Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 138/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen Verlautbarungen der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist eine nordrheinische Betriebskrankenkasse und Mitglied des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen (BKK LV NRW). Die zwischen dem BKK LV NRW und der Antragsgegnerin geschlossenen gesamtvertraglichen Vergütungsvereinbarungen schreiben im Grundsatz die im Jahre 1997 ermittelten Budgetwerte je Mitglied fort und haben aufgrund einer zwischenzeitlich veränderten Mitgliederstruktur bei der Antragstellerin zu einer Budgetüberschreitung im Bereich der vertragszahnärztlichen Vergütung geführt. Für diesen Fall sehen die Vergütungsvereinbarungen Zahlungen der einzelnen Krankenkassen lediglich bis zur Vergütungsobergrenze vor. Eine zwischen dem BKK LV NRW und der Antragsgegnerin zusätzlich getroffene "Ver einbarung zur Ergänzung der Honorarvereinbarung sowie zur Vereinbarung zur Umsetzung des Wohnortprinzips gemäß § 83 Abs. 1 SGB V", die dem Ausgleich regionaler Verwerfungen und damit einhergehender Saldierungsprobleme durch die Weiterführung der auf der Basis des Jahres 1997 gebildeten Honorarbudgets zu dienen bestimmt war, wurde seitens des BKK LV NRW gekündigt. Ein deswegen eingeleitetes Schiedsverfahren ruht derzeit.
Nachdem Verhandlungsbemühungen zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin über die Anpassung der Budgets erfolglos geblieben waren, unterrichtete die Antragsgegnerin in ihrem Informationsdienst (D)6/2007 vom 16.08.2007 die ihr mitgliedschaftlich angehörenden Vertragszahnärzte über den "Stand der Vergütungsverträge/Honorarvereinbarungen mit den Primär- und Ersatzkassen". Dabei führte sie u.a. aus, zwar seien die Primär- und Ersatzkassen bereit gewesen, der Vergütungserhöhung um 0,47 % (für das Jahr 2007 höchstzulässige Veränderungsrate) für die Zeit ab 01.01.207 für den Bereich der budgetierten Leistungen zuzustimmen. Die Steigerungsrate reiche indes für eine angemessene Fortentwicklung der Vergütungsverträge/Honorarvereinbarungen für das Jahr 2007 nicht aus. Der Problematik der Budgetüberschreitung bei etlichen Krankenkassen lägen nämlich nach ihrer Auffassung für sie nicht hinnehmbare Budgetverwerfungen zugrunde, die ihre Ursachen im Wettbewerb der Krankenkassen untereinander sowie in nicht akzeptablen mathematischen bzw. statistischen Verschüben hätten.
Zur Eliminierung dieser Probleme seien die Krankenkassen im Wege vertragspartnerschaftlich orientierter Verhandlungen nicht bereit gewesen. Die Antragsgegnerin habe deshalb das Landesschiedsamt anrufen und fünf (!) von einander unabhängige Schiedsverfahren initiieren müssen. Im Einzelnen stelle sich die Situation wie folgt dar:
c)Problembereich Betriebskrankenkassen
"Mit dem BKK LV konnten in der Vergangenheit stets partnerschaftlich orientierte, faire Vergütungsvereinbarungen getroffen werden. Hierzu gehörte vor allen Dingen auch, dass die BKKen untereinander in einem gewissen Rahmen solidarisch waren. Die Leistungsentwicklung innerhalb der einzelnen BKKen (die KZV Nordrhein rechnet mit mehr als 150 BKKen ab) verlief nämlich nicht homogen und bei einzelnen BKKen waren zum Teil extreme Budgetüberschreitungen zu verzeichnen, bei anderen BKKen hingegen Unterschreitungen. Diese "Saldierungsproblematik" haben die BKKen durch eine ergänzende Vereinbarung weitestgehend eliminiert.
Diese "Saldierungsvereinbarung" hat der BKK LV mit Wirkung ab 01.01.2007 gekündigt. Die "Saldierungsproblematik" bei den BKKen kann von daher im Laufe des Jahres 2007 auf mehr als 5 Mio. EUR - mit entsprechenden Auswirkungen auf unsere HVM-Kontingente - anwachsen.
