L 12 KR 5872/06 KO-A

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 KR 5872/06 KO-A
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung für die sachverständige Zeugenaussage vom 02.08.2006 wird auf 44,55 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

In dem beim Landessozialgericht unter dem Aktenzeichen L 5 KR 2558/06 anhängigen Hauptsacheverfahren ist die Übernahme von Behandlungskosten nach § 13 Abs. 3 SGB V für eine perkutane Nukleotomie mittels Chemonukleolyse im Streit.

Die Berichterstatterin des Verfahrens L 5 KR 2558/06 hat am 17.07.2006 bei einer Mehrzahl von Kliniken angefragt, ob das Verfahren der perkutanen Nukleotomie mittels Chemonukleolyse lediglich an Privatkliniken oder auch an Vertragskrankenhäusern der gesetzlichen Krankenkassen durchgeführt wird. Es werde um Mitteilung gebeten, ob diese Operationsmethode grundsätzlich durchgeführt werde bzw. welches Vertragskrankenhaus der Klinik bekannt sei, das Patienten auf diese Weise behandele. Bei der Anfrage wies die Berichterstatterin darauf hin, dass ein kurzes Antwortschreiben genügen würde; eine Kostenerstattung für den bei der Beantwortung der Anfrage entstehenden Aufwand wurde nicht in Aussicht gestellt.

Aufgrund der Anfrage telefonierte der Antragsteller mit der Berichterstatterin nach eigenen Angaben ca. eine halbe Stunde. Schließlich sandte er am 02.08.2006 folgendes Antwortschreiben:

"Sehr geehrte Frau ... bezüglich Ihres o.g. Schreibens vom 17.07.2006 können wir Folgendes mitteilen: Grundsätzlich bieten wir die percutane Nukleotomie (Chemonukleolyse) im Spektrum unserer Behandlung an. Dies allerdings nur bei vorliegender Indikation zur dieser Maßnahme. Ob bei einem Patienten der o.g. Eingriff durchgeführt wird, wird im Rahmen einer ambulanten Vorstellung festgelegt. Mit freundlichen Grüßen (Unterschrift) Abrechnung erfolgt über PVS"

Die Privatärztliche Verrechnungsstelle GmbH (PVS) legte am 11.10.2006 eine Rechnung für diese Leistung in Höhe von 62,44 EUR vor (1 Arbeitsstunde nach der Honorargruppe M 2 gemäß JVEG zuzüglich Kopier- und Portokosten).

Die Kostenbeamtin lehnte die Erstattung der Forderung mit Schreiben vom 18.10.2006 mit der Begründung ab, der Antragsteller sei weder zum Sachverständigen ernannt noch als sachverständiger Zeuge hinzugezogen worden. Vielmehr handele es sich um eine allgemeine Anfrage im Wege der Amtshilfe, zu deren Beantwortung im Rahmen einer bloßen Auskunft die Klinik des Antragstellers verpflichtet sei.

Deswegen hat der Antragsteller am 17.11.2006 die richterliche Festsetzung nach § 4 Abs. 1 JVEG beantragt; er beruft sich hierbei auf den Zeitaufwand, den das mit der Berichterstatterin der Hauptsache geführte Telefonat mit sich gebracht habe.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz, JVEG) Anwendung, weil die Anfrage der Berichterstatterin in der Hauptsache nach dem 30.6.2004 an den Antragsteller erfolgt ist (§ 25 Satz 1 JVEG).

Der Senat entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG durch seine drei Berufsrichter, nachdem der Berichterstatter das Verfahren auf den Senat übertragen hat.

Zunächst ist festzustellen, dass eine Vergütung des Antragstellers allein nach den Vorschriften des JVEG in Betracht kommt. § 1 Abs. 1 Satz 2 JVEG enthält hierzu den Grundsatz, dass eine Entschädigung allein nach dem JVEG gewährt wird.

Als Zeuge wird eine Person bezeichnet, die hinsichtlich eines aufzuklärenden Sachverhaltes Angaben zur Sache machen kann. Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Zeuge die Pflicht, wahrheitsgemäß über die von ihm wahrgenommenen Tatsachen und Zustände (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 373 ff und 414 ZPO) zu berichten. Der Zeuge schildert dem Gericht also eigene Wahrnehmungen. Nicht maßgeblich für die Entschädigung einer Hinzuziehung als Zeuge ist, ob die Hinzuziehung ausdrücklich unter Hinweis auf die Zeugenstellung erfolgt ist.

