L 26 B 621/07 AS PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
26
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 AS 10932/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 26 B 621/07 AS PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2007 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 6. März 2007, der das Sozialgericht Berlin nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist unbegründet. Das Gericht hat den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren in Höhe der von ihm im Rahmen seiner Rechtsschutzversicherung zu tragenden Selbstbeteiligung von 127,80 EUR unter Beiordnung seiner Rechtsanwältin zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 114 Satz 1, 115, 119 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin.

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt nach den genannten Vorschriften voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzung erfüllt das Rechtsschutzgesuch des Klägers im Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Prozesskostenhilfeantrages (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 26. Auflage 2007, § 119 RdNr. 39 und Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 65. Auflage 2007, § 119 RdNr. 10 ff.), also frühestens mit Eingang dieses Antrages beim Sozialgericht am 28. November 2006, nicht. Denn seine bei dem Sozialgericht erhobene Klage, gerichtet auf die Übernahme der aufgrund des zum 1. Juni 2006 erfolgten Umzuges geschuldeten doppelten Miete in Höhe von 351,49 EUR, die Übernahme der Mietkaution für die neue Wohnung in Höhe von 1095,00 EUR sowie die Übernahme der Umzugskosten in Höhe von 2.360,00 EUR hat keine hinreichende Erfolgsaussicht.

Nach § 22 Abs. 3 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden und vorliegend noch anwendbaren Fassung konnten Wohnungsbeschaffungskosten sowie Mietkautionen und Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den kommunalen Träger übernommen werden. Durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I 1706) ist nunmehr klargestellt, dass für die Zusicherung der Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten der bis zum Umzug zuständige kommunale Träger und für die Zusicherung der Übernahme der Mietkaution der kommunale Träger des Ortes der neuen Unterkunft zuständig ist. Vorliegend fehlt es an den entsprechenden Zusicherungen der insoweit zuständigen Jobcenter. Diese Zusicherungen sind im Gegensatz zu der Zusicherung im Sinne von § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II Anspruchsvoraussetzung (Urteil des BSG vom 7. November 2006 - B 7 b AS 10/06 R - = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 und juris RdNr. 27). Sie müssen vor dem Abschluss des entsprechenden Mietvertrages erfolgen, zu dem die durch § 22 Abs. 3 ersetzbaren Kosten in rechtlich relevanter Weise begründet werden, also vor Abschluss eines Mietvertrages oder eines mit einem Umzugsunternehmen geschlossenen Vertrages (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, § 22 RdNr. 85).

Es sind im vorliegenden Fall auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass ein solcher Antrag auf Erteilung einer entsprechenden Zusicherung in unzulässiger Weise verschleppt worden wäre. Der Kläger hat im Gegenteil bei dem für seinen früheren Wohnort zuständigen JobCenter erst am 31. März 2006 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gestellt, ohne allerdings auf seinen beabsichtigten Wohnungswechsel hinzuweisen. Erst mit Schreiben vom 11. Mai 2006 hat er die "Kostenübernahme des Umzuges, der 1-monatigen Doppelmiete und der Renovierungen" beantragt. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger die neue Wohnung aber bereits angemietet. Denn ausweislich des Mietvertrages wurde dieser bereits am 10. April 2004 abgeschlossen. An den Beklagten selbst hat sich der Kläger dann nach Aktenlage erstmals Mitte Mai 2006 gewandt. Vor diesem Hintergrund kann von einer "treuwidrigen Verzögerung" (vgl. Berlit in LPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 22 RdNr. 97 m. w. Nachw.) nicht die Rede sein.