Bei einzelnen BKKen haben sich aus den vorgenannten Gründen extreme Verhältnisse eingestellt. Die BKK C M weist z.B. Budgetüberschreitungen um mehr als 1,5 Mio. EUR (mehr als 25 %) auf. Auch hier liegt der Grund im Wettbewerb und der damit einhergehenden starken Expansion der BKK C M, die für die zahnmedizinische Versorgung nur den weit unterdurchschnittlichen Betrag von 118,12 EUR zur Verfügung stellt. Dieser Betrag hatte sich als Budgetwert im Jahre 1997 auf der Grundlage eines kleinen, exklusiven, jedenfalls nicht repräsentativen Mitglieder-Ausgangsbestandes ergeben. Zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur war die BKK C M bisher aber nicht bereit. Die starke Expansion der BKK C M in den vergangenen Jahren hat dem System der vertragszahnärztlichen Versorgung dementsprechend hohe Finanzmittel entzogen! Auch bei der BKK C M ist von daher auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten.
"
Mit Schreiben vom 14.09.2007 wandte sich die Antragstellerin unter Hinweis auf diese Veröffentlichung an den BKK LV NRW und bat um Einwirkung auf die Antragsgegnerin sowie um umgehende Anpassung der nicht mehr zeitgemäßen Verträge, auch im Bereich der Ärzte. Mit Schreiben vom selben Tage bat sie zudem die Aufsichtsbehörde um Prüfung und Einleitung entsprechender Maßnahmen.
Am 21.09.2007 hat die Antragstellerin bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Die Antragstellerin hält die Behauptung der Antragsgegnerin, sie sei zu einer Anpassung der Budgetwerte an ihre veränderte Mitgliederstruktur bislang nicht bereit gewesen, für inhaltlich und sachlich unrichtig. Verträge über die Gesamtvergütung würden allein mit den jeweiligen Landesverbänden der Krankenkassen mit Wirkung für die jeweilige Krankenkasse geschlossen, nicht aber mit dieser direkt. Gleichwohl habe sie mit dem nötigen Nachdruck auf den BKK LV NRW eingewirkt, eine entsprechende Vertragsanpassung in Verhandlungen mit der Antragsgegnerin vorzunehmen. Hierbei habe sie ebenso Verhandlungen über die Vergütung im ärztlichen Bereich unter Teilnahme aller Beteiligten für notwendig erachtet. Damit habe sie die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft und zur keiner Zeit eine Weigerungshaltung an den Tag gelegt.
Rechtswidrig sei auch die Formulierung, auch bei der BKK C M sei "auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten". Bereits die Hervorhebung des Hinweises auf das Wirtschaftlichkeitsgebot im Zusammenhang mit der Antragstellerin (und weiteren Krankenkassen) und erst recht die über den Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V hinausgehende Formulierung seien geeignet, Vertragszahnärzte zu der rechtswidrigen Auffassung zu verleiten oder sie darin zu bestärken, vertragszahnärztliche Leistungen für die Mitglieder der Antragstellerin brauchten nicht mehr vollumfänglich erbracht zu werden. Die Gefahr rechtswidriger Leistungsvorenthaltungen gegenüber den Versicherten der Antragstellerin führe direkt zu einer Verletzung des Sicherstellungsauftrages der Antragstellerin aus § 72 Abs. 1 SGB V, den die Antragsgegnerin nach § 75 Abs. 1 SGB V zu gewährleisten habe. Zudem bestehe darüber hinaus die begründete Gefahr von Mitgliederkündigungen. Damit sei die Antragstellerin auch in eigenen Rechten verletzt.
Die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ergebe sich daraus, dass aufgrund der Veröffentlichung im ID 6/2007 jedenfalls ein Vertragszahnarzt gegenüber mehreren Versicherten der Antragstellerin die Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen abgelehnt und diese auf die privatzahnärztliche Abrechnung verwiesen habe.
Die Antragstellerin beantragt,
1.die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, wort- oder sinngemäß die unzutreffende Behauptung: "Zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur war die BKK C M bisher nicht bereit" sowie die rechtswidrige Äußerung: "Bei der BKK C M ist auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten" über ihren Informationsdienst Nr. 0/2007 oder über andere Kommunikationsmittel zu verbreiten;
2.der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,- EUR aufzuerlegen, ersatzweise den Mitgliedern des Vorstandes der Antragsgegnerin Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren anzudrohen;
3.die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, dass eine Ablehnung der Behandlung aus Gründen der Budgetüberschreitung rechtswidrig ist und einen Verstoß gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten darstellt. 4.
