L 9 U 3576/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3269/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3576/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - anzuerkennen und zu entschädigen.

Der 1960 geborene Kläger erlernte den Beruf des Radio- und Fernsehtechnikers, in dem er bis zum 31. Januar 1988 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig beschäftigt war. Vom 1. Februar 1988 bis zum Beginn der fortdauernden Arbeitsunfähigkeit am 13. Oktober 1999 war der Kläger sodann bei der Zahnradfabrik Z. Lenksysteme GmbH in S. G. als Profilschleifer beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde zum 10.September 2001 aufgelöst.

Am 28. Februar 1991 rutschte der Kläger während der Nachtschicht im Betrieb auf dem Weg zur Toilette auf einer Treppe aus und stürzte dabei auf den Rücken. Anschließend arbeitete er weiter. Im Durchgangsarztbericht vom selben Tag wurden als Diagnosen mitgeteilt: Kontusion des linken Ellenbogengelenks, LWS-Prellung, Steißbein-Kontusion und Beckenprellung.

Die Dokumentation der Arbeitsunfähigkeitszeiten des Klägers wies ab März 1991 regelmäßig Wirbelsäulenerkrankungen aus. Im Einzelnen wurden bis zu seiner fortdauernden Arbeitsunfähigkeit ab dem 13. Oktober 1999 erfasst: - 28.02.-16.03.1991 Rückenprellung - 28.05.-31.05.1991 Lumbalgie - 26.05.-04.06.1993 AK Lumbago, Schulter-Arm-Syndrom - 14.09.-30.09.1994 Akutes-LWS-Syndrom, Chondrose L4/S1 - 09.05.-12.05.1995 Rezidivierende Lumboischialgie - 01.07.-22.08.1995 Ischialgie - 09.09.-06.10.1995 Chronische Lumboischialgie - 20.01.-03.08.1997 Diskusprolaps, thorakaler oder lumbaler, ohne Myelopathie - 06.11.-16.11.1997 LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall L5/S1 mit NPP L4/5 - 19.02.-03.03.1998 Akutes LWS-Syndrom - 30.09.-09.10.1998 HWS-Schulter-Armsyndrom rechts; Lumbalgie - 11.03.-20.03.1999 Lumboischialgie rechts - 25.05.-29.05.1999 Akute Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall - 04.06.-14.06.1999 Akute Lumboischialgie bei Bandscheibenvorfall - 05.08.-15.08.1999 Lumboischialgie bei Blockade L5/S 1 rechts mit Wurzelreiz - 08.09.-10.10.1999 Intervertebrale Diskopathien - 13.10.1999 Intervertebrale Diskopathien, Handgelenksfraktur

Darüber hinaus unterzog sich der Kläger in den Zeiträumen vom 13. Januar bis 5. Februar 2000, vom 31. Oktober bis 17. November 2000, vom 16. Februar 2001 bis zum 3. März 2001 und vom 6. bis zum 15. Mai 2002 stationären Krankenhausbehandlungen wegen seiner Wirbelsäulenleiden, einer am 14. Januar 2000 erfolgten Prolapsentfernung in der Etage L5/1 und einer am 31. Januar 2000 stattgehabten Wundrevision und Implantation eines Sulmycinschaumes am linken Beckenkamm.

Das Landesversorgungsamt Baden-Württemberg unterbreitete dem Kläger im vor dem Sozialgericht Ulm - S 4 SB 241/01 - geführten Schwerbehindertenverfahren im Wege des Vergleichs das Angebot, den Grad der Behinderung - GdB - von 40 ab September 2002 wegen dauernder Einbuße der körperlichen Beweglichkeit anzuerkennen. Dieses Angebot nahm der Kläger an.

Im vom Kläger vor dem Sozialgericht Ulm parallel geführten Rentenstreitverfahren - S 10 RJ 3142/02 - bewilligte die ehemalige Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg dem Kläger im Wege eines am 19. November 2003 abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs unter Abänderung der entgegen stehenden angefochtenen Bescheide Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer für die Zeit ab dem 1. Juli 2002. Dem war eine sachverständige Zeugenaussage des den Kläger seit Januar 2002 behandelnden Orthopäden Dr. R., G., vom 7. Mai 2003 vorausgegangen, in der er folgende Diagnosen beim Kläger gestellt hatte: chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit sensibler Wurzelreizung C 8 links bei Bandscheibenvorfall, Impingementsyndrom beider Schultern, Myogelosen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur beidseitig, initiale Radiocarpalarthrose posttraumatisch links, initiale Radiocarpalarthrose rechts, mittelschwere Dysplasie-Coxarthrose rechts mehr als links und Postnukleotomiesyndrom mit narbiger Einscheidung, insbesondere der Wurzel 1 bei Bandscheibenvorfall des Segments L4/5.

