Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 23/78
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 872/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Minderjährigkeit eines Kindes im Sinne des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat beurteilt sich nach spanischen, nicht nach deutschem Recht. Dies folgt aus dem sozialen Schutzzweck des Art. 10 Abs. 5 S. 1, nicht aus einer Anwendung der Regelungen des Internationalen Privatrechts.
2. Es kann dahinstehen, ob die Ordnungsmäßigkeit der Aufenthaltsdauer im Sinne des Art. 10 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat nur dann unterbrechen wird, wenn Gründe vorliegen, die eine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen. Zumindest müssen diese Gründe jedoch so schwerwiegend sein, daß sie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Unterbrechung der Ordnungsmäßigkeit der Aufenthaltsdauer zu rechtfertigen vermögen. Dabei ist auch den Auswirkungen einer Versagung der Arbeitserlaubnis auf die Familie den spanischen Arbeitnehmers insgesamt Rechnung zu tragen.
2. Es kann dahinstehen, ob die Ordnungsmäßigkeit der Aufenthaltsdauer im Sinne des Art. 10 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat nur dann unterbrechen wird, wenn Gründe vorliegen, die eine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen. Zumindest müssen diese Gründe jedoch so schwerwiegend sein, daß sie unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eine Unterbrechung der Ordnungsmäßigkeit der Aufenthaltsdauer zu rechtfertigen vermögen. Dabei ist auch den Auswirkungen einer Versagung der Arbeitserlaubnis auf die Familie den spanischen Arbeitnehmers insgesamt Rechnung zu tragen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 1978 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine unbefristete und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat vom 23. April 1970 (Bundesgesetzblatt – BGBl. II 1972 S. 1041) zu erteilen.
Der 1956 in I. C./S. geborene Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, ist am 18. Februar 1970 erlaubterweise in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis seit dem 25. Februar 1970 bei seinen in D. lebenden Eltern polizeilich gemeldet. Sein Vater besitzt eine unbefristete und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970.
Der Kläger begann am 21. August 1972 eine Kraftfahrzeugmechanikerlehre bei der Firma N., M. & Co. in D ... Eine Arbeitserlaubnis gemäß § 19 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) wurde ihm am 18. Dezember 1972 für die Zeit vom 21. November 1972 bis 31. Januar 1976 für dieses Ausbildungsverhältnis erteilt. Da er die Gesellenprüfung nicht bestand, beendete er die Lehre am 6. Dezember 1975 und arbeitete bei der Firma N., M. & Co. noch vom Dezember 1975 bis 27. Dezember 1975 als Kraftfahrzeugmechaniker. In der Zeit vom 29. Dezember 1975 bis 13. Februar 1976 war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Vom 14. Februar 1976 bis 14. September 1977 arbeitete er als Hilfsschlosser bei der Speditionsfirma K. in W ... Für diese Tätigkeit wurden ihm Arbeitserlaubnisse nach § 19 AVG erteilt am 9. März 1976 und 7. Februar 1977.
In der Zeit vom 3. Oktober 1977 bis 4. Dezember 1978 leistete er unter Beibehaltung des in D. bei den Eltern begründeten Wohnsitzes seinen Wehrdienst in S. ab. Seit dem 9. Januar 1979 ist er wieder mit einer bis zum 8. Januar 1980 geltenden Arbeitserlaubnis bei der Firma K. beschäftigt.
Am 7. Juni 1977 beantragte der Kläger die Erteilung einer unbefristeten und uneingeschränkten Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970. Mit Bescheid vom 11. Juli 1977 lehnte die Beklagte diese Erteilung ab. Im einzelnen führte sie aus, daß der Kläger nicht mindestens fünf Jahre lang in der Bundesrepublik ununterbrochen rechtmäßig als Arbeitnehmer beschäftigt sei und auch nicht einen ununterbrochenen ordnungsgemäßen Aufenthalt von mindestens acht Jahren nachweisen könne; die für minderjährige Familienangehörige geltende Vergünstigung nach Art. 10 Abs. 5 des Niederlassungsvertrages – Ausreichen einer fünfjährigen Aufenthaltsdauer – könne der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen, da er nicht mehr zum Personenkreis der Minderjährigen gehöre. Im übrigen wies die Beklagte darauf hin, der Kläger habe in der Zeit vom 21. August 1972 bis 20. November 1972 eine Arbeitnehmertätigkeit ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis ausgeübt, und fügte abschließend hinzu, Gründe, die im Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, seien den Antragsunterlagen nicht zu entnehmen.
Am 9. August 1977 legte der Kläger Widerspruch ein und machte im wesentlichen geltend, die Frage der Minderjährigkeit beurteile sich nicht nach deutschen, sondern nach spanischem Recht, das die Minderjährigkeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres erstrecke; im übrigen sei ein Härtefall gegeben. Ergänzend legte er ein Schreiben der Firma N., M. & Co. vom 6. Dezember 1977 vor, in dem diese bestätigte, daß sie für die Stellung des Antrags auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gesorgt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1978, zugestellt am 6. Februar 1978, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stützte sich dabei darauf, die Minderjährigkeit des Klägers richte sich nach deutschem Recht; im übrigen würden Zeiten der unerlaubten Beschäftigung nicht nur die Frist der fünfjährigen ununterbrochenen Beschäftigung, sondern darüber hinaus auch den Zeitraum des ordnungsgemäßen Aufenthalts unterbrechen, weil bei einer nicht rechtmäßigen Beschäftigung der Aufenthalt nicht als ordnungsgemäß anzusehen sei. Schließlich lehnte sie weiterhin das Vorliegen eines Härtefalles ab.
