sei nicht zu erkennen.
Mit Urteil vom 12. Oktober 1970 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, im Hinblick auf den vor dem Hess. Landessozialgericht geschlossenen Vergleich habe der Beklagte zu Recht den Erlaß eines Zugunstenbescheides abgelehnt. Denn trotz Vorliegens des Rundschreibens des Bundesministers für Arbeit sei der Vergleich abgeschlossen worden, was den Schluß zulasse, daß der Kläger eine Einstellung in die Bundeswehr nicht für wahrscheinlich gehalten habe.
Gegen das ihm am 26. Oktober 1970 zugestellte Urteil ist die Berufung am 5. November 1970 bei dem Hess. Landessozialgericht eingegangen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 12. Oktober 1970 und den Bescheid vom 11. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise
die Revision zuzulassen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, nicht jeder ehemalige Berufsunteroffizier sei nach dem Endgrundgehalt A 8 BBesG einzustufen. Diese Einstufung komme nur dann in Betracht, wenn das Erreichen einer Beamtenanstellung nur wegen der Schädigungsfolgen wahrscheinlich vereitelt worden sei. Berufssoldat wäre der Kläger nicht mehr geworden, da er schon 1956 39 Jahre alt gewesen sei. Die Schädigungsfolgen seien 1952 aufgetreten. Bis dahin habe er es nur zu dem Kraftfahrer im Baugewerbe gebracht. Es sei kein Ermessensfehlgebrauch darin zu sehen, daß er den Vergleich vom 25. Juli 1967 nicht durch einen Zugunstenbescheid ändern wolle, weil keine neuen Tatsachen vorlägen und nicht mit Wahrscheinlichkeit gesagt werden könne, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen Bundeswehrsoldat und später Beamter geworden wäre. Hinzu komme noch, daß ein Vergleich gerade auf einer Ungewißheit über ein Rechtsverhältnis beruhe, so daß es dann später bei gleichbleibenden Voraussetzungen kaum zu einer Feststellung einer Unrichtigkeit kommen könne. Auch liege damit keine Entscheidung im Sinne der Verwaltungsvorschrift Nr. 2 zu § 40 VerwVG vor, denn ein Vergleich sei keine Entscheidung.
Die Verwaltungsakte mir der Grdl. Nr. XXX, die Akten des Sozialgerichts Gießen S – 8/V – 1107/58 und S – 9/V – 1756/65 und die Akte des Sozialgerichts Darmstadt S – 6/V – 539/67 sowie die Akten des Regierungspräsidenten in Darmstadt die Versorgung des Klägers nach Gesetz zu Art. 131 GG betreffend haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Sie ist auch begründet.
Der Bescheid vom 11. Juli 1968, der in der Gestalt des Widerspuchsbescheides vom 17. September 1968 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist rechtswidrig.
Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenbescheides nach § 40 VerwVG Berechnung des Berufsschadensausgleichs auf Grund des § 4 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nach dem Durchschnittseinkommen eines Beamten des mittleren Dienstes von vollendeten 45. Lebensjahr an mit den Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 8 des BBesG. Damit erhebt sich die Frage, ob ein Zugunstenbescheid nach § 40 VerwVG auch dann erteilt werden kann, wenn vorher wie hier durch gerichtlichen Vergleich ein niedrigeres Durchschnittseinkommen zugrundegelegt worden ist. Denn mit Vergleich vom 25. Juli 1967 hatte sich der Beklagte mit Einverständnis des Klägers verpflichtet, den Berufsschadensausgleich mit Wirkung vom 1. Februar 1964 nach der Leistungsgruppe 2 des Wirtschaftsbereichs Hoch- und Tiefbau ab 1. Februar 1964 zu gewähren.