Am 25. November 2002 zeigte der Orthopäde Dr. R. der Beklagten im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers in der Zahnradfabrik von 1988 bis 1999 den Verdacht einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV infolge einseitiger Tätigkeit in extremer Haltung an. Zur Begründung führte er aus: Der Kläger habe bei seiner Beschäftigung ca. 500 mal täglich Metallstücke zwischen 5 und 15 kg in extremer Rumpfbeugehaltung anheben müssen. Dies habe zu Bandscheibenvorfällen mit Nukleotomie L5/S1 im Jahre 1997 und wegen eines Prolaps zu einer Pliffspondylodese L5/S1 im Januar 2000 geführt.

Im Folgenden gab der Kläger auf Fragen der Beklagten unter dem 2. Januar 2003 an, die Wirbelsäulenbeschwerden seien erstmals am 28. Mai 1991 aufgetreten. Er führe sie auf seine berufliche Belastung infolge von langem Stehen, monotonen Bewegungen, häufigem Bücken sowie dem Heben und Tragen von Lasten zurück. Nach langem Stehen und dem Heben von Lasten sowie schneller Drehung spüre er zunehmende Schmerzen im Lendenbereich, gefolgt von blitzartigen Schmerzen ins linke Bein. Bewerbungen bei innerbetrieblichen Ausschreibungen auf Stellen als Kontrolleur, Garantiebefunder und Elektrotechniker seien erfolglos geblieben. In den ihm von der Beklagten übersandten Fragebögen machte der Kläger über wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten folgende Angaben: - 1. Februar 1988 bis ca. Juli 1992: Profilschleifer, Schleifen von Lenkmuttern und Kolben in circa 230 Arbeitsschichten jährlich, Hebegewichte 0,3 bis 5 kg ohne extreme Rumpfbeugehaltung und ohne Ganzkörper-Schwingungen; - ab ca. Juli 1992 bis 12. Oktober 1999: Profilschleifer, Schleifen von Steuerbuchsen bei handbedienter Maschine in oft gebückter Haltung von ca. 30° in circa 230 Arbeitsschichten jährlich, 540 Schleifteile pro Schicht, Hebegewichte 14,5 kg bei 60-96 Hebevorgängen und mit zusätzlich - bis zu 30 Arbeitsschichten pro Jahr - bis zu 30 Tragevorgängen von Körben mit Steuerbuchsen (a 14,5 kg) mit einem Trageweg über 16 m pro Arbeitsschicht ohne extreme Rumpfbeugehaltung und ohne Ganzkörper-Schwingungen.

Die Z. Lenksysteme GmbH machte als ehemalige Arbeitgeberin des Klägers gegenüber der Beklagten unter dem 17. Januar 2003 zu wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten des Klägers dagegen folgende Angaben: Der Kläger habe ihr gegenüber erstmals am 2. Mai 1995 und seither immer wieder über Wirbelsäulenbeschwerden geklagt. - Februar bis Dezember 1988: Gewindeinnenschleifer von Kolben und Lenkmuttern in ca. 200 Arbeitsschichten jährlich, Hebegewichte bis max. 1 kg bei maximal 400 Hebevorgängen (pro Schicht: 200 Werkstücke ohne Hebehilfe von der Kiste in die Maschine einlegen und umgekehrt) ohne extreme Rumpfbeugehaltung und ohne Ganzkörper-Schwingungen, keine Tragevorgänge; - Januar 1989 bis Dezember 1991: Gewindeinnenschleifer von Kolben und Lenkmuttern in ca. 200 Arbeitsschichten jährlich, Hebegewichte bis max. 8 kg bei maximal 200 Hebevorgängen (pro Schicht: 100 Werkstücke ohne Hebehilfe von der Kiste in die Maschine einlegen und umgekehrt) ohne extreme Rumpfbeugehaltung und ohne Ganzkörper-Schwingungen, keine Tragevorgänge; - Januar bis August 1992: Weichbearbeitung von Lenkmuttern, nähere Angaben nicht möglich; - September 1992 bis September 2001: Teamwerker (Schleifen) von Steuerbuchsen und Kolben in ca. 200 Arbeitsschichten jährlich, Hebegewichte bis ca. 6 kg bei maximal 14 Hebevorgängen ohne Hebehilfe ohne extreme Rumpfbeugehaltung und ohne Ganzkörper-Schwingungen, keine Tragevorgänge.