Am 9. Februar 1978 hat der Kläger durch Einreichen einer Klageschrift bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Zur Begründung seiner Auffassung, daß sich die Feststellung der Minderjährigkeit letztlich nach spanischem Recht beurteile, hat er ergänzend auf die Bestimmung des Art. 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Bezug genommen und hinsichtlich einer unerlaubten Beschäftigung bei der Firma N., M. & Co. geltend gemacht, er habe darauf vertraut, daß diese Firma die nötige Arbeitserlaubnis sofort besorgen werde. In einem Erörterungstermin am 19. April 1978 hat die Beklagte daraufhin erklärt, daß zugunsten des Klägers eine Beschäftigungszeit ab dem 21. August 1972 angerechnet werde. Sie hat aber an ihrer Auffassung festgehalten, daß dennoch die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Arbeitserlaubnis nicht erfüllt seien.
Mit Urteil vom 21. Juni 1978 hat das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte verurteilt, dem Kläger die von ihm begehrte unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis zu erteilen. Im wesentlichen ist diese Verurteilung darauf gestützt, daß sich die Frage der Minderjährigkeit des Klägers gemäß der Regelung des Internationalen Privatrechts nach spanischem Recht richte und der Kläger vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eine fünfjährige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet aufzuweisen habe.
Gegen dieses der Beklagten am 13. Juli 1978 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 3. August 1978, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 8. August 1978, eingelegte Berufung der Beklagten.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß der Kläger nicht die Voraussetzungen für die von ihm begehrte Arbeitserlaubnis erfülle, und weist ergänzend darauf hin, daß der Kläger auch in der Zeit vom 7. Dezember 1975 bis 27. Dezember 1975 bei der Firma N., M. & Co. unerlaubt gearbeitet habe, da sich die seinerzeit erteilte Arbeitserlaubnis nur auf eine Tätigkeit als Lehrling, nicht aber auf eine Tätigkeit als Kraftfahrzeugmechaniker bezogen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das von der Beklagten angefochtene Urteil für zutreffend und meint, für die Zeit vom 7. Dezember 1975 nis 27. Dezember 1975 müsse die Beklagte vom Vorliegen einer Härtefalles ausgehen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Arbeitserlaubnisakten der Beklagten, der Leistungsakten der Beklagten, Stamm-Nr. XXXXX, Arbeitsamt D., mit der dazugehörigen AE-Karte, und der vom Gericht beigezogenen Ausländerakten des Oberbürgermeisters der Stadt D., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 1978 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die begehrte unbefristete und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat vom 23. April 1970 zu gewähren. Die diesbezüglichen Voraussetzungen des Vertrages, der nach dem Gesetz vom 7. September 1972 (BGBl. II S. 1041) in der Bundesrepublik geltendes Recht ist, sind erfüllt. Dem Kläger kommt die Vergünstigung des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Vertrages zugute. Nach dessen Regelung verkürzt sich bei Arbeitnehmern, die, wie dies für den Vater des Klägers zutrifft, im Besitz einer unbefristeten und uneingeschränkten Arbeitserlaubnis sind, für ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder die zur Erlangung einer solchen Arbeitserlaubnis erforderliche Aufenthaltsdauer von acht auf fünf Jahre. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung (7. Juni 1977) ein minderjähriges Kind im Sinne der vorgenannten Vertragsbestimmung und hielt sich zu diesem Zeitpunkt auch schon länger als fünf Jahre lang ununterbrochen ordnungsgemäß im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auf.
Die Frage der Minderjährigkeit beurteilt sich freilich nicht, wie der Kläger und das Gericht erster Instanz annehmen, nach den Regelungen des Internationalen Privatrechts. Diese finden, da die zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen nicht zum Bereich des Privatrechts gehören, keine Anwendung. Auch aus dem Umstand, daß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zu dem Niederlassungsvertrag in beiden Rechtsordnungen übereinstimmend die Volljährigkeit erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres eintrat (§ 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs alter Fassung – BGB – a.F. –, Art. 320 des Spanischen Zivilgesetzbuchs), können keine Schlußfolgerungen für die Entscheidung des vorliegenden Falles gezogen werden. Weder der Niederlassungsvertrag nicht das ihn ergänzende Protokoll (s. BGBl., a.a.O., S. 1052) erklären hinsichtlich des Volljährigkeitsalters den damaligen Rechtszustand zum Vertragsinhalt. Dieser damalige Rechtszustand ist auch nicht beanstandet in dem Sinne, daß es einem der Vertragspartner verwehrt wäre, die Volljährigkeitsgrenze auch mit Wirkung gegenüber den sich in einem Hoheitsgebiet aufhaltenden Staatsbürgern des anderen Vertragspartners herabzusetzen und damit den für diese Staatsbürger begründeten Minderjährigenschutz einseitig einzuschränken. Eine solche Herabsetzung bzw. Einschränkung kann allenfalls dem anderen Staate gegenüber eine Verletzung des völkerrechtlichen Vertrages darstellen; den einzelnen Staatsbürgern des anderen Staates gegenüber ist sie jedoch im Falle einer innerstaatlichen Rechtsanwendung wirksam, falls diese Rechtsanwendung sich nach dem Recht des Aufenthaltsstaates richtet.