Der Antragsteller hatte vorliegend eigene Wahrnehmungen zu bezeugen, weshalb er als Zeuge hinzugezogen worden ist. Die Hinzuziehung als Zeuge ist auch im schriftlichen Verfahren möglich. Die Abgrenzung zu einer bloßen Auskunft, die keine Entschädigung nach dem JVEG zulässt, hat danach zu erfolgen, ob strittige Tatsachen zu klären sind (dann Zeugenaussage) oder eher Tatsachen zur Sammlung des Prozessstoffs (dann Auskunft) ermittelt werden sollen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 106 Rdnr. 11 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Da vorliegend die Auskünfte des Antragstellers unmittelbar Einfluss auf den Streitgegenstand hatten, was sich auch aus dem Anschreiben der Berichterstatterin ergibt (" ... in einem Rechtsstreit beim Landessozialgericht Baden-Württemberg streiten die Beteiligten u.a. darüber, ob die ... auch an Vertragskrankenhäusern ... durchgeführt werden."), liegt eine Heranziehung des Antragstellers als Zeuge vor.

Da der Antragsteller die Auskunft aufgrund seiner besonderen Kenntnisse als Oberarzt geben sollte, ist er zudem nicht als einfacher Zeuge, sondern als sachverständiger Zeuge (§ 414 ZPO) angehört worden. Gegenüber dem "einfachen" Zeugen zeichnet sich der sachverständige Zeuge dadurch aus, dass er die Wahrnehmung von Tatsachen nur aufgrund seiner besonderen Sachkunde (hier: als Arzt) vornehmen konnte. Auch hier ist nicht maßgeblich, wie die Auskunftsperson von der beweisführenden Partei bezeichnet oder im Beweisbeschluss aufgeführt ist oder ob sie als Zeuge, sachverständiger Zeuge oder Sachverständiger geladen worden ist. Sofern eine Auskunft aufgrund bereits vorhandener (Spezial-)Kenntnisse etwa als behandelnder Arzt des Klägers gegeben wird, liegt eine Heranziehung als sachverständiger Zeuge vor (vgl. Beschluss des Senats vom 01.09.2006 - L 12 R 3579/06 KO-A -). Entscheidend für die Frage, ob eine Beweisperson als Zeuge oder als Sachverständiger anzusehen und zu entschädigen ist, ist der sachliche Gehalt der Vernehmung und, wenn es zur Vernehmung nicht kommt, der sachliche Gehalt der der Beweisperson gestellten Aufgabe (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.05.2005 - I-10 W 26/05 -).

Als sachverständiger Zeuge ist der Antragsteller nach § 10 Abs. 1 JVEG für seine kurze Aussage grundsätzlich nach der Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG mit 21,00 EUR zuzüglich Portokosten von 0,55 EUR zu entschädigen.

Zutreffend hat die Kostenbeamtin darauf hingewiesen, dass Kopierkosten nicht erstattet werden können, weil die Zeugenaussage beim Landessozialgericht lediglich 1-fach eingegangen ist.

Soweit der Antragsteller auf das ca. halbstündige Telefonat mit der Berichterstatterin verweist, ist aus diesem Gesichtspunkt eine zusätzliche Vergütung nicht möglich. Das Telefonat diente der Vorbereitung der sachverständigen Zeugenaussage, die wie oben dargestellt zu vergüten ist, und hatte keinen darüber hinausgehenden Zweck. Damit ist der Aufwand für das Telefonat mit der Vergütung nach der Nr. 200 der Anlage 2 zu § 10 JVEG mit abgegolten. Insbesondere ist keine Vergütung nach den Stundensätzen der Anlage 1 zu § 9 JVEG erforderlich, weil hierzu eine Hinzuziehung als Sachverständiger (Gutachter) erforderlich wäre, die nach den voranstehenden Ausführungen jedoch nicht erfolgt ist.

Allerdings ist davon auszugehen, dass das Telefonat der Vorbereitung der sachverständigen Zeugenaussage diente und die Auskunft nur in ihrer Gesamtheit gesehen werden kann. Demnach ist angesichts des ca. halbstündigen Telefonats von einer besonders umfangreichen Leistung nach der Nr. 201 der Anlage 2 zu § 10 JVEG auszugehen, wonach eine Vergütung in Höhe von 44 EUR gerechtfertigt erscheint.

Zuzüglich des Portos ergibt sich daher eine Gesamtvergütung von 44,55 EUR.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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