Unter Auswertung der Angaben des Klägers und seiner ehemaligen Arbeitgeberin kam der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 17. Februar 2003 zu dem Ergebnis, dass der Kläger in den fraglichen Zeiträumen zwischen 1988 und 1992 keine Gewichte von mehr als 8 kg bzw. zwischen 1992 und 1999 keine Gewichte von mehr als 14,5 kg zu heben oder tragen gehabt habe. Die damit einhergehenden Druckkraftbelastungen F von 2840 N und 2888 N erreichten die arbeitstechnisch für die Prüfung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV erforderliche Richtwert-Druckkraft F von 3220 N nicht.

Nachdem der Staatliche Gewerbearzt Dr. H., Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, mit Stellungnahme vom 26. Februar 2003 es unter Hinweis auf die Unwahrscheinlichkeit haftungsbegründender Kausalität abgelehnt hat, die Berufskrankheit Nr. 2108 BKV zur Anerkennung vorzuschlagen, lehnte die Beklagte das Feststellungsbegehren des Klägers und die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 27. März 2003 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, beim Kläger seien im Zeitraum von Februar 1988 bis Oktober 1999 keine derart hohen Belastungen der Wirbelsäule nachzuweisen gewesen, die als geeignet angesehen werden könnten, eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV zu verursachen.

Zur Begründung des dagegen am 3. April 2003 erhobenen Widerspruchs ließ der Kläger unter Bezugnahme auf die BK-Anzeige von Dr. R. ausführen, dass er während des gesamten Tätigkeitszeitraums von 1988 bis 1999 ca. 500 mal täglich Metallstücke mit einem Gewicht von 5 bis 15 kg jeweils in extremer Rumpfbeugehaltung habe anheben müssen. Daher rührten auch seine Bandscheibenvorfälle. Daraufhin machte der Präventionsdienst der Beklagten unter dem 25. Juni 2003 darauf aufmerksam, dass der Kläger in den von ihm unter dem 2. Januar 2003 ausgefüllten Fragebögen selbst angegeben habe, Hebe- und Tragetätigkeiten in extremer Rumpfhaltung nicht verrichtet zu haben. Der Kläger verwies darauf, dass er sich bei seiner Tätigkeit um ca. 30° nach vorn habe bücken müssen. Im Folgenden wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2003 unter Hinweis darauf, die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV seien nicht erfüllt, als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 15. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Ulm, mit der er weiter die Anerkennung einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV und die Gewährung von gesetzlichen Leistungen begehrte. Dazu führt er aus, die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheit - bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeit in Rumpfbeugehaltung - lägen vor. Die Beklagte habe die Druckkraftrichtwerte pro Arbeitsschicht fehlerhaft berechnet. Insbesondere habe die Beklagte bei der Berechnung verkannt, dass er nicht lediglich eine Schleifmaschine zu bedienen gehabt habe. Neben der Schleifmaschine sei er bei ca. jeder zweiten Arbeitsschicht zugleich an einer Waschmaschine eingesetzt gewesen und habe zwischen den beiden Maschinen Gewichte in der Größenordnung zwischen 870 kg und 1392 kg pro Arbeitsschicht bewegen müssen. Während die Beklagte nur von einer auf dem Kläger lastenden Druckkraft F von 2840 N und 2888 N ausgehe, lägen die tatsächlichen Druckkraftwerte, denen er ausgesetzt gewesen sei, pro Maschine bei einem Wert von F = 4775,5 N (bei zwei Maschinen also F = 9551 N). Damit sei der allenfalls auf gesunde Menschen anwendbare Richtwert von F = 3200 N bei weitem überschritten gewesen. Nach der Bandscheibenoperation im April 1997 hätte er aber bereits diesem Richtwert nicht mehr ausgesetzt werden dürfen.

In der vom Sozialgericht daraufhin angeforderten ergänzenden arbeitstechnischen Stellungnahme führte die Beklagte unter dem 5. April 2004 aus, nach dem zugrunde gelegten Mainz-Dortmunder-Dosis-Modell - MDD - werde das für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV erforderliche Mindestlastgewicht von G = 15 kg bereits aufgrund des geltend gemachten größten Lastgewichts von G = 14,5 kg nicht erreicht. Gleichwohl sei man in die Hauptprüfung eingestiegen, habe diese durchgeführt und zutreffend Druckkräfte von F = 2840 N sowie F = 2888 N errechnet. Der Hinweis des Klägers, dass Gewichte in der Größenordnung zwischen 870 kg und 1392 kg pro Arbeitsschicht bewegt worden seien, sei erst in einem weiteren Schritt - bei der Berechnung der Tagesdosis in Form der Häufigkeiten der Hebe-/Tragetätigkeit - zu berücksichtigen. Dieser Schritt entfalle aber, wenn - wie vorliegend - nur Druckkräfte F ( 3200 N vorlägen. Dabei beziehe sich die Druckkraft jeweils auf einen Hebe-, Trage- oder Umsetzvorgang. Bei der Mehrmaschinenbedienung seien die Lastgewichte einzeln nacheinander gehoben oder getragen worden. Eine Addition der Druckkräfte, wie vom Kläger vorgenommen, sei unzulässig.