Zu einer Anwendung des deutschen Rechts, dessen Volljährigkeitsgrenze ab dem 1. Januar 1975 von 21 Jahren auf 18 Jahren herabgesetzt ist (s. Gesetz vom 31. Juli 1974, BGBl. I S. 1713), als des Rechts des Aufenthaltsstaates kommt es im vorliegenden Falle jedoch deshalb nicht, weil Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages hinsichtlich der Frage, nach welcher staatlichen Rechtsordnung sich die Minderjährigkeit von Kindern beurteilt, auf das Recht des Herkunftsstaates und nicht auf das Recht des Aufenthaltsstaates verweist. Deshalb richtet sich für Kinder spanischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland die Frage der Minderjährigkeit nach ihrem spanischen Heimatrecht. Nach spanischem Recht tritt aber nach wie vor die Volljährigkeit erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes ein, so daß der Kläger zum Zeitpunkt der Beantragung der Arbeitserlaubnis noch als minderjährig anzusehen war, obwohl er nach deutschem Recht bereits volljährig war.
Aus dem Niederlassungsvertrag ergibt sich freilich zunächst die Geltung des an den Aufenthaltsort anknüpfenden Territorialitätsprinzips. Nach Art. 10 Abs. 1 regelt sich die Aufnahme und Ausübung einer Tätigkeit als Arbeitnehmer durch Staatsangehörige der einen Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nach den Gesetzen und Verwaltungsvorschriften der letztgenannten Vertragspartei über ausländische Arbeitnehmer. Danach ist grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden. Dieses Territorialitätsprinzip gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur "vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen”. Durch diesen Vorbehalt werden nicht nur Ausnahmen zugelassen; er deutet gleichzeitig darauf hin, daß die Vertragsparteien selbst von dem Vorliegen derartiger Ausnahmen ausgegangen sind. Eine solche Ausnahmeregelung enthält Art. 10 Abs. 5 S. 1, indem diese Bestimmung auf das an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Personalprinzip abstellt und insoweit das Territorialitätsprinzip partiell verdrängt.
Die Geltung des Personalprinzips und damit des – spanischen – Heimatrechts ergibt sich zwar nicht aus dem insoweit offenen Wortlaut, wohl aber aus dem sozialen Schutzzweck des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages. Sinn und Zweck dieser Bestimmung besteht darin, daß Arbeitnehmer, die mit ihren Ehegatten und minderjährigen Kindern in dem jeweils anderen Land leben und selbst dort frei und uneingeschränkt arbeiten können, besonders begünstigt werden sollen. Schutzobjekt ist die Familie, die sich aus dem Ehegatten und den minderjährigen Kindern zusammensetzt; sie soll sich möglichst frühzeitig als geschlossene Einheit auf dem Arbeitsmarkt frei bewegen können und insoweit nicht über längere Zeit hinweg unterschiedlichen rechtlichen Bindungen und Beschränkungen unterliegen, die die Mobilität der Familie insgesamt einengen und ihrer Integration in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben des Gastlandes Grenzen setzen. Dieser Gedanke des sozialen Schutzes der Familieneinheit wird aber nur dann realisiert, wenn man darauf abstellt, nach welcher Rechtsordnung sich die Familieneinheit der jeweils betroffenen Familien richtet, nach welchen familienrechtlichen Beziehungen die Familie im jeweiligen Gastland lebt. So würde es beispielsweise offensichtlich dem Schutzzweck des Art. 10 Abs. 5 S. 1 widersprechen, Personen, die nur nach spanischem, nicht aber auch nach deutschem Recht eine wirksame Ehe geschlossen haben, mit der Begründung, daß sie nicht verheiratet seien, von dem Schutz des Art. 10 Abs. 5 S. 1 auszunehmen, wenn sie im Bundesgebiet leben und arbeiten wollen. Gleiches gilt, wenn es darum geht, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis vorliegt. In ähnlichem Sinne ist aber auch die Frage der Minderjährigkeit eines Kindes nicht nur eine Frage der nach außen, auf die Teilnahme an Rechtsverkehr gerichteten Geschäftsfähigkeit, andern auch eine Frage des personenrechtlichen Status innerhalb der Familie. Auf diesen innerfamiliären personenrechtlichen Status als minderjähriges Kind ist nach dem sozialen Schutzzweck der Bestimmung sogar vorliegend abzustellen.