Im Übrigen setzt die Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II voraus, dass der Umzug notwendig ist. Notwendig ist ein bestimmter Umzug nicht schon dann, wenn der Umzug aus der bisherigen Unterkunft, etwa zur Senkung der Aufwendungen erforderlich ist, sondern erst dann, wenn der Umzug in eine kostenangemessene Unterkunft erfolgt (Berlitt, a. a. O., § 22 RdNr. 98). Unbestritten ist, dass der Kläger seine bisherige Wohnung aufgrund eines Urteils des Landgerichts Berlin vom 16. Januar 2006 - 62 S 292/05 - zum 31. Mai 2006 räumen musste. Die von ihm mit Wirkung zum 1. Juni 2006 gemietete Wohnung ist aber nicht angemessen. Die Frage, ob die Kosten einer Wohnung angemessen sind, ist nicht in erster Linie anhand der Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) zu bestimmen. Die Prüfung der Angemessenheit setzt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil des BSG vom 7. November 2006 - B 7 b AS 18/06 R -, zitiert nach juris RdNr. 19 ff.), von der abzuweichen der Senat nach erster Prüfung keinen Anlass sieht, vielmehr eine Einzelfallprüfung voraus. Dabei ist zunächst die maßgebliche Größe der Unterkunft zu bestimmen, und zwar typisierend (mit der Möglichkeit von Ausnahmen) anhand der landesrechtlichen Ausführungsbestimmungen über die Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus. In Berlin ist für eine Person grundsätzlich eine 1 bis 2-Zimmer-Wohnung, mit einer Gesamtwohnfläche bis zu 50 m² angemessen (vgl. insoweit die zur Umsetzung von § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) in Verbindung mit § 27 Abs. 1 bis 5 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) erlassenen Arbeitshinweise der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung vom 15. Dezember 2004 (Mitteilung Nr. 8/2004)). Sodann ist der Wohnstandard festzustellen, wobei dem Hilfebedürftigen lediglich ein einfacher und im unteren Segment liegender Ausstattungsgrad der Wohnung zusteht. Als Vergleichsmaßstab ist regelmäßig die Miete am Wohnort heranzuziehen. Letztlich kommt es darauf an, dass das Produkt aus Wohnfläche und Standard, das sich in der Wohnungsmiete niederschlägt, der Angemessenheit entspricht (so genannte Produkttheorie, vgl. BSG a. a. O.).

Zur Bestimmung des angemessenen Mietzinses stützt sich der Senat auf den örtlichen, gemäß §§ 558c und 558d BGB qualifizierten Mietspiegel des Landes Berlin vom 22. August 2005 (Amtsblatt 2005 S. 3109 und Amtsblatt 2006 S. 515) und den Nachtrag zum Berliner Mietspiegel 2005 vom 22. Mai 2006 (Amtsblatt S. 1928). Der Kläger wohnte vor seinem Wohnungswechsel in der Alin dem Bezirk S, einer nach dem Berliner Mietspiegel mittleren Wohnlage. Geht man zu Gunsten der Kläger von dem gewichten Mietspiegelwert (alle Wohnungen, nettokalt) des von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung gemeinsam mit der Investitionsbank Berlin herausgegebenen 4. Wohnungsmarktbericht (Berliner Wohnungsmarktbericht 2005) für das Jahr 2004 aus, der einen Betrag von 4,49 EUR pro m² festgestellt hat, der nicht nur einfache Wohnlagen betrifft, und legt man im weiteren ebenfalls zu Gunsten der Kläger - abweichend vom Berliner Mietspiegel und den AV Wohnen - zusätzlich "warme" Betriebskosten ("kalte" Betriebskosten zuzüglich Heizkosten und Warmwasser) von mittlerweile durchschnittlich 2,74 EUR pro m² zugrunde (vgl. Betriebskostenspiegel 2006 des Deutschen Mieterbundes unter http://www.mieterbund.de/presse/2006/pm 2006 12 14-2.html), ergibt sich nach alledem höchstens eine Angemessenheitsgrenze für Bruttowarmmieten in Höhe von monatlich 361,50 EUR (224,50 EUR Kaltmiete (4,49 EUR x 50 m²) und 137,00 "warme" Betriebskosten ( 2,74 x 50 m²)), die im Übrigen den von dem Beklagten nach der AV Wohnen zugrunde gelegten Wert in Höhe von 360,00 EUR für einen 1-Personenhaushalt unwesentlich überschreitet. Vor diesem Hintergrund ist die von dem Kläger gemietete 3-Zimmer-Wohnung mit 82,36 m² und Kosten in Höhe von monatlich 470,00 EUR unangemessen.

Des Weiteren ist im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festzustellen, dass andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnungen, die konkret verfügbar und zugänglich sind, hinreichend vorhanden sind. Der Senat hegt nach einer von ihm überschlägig vorgenommenen Recherche keine Zweifel daran, dass 1 bis 2 Zimmer-Wohnungen mit einer maximalen Wohnfläche von 50 m² und einer Bruttowarmmiete von bis zu 361,50 EUR in einfacher Wohnlage kurzfristig nicht nur in bestimmten Verwaltungsbezirken bzw. Stadtteilen von Berlin verfügbar sind, sondern gerade auch insbesondere auch in dem von den Klägern offensichtlich bevorzugten Bezirk T. Es ist gerichtskundig, dass der Berliner Mietmarkt derzeit (noch) entspannt ist. Über eine Internetrecherche sind auf Anhieb mehrere passende Wohnungsobjekte zu ermitteln. Entgegenstehende Umstände im Sinne einer Verschlossenheit des Berliner Wohnungsmarktes im unteren Preissegment bzw. auch nur des entsprechenden Teilwohnungsmarktes des Bezirks T sind weder ersichtlich noch hat der Kläger Entsprechendes vorgetragen.

Soweit der Kläger vorträgt, dass er die neue Wohnung gemietet habe, um drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden, weil erst Mitte März 2006 festgestanden habe, dass er seine bisherige Wohnung zum 31. Mai 2006 räumen muss, vermag dieser Vortrag eine Erfolgsaussicht im vorgenannten Sinne nicht zu begründen. Von Mitte März 2006 bis zum Räumungstermin hatte der Kläger noch rund zweieinhalb Monat Zeit sich eine neue und angemessene Wohnung zu suchen. Dieser Zeitraum ist ausreichend, um eine derartige Wohnung zu finden. Demgegenüber hat der Kläger bereits am 10. April 2006 den Mietvertrag für die neue Wohnung unterschrieben. Dies zeigt, dass der Kläger ausschließlich an der Anmietung dieser Wohnung interessiert war und nicht daran, seine Unterkunftskosten auf ein angemessenes Maß zu reduzieren.

Soweit der Kläger vorträgt, dass ausschließlich sein jetziger Vermieter bereit war, ihm "trotz der Umstände - fehlende Mietschuldenfreiheit - eine Wohnung, insbesondere auch zur gewerblichen Nutzung, ab dem 1. Mai 2006 zur Verfügung zu stellen", kann der Senat offen lassen, ob dieser Vortrag im Hinblick auf die in § 1 Nr. 3 des aktuellen Mietvertrages getroffene Vereinbarung, nach der die Mieträume vom Mieter nur zu Wohnzwecken genutzt werden dürfen, zutrifft. Denn die Kosten einer gewerblichen Nutzung einer Wohnung können indes nicht im Rahmen des § 22 SGB II übernommen werden. Hiernach können ausschließlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Unterkunft und Heizung, d. h. für Leistungen für Wohnraum und nicht für Geschäftsräume übernommen werden (Urteil des BSG vom 22. November 2006 - B 11 b AS 3/05 R -, abrufbar unter: www.sozialgerichtsbarkeit.de).

Ob der Kläger als selbständiger Versicherungsmakler Anspruch auf Eingliederungsleistungen im Sinne des § 16 Abs. 2 S 1 SGB II in Form von Leistungen zur Fortsetzung einer selbständigen Erwerbstätigkeit hat, Voraussetzung hierfür ist u. a., dass der Leistungsempfänger zum Kreis der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gehört und dass die Leistungen erforderlich sind, um den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben einzugliedern (vgl. Urteil des BSG vom 22. November 2006, a. a. O.) ist nach der derzeitigen Sach- und Rechtslage weder hinreichend dargetan noch sind nach Aktenlage Anhaltspunkte hierfür ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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