Die Antragsgegnerin beantragt,
der Antrag zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
Soweit es die begehrte Unterlassung der Äußerung: "Zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur war die BKK C M bisher nicht bereit" betreffe, sei es zwar richtig, dass Vertragspartner nicht die Antragstellerin, sondern der BKK LV NRW sei. Die Berufung hierauf sei aber lediglich vorgeschoben. Der BKK LV NRW fülle die Vertragsabschlusskompetenz stets nur in enger Abstimmung mit den angeschlossenen BKKen aus. Für einige BKKen, bei denen es in der Vergangenheit ebenfalls zu Budgetverwerfungen gekommen sei, seien in enger Abstimmung zwischen den betroffenen BKKen, dem BKK LV NRW und der Antragsgegnerin sachgerechte Anpassungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen worden. Die Antragstellerin stelle jedoch nach wie vor ein Junktim von Verhandlungen im vertragszahnärztlichen und vertragsärztlichen Bereich her, was wegen der voll ständig getrennten Systeme rechtswidrig sei.
Mit der Äußerung: "Bei der BKK C M ist auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten" habe die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Diktion in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ihre Mitglieder schlicht auf eine gesetzliche Selbstverständlichkeit hingewiesen. Daneben stehe diese Aufforderung in unmittelbarem Zusammenhang mit den rechtlichen Bestimmungen zur Bildung und - bei Bedarf - Veränderung des Budgets. Wenn die Antragstellerin glaube, ihre Budgets seien trotz der extremen Verwerfungen und trotz eines um mehr als 24 % höheren Leistungsbedarfs ihrer Versicherten ausreichend, so sei die strikte Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes unumgänglich.
Soweit die Antragstellerin in dieser Äußerung eine Aufforderung zur Nichtgewährung vertragszahnärztlicher Leistungen sehe, überspanne dies bei objektivem Verständnis den Wortlaut des Zitates. Sollte aufgrund dessen tatsächlich ein Vertragszahnarzt vertragszahnärztlich zu erbringende Leistungen privatzahnärztlich liquidiert haben, werde die Antragsgegnerin ihn auf die Einhaltung seiner Pflichten hinweisen. Mit dem bisher einzig in Erscheinung getretenen Vertragszahnarzt in O habe sie sich zwischenzeitlich zur Aufklärung in Verbindung gesetzt.
II.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung sind die Erfolgsaussicht des Begehrens (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund). Beides liegt hier nicht vor.
Hinsichtlich des Antrages zu 1) halten sich die inkriminierten Äußerungen im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie Tatsachenbehauptungen enthielten, die nicht der Wahrheit entsprechen, oder sich auf Werturteile stützten, die aus unredlichen Motiven erhoben wurden (vgl. BVerfGE 7, 198).
Beide beanstandeten Äußerungen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern im Gesamtkontext, und zwar aus der Sicht der Adressaten dieses Informationsdienstes, d.h. der in der Antragsgegnerin zusammengeschlossenen Vertragszahnärzte. Im Hinblick auf die gesetzliche Budgetierung der Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Versorgung sieht die Antragsgegnerin seit 1994 in ihren Honorarverteilungsmaßstäben in unterschiedlicher Ausgestaltung Honorarkontingente für die einzelnen Leistungsbereiche und für die verschiedenen Kassenarten (Primär- und Ersatzkassen) vor. Multipliziert mit der Zahl der Behandlungsfälle ergibt dies individuelle Kontingentgrenzen für jeden Vertragszahnarzt. Nur bis zum Erreichen dieser Grenzen werden die einzelnen Leistungen mit dem gesamtvertraglich vereinbarten Punktwert vergütet; darüber hinaus abgerechnete Leistungen lösen in einer Jahresschlussabrechnung Honorarrückforderungen aus (dazu näher erstmals BSG, Urteil vom 03.12.1997 - 6 RKa 21/97 -). Um insofern das Abrechnungsverhalten ihrer Mitglieder zu steuern, veröffentlicht die Antragsgegnerin in ihren Informationsdiensten fortlaufend vorläufige bzw. endgültige Kontingentgrenzen, auf die sich die Vertragszahnärzte einzustellen haben.
Die Antragsgegnerin ist hierbei aber nicht darauf beschränkt, ihre Mitglieder lediglich über die Höhe solcher Honorarkontingente zu unterrichten. Sie ist zugleich dazu berechtigt, ihre Mitglieder auch über die Ursachen für die Honorarentwicklung im Einzelnen zu informieren. Denn die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) haben auch die gesetzliche Aufgabe, die Rechte der Vertragszahnärzte, ihrer Zwangsmitglieder (§ 77 Abs. 3 SGB V), gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Hierzu gehört der Abschluss gesamtvertraglicher Vergütungsvereinbarungen, in denen auch zu regeln ist, dass die zahnärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 72 Abs. 2 SGB V); insofern tragen die KZVen eine Mitverantwortung für die angemessene Honorierung ihrer Mitglieder (BSG, Urteil vom 03.12.1997, a.a.O.). Nur die gesamtvertraglich vereinbarte oder ggf. durch Schiedsspruch festgesetzte Gesamtvergütung kann die KZV an ihre Mitglieder verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V); Nachforderungen an die Krankenkassen sind grundsätzlich ausgeschlossen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 30). Der einzelne Vertragszahnarzt kann die Höhe der Gesamtvergütung gerichtlich nicht überprüfen lassen (BSG, Urteil vom 31.08.2006 - B 6 KA 6/04 R -).