Die Frage der Familieneinheit und damit auch die Frage, bis zu welchem Alter Kinder als minderjährig zur Familie gehören und geschützt werden sollen, richtet sich für Spanier, die in der Bundesrepublik leben, aber weiterhin nach ihrem spanischen Heimatrecht. Sie nehmen insoweit dieses Heimatrecht mit. So verpflichten, worauf der Kläger durch Vorlage des spanischen Gesetzestextes hingewiesen hat, die spanischen Gesetze über das Familienrecht oder den Status bzw. den Personenstand und die Geschäftsfähigkeit nach Art. 9 des Spanischen Zivilgesetzbuchs die spanischen Staatsbürger auch, wenn sie sich im Ausland aufhalten; d.h., daß für spanische Familien auch dann, wenn sie mit ihren Kindern in der Bundesrepublik Deutschland leben, hinsichtlich der Ordnung ihrer familienrechtlichen Beziehungen, vor allem hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten gegenüber ihren Kindern, die Volljährigkeitsgrenze des spanischen Rechts maßgeblich bleibt. Diese nach spanischem Recht auch in der Bundesrepublik Deutschland fortbestehende Familieneinheit zwischen Eltern und Kindern, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, soll durch die Regelung des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages geschützt werden. Diese Bestimmung ergänzt bezüglich der Erteilung von Arbeitserlaubnissen die Vorschriften des Internationalen Privatrechts, die ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit und das Heimatrecht abstellen (s. insbesondere Art. 7 und 19 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB –) und stellt zu ihnen die notwendige Rechtseinheit her.
Der Kläger hat sich bei Antragstellung auch bereits fünf Jahre lang ununterbrochen ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufgehalten. Er ist im Februar 1970 erlaubterweise in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hielt sich anschließend mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis bei seinen Eltern in D. auf. Im Zeitpunkt der Antragstellung (7. Juni 1977) waren demgemäß bereits mehr als die erforderlichen fünf Jahre vergangen. Die Einwände der Beklagten gegen das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Aufenthaltes greifen nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob nicht lediglich Gründe, die so schwerwiegend sind, daß sie eine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen, die Ordnungsmäßigkeit eines Aufenthalts ausschließen bzw. unterbrechen. Zumindest führen die beiden Zeiten der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung vom 21. August 1972 bis zum 20. November 1972 und vom 7. Dezember 1975 bis zum 27. Dezember 1975 nicht zu einem Ausschluß bzw. zu einer Unterbrechung der Ordnungsmäßigkeit des Aufenthalts. Abgesehen davon, daß in Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrags ausdrücklich zwischen der Zeit eines ununterbrochenen ordnungsgemäßen Aufenthalts und der Zeit einer ununterbrochenen und damit ordnungsgemäßen Beschäftigung als Arbeitnehmer unterschieden wird, müssen die Verstöße gegen Rechtsnormen der Bundesrepublik zumindest so schwerwiegend sein, daß sie die eintretenden Sanktionen – Unterbrechung des Laufes der fünf- bzw. achtjährigen Aufenthaltsfrist und Neubeginn des Laufes dieser Fristen – zu rechtfertigen vermögen. Diese Sanktionen dürfen nicht außer Verhältnis stehen zu der Schwere der Regelübertretung und müssen den Auswirkungen auf die Familie insgesamt Rechnung tragen.
Ein derartiger Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre aber gegeben, wenn man die beiden Zeiten der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung als ausreichend ansehen würde, um eine Unterbrechung der Ordnungsmäßigkeit des Aufenthalts zu begründen. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei beiden Zeiten um verhältnismäßig kurze Zeiten handelt, wobei der Kläger zudem, falls er damals überhaupt zwingend annehmen mußte, daß er auch für die Begründung eines Ausbildungsverhältnisses eine Arbeitserlaubnis benötigt, zumindest davon ausgehen konnte, daß der Arbeitgeber sich an diese Arbeitserlaubnis kümmern werde, und wobei hinsichtlich der zweiten Zeit immerhin eine noch fortdauernde Arbeitserlaubnis für eine Ausbildungstätigkeit bei demselben Arbeitgeber vorlag. Hinzu kommt, daß der Kläger zu jener Zeit noch sehr jung war und daher nicht die gleichen strengen Maßstäbe wie bei einem Erwachsenen angelegt werden können. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Bejahung der Unterbrechung einer Ordnungsmäßigkeit der Aufenthaltsdauer dazu führen würde, daß die dann vorzunehmende Versagung der Erteilung der begehrten Arbeitserlaubnis die Familie insgesamt treffen würde, indem ihre Mobilität auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt wäre. Alle diese Überlegungen werden zusätzlich verstärkt durch den in dem Niederlassungsvertrag deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen der Vertragsparteien, bei Anwendung der Bestimmungen des Vertrages jeden Härtefall auszuschließen und gerade bei Familienangehörigen eine besonders wohlwollende Prüfung der Anträge auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vorzunehmen (s. Art. 10 Abs. 4 Abs. 5 S. 2). Ein entsprechender Härtefall und eine dem Vertragsgehalt widersprechende besonders strenge Handhabung der Vertragsbestimmungen würden aber vorliegen, wenn man den Einwänden der Beklagten folgen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der entschiedenen Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine unbefristete und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat vom 23. April 1970 (Bundesgesetzblatt – BGBl. II 1972 S. 1041) zu erteilen.