Durch Urteil vom 17. Juni 2005 wies das Sozialgericht die Klage als unbegründet ab, weil die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vorlägen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Das Urteil wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 29. Juli 2005 zugestellt.

Der Kläger hat am 29. August 2005 Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Der Kläger ist weiter der Auffassung, der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten gehe von falschen Voraussetzungen aus. Außerdem ziehe er aus den von ihm zugrunde gelegten Werten unzulässige Schlüsse. Insbesondere lasse die Beklagte außer Acht, dass er mindestens einmal wöchentlich, neben der Produktionstätigkeit auch verpflichtet gewesen sei, die von ihm bedienten Maschinen umzurüsten. Ein solcher Umrüstvorgang sei mit erheblichen Wirbelsäulenbelastungen verbunden gewesen, weil dabei das Spannfutter der Maschine habe ausgetauscht werden müssen. Ein Spannfutter, dass von Hand aus der Maschine genommen und auf den Arbeitstisch habe gelegt werden müssen, habe zwischen 40 und 50 kg gewogen. Auf dem Tisch sei das alte Spannfutter geputzt und sodann von Hand auf einen Schubwagen gelegt worden. Mit dem Schubwagen sei er dann in die Werkzeugausgabe gefahren, habe dort das alte Spannfutter von Hand ins Regal legen und ein neues Spannfutter ebenso aus dem Regal nehmen müssen, um damit mit dem Schubwagen zur Maschine zu fahren und einzubauen. Beim Rundlauftest sei dann zuweilen festzustellen gewesen, dass das neue Spannfutter nicht habe verwendet werden können, in diesem Fall sei die gesamte Prozedur zu wiederholen gewesen. Dies zeige, dass er erheblich mehr Hebe- und Tragevorgänge zu erledigen gehabt habe, als die Beklagte in ihre Berechnungen bislang einbezogen habe. Aber auch wenn man von den von der Beklagten angenommenen Hebe- und Tragevorgängen ausgehe, seien ihre Folgerungen nicht tragfähig. Die Beklagte verkenne insbesondere, dass die im MDD zusammengefassten Dosiswerte keine "festen Grenzwerte", sondern allenfalls Orientierungswerte darstellten. Da er auch nach den Berechnungen der Beklagten mit Werten von 2840 N und 2888 N sehr nahe an die geforderten 3200 N heranreiche, sei zumindest zu ermitteln, welcher Tages- und Lebensdosis er ausgesetzt gewesen sei. Schließlich habe die Beklagte unberücksichtigt gelassen, dass er nach seinem Arbeitsunfall vom 28. Februar 1991 an der Wirbelsäule vorgeschädigt gewesen sei. Die durch das Heben und Tragen hervorgerufenen Einwirkungen seien dementsprechend nicht auf eine gesunde, sondern auf eine bereits angegriffene Wirbelsäule getroffen. Die MDD-Orientierungswerte bezögen sich aber auf die unbeschädigte Wirbelsäule.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Juni 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. November 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, auch nach Maßgabe der im Berufungsverfahren durchgeführten Neuberechung des Präventionsdienstes bleibe es - unter Berücksichtigung des neuen Klägervortrags - dabei, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vorlägen.

Zur vom Senat erbetenen Neuberechnung der nach dem MDD-Modell maßgeblichen Richtwerte hat die Beklagte im Hinblick auf den neuen Klägervortrag zur Maschinenumrüstung weitere Informationen der ehemaligen Arbeitgeberin, der Z. Lenksysteme GmbH, eingeholt. Unter dem 13. Januar 2006 hat die Z. Lenksysteme GmbH mitgeteilt, der vom Kläger mitgeteilte Ablauf des Umrüstvorgangs treffe grundsätzlich zu. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass dem Werker beim Umrüstvorgang an den - vom Kläger bedienten - Lindner- und Kapp-Schleifmaschinen eine Hebehilfe (Kran) zur Verfügung stehe, mit dem das Spannfutter (Gewicht max. 40 kg) transportiert bzw. auf den höhenverstellbaren Schubwagen, gelegt werde. Von dem höhenverstellbaren Schubwagen könne das Spannfutter im Werkzeuglager in das Regal geschoben werden, wie umgekehrt das neue Spannfutter mit Hilfe des Schubwagens aus dem Regal entnommen werde. Solche Umrüstarbeiten hätten ein- bis zweimal wöchentlich angestanden.