Diese Komplexität der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen der Vertragszahnärzteschaft durch die KZV setzt deren Information über die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten voraus, da ansonsten eine Willensbildung innerhalb der KZV, zu der die Mitglieder berechtigt sind (vgl. Hess, in: Kasseler Kommentar, § 77 SGB V Rn. 17), nicht möglich ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die inkriminierten Äußerungen im ID 6/2007 nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat ihren Mitgliedern - ausschließlich an diese richtet sich der ID - sachlich, informativ, nicht polemisch und in nicht unangemessen pointierter Diktion über den Stand der Vergütungsverträge bzw. Honorarvereinbarungen mit den Primär- und Ersatzkassen berichtet. Um die Verhandlungsposition der Antragsgegnerin gegenüber den Krankenkassen zu verdeutlichen, durfte die Mitteilung auch die näheren Hintergründe der Vergütungsvereinbarungen erhellen. Hierzu gehört auch die Information darüber, in welchen Ursachen die Antragsgegnerin die Gründe für die Budgetüberschreitung bei etlichen Krankenkassen zu sehen meint. Dies ist hier zunächst in allgemeiner Form geschehen (Seite 4) und sodann für einzelne "Problembereiche" (AOK Rheinland/I, Knappschaft, Betriebskrankenkas
sen, IP-Punktwerte).
Soweit es die Betriebskrankenkassen betrifft, führt die Antragsgegnerin die Budgetüberschreitungen namentlich auf die als Folge der Kündigung der "Saldierungsvereinbarung" entstandene "Saldierungsproblematik" zurück. Innerhalb der legitimen Darstellung dieses "Problembereichs" durfte sie zurecht einzelne Betriebskrankenkassen benennen, um exemplarisch die Ursachen für die Budgetüberschreitung aus ihrer Sicht zu verdeutlichen. Dabei unterschlägt die Information nicht, dass Vertragspartner auf Seiten der Betriebskrankenkassen nicht die einzelne Krankenkasse ist, sondern deren Landesverband (Seite 6, linke Spalte). Diese gesamtvertragliche Rechtslage schließt jedoch keineswegs aus, dass die Beklagte am Beispiel einzelner Krankenkassen deutlich macht, wer die Vergütungsproblematik aus ihrer Sicht ausgelöst hat. So wird die Antragstellerin exemplarisch ("Die BKK C M weist zum Beispiel ") als Krankenkasse mit Budgetüberschreitungen genannt und die BKKen Bayer, Novitas und Deutsche BKK als Krankenkassen, deren Budgets in hohem Maße unterschritten würden. Nur durch solche umfassende Information können die Vertragszahnärzte in die Lage versetzt werden, die Verhandlungsposition der Antragsgegnerin richtig einzuschätzen und zu beurteilen.
Soweit der Antragstellerin hierbei vorgehalten wird, sie sei zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur bisher nicht bereit gewesen, ist dies weder tatsächlich unrichtig noch stellt dies eine unredliche Bewertung dar. Dass sich objektiv die Mitgliederstruktur der Antragstellerin deutlich geändert hat und Budgetüberschreitungen vorliegen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass die Antragstellerin (bis heute) ein Junktim zwischen den Vergütungsvereinbarungen (des BKK LV NRW) mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und der Antragsgegnerin herstellt. So verständlich diese Haltung bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ist, sieht das SGB V jedoch getrennte Rechtskreise für den vertragsärztlichen und den
vertragszahnärztlichen Bereich vor. Aus Sicht der Antragsgegnerin, die allein für den vertragszahnärztlichen Bereich zuständig ist, darf sich dieses Junktim daher berechtigt als bisher fehlende Bereitschaft der Antragstellerin zur Anpassung der Budgetwerte im zahnärztlichen Bereich darstellen. Da der BKK LV NRW - gerichtsbekannt - gesamtvertragliche Honorarvereinbarungen nur in enger Tuchfühlung mit den einzelnen BKKen abschließt, schon weil die von ihm vereinbarten Gesamtvergütungen die einzelnen Mitgliedskassen zwingend binden (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R -), durfte die Antragsgegnerin auch konkret die bisher fehlende Bereitschaft der Antragstellerin ansprechen. Eine differenziertere Aussage über die Vertragsabschlusskompetenzen und das Binnenverhältnis zwischen BKK LV NRW und seinen einzelnen Mitgliedskassen, sofern die Antragsgegnerin hierin überhaupt Einblick hat, kann im Rahmen einer kurzen Berichterstattung über den Stand der Verhandlungen nicht verlangt werden.
Auch die Äußerung: "Auch bei der BKK C M ist von daher auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten" begegnet keinen Bedenken. Zwar handelt es sich bei dieser Äußerung mitnichten um einen schlichten Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 SGB V. Dieses Gebot kennen Vertragszahnärzte bereits durch ihre Teilnahme am Einführungslehrgang, aus Veröffentlichungen von Verfahrensordnungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rheinischen Zahnärzteblatt, aus der Mitteilung von Kontingentgrenzen im ID etc. zu Genüge. Zur Auffrischung entsprechender Rechtskenntnisse hätte es auch keines fett gedruckten Hinweises im Zusammenhang mit einer namentlich genannten einzelnen BKK bedurft. Vor allem aber übersteigt die Wendung: "äußerst wirtschaftlich" den Gesetzeswortlaut.
Die Intention der Antragsgegnerin für den Appell an ihre Mitglieder, bei der Antragstellerin auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten, ist eine honorarpolitische. Die von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Budget werte reichen zur Finanzierung der durchschnittlichen Kontingentgrenze der Primärkassen nicht aus bzw. drücken diese nach unten. Angesichts einer rund 25 %igen Budgetüberschreitung erstrebt die Antragsgegnerin eine entsprechende Anpassung. Dies ist Informationszweck der gesamten Aussage zur Antragstellerin im ID 6/2007, Seite 6, rechte Spalte, 2. Absatz. Bei verständiger Auslegung der Formulierung zur Leistungsgewährung aus dem Empfängerhorizont der Vertragszahnärzte ist damit ersichtlich nicht gemeint, den Versicherten der Antragstellerin notwendige vertragszahnärztliche Leistungen vorzuenthalten, wohl aber im Rahmen der - in der zahnärztlichen Versorgung ohnehin begrenzten - Therapiefreiheit durchaus auf Budgetkonformität zu achten. Das ist legitim und kann nicht beanstandet werden. Eines gesonderten Hinweises gemäß Ziffer 3) des Antrages bedarf es daher nicht.
Es liegt auch kein Anordnungsgrund vor, da keine Eilbedürftigkeit zu erkennen ist. Soweit ein einzelner Zahnarzt (von rund 5.000 Mitgliedern der Antragsgegnerin) den Hinweis auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung bei Versicherten der Antragstellerin missverstanden haben sollte, reicht dessen individuelle Belehrung über seine vertragszahnärztlichen Pflichten durch die Antragsgegnerin aus. Für den von der Antragstellerin befürchteten existenzbedrohenden Mitgliederschwund fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, unbeschadet der Frage, ob gesetzlichen Krankenkassen unbeschränkt ein verfassungsrechtlich geschütztes Existenzrecht zusteht (vgl. BVerfGE 39, 302, 312 ff.).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen Verlautbarungen der Antragsgegnerin.
Die Antragstellerin ist eine nordrheinische Betriebskrankenkasse und Mitglied des Landesverbandes der Betriebskrankenkassen Nordrhein-Westfalen (BKK LV NRW). Die zwischen dem BKK LV NRW und der Antragsgegnerin geschlossenen gesamtvertraglichen Vergütungsvereinbarungen schreiben im Grundsatz die im Jahre 1997 ermittelten Budgetwerte je Mitglied fort und haben aufgrund einer zwischenzeitlich veränderten Mitgliederstruktur bei der Antragstellerin zu einer Budgetüberschreitung im Bereich der vertragszahnärztlichen Vergütung geführt. Für diesen Fall sehen die Vergütungsvereinbarungen Zahlungen der einzelnen Krankenkassen lediglich bis zur Vergütungsobergrenze vor. Eine zwischen dem BKK LV NRW und der Antragsgegnerin zusätzlich getroffene "Ver einbarung zur Ergänzung der Honorarvereinbarung sowie zur Vereinbarung zur Umsetzung des Wohnortprinzips gemäß § 83 Abs. 1 SGB V", die dem Ausgleich regionaler Verwerfungen und damit einhergehender Saldierungsprobleme durch die Weiterführung der auf der Basis des Jahres 1997 gebildeten Honorarbudgets zu dienen bestimmt war, wurde seitens des BKK LV NRW gekündigt. Ein deswegen eingeleitetes Schiedsverfahren ruht derzeit.