Nach § 101 Abs. 1 SGG können die Beteiligten einen Vergleich schließen, "soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können”. Ob der Beklagte über den Gegenstand der Klage verfügen kann, richtet sich danach, ob er in Stande ist, den materiellen Anspruch des Klägers durch einen Verwaltungsakt rechtswirksam zu regeln. Insoweit ist der Beklagte grundsätzlich befugt gewesen, einen Prozeßvergleich abzuschließen, der nach herrschender Meinung (vgl. u.a. BGHZ 16, 388 ff.) eine Doppelnatur hat. Er ist seinerseits öffentlich – rechtlicher Vertrag, welcher den Beteiligten bestimmte materiell – rechtliche Verpflichtungen auferlegt, andererseits eine Prozeßhandlung, welche die Beendigung des Rechtsstreits bewirkt. Als eine Vereinbarung der Beteiligten ist er für beide Teile bindend. Der Prozeßvergleich steht in seiner Wirkung einem Urteil gleich (Soz. R. SGG § 101 Nr. 4 Da 4). Dies bedeutet, daß zugunsten des Berechtigten die Verwaltungsbehörde wie bei einem als zweifelsfrei unrichtig erkannten Urteil auch bei einem Vergleich jederzeit einen neuen Bescheid erteilen kann. Die Rechtslage ist dabei anders wie bei einer Entscheidung nach Verwaltungsvorschrift Nr. 7 zu § 41 VerwVG, weil es dort um die Anfechtung eines Vergleichs schlechthin, hier aber um die Erteilung eines Zugunstenbescheides geht. Selbst wenn man aber für die Fortsetzung des früheren Verfahrens eintreten wollte, wäre das rechtliche Ergebnis im vorliegenden Falle des gleiche, weil, wie noch darzulegen sein wird, eine im Vergleich offen gebliebene Frage, keine rechtliche Bindung für die Beteiligten haben kann.
Bei Prüfung der Frage, ob ein Zugunstenbescheid auch gegenüber einem als zweifelsfrei unrichtig erkannten Vergleich möglich ist, war ferner zu beachten, daß der Vergleich vom 25. Juli 1967 Ausdruck in der Ausführungsbenachrichtigung vom 7. August 1967 und damit in einem einseitigen Verwaltungsakt des Beklagten gefunden hat. Im übrigen kann nach Ansicht des Senats für den Vergleich nichts anderes gelten als für die regelmäßige Form des Verwaltungshandelns durch Verwaltungsakt, zu deren Aufhebung der Beklagte bei zweifelsfreier sachlicher Unrichtigkeit verpflichtet ist (vgl. Urt. BSG v. 4.5.72 AZ.: 10 RV 795/70). Denn wie bei einem Verwaltungsakt, so wird auch bei einem gerichtlichen Vergleich ein Einzelfall des Versorgungsrechts – hier die Festlegung des Durchschnittseinkommens beim Berufsschadensausgleich – verbindlich für die Beteiligten geregelt.
Wenn der Beklagte mit Bescheid vom 11. Juli 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 festgestellt hat, daß die Unrichtigkeit des Vergleichs vom 25. Juli 1967, an dessen Zustandekommen der Kläger mitgewirkt hat, nicht festgestellt werden könne, so hat er damit jedoch das Tatbestandsmerkmal der Unrichtigkeit verkannt, das die Voraussetzung für das Ermessenshandeln der Verwaltungsbehörde bildet und dessen Vorliegen wie bei jedem anderen Tatbestandsmerkmal einer Gesetzesvorschrift gerichtlich überprüfbar ist. Daß eine Ermessensentscheidung nach § 40 VerwVG Unrichtigkeit des früheren Verwaltungsaktes voraussetzt, entspricht im übrigen der Rechtsprechung des BSG und folgt aus der Überschrift des Kapitels XI des VerwVG, das von der Berichtigung von Bescheiden handelt.