Unter Berücksichtigung der Auskunft der Z.-Lenksysteme GmbH hat die Beklagte unter dem 30. Mai 2006 sodann eine Berechnung der beruflichen Wirbelsäulenbelastung nach dem MDD vorgelegt. Von einem Spannfuttergewicht von 45 kg und der Summe der Hebevorgänge für Aus- und Einbau des Spannfutters von 6 x 7,5 sec. x 3 mal/Tag = 135 sec. = 0,04 h ausgehend errechnete der Arbeitstechnische Dienst eine Druckkraft F von 5175 N, die einer Tagesdosis von Dr 2927 Nh entspreche. Die Richtwert-Tagesdosis von 5500 Nh werde nicht erreicht. Hinzu komme, dass das Umrüsten den Klägerangaben zufolge nur während 34 Arbeitsschichten pro Jahr stattgefunden habe. Für eine belastende Tätigkeit wären aber 60 Arbeitschichten pro Jahr erforderlich.

Darauf hat der Kläger erwidert, die Beklagte setze die Dauer für den einzelnen Hebegang beim Ein- und Ausbau des Spannfutters mit nur 7,5 sec. deutlich zu niedrig an. Er habe für den Hebevorgang beim Ausbau des Spannfutters von der Maschine auf den Arbeitstisch regelmäßig 60 sec. Zeit, für den Hebevorgang vom Arbeitstisch auf den Transportwagen zusätzliche 15 sec. und für den Hebevorgang vom Transportwagen ins Regal weitere 15 sec. Zeit benötigt. Außerdem habe an den L.-Maschinen, an denen er beschäftigt gewesen sei, vor dem 13. Januar 2006 keine Hebehilfe zur Verfügung gestanden. Die Berechnungen der Beklagten beruhten mithin auf einer falschen Grundlage und seien deshalb nicht verwertbar. Außerdem habe es die Beklagte versäumt, eine Gesamtbetrachtung der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten anzustellen, weil er nicht nur beim Umrüsten der Maschinen, sondern auch bei der Produktion (Schleifen) erheblichen Richtkraftdruckwerten ausgesetzt gewesen sei.

In einer vom Senat daraufhin erbetenen weiteren arbeitstechnischen Stellungnahme hat die Beklagte unter dem 23. August 2006 ausgeführt, auf der Grundlage der vom Kläger unter dem 2. Januar 2003 selbst erstellten und der Beklagten zugeleiteten Arbeitsplatzskizze sei zu ersehen, dass sich der Arbeitstisch in unmittelbarer Nähe der Schleifmaschinen befunden habe. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, warum der Hebevorgang von der Maschine an den Arbeitstisch 60 sec. gedauert habe solle. Nach den Vorgaben des MDD-Modells seien für einen Hebevorgang mittlerer Dauer einschließlich 5 m Gehweg fünf Sekunden anzusetzen. Beim Kläger seien wegen des rutschigen Bodens 7,5 sec. angesetzt worden. Ebenso unrealistisch sei es, jeweils 15 sec. für den Hebevorgang vom Arbeitstisch auf den Transportwagen sowie vom Transportwagen ins Regal anzunehmen. Bei Hebevorgängen von kurzer Dauer seien nach dem MDD-Modell nur 2,5 sec. zugrunde zu legen. Im Übrigen sei bei den vorgenommenen Dosisberechnungen stets davon ausgegangen worden, dass dem Kläger keine Hebehilfe zur Verfügung gestanden habe. Darüber hinaus fehle ein weiteres Mindestkriterium für eine Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108, weil er die belastende Tätigkeit - Spannfutterwechsel - nicht in mindestens 60 Arbeitsschichten jährlich verrichtet habe. Auch eine Gesamtbetrachtung von Haupt- (Schleifen, Steuerbuchsentransport) und Nebentätigkeit (minutenweise Maschinenumrüstung) des Klägers erlaubten keine andere Beurteilung. Denn die Haupttätigkeit habe vom Kläger nicht das Tragen oder Heben schwerer Lasten verlangt und die Nebentätigkeit sei an zu wenigen Arbeitsschichten jährlich angefallen, um die Richtwert-Druckkräfte für eine Gefährdung im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2108 zu erfüllen.

