L 10 B 1717/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 93 AS 18419/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 1717/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. August 2007 abgeändert. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, den Antragstellern aus dem Bewilligungsbescheid vom 16. Juli 2007 zunächst für den Monat Oktober 2007 noch Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes iHv von 254,87 Euro zu zahlen. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu tragen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller (Ast) beziehen von der Antragsgegnerin (Ag) laufend Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.

Die Ast zogen (ohne vorher die Genehmigung der Ag einzuholen) zusammen mit der Mutter der Ast zu 2) und 3), zwei weiteren Geschwistern der Ast zu 2) und 3) und dem minderjährigen verwaisten Bruder der Mutter der Ast zu 2) und 3), der Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch und Verwandtenpflegegeld bezieht, in die 135,94 qm große Wohnung im Hause Bstraße. Die Gesamtmiete betrug bei Vertragsbeginn 889,85 Euro brutto warm. Bewilligt wurden der aus sechs Mitgliedern bestehenden Bedarfsgemeinschaft zuletzt mit Bescheid vom 10. Januar 2007 insgesamt monatlich 1.499,00 Euro. Darin enthalten waren Kosten der Unterkunft iHv 690,00 Euro, welche die Ag ausgehend von den nach den Ausführungsvorschriften zur Ermittlung angemessener Kosten der Wohnung gemäß § 22 SGB II der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz des Landes B vom 07. Juni 2005 (ABl 3743), zuletzt geändert mit Verwaltungsvorschriften vom 30. Mai 2006 (ABl 2062), bestimmten angemessenen Kosten der Unterkunft für einen Siebenpersonenhaushalt von 805,000 Euro und einem auf die Bedarfsgemeinschaft fallenden Anteil von 6/7 errechnete. Aufgrund einer von dem Ast zu 1) und der Mutter der Ast zu 2) und 3) unterschriebenen Erklärung erfolgte die Überweisung der geschuldeten Gesamtmiete iHv 889,85 Euro direkt an den Vermieter; die Regelleistung wurde entsprechend gekürzt ausgezahlt. Ein weiterer Betrag von 70,00 Euro wurde seit Mitte 2006 direkt an den Stromversorger überwiesen. Die Mutter der Ast zu 2) und 3) trennte sich von dem Ast zu 1) am 01. Juli 2007 und verzog mit den zwei weiteren Geschwistern in eine eigene Wohnung nach B-N.

Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 bewilligte die Ag den Ast ab dem 01. August 2007 monatliche Leistungen von insgesamt 1.183,75 Euro (Regelleistung für den Ast zu 1): 472,00 Euro, für die Ast zu 2) und 3): je 54,00 Euro, sowie für jeden Ast 201,25 Euro Kosten der Unterkunft und Heizung). Die Gesamtmiete von 889,85 Euro sowie der Stromabschlag iHv 70 Euro wurden weiterhin direkt überwiesen.

Die Ast haben am 10. August 2007 Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Juli 2007 eingelegt und beim Sozialgericht (SG) Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Nach der Trennung müsse für eine Übergangszeit von sechs Monaten der Wohnraum weiter gezahlt werden. An Unterkunftskosten seien lediglich 603,75 Euro bewilligt worden. Da die Miete iHv 889,85 Euro direkt an den Vermieter gezahlt werde, reiche der an die Ast ausbezahlte Rest iHv 223,90 Euro nicht für den Lebensunterhalt der Ast aus.

Mit Beschluss vom 31. August 2007 hat das SG Berlin den Antrag zurückgewiesen. Den Ast stehe kein Anspruch auf höhere Leistungen der Unterkunft zu. Da die anspruchsberechtigte Bedarfsgemeinschaft nur noch aus den Ast, d.h. aus drei Personen, bestehe und darüber hinaus noch der minderjährige verwaiste Bruder der Mutter der Ast zu 2) und 3) in der Wohnung lebe, komme nur eine Übernahme von ¾ der Kosten in Betracht. Bei summarischer Prüfung sei weiterhin die Übernahme nur von 805,00 Euro nicht zu beanstanden.

Hiergegen richtet sich die von den Ast eingelegte Beschwerde, der das SG Berlin nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist in dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht auf Antrag zur Rege¬lung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile not¬wendig erscheint. Der Anordnungsanspruch – die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist – sowie der Anordnungsgrund – die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung – sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).

Vorliegend haben die Ast glaubhaft gemacht, dass die ihnen bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht vollständig an sie ausgekehrt worden sind. Mit Bescheid vom 16. Juli 2007 hat die Ag dem Ast zu 1) 472,00 Euro und den Ast zu 2) und 3) jeweils 54,00 Euro, d.h. für die Bedarfsgemeinschaft insgesamt 580,00 Euro monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt. Bislang ist an den Ast zu 1) für alle Ast nur ein Betrag von 223,90 Euro zur Auszahlung gelangt, so dass sich zunächst ein Fehlbetrag von 356,10 Euro errechnet.

Von diesem Fehlbetrag sind abzusetzen diejenigen Beträge, die die Ag aufgrund von Einverständniserklärungen der Ast direkt an den Vermieter bzw. an den Stromversorger auszahlen darf. Insoweit geht der Senat davon aus, dass kein Fall des § 22 Abs. 4 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vorliegt, mithin allein eine entsprechende Einverständniserklärung der Ast als Grundlage einer nur eingeschränkten Auszahlung der Regelleistung in Betracht kommt. Hierbei ist indes zu beachten, dass die von dem Ast zu 1) und der Mutter der Ast zu 2) und 3) abgegebene Erklärung aus dem Januar 2006, wonach sie einverstanden sind, dass die Kosten für Unterkunft und Heizung/Warmwasser direkt an den Vermieter überwiesen werden sollen, vor der zu diesem Zeitpunkt bestehenden familiären Situation zu sehen ist. Sie kommt deshalb bei sachgerechter Auslegung nur begrenzt als Grundlage für die Beschränkung der Auszahlung der Regelleistung an die Ast in Betracht. Die tatsächlichen Mietkosten lagen bei 889,85 Euro. Als angemessen angesehen wurden indes für einen Siebenpersonenhaushalt nur 805,00 Euro, von denen wegen der Aufnahme des minderjährigen Bruders der Mutter der Ast zu 2) und 3) nur 6/7 d. 690,00 Euro tatsächlich übernommen wurden. Demnach willigten die beiden erwachsenen und bezüglich der Kinder vertretungsberechtigten Angehörigen der sechsköpfigen Bedarfsgemeinschaft ein, dass ein Betrag von 199,85 Euro aus den allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft bewilligten Regelleistungen nicht an sie, sondern an den Vermieter zur Auszahlung gelangen sollte. Dies ergibt einen Betrag von 33,81 Euro pro Kopf. Der im Januar 2006 abgegebenen Erklärung kann hingegen nicht die Berechtigung entnommen werden, auch den Ast bewilligte Regelleistungen, die einen Betrag von 33,81 Euro pro Kopf übersteigen, an den Vermieter auszuzahlen. Die Erklärung steht ersichtlich vor dem Hintergrund, dass hier sieben Familienmitglieder in unterschiedlichen Bedarfsgemeinschaften und mit der Unterstützung verschiedener Leistungsträger eine einfache Abwicklung des Zahlungsverkehrs mit Hilfe der Ag erreichen wollten, wobei die mit der Auszahlung von Regelleistungen an den Vermieter verbundenen Einbußen für jeden Einzelnen überschaubar bleiben sollten. Mit dem Auszug von drei Familienmitgliedern und der damit einhergehenden Absenkung der bewilligten Kosten der Unterkunft bei tatsächlicher Begleichung der Miete in gleich bleibender Höhe würde sich die aus der Regelleistung aufzubringende Spanne verdoppeln. Eine Einwilligung in eine so weitgehende Beschränkung der Auszahlung der bewilligten Regelleistung ist der abgegebenen Erklärung nicht zu entnehmen. Bei der Überweisung des Abschlages für die Stromkosten fehlt es hingegen an einer Erklärung des Ast zu 1). Insoweit finden sich nur Erklärungen der Mutter der Ast zu 2) und 3) aus dem Jahr 2006 in dem Verwaltungsvorgang, welche nach Beendigung der Bedarfsgemeinschaft nicht mehr als Auszahlungsbestimmung herangezogen werden kann.

Daraus folgt, dass von den insgesamt bewilligten Leistungen iHv 580,00 Euro an die Antragsteller wirksam bislang lediglich 325,33 Euro (223,90 Euro an die Ast + 101,43 Euro (3 X 33,81 Euro) an den Vermieter) ausbezahlt wurden, so dass noch ein Betrag von 254,67 Euro auf die bewilligten Leistungen auszuzahlen ist.

Auch vor dem Hintergrund, dass im einstweiligen Verfahren regelmäßig nur Leistungen ab dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats zugesprochen werden, hat es der Senat hier aus Zweckmäßigkeitserwägungen (Monatsbezogenheit der Miete/Abwicklungsaufwand) für angemessen erachtet, für den Monat Oktober eine einheitliche, nicht nach Leistungstagen bis und ab dem Entscheidungszeitpunkt differenzierende Entscheidung zu treffen. Sofern für zurückliegende Zeiträume Leistungen begehrt werden, war die Beschwerde mangels Glaubhaftmachung eines besonderen Nachholbedarfes abzuweisen.

Der Entscheidungstenor umfasst nur den Monat Oktober, da der Sachverhalt ersichtlich nicht änderungsfest ist. Die Ag ist indes darauf hinzuweisen, dass – solange und soweit der gegenwärtige, den Zeitraum bis Januar 2008 regelnde Leistungsbescheid nicht geändert wird, die dort bewilligte Leistung durch Auszahlung an die Ast zu 1) – 3) zu erbringen ist, soweit diese nicht wirksam ihr Einverständnis mit einer Auszahlung an Dritte erteilt haben. In welchem Umfang dies derzeit und bis auf weiteres der Fall ist, ist Gegenstand dieses Beschlusses.

Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt die Ag, die überwiegend unterliegt (§ 193 SGG).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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