Der 1956 in I. C./S. geborene Kläger, ein spanischer Staatsangehöriger, ist am 18. Februar 1970 erlaubterweise in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis seit dem 25. Februar 1970 bei seinen in D. lebenden Eltern polizeilich gemeldet. Sein Vater besitzt eine unbefristete und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970.
Der Kläger begann am 21. August 1972 eine Kraftfahrzeugmechanikerlehre bei der Firma N., M. & Co. in D ... Eine Arbeitserlaubnis gemäß § 19 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) wurde ihm am 18. Dezember 1972 für die Zeit vom 21. November 1972 bis 31. Januar 1976 für dieses Ausbildungsverhältnis erteilt. Da er die Gesellenprüfung nicht bestand, beendete er die Lehre am 6. Dezember 1975 und arbeitete bei der Firma N., M. & Co. noch vom Dezember 1975 bis 27. Dezember 1975 als Kraftfahrzeugmechaniker. In der Zeit vom 29. Dezember 1975 bis 13. Februar 1976 war er arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld. Vom 14. Februar 1976 bis 14. September 1977 arbeitete er als Hilfsschlosser bei der Speditionsfirma K. in W ... Für diese Tätigkeit wurden ihm Arbeitserlaubnisse nach § 19 AVG erteilt am 9. März 1976 und 7. Februar 1977.
In der Zeit vom 3. Oktober 1977 bis 4. Dezember 1978 leistete er unter Beibehaltung des in D. bei den Eltern begründeten Wohnsitzes seinen Wehrdienst in S. ab. Seit dem 9. Januar 1979 ist er wieder mit einer bis zum 8. Januar 1980 geltenden Arbeitserlaubnis bei der Firma K. beschäftigt.
Am 7. Juni 1977 beantragte der Kläger die Erteilung einer unbefristeten und uneingeschränkten Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages vom 23. April 1970. Mit Bescheid vom 11. Juli 1977 lehnte die Beklagte diese Erteilung ab. Im einzelnen führte sie aus, daß der Kläger nicht mindestens fünf Jahre lang in der Bundesrepublik ununterbrochen rechtmäßig als Arbeitnehmer beschäftigt sei und auch nicht einen ununterbrochenen ordnungsgemäßen Aufenthalt von mindestens acht Jahren nachweisen könne; die für minderjährige Familienangehörige geltende Vergünstigung nach Art. 10 Abs. 5 des Niederlassungsvertrages – Ausreichen einer fünfjährigen Aufenthaltsdauer – könne der Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen, da er nicht mehr zum Personenkreis der Minderjährigen gehöre. Im übrigen wies die Beklagte darauf hin, der Kläger habe in der Zeit vom 21. August 1972 bis 20. November 1972 eine Arbeitnehmertätigkeit ohne die erforderliche Arbeitserlaubnis ausgeübt, und fügte abschließend hinzu, Gründe, die im Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, seien den Antragsunterlagen nicht zu entnehmen.
Am 9. August 1977 legte der Kläger Widerspruch ein und machte im wesentlichen geltend, die Frage der Minderjährigkeit beurteile sich nicht nach deutschen, sondern nach spanischem Recht, das die Minderjährigkeit bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres erstrecke; im übrigen sei ein Härtefall gegeben. Ergänzend legte er ein Schreiben der Firma N., M. & Co. vom 6. Dezember 1977 vor, in dem diese bestätigte, daß sie für die Stellung des Antrags auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis gesorgt habe. Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1978, zugestellt am 6. Februar 1978, wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stützte sich dabei darauf, die Minderjährigkeit des Klägers richte sich nach deutschem Recht; im übrigen würden Zeiten der unerlaubten Beschäftigung nicht nur die Frist der fünfjährigen ununterbrochenen Beschäftigung, sondern darüber hinaus auch den Zeitraum des ordnungsgemäßen Aufenthalts unterbrechen, weil bei einer nicht rechtmäßigen Beschäftigung der Aufenthalt nicht als ordnungsgemäß anzusehen sei. Schließlich lehnte sie weiterhin das Vorliegen eines Härtefalles ab.
Am 9. Februar 1978 hat der Kläger durch Einreichen einer Klageschrift bei dem Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Zur Begründung seiner Auffassung, daß sich die Feststellung der Minderjährigkeit letztlich nach spanischem Recht beurteile, hat er ergänzend auf die Bestimmung des Art. 7 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) Bezug genommen und hinsichtlich einer unerlaubten Beschäftigung bei der Firma N., M. & Co. geltend gemacht, er habe darauf vertraut, daß diese Firma die nötige Arbeitserlaubnis sofort besorgen werde. In einem Erörterungstermin am 19. April 1978 hat die Beklagte daraufhin erklärt, daß zugunsten des Klägers eine Beschäftigungszeit ab dem 21. August 1972 angerechnet werde. Sie hat aber an ihrer Auffassung festgehalten, daß dennoch die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Arbeitserlaubnis nicht erfüllt seien.