Der Prozeßvergleich war davon ausgegangen, daß dem Kläger ab 1. Februar 1964 ein Berufsschadensausgleich nach dem Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 2 im Wirtschaftsbereich Hoch- und Tiefbau zustehe. Dabei haben die Beteiligten und auch das Landessozialgericht angenommen, daß der Kläger bei gesunder Heimkehr nicht wieder Berufssoldat in der Bundeswehr geworden wäre. Ob hierbei das Alter oder andere Umstände maßgeblich waren, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls folgt aus den Schriftsätzen des Beklagten vom 26. Januar 1966 und 28. Februar 1967 sowie der Erwiderung des Klägers vom 22. Juni 1966 und seinem Berufungsschriftsatz vom 2. Februar 1967, daß Inhalt des Vergleichs und damit alleinige Vergleichsgrundlage nur die Frage einer Übernahme des Klägers in die Bundeswehr gewesen ist. Völlig offen blieb, ob der Kläger, nachdem er bei Entlassung aus der Gefangenschaft, diese eingerechnet, eine Dienstzeit von über 11 Jahren zurückgelegt hatte, nicht die Chance einer Übernahme in das Beamtenverhältnis gehabt hätte. Diese Frage wurde von den Prozeßbevollmächtigten des Klägers erstmals in der mündlichen Verhandlung vom 2. August 1972 angeschnitten. Sie war nicht Gegenstand der angefochtenen Verwaltungsakte, wie sich aus deren Begründung, insbesondere des Widerspruchsbescheides vom 17. September 1968 ergibt. Wenn vor Abschluß des Vergleichs die Frage einer Übernahme in den Polizeidienst der Bundesbahn bzw. der Stadt F. erörtert wurde, so war hierbei an eine Verwendung im Polizeiaußendienst gedacht. Versorgungsanwärter wurde aber früher vorzugsweise gerader im Hinblick auf ihr Alter nach 12-jährigem Wehrdienst im Innendienst einer staatlichen oder kommunalen Verwaltungsbehörde oder bei Sonderverwaltungen wie Bundesbahn oder Bundespost beschäftigt. An eine solche Tätigkeit wurde weder bei Vergleichsabschluß gedacht noch war sie Gegenstand der verwaltungsmäßigen Prüfung der Bescheide vom 11. Juli und 17. September 1968. An die Begründung eines Dienstverhältnisses als Berufssoldat war aber vorzugsweise die Erwartung geknüpft, später als Beamter angenommen zu werden. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung im Rundschreiben vom 21. Februar 1967 (BVBl. 1967, 37 ff.) die zuständigen Behörden angewiesen, bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs die Stellung eines Beamten des mittleren Dienstes als Vergleichsmaßstab heranzuziehen. Damit hat er seine frühere im Rundschreiben vom 21. Mai 1965 (BVBl. S. 24 Nr. 49) vertretene Ansicht, die noch die Grundlage der Entscheidung des Sozialgerichts vom 10. November 1966 bildete, bewußt aufgegeben. Diesem neuen Rundschreiben ist jedoch mit der Ausführungsbenachrichtigung vom 7. August 1967 und dem zugrundeliegenden Vergleich vom 25. Juli 1967 keine Rechnung getragen worden, noch dazu der Kläger offensichtlich hierauf nicht hingewiesen hatte. Damit ist bei Abschluß des Prozeßvergleichs ein wesentlicher Punkt des Rundschreibens nicht berücksichtigt worden. Das macht den Vergleich unrichtig, weil er unvollständig ist. Diese durch das Rundschreiben vom 21. Februar 1967 aufgezeigte Alternative hätte der Beklagte, der weder einen fehlerhaften Verwaltungsakt erlassen noch an einem fehlerhaften, einem Verwaltungsakt gleichstehenden Rechtsakt festhalten darf, bei Erteilung des Bescheides nach § 40 VerwVG in den Kreis einer Erwägungen miteinbeziehen müssen. Gerader aufgrund des Berufswegs des Klägers nach 1935 war der Beklagte hierzu besonders angehalten. Denn wie bei jedem Berufssoldaten war an die Dienstverpflichtung vom 16. Januar 1941 vorzugsweise die Erwartung geknüpft worden, später als Beamter angenommen zu