Der Kläger hat gegen die von der Beklagte errechnete Belastung durch die Umrüstarbeiten eingewandt, es sei zwar richtig, dass sich der Arbeitstisch in unmittelbarer Nähe der Schleifmaschinen befinde. Gleichwohl halte er seinen Zeitansatz für den Hebevorgang beim Ausbau des Spannfutters von der Maschine auf den Arbeitstisch von regelmäßig 60 sec. für realistisch. Die Beklagte verkenne nämlich, dass das 45 kg schwere Spannfutter justiert und punktgenau eingepasst werden müsse, was auch dadurch erschwert werde, dass das Spannfutter seitlich an der Schleifraumtür vorbei gehoben werden müsse. Dies verlange eine verdreht - vornüber gebeugte Körperhaltung auf zudem öligem Boden. All dies verlängere den Hebevorgang des Spannfuttereinbaus. Ebenso halte er weiter daran fest, ca. 15 sec. für die weiteren Hebevorgänge vom Arbeitstisch auf den Transportwagen sowie vom Transportwagen ins Regal benötigt zu haben; die abweichenden Annahmen der Beklagten berücksichtigten nicht, dass das Spannfutter 45 kg wiege. Im Hinblick auf seine Produktionstätigkeit gehe die Beklagte fehlerhaft davon aus, er sei lediglich mit dem Schleifen von Steuerbuchsen beschäftigt gewesen. Bis Ende 1991 habe er aber 8 bis 9,5 kg schwere Lkw-Kolben geschliffen. Erst nach seinem Wechsel in das Werk G. habe er nur noch Steuerbuchsen geschliffen, diese aber auch von Hand hebend und tragend transportiert. Bei der Mehrmaschinenbedienung habe der gesamte Steuerbuchsenkorb mit einem Gewicht von 14,5 kg mehrfach von Transportbändern genommen und wieder darauf gehoben werden müssen. Er habe pro Schicht 540 Teile zu bearbeiten gehabt, die er bei zwei und drei Maschinen korbweise habe bewegen müssen.

Auf diese Einlassungen des Klägers hat der Senat eine neuerliche Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten veranlasst, die dieser unter dem 12. Dezember 2006 verfasst hat. Darin wird ausgeführt, dass der Kläger, der 13 Jahre bei der Z. Lenksysteme GmbH beschäftigt gewesen sei, lediglich an 30 Arbeitstagen pro Jahr Lastgewichte von 45 kg habe handhaben müssen. Sämtliche anderen Lastgewichte, die der Kläger zu heben oder tragen gehabt habe, seien weit weniger als 20 kg schwer gewesen. Deshalb entfalle wegen Nichterfüllung der Mindestvoraussetzungen - mehr als zehnjähriges Heben oder Tragen von Lasten von mehr als 25 kg für Männer bis 39 Jahre und 20 kg für Männer ab dem 40. Lebensjahr an mindestens 60 Arbeitsschichten jährlich - schon ein Einstieg in eine Berechnung nach dem MDD. Ginge man aber von einer Überschreitung der Tages-Belastungsdosis in Höhe von 5500 Nh aus und berücksichtige in 13 Beschäftigungsjahren an 30 Arbeitstagen diese Tagesbelastung, resultiere daraus eine Gesamtbelastungsdosis in Höhe von 2,1 Mio. Nh, bei einem Richtwert von 25 Mio. Nh. Dies zeige deutlich, dass die Belastungskriterien nach dem MDD auch nicht annähernd erfüllt seien.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Ulm in den Verfahren S 2 U 3269/03, S 10 RJ 3142/02 und S 4 SB 24/01 sowie auf die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17. Juni sowie der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. März 2003 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 12. November 2003 sind nicht zu beanstanden, weil damit die Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV und damit zugleich Entschädigungsleistungen zu Recht abgelehnt worden sind.

Nach § 9 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - SGB VII - sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wurde ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (Satz 2).

Wie bei einem Arbeitsunfall müssen auch bei einer Berufskrankheit die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen u. a. neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkung und die Krankheit gehören, erwiesen sein, während für den ursächlichen Zusammenhang die Wahrscheinlichkeit ausreichend, aber auch erforderlich ist (vgl. BSGE 45, 285).

Nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung und oder das Wiederauftreten der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als Berufskrankheiten anzuerkennen.

Der Senat ist - im Ergebnis ebenso wie zuvor das Sozialgericht - zur Überzeugung gelangt, dass schon die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108, das langjährige Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw. langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, nicht vorliegen. Die Beklagte hat zu Recht die Vorgaben des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) zugrunde gelegt, das nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ein geeigneter Maßstab zur Konkretisierung und Ermittlung der arbeitstechnischen Voraussetzungen der Berufskrankheit Nr. 2108 ist, weil es auf Vorgaben beruht, die ihrerseits wiederum medizinische Erfahrungstatsachen sind, die sich an epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe orientieren (BSG, Urteil vom 18. März 2003 - B 2 U 13/02 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 1). Im Beschluss vom 10. Januar 2005 - B 2 U 331/04 R - in Juris hat das Bundessozialgericht das MDD als ein zumindest derzeit geeignetes Modell zur Konkretisierung der Einwirkungen bei der Berufskrankheit Nr. 2108 bezeichnet, welches nicht auf dem Merkblatt des Ärztlichen Sachverständigenbeirats zur BK Nr. 2108 basiert. Letzteres entspricht nicht mehr dem neuesten medizinisch-wissenschaftlichen Forschungsstand, wenn es u. a. ausführt, dass langjährig bedeute, dass 10 Berufsjahre als die untere Grenze der Dauer der belastenden Tätigkeit zu fordern seien. Das MDD setzt - basierend auf Erkenntnissen aus epidemiologischen Studien - die Langjährigkeit mit mindestens sieben Jahren an (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004 - B 2 U 22/03 R - in Juris). Zusammen mit den weiteren Vorgaben ist es ein geeignetes Modell, die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (BSG a. a. O.).

Nach dem zweistufigen Verfahren des MDD ist im Rahmen einer Vorprüfung abzuklären, ob festgelegte Mindestkriterien erfüllt sind, bei deren Unterschreitung das Risiko einer Gefährdung als unwahrscheinlich angesehen wird. Hierzu gehören vorgegebene Lastgewichtsgrenzen und Hebe- und Tragehäufigkeiten pro Schicht sowie eine Mindestanzahl von belastenden Arbeitsschichten pro Jahr und von Expositionsjahren, in denen derartige Tätigkeiten ausgeübt wurden. Erst beim Erreichen oder Überschreiten dieser Mindestkriterien wird in einer Hauptprüfung die Wirbelsäulenbelastung möglichst genau ermittelt und die Belastungsdosis berechnet, die aus den an der Lendenwirbelsäule angreifenden Druckkräften und der zugehörigen Belastungsdauer bestimmt wird. Im Rahmen der Vorprüfung ist festzustellen, ob folgende Mindestkriterien erreicht oder überschritten werden: 1. Lastgewichte müssen bei Männer 15 kg erreichen oder überschreiten. 2. Pro Arbeitsschicht müssen mindestens 50 Lastenmanipulationen bei Hebe/Tragevorgängen bis Trageentfernungen von maximal 5 Meter oder 30 Lastenmanipulationen bei Hebe/Tragetätigkeiten mit Trageentfernungen deutlich über 5 Meter vorgelegen und/oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung müssen eine Mindestdauer von 30 Minuten erreicht haben. 3. Die belastende Tätigkeit muss in der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten vorgelegen haben. 4. Die gesamte berufliche Belastungsdauer muss mindestens sieben Jahre betragen haben. Sofern ein Kriterium der vier genannten Kriterien nicht erfüllt ist, kann davon ausgegangen werden, dass für die berufliche Tätigkeit die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Sinne der BK 2108 nicht erfüllt sind (Hartung u. a., MDD in Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 1999 S. 112, 113).

Auch an diesem - vom Merkblatt des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften abweichenden, die Mindestvoraussetzungen für eine für die Berufskrankheit Nr. 2108 kritische Belastungsdosis absenkenden - Prüfungsmaßstab orientiert, hat der Präventionsdienst der Beklagten im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die Mindestvoraussetzungen bei dem Kläger nicht erfüllt sind. Nach den eigenen Angaben des Klägers haben die von ihm zwischen Anfang 1988 und Ende 1999 regelmäßig pro Arbeitsschicht in der Produktion von Hand zu hebenden und zu tragenden Gegenstände (Lkw-Kolben, Lenkmuttern, Steuerbuchsen, Kisten mit Steuerbuchsen) nie mehr als maximal 14,5 kg betragen. Für die Zeit von Februar 1988 bis einschließlich Juni 1992 werden von Kläger und Beklagter übereinstimmend sogar nur Hebe- und Tragegewichte von 1 bis max. 8 kg - und nach der letzten Stellungnahme des Klägers im Berufungsverfahren vom 18. Oktober 2006 bis 9,5 kg - angegeben. Die Häufigkeit der Hebe- und Tragevorgänge hat sich dabei nach der Art der zu schleifenden Teile gerichtet. Während er die maximal bis zu 1 kg schweren Kolben und Lenkmuttern pro Arbeitsschicht im Jahr 1988 ca. 400 mal hat heben müssen, sind es bei den ab 1989 bis 1991 zu hebenden bis zu 8 bzw. 9,5 kg schweren Kolben etwa 200 Hebevorgänge pro Schicht gewesen. Zu den des Weiteren ebenfalls ohne Hebehilfe ab 1992 zu verrichtenden Hebevorgängen der 14,5 kg schweren Kisten mit Steuerbuchsen ist es nur ca. 14 mal pro Arbeitsschicht gekommen. Damit unterschreitet das nahe an das nach dem MDD maßgebliche Mindestlastgewicht von 15 kg heranreichende Lastgewicht der vom Kläger zu hebenden Kisten mit Steuerbuchsen von 14,5 kg die vom MDD dafür zugleich geforderte Mindestzahl von 50 an Lastbewegungen bei Hebe- und Tragevorgängen mit Trageentfernungen bis maximal 5 m pro Arbeitsschicht deutlich. Eine Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung - von 90° - hat der Kläger bei alledem nicht ausgeübt, wie er selbst einräumt.

Etwas anders folgt auch nicht unter Einbeziehung der vom Kläger zu erbringenden Umrüstarbeiten durch Wechsel des Spannfutters an den von ihm bedienten Maschinen. Bei diesen Umrüstarbeiten hat der Kläger zwar kurzfristig sehr schwere Gewichte von ca. 45 kg von Hand zu heben gehabt. Die vom Präventionsdienst der Beklagten angenommene Hebedauer von 7,5 sec. pro Hebevorgang entspricht den Orientierungswerten nach dem MDD; die dagegen vom Kläger geltend gemachte Hebedauer von jeweils 60 sec. überzeugt u. a. angesichts des auch von ihm eingeräumten nur geringen Abstands zwischen Maschine und Arbeitstisch nicht. Die körperlich stark belastenden Umrüstarbeiten hat der Kläger darüber hinaus weder in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten zu verrichten gehabt noch auch mindestens während 60 Arbeitsschichten jährlich. Die in sich schlüssigen Berechnungen des Präventionsdienstes der Beklagten haben aufgrund der Angaben des Klägers und seiner ehemaligen Arbeitgeberin eine Handhabung des Klägers während seiner hier maßgeblichen beruflichen Tätigkeit bei der Z. Lenksysteme GmbH von 1988 bis 1999 mit Lastgewichten von 45 kg lediglich an 30 Arbeitsschichten jährlich zugrunde gelegt. Denn solche Umrüstarbeiten haben nur ein- bis zweimal wöchentlich angestanden (Auskunft der Z. Lenksysteme vom 13. Januar 2006).

Da - ausgehend vom MDD - schon nach der Vorprüfung die erforderlichen Mindestvoraussetzungen für eine Gefährdung in Richtung Berufskrankheit Nr. 2108 deutlich nicht erfüllt sind, ist nicht zu beanstanden, dass seitens der Beklagten und des Sozialgerichts keine medizinischen Ermittlungen durchgeführt wurden. Dies gilt auch im Hinblick auf den Vortrag des Klägers auf seine Vorerkrankungssituation, in der er zu schützen sei. Zur Vermeidung weiteren Streits weist der Senat in diesem Zusammenhang ergänzend darauf hin, dass auch medizinische Gründe dafür, dass die an der Lendenwirbelsäule bestehende Erkrankung beruflich bedingt ist, angesichts der aktenkundig dokumentierten Entwicklung des Krankheitsverlaufs des zum Zeitpunkt der ersten Bandscheibenoperation -1997 - noch nicht vierzigjährigen Kläger, eher unwahrscheinlich sind. Ein erstes Schulter-Arm-Syndrom rechts ist beim Kläger im Vorerkrankungsverzeichnis bereits im Jahre 1993 dokumentiert, ein HWS-Schulter-Arm-Syndrom rechts im Jahre 1998. Unter dem 7. Mai 2003 hat Dr. R. neben den die Lendenwirbelsäule betreffenden Gesundheitsstörungen folgende weitere gesamtwirbelsäulenbezogene Diagnosen mitgeteilt: chronisch rezidivierendes HWS-Syndrom mit sensibler Wurzelreizung C 8 links bei Bandscheibenvorfall, Impingementsyndrom beider Schultern, Myogelosen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur beidseitig, initiale Radiocarpalarthrose posttraumatisch links und initiale Radiocarpalarthrose rechts. Damit bestehen nicht nur im Bereich der beruflich besonders belasteten Lendenwirbelsäule des Klägers, sondern auch im Bereich der Halswirbelsäule gleichartige und etwa gleich gewichtige krankhafte Veränderungen. Dies deutet zusätzlich darauf hin, dass die Schadensanlage im Vordergrund steht und den beruflichen Belastungen des Klägers im Sinn der Berufskrankheit Nr. 2108 kein wesentlicher Ursachenbeitrag beizumessen ist (vgl. dafür etwa Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 21. Juni 2000, L 17 U 112/98 und Urteil vom 9. Mai 2001, L 17 U 243/00; Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 31. Januar 2001, L 8 U 40/00; Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26. November 2002, L 3 U 381/00; Hessisches Landesozialgericht, Urteil vom 28. März 2003, L 11 U 363/01; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2004, L 7 U 3176/02, allesamt veröffentlicht in JURIS).

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers hat deshalb zurückgewiesen werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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