Mit Urteil vom 21. Juni 1978 hat das Sozialgericht Darmstadt die Beklagte verurteilt, dem Kläger die von ihm begehrte unbefristete und unbeschränkte Arbeitserlaubnis zu erteilen. Im wesentlichen ist diese Verurteilung darauf gestützt, daß sich die Frage der Minderjährigkeit des Klägers gemäß der Regelung des Internationalen Privatrechts nach spanischem Recht richte und der Kläger vor der Vollendung des 21. Lebensjahres eine fünfjährige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet aufzuweisen habe.
Gegen dieses der Beklagten am 13. Juli 1978 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 3. August 1978, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 8. August 1978, eingelegte Berufung der Beklagten.
Die Beklagte hält an ihrer Auffassung fest, daß der Kläger nicht die Voraussetzungen für die von ihm begehrte Arbeitserlaubnis erfülle, und weist ergänzend darauf hin, daß der Kläger auch in der Zeit vom 7. Dezember 1975 bis 27. Dezember 1975 bei der Firma N., M. & Co. unerlaubt gearbeitet habe, da sich die seinerzeit erteilte Arbeitserlaubnis nur auf eine Tätigkeit als Lehrling, nicht aber auf eine Tätigkeit als Kraftfahrzeugmechaniker bezogen habe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das von der Beklagten angefochtene Urteil für zutreffend und meint, für die Zeit vom 7. Dezember 1975 nis 27. Dezember 1975 müsse die Beklagte vom Vorliegen einer Härtefalles ausgehen.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Arbeitserlaubnisakten der Beklagten, der Leistungsakten der Beklagten, Stamm-Nr. XXXXX, Arbeitsamt D., mit der dazugehörigen AE-Karte, und der vom Gericht beigezogenen Ausländerakten des Oberbürgermeisters der Stadt D., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 151 Abs. 1, 143 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Sie ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. Juni 1978 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger die begehrte unbefristete und uneingeschränkte Arbeitserlaubnis nach Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Spanischen Staat vom 23. April 1970 zu gewähren. Die diesbezüglichen Voraussetzungen des Vertrages, der nach dem Gesetz vom 7. September 1972 (BGBl. II S. 1041) in der Bundesrepublik geltendes Recht ist, sind erfüllt. Dem Kläger kommt die Vergünstigung des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Vertrages zugute. Nach dessen Regelung verkürzt sich bei Arbeitnehmern, die, wie dies für den Vater des Klägers zutrifft, im Besitz einer unbefristeten und uneingeschränkten Arbeitserlaubnis sind, für ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder die zur Erlangung einer solchen Arbeitserlaubnis erforderliche Aufenthaltsdauer von acht auf fünf Jahre. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Antragstellung (7. Juni 1977) ein minderjähriges Kind im Sinne der vorgenannten Vertragsbestimmung und hielt sich zu diesem Zeitpunkt auch schon länger als fünf Jahre lang ununterbrochen ordnungsgemäß im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland auf.
Die Frage der Minderjährigkeit beurteilt sich freilich nicht, wie der Kläger und das Gericht erster Instanz annehmen, nach den Regelungen des Internationalen Privatrechts. Diese finden, da die zwischen den Beteiligten bestehenden Rechtsbeziehungen nicht zum Bereich des Privatrechts gehören, keine Anwendung. Auch aus dem Umstand, daß zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bzw. zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zu dem Niederlassungsvertrag in beiden Rechtsordnungen übereinstimmend die Volljährigkeit erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres eintrat (§ 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs alter Fassung – BGB – a.F. –, Art. 320 des Spanischen Zivilgesetzbuchs), können keine Schlußfolgerungen für die Entscheidung des vorliegenden Falles gezogen werden. Weder der Niederlassungsvertrag nicht das ihn ergänzende Protokoll (s. BGBl., a.a.O., S. 1052) erklären hinsichtlich des Volljährigkeitsalters den damaligen Rechtszustand zum Vertragsinhalt. Dieser damalige Rechtszustand ist auch nicht beanstandet in dem Sinne, daß es einem der Vertragspartner verwehrt wäre, die Volljährigkeitsgrenze auch mit Wirkung gegenüber den sich in einem Hoheitsgebiet aufhaltenden Staatsbürgern des anderen Vertragspartners herabzusetzen und damit den für diese Staatsbürger begründeten Minderjährigenschutz einseitig einzuschränken. Eine solche Herabsetzung bzw. Einschränkung kann allenfalls dem anderen Staate gegenüber eine Verletzung des völkerrechtlichen Vertrages darstellen; den einzelnen Staatsbürgern des anderen Staates gegenüber ist sie jedoch im Falle einer innerstaatlichen Rechtsanwendung wirksam, falls diese Rechtsanwendung sich nach dem Recht des Aufenthaltsstaates richtet.
Zu einer Anwendung des deutschen Rechts, dessen Volljährigkeitsgrenze ab dem 1. Januar 1975 von 21 Jahren auf 18 Jahren herabgesetzt ist (s. Gesetz vom 31. Juli 1974, BGBl. I S. 1713), als des Rechts des Aufenthaltsstaates kommt es im vorliegenden Falle jedoch deshalb nicht, weil Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages hinsichtlich der Frage, nach welcher staatlichen Rechtsordnung sich die Minderjährigkeit von Kindern beurteilt, auf das Recht des Herkunftsstaates und nicht auf das Recht des Aufenthaltsstaates verweist. Deshalb richtet sich für Kinder spanischer Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland die Frage der Minderjährigkeit nach ihrem spanischen Heimatrecht. Nach spanischem Recht tritt aber nach wie vor die Volljährigkeit erst mit der Vollendung des 21. Lebensjahres des Kindes ein, so daß der Kläger zum Zeitpunkt der Beantragung der Arbeitserlaubnis noch als minderjährig anzusehen war, obwohl er nach deutschem Recht bereits volljährig war.
Aus dem Niederlassungsvertrag ergibt sich freilich zunächst die Geltung des an den Aufenthaltsort anknüpfenden Territorialitätsprinzips. Nach Art. 10 Abs. 1 regelt sich die Aufnahme und Ausübung einer Tätigkeit als Arbeitnehmer durch Staatsangehörige der einen Vertragspartei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei nach den Gesetzen und Verwaltungsvorschriften der letztgenannten Vertragspartei über ausländische Arbeitnehmer. Danach ist grundsätzlich deutsches Recht anzuwenden. Dieses Territorialitätsprinzip gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur "vorbehaltlich der nachfolgenden Bestimmungen”. Durch diesen Vorbehalt werden nicht nur Ausnahmen zugelassen; er deutet gleichzeitig darauf hin, daß die Vertragsparteien selbst von dem Vorliegen derartiger Ausnahmen ausgegangen sind. Eine solche Ausnahmeregelung enthält Art. 10 Abs. 5 S. 1, indem diese Bestimmung auf das an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Personalprinzip abstellt und insoweit das Territorialitätsprinzip partiell verdrängt.
Die Geltung des Personalprinzips und damit des – spanischen – Heimatrechts ergibt sich zwar nicht aus dem insoweit offenen Wortlaut, wohl aber aus dem sozialen Schutzzweck des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages. Sinn und Zweck dieser Bestimmung besteht darin, daß Arbeitnehmer, die mit ihren Ehegatten und minderjährigen Kindern in dem jeweils anderen Land leben und selbst dort frei und uneingeschränkt arbeiten können, besonders begünstigt werden sollen. Schutzobjekt ist die Familie, die sich aus dem Ehegatten und den minderjährigen Kindern zusammensetzt; sie soll sich möglichst frühzeitig als geschlossene Einheit auf dem Arbeitsmarkt frei bewegen können und insoweit nicht über längere Zeit hinweg unterschiedlichen rechtlichen Bindungen und Beschränkungen unterliegen, die die Mobilität der Familie insgesamt einengen und ihrer Integration in das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben des Gastlandes Grenzen setzen. Dieser Gedanke des sozialen Schutzes der Familieneinheit wird aber nur dann realisiert, wenn man darauf abstellt, nach welcher Rechtsordnung sich die Familieneinheit der jeweils betroffenen Familien richtet, nach welchen familienrechtlichen Beziehungen die Familie im jeweiligen Gastland lebt. So würde es beispielsweise offensichtlich dem Schutzzweck des Art. 10 Abs. 5 S. 1 widersprechen, Personen, die nur nach spanischem, nicht aber auch nach deutschem Recht eine wirksame Ehe geschlossen haben, mit der Begründung, daß sie nicht verheiratet seien, von dem Schutz des Art. 10 Abs. 5 S. 1 auszunehmen, wenn sie im Bundesgebiet leben und arbeiten wollen. Gleiches gilt, wenn es darum geht, ob ein Eltern-Kind-Verhältnis vorliegt. In ähnlichem Sinne ist aber auch die Frage der Minderjährigkeit eines Kindes nicht nur eine Frage der nach außen, auf die Teilnahme an Rechtsverkehr gerichteten Geschäftsfähigkeit, andern auch eine Frage des personenrechtlichen Status innerhalb der Familie. Auf diesen innerfamiliären personenrechtlichen Status als minderjähriges Kind ist nach dem sozialen Schutzzweck der Bestimmung sogar vorliegend abzustellen.
Die Frage der Familieneinheit und damit auch die Frage, bis zu welchem Alter Kinder als minderjährig zur Familie gehören und geschützt werden sollen, richtet sich für Spanier, die in der Bundesrepublik leben, aber weiterhin nach ihrem spanischen Heimatrecht. Sie nehmen insoweit dieses Heimatrecht mit. So verpflichten, worauf der Kläger durch Vorlage des spanischen Gesetzestextes hingewiesen hat, die spanischen Gesetze über das Familienrecht oder den Status bzw. den Personenstand und die Geschäftsfähigkeit nach Art. 9 des Spanischen Zivilgesetzbuchs die spanischen Staatsbürger auch, wenn sie sich im Ausland aufhalten; d.h., daß für spanische Familien auch dann, wenn sie mit ihren Kindern in der Bundesrepublik Deutschland leben, hinsichtlich der Ordnung ihrer familienrechtlichen Beziehungen, vor allem hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten gegenüber ihren Kindern, die Volljährigkeitsgrenze des spanischen Rechts maßgeblich bleibt. Diese nach spanischem Recht auch in der Bundesrepublik Deutschland fortbestehende Familieneinheit zwischen Eltern und Kindern, die noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet haben, soll durch die Regelung des Art. 10 Abs. 5 S. 1 des Niederlassungsvertrages geschützt werden. Diese Bestimmung ergänzt bezüglich der Erteilung von Arbeitserlaubnissen die Vorschriften des Internationalen Privatrechts, die ebenfalls auf die Staatsangehörigkeit und das Heimatrecht abstellen (s. insbesondere Art. 7 und 19 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch – EGBGB –) und stellt zu ihnen die notwendige Rechtseinheit her.
Der Kläger hat sich bei Antragstellung auch bereits fünf Jahre lang ununterbrochen ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufgehalten. Er ist im Februar 1970 erlaubterweise in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und hielt sich anschließend mit entsprechender Aufenthaltserlaubnis bei seinen Eltern in D. auf. Im Zeitpunkt der Antragstellung (7. Juni 1977) waren demgemäß bereits mehr als die erforderlichen fünf Jahre vergangen. Die Einwände der Beklagten gegen das Vorliegen eines ordnungsgemäßen Aufenthaltes greifen nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob nicht lediglich Gründe, die so schwerwiegend sind, daß sie eine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen, die Ordnungsmäßigkeit eines Aufenthalts ausschließen bzw. unterbrechen. Zumindest führen die beiden Zeiten der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung vom 21. August 1972 bis zum 20. November 1972 und vom 7. Dezember 1975 bis zum 27. Dezember 1975 nicht zu einem Ausschluß bzw. zu einer Unterbrechung der Ordnungsmäßigkeit des Aufenthalts. Abgesehen davon, daß in Art. 10 Abs. 3 des Niederlassungsvertrags ausdrücklich zwischen der Zeit eines ununterbrochenen ordnungsgemäßen Aufenthalts und der Zeit einer ununterbrochenen und damit ordnungsgemäßen Beschäftigung als Arbeitnehmer unterschieden wird, müssen die Verstöße gegen Rechtsnormen der Bundesrepublik zumindest so schwerwiegend sein, daß sie die eintretenden Sanktionen – Unterbrechung des Laufes der fünf- bzw. achtjährigen Aufenthaltsfrist und Neubeginn des Laufes dieser Fristen – zu rechtfertigen vermögen. Diese Sanktionen dürfen nicht außer Verhältnis stehen zu der Schwere der Regelübertretung und müssen den Auswirkungen auf die Familie insgesamt Rechnung tragen.
Ein derartiger Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wäre aber gegeben, wenn man die beiden Zeiten der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung als ausreichend ansehen würde, um eine Unterbrechung der Ordnungsmäßigkeit des Aufenthalts zu begründen. Dabei ist zu beachten, daß es sich bei beiden Zeiten um verhältnismäßig kurze Zeiten handelt, wobei der Kläger zudem, falls er damals überhaupt zwingend annehmen mußte, daß er auch für die Begründung eines Ausbildungsverhältnisses eine Arbeitserlaubnis benötigt, zumindest davon ausgehen konnte, daß der Arbeitgeber sich an diese Arbeitserlaubnis kümmern werde, und wobei hinsichtlich der zweiten Zeit immerhin eine noch fortdauernde Arbeitserlaubnis für eine Ausbildungstätigkeit bei demselben Arbeitgeber vorlag. Hinzu kommt, daß der Kläger zu jener Zeit noch sehr jung war und daher nicht die gleichen strengen Maßstäbe wie bei einem Erwachsenen angelegt werden können. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß die Bejahung der Unterbrechung einer Ordnungsmäßigkeit der Aufenthaltsdauer dazu führen würde, daß die dann vorzunehmende Versagung der Erteilung der begehrten Arbeitserlaubnis die Familie insgesamt treffen würde, indem ihre Mobilität auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt wäre. Alle diese Überlegungen werden zusätzlich verstärkt durch den in dem Niederlassungsvertrag deutlich zum Ausdruck gebrachten Willen der Vertragsparteien, bei Anwendung der Bestimmungen des Vertrages jeden Härtefall auszuschließen und gerade bei Familienangehörigen eine besonders wohlwollende Prüfung der Anträge auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis vorzunehmen (s. Art. 10 Abs. 4 Abs. 5 S. 2). Ein entsprechender Härtefall und eine dem Vertragsgehalt widersprechende besonders strenge Handhabung der Vertragsbestimmungen würden aber vorliegen, wenn man den Einwänden der Beklagten folgen würde.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der entschiedenen Rechtsfrage eine grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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