werden. Dem steht nicht entgegen, daß die Verpflichtung erst im Jahre 1949 geendet hätte. Den diese Zeit hatte der Kläger einmal, wenn man ihm eine gewisse Rekonvaleszenz zubilligt, die laut Beiakten zu den VA Bl. 1 bis weit in das Jahr 1949 (vgl. Bl. 15 dieser Akten) reichte, unter Einschluß der Kriegsgefangenschaft fast zurückgelegt. Zum anderen ist er heute als Berufsunteroffizier anerkannt und bezieht demgemäß Versorgungsansprüche aufgrund der Neufassung des Gesetzes zu Art. 131 GG. Auch der Umstand, daß er nach 1948 bis 1952 nicht Eingang in die Beamtenlaufbahn gefunden hat, sondern als Kraftfahrer tätig war, ändern an dieser Betrachtung nichts, da sich für ehemalige Berufssoldaten erst nach diesem Zeitpunkt berufliche Chancen als Beamter abgezeichnet haben, die der Kläger jedoch wegen der anerkannten Schädigungsfolgen nicht mehr hat wahrnehmen können. Hiergegen kann nicht eingewandt werden, durch den Zusammenbruch 1945 habe der Kläger seine Rechte verloren, weil er nicht mehr eine der üblichen Heeresfachschulen habe besuchen können. Eine solche Betrachtungsweise wird weder den Bestimmungen des Gesetzes zu Art. 131 GG, das dem Berufssoldaten eine beamtenrechtliche oder wenigstens beamtenähnliche Versorgung sicherstellt, noch dem Rundschreiben des BMA vom 21. Februar 1967 gerecht, das eine solche Zässur im Hinblick auf den Zusammenbruch von 1945 nicht macht und offensichtlich auch nicht machen will.
Wenn in den Prozeßvergleich vom 27. Juli 1967 diese Umstände keine Berücksichtigung gefunden haben, so hätte Gelegenheit bestanden, diese in den angefochtenen Bescheiden vom 11. Juli und 17. April 1968 nachzuholen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung hierauf hingewiesen, hat der Beklagte an seiner Entscheidung festgehalten. Hierin liegt eine fehlerhafte Betrachtung der Rechtslage, weil die ergangenen Verwaltungsakte notwendigerweise zweifelsfrei unrichtig sind, insofern sie eine nach den Rundschreiben vom 21. Februar 1967 zu prüfende Frage, nämlich die Übernahme in das Beamtenverhältnis, nicht erörtert haben. Sie sind zwangsläufig damit unvollständig geblieben. Wenn der Beklagte nach wie vor an den angefochtenen unrichtigen Verwaltungsakten festhält, so handelt er rechtswidrig und zugleich ermessensfehlerhaft. Demzufolge waren die ergangenen Verwaltungsakte wegen zweifelsfreier Unrichtigkeit entsprechend dem Antrag des Klägers aufzuheben.
Der Beklagte hat dem Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats einen neuen Bescheid zu erteilen. Dabei wird er prüfen müssen, ob der Kläger insbesondere nach dem Erlaß des BVG mit seinen Fürsorgebestimmungen nicht auch wie alle Berufssoldaten die Chance einer Übernahme in das Beamtenverhältnis gehabt hätte, wie sie der BMA allgemein für die Berufssoldaten annimmt oder aus welchen Gründen in seinem Fall eine Übernahme ausscheidet. Er wird dabei weiter beachten müssen, daß die Schädigungsfolgen mit einer MdE um 100 v.H. ab September 1952 einer Übernahme in das Beamtenverhältnis selbst nach der Entlassung aus der Heilstätte im Jahre 1956 möglicherweise hindernd im Wege standen. Da der Senat im Falle des § 40 VerwVG sein Ermessen nicht an die Stelle des der Verwaltung setzten darf und vor verwaltungsmäßiger Prüfung die Sache auch noch nicht spruchreif ist, waren die ergangenen Verwaltungsakte und das angefochtene Urteil aufzuhaben und der Berufung stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, da es gemäß § 162 Abs. 1 SGG eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob nach einen Prozeßvergleich ein Zugunstenbescheid gemäß § 40 Abs. 2 VerwVG erteilt werden kann.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved