Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Koblenz (RPF)
Aktenzeichen
S 8 KR 495/05
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KR 240/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 SGB V festgesetzte untere Altersgrenze von 25 Jahren für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ist verfassungsgemäß.
2. Die untere Altersgrenze muss von beiden Versicherten überschritten sein; unterschreitet nur ein Ehepartner die untere Altersgrenze, so schließt dies auch einen Anspruch des anderen Ehepartners aus, weil nur so der Zweck der Altersgrenze erreicht werden kann.
2. Die untere Altersgrenze muss von beiden Versicherten überschritten sein; unterschreitet nur ein Ehepartner die untere Altersgrenze, so schließt dies auch einen Anspruch des anderen Ehepartners aus, weil nur so der Zweck der Altersgrenze erreicht werden kann.
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25.9.2006 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die klagenden Eheleute Anspruch auf Erstattung der Kosten von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung haben, ob-wohl die Ehefrau bei Durchführung der Maßnahmen das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Der 1975 geborene Kläger zu 2 ist bei der Beklagten pflichtversichert, die 1983 geborene Klägerin zu 1 ist die Ehefrau des Klägers zu 2 und bei der Beklagten familienversichert. Der Kläger leidet an einer Fertilitätsstörung in Form eines Oli-go-Astheno-Theratozoospermie-(OAT)-Syndroms 3. Grades. Ob vor Behand-lungsbeginn eine Rücksprache zwischen den behandelnden Ärzten und der Be-klagten stattgefunden hat, lässt sich nicht mehr aufklären. Die Genehmigung eines Behandlungsplans durch die Beklagte liegt nicht vor. Von September 2004 bis Ap-ril 2005 ließen die Kläger Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchführen. Nach Angaben der Kläger wurde die Behandlung privatärztlich abgerechnet, weil die Beklagte gegenüber der Arztpraxis die Leistungspflicht der Krankenkasse ver-neint habe, da die Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Im April 2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Erstattung der entstandenen Kosten. Sie legten privatärztliche Rezepte und nach den Bestimmungen der Ge-bührenordnung für Ärzte erstellte privatärztliche Rechnungen für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von insgesamt 6.457,23 EUR vor, von denen ein Rezept über 34,96 EUR den Kläger betraf, die übrigen Rezepte und Rechnungen be-trafen Behandlungen der Klägerin. Mit Bescheid vom 6.5.2005 und Widerspruchs-bescheid vom 29.9.2005, den Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 1.10.2005, lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab, weil die Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die hiergegen am 1.11.2005 erhobene Kla-ge hat das Sozialgericht Koblenz mit Urteil vom 25.9.2006 abgewiesen. Zur Be-gründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des als An-spruchsgrundlage allein in Betracht kommenden § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) seien nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung als Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Ein entsprechender Sachleis-tungsanspruch nach § 27a SGB V habe nicht bestanden, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung der Befruchtungsmaßnahmen das gesetzlich vorge-schriebene Mindestalter von 25 Jahren noch nicht erreicht gehabt habe. Die ge-setzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16.11.2006 zugestellte Urteil haben die Kläger am Montag, den 18.12.2006 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, die Beklagte habe die Kosten zu erstatten, da sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Soweit § 27a SGB V für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eine un-tere Altersgrenze der Versicherten von 25 Jahren und eine Erstattung von lediglich 50 v.H. der Kosten vorsehe, sei die Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 3 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozial-staatsprinzip verfassungswidrig. Außerdem verstießen diese Regelungen gegen das Solidarprinzip des § 1 SGB V, das Sachleistungsprinzip, das Beitrags- oder Versicherungsprinzip
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25.9.2006 und den Bescheid der Be-klagten vom 6.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen die Kosten für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 6.457,23 EUR in voller Höhe zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist zur Verfassungsmä-ßigkeit der Regelungen auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1525, S. 83) sowie auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG 25.5.2007 - B 1 KR 10/06 R) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28.2.2007 - 1 BvL 5/03).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Kos-ten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
Da die Kläger zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung keine generelle Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hatten und andere Vorschriften über die Kostenerstattung nach dem SGB V und dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch nicht einschlägig sind (§ 13 Abs. 1 SGB V), kommt als Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Hiernach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht ab-gelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstat-ten, soweit die Leistung notwendig war. Da die Maßnahmen der künstlichen Be-fruchtung nicht unaufschiebbar waren, käme ein Kostenerstattungsanspruch nur in Betracht, wenn die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt hätte. Es kann dahinstehen, ob der Kostenerstattungsanspruch bereits daran scheitert, dass die Kläger der Beklagten vor Inanspruchnahme der Leistung keine Gelegenheit zur Entscheidung über die Sachleistung sowie zur Erteilung der nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V erforderlichen Genehmigung des Behandlungsplans gegeben ha-ben und es deshalb an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und den entstandenen Kosten fehlt (vgl. BSG 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R, juris Rn. 10 m.w.N.). Jedenfalls scheitert der Anspruch auf Kos-tenerstattung, der nicht weiter reicht als der entsprechende Sachleistungsan-spruch (vgl. BSG 14.12.2006 - B 1 KR 12/06, juris Rn. 12 m.w.N.), daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen der künstlichen Be-fruchtung das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, was nach § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf die Sachleistung ist.
Das schließt auch einen Anspruch des Klägers zu 2 aus. Zwar ist der Kläger zu 2 aktiv legitimiert, d.h. nach materiellem Recht berechtigt, den Anspruch geltend zu machen. Denn nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt wurden. Anspruchsinhaber kann daher jeder Ver-sicherte sein, bei dem Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchgeführt wurden. Von den zur Kostenerstattung vorgelegten Rechnungen betraf zumindest ein Rezept eine Behandlung des bei der Beklagten krankenversicherten Klägers zu 2. Insoweit kann der Kläger zu 2 gegen die Beklagte einen Anspruch aus eige-nem Recht geltend machen. Jedoch muss die durch § 27a Abs. 3 Satz 1 Halb-satz 1 SGB V bestimmte untere Altersgrenze von beiden Ehepartnern überschrit-ten sein (Schmidt, in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 27a SGB V Rn. 92). Unterschreitet nur ein Ehepartner die untere Altersgrenze, so schließt dies auch einen Anspruch des anderen Ehepartners aus, weil nur so der Zweck der Altersgrenze (s. dazu unten) erreicht werden kann.
Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V bestimmte untere Altersgrenze von 25 Jahren ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht verfassungswidrig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsge-richt hat bereits entschieden, dass das gesetzgeberische Konzept des § 27a SGB V verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wonach Maßnahmen zur Herbeifüh-rung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer Krankheit, sondern als eigenständiger Versicherungsfall anzusehen sind und lediglich den für Krankhei-ten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt werden (BVerfG 28.2.2007 - 1 BvL 5/03, juris Rn. 34 f.). Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Ge-setzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzli-chen Krankenversicherung näher zu bestimmen (BVerfG a.a.O.; vgl. auch BSG 24.5.2007 - B 1 KR 10/06 R, juris Rn. 12).
Die mit der unteren Altersgrenze verbundene Ungleichbehandlung von Versicher-ten ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Festlegung der unteren Alters-grenze soll dazu beitragen, dass die Chance zu einer Spontanschwangerschaft nicht durch fehlende Geduld vieler Kinderwunschpaare und auch der Ärzte mit Hilfe schneller Medikalisierung des Kinderwunsches vertan wird; zudem berück-sichtigt diese Altersgrenze, dass es bis zum Alter von 25 Jahren nur sehr wenig unfruchtbare Paare gibt (Amtl. Begründung zum Entwurf des GMG, BT-Drucks. 15/1525, S. 83). Sie trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sehr teuer sind, andererseits aber nur in 18 von 100 Be-handlungen zur Geburt eines Kindes führen, damit unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V) bedenklich erscheinen (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 35) und nicht vorzeitig angewendet werden sollen. Auch sind Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für die betroffenen Versicherten mit er-höhten Belastungen verbunden, da oft mehrere, beide Partner physisch und psy-chisch fordernde Versuche notwendig sind, diese Versuche zudem nicht selten erfolglos bleiben und mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein können (BVerfG a.a.O. Rn. 37). Es liegt im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, wenn er eine untere Altersgrenze von 25 Jahren als geeignet ansieht, den mit den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verbundenen Belastungen und Risiken Rechnung zu tragen (so für das Erfordernis der ehelichen Partnerschaft BVerfG a.a.O. Rn. 37). Im Rahmen der zulässigen typisierenden und pauschalierenden Regelung (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 38; BSG a.a.O. Rn. 13) durfte der Gesetzgeber dabei auch außer Acht lassen, ob im Einzelfall bei den betroffenen Versicherten bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres die fehlende Fertilität eines Partners endgültig feststeht und eine "vorzeitige" Medikalisierung des Kinderwunsches da-her nicht zu befürchten ist. Denn auch in solchen Fällen ist nicht auszuschließen, dass die medizinische Wissenschaft bis zum Erreichen der Altersgrenze doch noch Heilungsmöglichkeiten für die Fertilitätsstörung findet. Zudem erscheint eine untere Altersgrenze von 25 Jahren unabhängig von der Endgültigkeit der Fertili-tätsstörung im Hinblick auf die mit den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verbundenen erhöhten Belastungen und Risiken nicht sachwidrig. Die untere Al-tersgrenze ist auch geeignet, die Ernsthaftigkeit des Kinderwunsches über einen längeren Zeitraum zu bestätigen.
Für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG finden sich entgegen der Auf-fassung der Kläger keine Anhaltspunkte, da die untere Altersgrenze für Versicher-te beiderlei Geschlechts gilt und deshalb eine Differenzierung nach dem Ge-schlecht nicht vorliegt. Die untere Altersgrenze verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil diesem Grundrecht - auch in Verbindung mit dem Sozialstaats-prinzip - keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden kann, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern (BVerfG a.a.O. Rn. 40; BSG a.a.O. Rn. 18). Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 5 GG sind schon deshalb nicht berührt, weil ihr Schutzauftrag nicht Kinder erfasst, die noch nicht gezeugt sind (BVerfG a.a.O. Rn. 41).
Ob die in § 27 Abs. 3 Satz 3 SGB V geregelte Beschränkung der Leistung auf 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten verfassungsgemäß ist, bedarf im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits keiner Entscheidung, da ein Anspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht.
Soweit die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des § 27a SGB V aus sonstigen Prinzipien des Krankenversicherungsrechts (Solidarprinzip, Sach-leistungsprinzip, Beitrags- oder Versicherungsprinzip) herleiten wollen, verkennen sie, dass die Leistungen nach § 27a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit, sondern - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (s.o.) - als eigenständiger Versicherungsfall ausgestaltet sind und es deshalb im Ermessen des Gesetzge-bers steht, inwieweit er die für Krankheiten geltenden Bestimmungen des SGB V auch für die Leistungen nach § 27a SGB V für anwendbar erklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Be-deutung mehr zu, nachdem die wesentlichen grundsätzlichen Rechtsfragen durch die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesso-zialgerichts bereits geklärt sind.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die klagenden Eheleute Anspruch auf Erstattung der Kosten von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung haben, ob-wohl die Ehefrau bei Durchführung der Maßnahmen das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte.
Der 1975 geborene Kläger zu 2 ist bei der Beklagten pflichtversichert, die 1983 geborene Klägerin zu 1 ist die Ehefrau des Klägers zu 2 und bei der Beklagten familienversichert. Der Kläger leidet an einer Fertilitätsstörung in Form eines Oli-go-Astheno-Theratozoospermie-(OAT)-Syndroms 3. Grades. Ob vor Behand-lungsbeginn eine Rücksprache zwischen den behandelnden Ärzten und der Be-klagten stattgefunden hat, lässt sich nicht mehr aufklären. Die Genehmigung eines Behandlungsplans durch die Beklagte liegt nicht vor. Von September 2004 bis Ap-ril 2005 ließen die Kläger Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchführen. Nach Angaben der Kläger wurde die Behandlung privatärztlich abgerechnet, weil die Beklagte gegenüber der Arztpraxis die Leistungspflicht der Krankenkasse ver-neint habe, da die Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Im April 2005 beantragten die Kläger bei der Beklagten die Erstattung der entstandenen Kosten. Sie legten privatärztliche Rezepte und nach den Bestimmungen der Ge-bührenordnung für Ärzte erstellte privatärztliche Rechnungen für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von insgesamt 6.457,23 EUR vor, von denen ein Rezept über 34,96 EUR den Kläger betraf, die übrigen Rezepte und Rechnungen be-trafen Behandlungen der Klägerin. Mit Bescheid vom 6.5.2005 und Widerspruchs-bescheid vom 29.9.2005, den Prozessbevollmächtigten der Kläger zugestellt am 1.10.2005, lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab, weil die Klägerin das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die hiergegen am 1.11.2005 erhobene Kla-ge hat das Sozialgericht Koblenz mit Urteil vom 25.9.2006 abgewiesen. Zur Be-gründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des als An-spruchsgrundlage allein in Betracht kommenden § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) seien nicht erfüllt, weil die Beklagte die Gewährung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung als Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt habe. Ein entsprechender Sachleis-tungsanspruch nach § 27a SGB V habe nicht bestanden, weil die Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung der Befruchtungsmaßnahmen das gesetzlich vorge-schriebene Mindestalter von 25 Jahren noch nicht erreicht gehabt habe. Die ge-setzliche Regelung sei nicht verfassungswidrig.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 16.11.2006 zugestellte Urteil haben die Kläger am Montag, den 18.12.2006 Berufung eingelegt. Sie tragen vor, die Beklagte habe die Kosten zu erstatten, da sie die Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Soweit § 27a SGB V für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung eine un-tere Altersgrenze der Versicherten von 25 Jahren und eine Erstattung von lediglich 50 v.H. der Kosten vorsehe, sei die Regelung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1, 3 und Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit dem Sozial-staatsprinzip verfassungswidrig. Außerdem verstießen diese Regelungen gegen das Solidarprinzip des § 1 SGB V, das Sachleistungsprinzip, das Beitrags- oder Versicherungsprinzip
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 25.9.2006 und den Bescheid der Be-klagten vom 6.5.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.9.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen die Kosten für die Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 6.457,23 EUR in voller Höhe zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und verweist zur Verfassungsmä-ßigkeit der Regelungen auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 15/1525, S. 83) sowie auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG 25.5.2007 - B 1 KR 10/06 R) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 28.2.2007 - 1 BvL 5/03).
Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung der streitgegenständlichen Kos-ten für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung.
Da die Kläger zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen der künstlichen Befruchtung keine generelle Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hatten und andere Vorschriften über die Kostenerstattung nach dem SGB V und dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch nicht einschlägig sind (§ 13 Abs. 1 SGB V), kommt als Anspruchsgrundlage für die begehrte Kostenerstattung nur § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Hiernach sind, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht ab-gelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind, diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstat-ten, soweit die Leistung notwendig war. Da die Maßnahmen der künstlichen Be-fruchtung nicht unaufschiebbar waren, käme ein Kostenerstattungsanspruch nur in Betracht, wenn die Beklagte die Leistung zu Unrecht abgelehnt hätte. Es kann dahinstehen, ob der Kostenerstattungsanspruch bereits daran scheitert, dass die Kläger der Beklagten vor Inanspruchnahme der Leistung keine Gelegenheit zur Entscheidung über die Sachleistung sowie zur Erteilung der nach § 27a Abs. 3 Satz 2 SGB V erforderlichen Genehmigung des Behandlungsplans gegeben ha-ben und es deshalb an dem erforderlichen Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Leistung und den entstandenen Kosten fehlt (vgl. BSG 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R, juris Rn. 10 m.w.N.). Jedenfalls scheitert der Anspruch auf Kos-tenerstattung, der nicht weiter reicht als der entsprechende Sachleistungsan-spruch (vgl. BSG 14.12.2006 - B 1 KR 12/06, juris Rn. 12 m.w.N.), daran, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahmen der künstlichen Be-fruchtung das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, was nach § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf die Sachleistung ist.
Das schließt auch einen Anspruch des Klägers zu 2 aus. Zwar ist der Kläger zu 2 aktiv legitimiert, d.h. nach materiellem Recht berechtigt, den Anspruch geltend zu machen. Denn nach § 27a Abs. 3 Satz 3 SGB V übernimmt die Krankenkasse 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahmen, die bei ihrem Versicherten durchgeführt wurden. Anspruchsinhaber kann daher jeder Ver-sicherte sein, bei dem Maßnahmen der künstlichen Befruchtung durchgeführt wurden. Von den zur Kostenerstattung vorgelegten Rechnungen betraf zumindest ein Rezept eine Behandlung des bei der Beklagten krankenversicherten Klägers zu 2. Insoweit kann der Kläger zu 2 gegen die Beklagte einen Anspruch aus eige-nem Recht geltend machen. Jedoch muss die durch § 27a Abs. 3 Satz 1 Halb-satz 1 SGB V bestimmte untere Altersgrenze von beiden Ehepartnern überschrit-ten sein (Schmidt, in Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 27a SGB V Rn. 92). Unterschreitet nur ein Ehepartner die untere Altersgrenze, so schließt dies auch einen Anspruch des anderen Ehepartners aus, weil nur so der Zweck der Altersgrenze (s. dazu unten) erreicht werden kann.
Die in § 27a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V bestimmte untere Altersgrenze von 25 Jahren ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht verfassungswidrig. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das Bundesverfassungsge-richt hat bereits entschieden, dass das gesetzgeberische Konzept des § 27a SGB V verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wonach Maßnahmen zur Herbeifüh-rung einer Schwangerschaft nicht als Behandlung einer Krankheit, sondern als eigenständiger Versicherungsfall anzusehen sind und lediglich den für Krankhei-ten geltenden Regelungen des SGB V unterstellt werden (BVerfG 28.2.2007 - 1 BvL 5/03, juris Rn. 34 f.). Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Ge-setzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzli-chen Krankenversicherung näher zu bestimmen (BVerfG a.a.O.; vgl. auch BSG 24.5.2007 - B 1 KR 10/06 R, juris Rn. 12).
Die mit der unteren Altersgrenze verbundene Ungleichbehandlung von Versicher-ten ist durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Festlegung der unteren Alters-grenze soll dazu beitragen, dass die Chance zu einer Spontanschwangerschaft nicht durch fehlende Geduld vieler Kinderwunschpaare und auch der Ärzte mit Hilfe schneller Medikalisierung des Kinderwunsches vertan wird; zudem berück-sichtigt diese Altersgrenze, dass es bis zum Alter von 25 Jahren nur sehr wenig unfruchtbare Paare gibt (Amtl. Begründung zum Entwurf des GMG, BT-Drucks. 15/1525, S. 83). Sie trägt auch dem Umstand Rechnung, dass Maßnahmen der künstlichen Befruchtung sehr teuer sind, andererseits aber nur in 18 von 100 Be-handlungen zur Geburt eines Kindes führen, damit unter wirtschaftlichen Ge-sichtspunkten (§ 2 Abs. 1 Satz 3, § 12 Abs. 1 SGB V) bedenklich erscheinen (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 35) und nicht vorzeitig angewendet werden sollen. Auch sind Maßnahmen der künstlichen Befruchtung für die betroffenen Versicherten mit er-höhten Belastungen verbunden, da oft mehrere, beide Partner physisch und psy-chisch fordernde Versuche notwendig sind, diese Versuche zudem nicht selten erfolglos bleiben und mit gesundheitlichen Risiken verbunden sein können (BVerfG a.a.O. Rn. 37). Es liegt im Einschätzungsermessen des Gesetzgebers, wenn er eine untere Altersgrenze von 25 Jahren als geeignet ansieht, den mit den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verbundenen Belastungen und Risiken Rechnung zu tragen (so für das Erfordernis der ehelichen Partnerschaft BVerfG a.a.O. Rn. 37). Im Rahmen der zulässigen typisierenden und pauschalierenden Regelung (vgl. BVerfG a.a.O. Rn. 38; BSG a.a.O. Rn. 13) durfte der Gesetzgeber dabei auch außer Acht lassen, ob im Einzelfall bei den betroffenen Versicherten bereits vor Vollendung des 25. Lebensjahres die fehlende Fertilität eines Partners endgültig feststeht und eine "vorzeitige" Medikalisierung des Kinderwunsches da-her nicht zu befürchten ist. Denn auch in solchen Fällen ist nicht auszuschließen, dass die medizinische Wissenschaft bis zum Erreichen der Altersgrenze doch noch Heilungsmöglichkeiten für die Fertilitätsstörung findet. Zudem erscheint eine untere Altersgrenze von 25 Jahren unabhängig von der Endgültigkeit der Fertili-tätsstörung im Hinblick auf die mit den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung verbundenen erhöhten Belastungen und Risiken nicht sachwidrig. Die untere Al-tersgrenze ist auch geeignet, die Ernsthaftigkeit des Kinderwunsches über einen längeren Zeitraum zu bestätigen.
Für einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG finden sich entgegen der Auf-fassung der Kläger keine Anhaltspunkte, da die untere Altersgrenze für Versicher-te beiderlei Geschlechts gilt und deshalb eine Differenzierung nach dem Ge-schlecht nicht vorliegt. Die untere Altersgrenze verstößt auch nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, weil diesem Grundrecht - auch in Verbindung mit dem Sozialstaats-prinzip - keine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Gesetzgebers entnommen werden kann, die Entstehung einer Familie durch medizinische Maßnahmen der künstlichen Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern (BVerfG a.a.O. Rn. 40; BSG a.a.O. Rn. 18). Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 6 Abs. 5 GG sind schon deshalb nicht berührt, weil ihr Schutzauftrag nicht Kinder erfasst, die noch nicht gezeugt sind (BVerfG a.a.O. Rn. 41).
Ob die in § 27 Abs. 3 Satz 3 SGB V geregelte Beschränkung der Leistung auf 50 v.H. der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten verfassungsgemäß ist, bedarf im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits keiner Entscheidung, da ein Anspruch bereits dem Grunde nach nicht besteht.
Soweit die Kläger die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen des § 27a SGB V aus sonstigen Prinzipien des Krankenversicherungsrechts (Solidarprinzip, Sach-leistungsprinzip, Beitrags- oder Versicherungsprinzip) herleiten wollen, verkennen sie, dass die Leistungen nach § 27a SGB V nicht als Behandlung einer Krankheit, sondern - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (s.o.) - als eigenständiger Versicherungsfall ausgestaltet sind und es deshalb im Ermessen des Gesetzge-bers steht, inwieweit er die für Krankheiten geltenden Bestimmungen des SGB V auch für die Leistungen nach § 27a SGB V für anwendbar erklärt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG sind nicht ersichtlich. Insbesondere kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Be-deutung mehr zu, nachdem die wesentlichen grundsätzlichen Rechtsfragen durch die zitierten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesso-zialgerichts bereits geklärt sind.
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