Nachdem Verhandlungsbemühungen zwischen der Antragsgegnerin und der Antragstellerin über die Anpassung der Budgets erfolglos geblieben waren, unterrichtete die Antragsgegnerin in ihrem Informationsdienst (D)6/2007 vom 16.08.2007 die ihr mitgliedschaftlich angehörenden Vertragszahnärzte über den "Stand der Vergütungsverträge/Honorarvereinbarungen mit den Primär- und Ersatzkassen". Dabei führte sie u.a. aus, zwar seien die Primär- und Ersatzkassen bereit gewesen, der Vergütungserhöhung um 0,47 % (für das Jahr 2007 höchstzulässige Veränderungsrate) für die Zeit ab 01.01.207 für den Bereich der budgetierten Leistungen zuzustimmen. Die Steigerungsrate reiche indes für eine angemessene Fortentwicklung der Vergütungsverträge/Honorarvereinbarungen für das Jahr 2007 nicht aus. Der Problematik der Budgetüberschreitung bei etlichen Krankenkassen lägen nämlich nach ihrer Auffassung für sie nicht hinnehmbare Budgetverwerfungen zugrunde, die ihre Ursachen im Wettbewerb der Krankenkassen untereinander sowie in nicht akzeptablen mathematischen bzw. statistischen Verschüben hätten.
Zur Eliminierung dieser Probleme seien die Krankenkassen im Wege vertragspartnerschaftlich orientierter Verhandlungen nicht bereit gewesen. Die Antragsgegnerin habe deshalb das Landesschiedsamt anrufen und fünf (!) von einander unabhängige Schiedsverfahren initiieren müssen. Im Einzelnen stelle sich die Situation wie folgt dar:
c)Problembereich Betriebskrankenkassen
"Mit dem BKK LV konnten in der Vergangenheit stets partnerschaftlich orientierte, faire Vergütungsvereinbarungen getroffen werden. Hierzu gehörte vor allen Dingen auch, dass die BKKen untereinander in einem gewissen Rahmen solidarisch waren. Die Leistungsentwicklung innerhalb der einzelnen BKKen (die KZV Nordrhein rechnet mit mehr als 150 BKKen ab) verlief nämlich nicht homogen und bei einzelnen BKKen waren zum Teil extreme Budgetüberschreitungen zu verzeichnen, bei anderen BKKen hingegen Unterschreitungen. Diese "Saldierungsproblematik" haben die BKKen durch eine ergänzende Vereinbarung weitestgehend eliminiert.
Diese "Saldierungsvereinbarung" hat der BKK LV mit Wirkung ab 01.01.2007 gekündigt. Die "Saldierungsproblematik" bei den BKKen kann von daher im Laufe des Jahres 2007 auf mehr als 5 Mio. EUR - mit entsprechenden Auswirkungen auf unsere HVM-Kontingente - anwachsen.
Bei einzelnen BKKen haben sich aus den vorgenannten Gründen extreme Verhältnisse eingestellt. Die BKK C M weist z.B. Budgetüberschreitungen um mehr als 1,5 Mio. EUR (mehr als 25 %) auf. Auch hier liegt der Grund im Wettbewerb und der damit einhergehenden starken Expansion der BKK C M, die für die zahnmedizinische Versorgung nur den weit unterdurchschnittlichen Betrag von 118,12 EUR zur Verfügung stellt. Dieser Betrag hatte sich als Budgetwert im Jahre 1997 auf der Grundlage eines kleinen, exklusiven, jedenfalls nicht repräsentativen Mitglieder-Ausgangsbestandes ergeben. Zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur war die BKK C M bisher aber nicht bereit. Die starke Expansion der BKK C M in den vergangenen Jahren hat dem System der vertragszahnärztlichen Versorgung dementsprechend hohe Finanzmittel entzogen! Auch bei der BKK C M ist von daher auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten.
"
Mit Schreiben vom 14.09.2007 wandte sich die Antragstellerin unter Hinweis auf diese Veröffentlichung an den BKK LV NRW und bat um Einwirkung auf die Antragsgegnerin sowie um umgehende Anpassung der nicht mehr zeitgemäßen Verträge, auch im Bereich der Ärzte. Mit Schreiben vom selben Tage bat sie zudem die Aufsichtsbehörde um Prüfung und Einleitung entsprechender Maßnahmen.
Am 21.09.2007 hat die Antragstellerin bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Die Antragstellerin hält die Behauptung der Antragsgegnerin, sie sei zu einer Anpassung der Budgetwerte an ihre veränderte Mitgliederstruktur bislang nicht bereit gewesen, für inhaltlich und sachlich unrichtig. Verträge über die Gesamtvergütung würden allein mit den jeweiligen Landesverbänden der Krankenkassen mit Wirkung für die jeweilige Krankenkasse geschlossen, nicht aber mit dieser direkt. Gleichwohl habe sie mit dem nötigen Nachdruck auf den BKK LV NRW eingewirkt, eine entsprechende Vertragsanpassung in Verhandlungen mit der Antragsgegnerin vorzunehmen. Hierbei habe sie ebenso Verhandlungen über die Vergütung im ärztlichen Bereich unter Teilnahme aller Beteiligten für notwendig erachtet. Damit habe sie die ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ausgeschöpft und zur keiner Zeit eine Weigerungshaltung an den Tag gelegt.
Rechtswidrig sei auch die Formulierung, auch bei der BKK C M sei "auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten". Bereits die Hervorhebung des Hinweises auf das Wirtschaftlichkeitsgebot im Zusammenhang mit der Antragstellerin (und weiteren Krankenkassen) und erst recht die über den Gesetzeswortlaut des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V hinausgehende Formulierung seien geeignet, Vertragszahnärzte zu der rechtswidrigen Auffassung zu verleiten oder sie darin zu bestärken, vertragszahnärztliche Leistungen für die Mitglieder der Antragstellerin brauchten nicht mehr vollumfänglich erbracht zu werden. Die Gefahr rechtswidriger Leistungsvorenthaltungen gegenüber den Versicherten der Antragstellerin führe direkt zu einer Verletzung des Sicherstellungsauftrages der Antragstellerin aus § 72 Abs. 1 SGB V, den die Antragsgegnerin nach § 75 Abs. 1 SGB V zu gewährleisten habe. Zudem bestehe darüber hinaus die begründete Gefahr von Mitgliederkündigungen. Damit sei die Antragstellerin auch in eigenen Rechten verletzt.
Die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit ergebe sich daraus, dass aufgrund der Veröffentlichung im ID 6/2007 jedenfalls ein Vertragszahnarzt gegenüber mehreren Versicherten der Antragstellerin die Erbringung vertragszahnärztlicher Leistungen abgelehnt und diese auf die privatzahnärztliche Abrechnung verwiesen habe.
Die Antragstellerin beantragt,
1.die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, es zu unterlassen, wort- oder sinngemäß die unzutreffende Behauptung: "Zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur war die BKK C M bisher nicht bereit" sowie die rechtswidrige Äußerung: "Bei der BKK C M ist auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten" über ihren Informationsdienst Nr. 0/2007 oder über andere Kommunikationsmittel zu verbreiten;
2.der Antragsgegnerin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 250.000,- EUR aufzuerlegen, ersatzweise den Mitgliedern des Vorstandes der Antragsgegnerin Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfalle bis zu 2 Jahren anzudrohen;
3.die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Mitglieder darauf hinzuweisen, dass eine Ablehnung der Behandlung aus Gründen der Budgetüberschreitung rechtswidrig ist und einen Verstoß gegen ihre vertragsärztlichen Pflichten darstellt. 4.
Die Antragsgegnerin beantragt,
der Antrag zurückzuweisen.
Sie sieht weder Anordnungsgrund noch -anspruch.
Soweit es die begehrte Unterlassung der Äußerung: "Zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur war die BKK C M bisher nicht bereit" betreffe, sei es zwar richtig, dass Vertragspartner nicht die Antragstellerin, sondern der BKK LV NRW sei. Die Berufung hierauf sei aber lediglich vorgeschoben. Der BKK LV NRW fülle die Vertragsabschlusskompetenz stets nur in enger Abstimmung mit den angeschlossenen BKKen aus. Für einige BKKen, bei denen es in der Vergangenheit ebenfalls zu Budgetverwerfungen gekommen sei, seien in enger Abstimmung zwischen den betroffenen BKKen, dem BKK LV NRW und der Antragsgegnerin sachgerechte Anpassungen im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen worden. Die Antragstellerin stelle jedoch nach wie vor ein Junktim von Verhandlungen im vertragszahnärztlichen und vertragsärztlichen Bereich her, was wegen der voll ständig getrennten Systeme rechtswidrig sei.
Mit der Äußerung: "Bei der BKK C M ist auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten" habe die Antragsgegnerin unter Bezugnahme auf die Diktion in § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V ihre Mitglieder schlicht auf eine gesetzliche Selbstverständlichkeit hingewiesen. Daneben stehe diese Aufforderung in unmittelbarem Zusammenhang mit den rechtlichen Bestimmungen zur Bildung und - bei Bedarf - Veränderung des Budgets. Wenn die Antragstellerin glaube, ihre Budgets seien trotz der extremen Verwerfungen und trotz eines um mehr als 24 % höheren Leistungsbedarfs ihrer Versicherten ausreichend, so sei die strikte Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes unumgänglich.
Soweit die Antragstellerin in dieser Äußerung eine Aufforderung zur Nichtgewährung vertragszahnärztlicher Leistungen sehe, überspanne dies bei objektivem Verständnis den Wortlaut des Zitates. Sollte aufgrund dessen tatsächlich ein Vertragszahnarzt vertragszahnärztlich zu erbringende Leistungen privatzahnärztlich liquidiert haben, werde die Antragsgegnerin ihn auf die Einhaltung seiner Pflichten hinweisen. Mit dem bisher einzig in Erscheinung getretenen Vertragszahnarzt in O habe sie sich zwischenzeitlich zur Aufklärung in Verbindung gesetzt.
II.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung sind die Erfolgsaussicht des Begehrens (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund). Beides liegt hier nicht vor.
Hinsichtlich des Antrages zu 1) halten sich die inkriminierten Äußerungen im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Es ist nicht ersichtlich, dass sie Tatsachenbehauptungen enthielten, die nicht der Wahrheit entsprechen, oder sich auf Werturteile stützten, die aus unredlichen Motiven erhoben wurden (vgl. BVerfGE 7, 198).
Beide beanstandeten Äußerungen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern im Gesamtkontext, und zwar aus der Sicht der Adressaten dieses Informationsdienstes, d.h. der in der Antragsgegnerin zusammengeschlossenen Vertragszahnärzte. Im Hinblick auf die gesetzliche Budgetierung der Gesamtvergütungen für die vertragszahnärztliche Versorgung sieht die Antragsgegnerin seit 1994 in ihren Honorarverteilungsmaßstäben in unterschiedlicher Ausgestaltung Honorarkontingente für die einzelnen Leistungsbereiche und für die verschiedenen Kassenarten (Primär- und Ersatzkassen) vor. Multipliziert mit der Zahl der Behandlungsfälle ergibt dies individuelle Kontingentgrenzen für jeden Vertragszahnarzt. Nur bis zum Erreichen dieser Grenzen werden die einzelnen Leistungen mit dem gesamtvertraglich vereinbarten Punktwert vergütet; darüber hinaus abgerechnete Leistungen lösen in einer Jahresschlussabrechnung Honorarrückforderungen aus (dazu näher erstmals BSG, Urteil vom 03.12.1997 - 6 RKa 21/97 -). Um insofern das Abrechnungsverhalten ihrer Mitglieder zu steuern, veröffentlicht die Antragsgegnerin in ihren Informationsdiensten fortlaufend vorläufige bzw. endgültige Kontingentgrenzen, auf die sich die Vertragszahnärzte einzustellen haben.
Die Antragsgegnerin ist hierbei aber nicht darauf beschränkt, ihre Mitglieder lediglich über die Höhe solcher Honorarkontingente zu unterrichten. Sie ist zugleich dazu berechtigt, ihre Mitglieder auch über die Ursachen für die Honorarentwicklung im Einzelnen zu informieren. Denn die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZVen) haben auch die gesetzliche Aufgabe, die Rechte der Vertragszahnärzte, ihrer Zwangsmitglieder (§ 77 Abs. 3 SGB V), gegenüber den Krankenkassen wahrzunehmen (§ 75 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Hierzu gehört der Abschluss gesamtvertraglicher Vergütungsvereinbarungen, in denen auch zu regeln ist, dass die zahnärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden (§ 72 Abs. 2 SGB V); insofern tragen die KZVen eine Mitverantwortung für die angemessene Honorierung ihrer Mitglieder (BSG, Urteil vom 03.12.1997, a.a.O.). Nur die gesamtvertraglich vereinbarte oder ggf. durch Schiedsspruch festgesetzte Gesamtvergütung kann die KZV an ihre Mitglieder verteilen (§ 85 Abs. 4 SGB V); Nachforderungen an die Krankenkassen sind grundsätzlich ausgeschlossen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 30). Der einzelne Vertragszahnarzt kann die Höhe der Gesamtvergütung gerichtlich nicht überprüfen lassen (BSG, Urteil vom 31.08.2006 - B 6 KA 6/04 R -).
Diese Komplexität der Wahrnehmung wirtschaftlicher Interessen der Vertragszahnärzteschaft durch die KZV setzt deren Information über die tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten voraus, da ansonsten eine Willensbildung innerhalb der KZV, zu der die Mitglieder berechtigt sind (vgl. Hess, in: Kasseler Kommentar, § 77 SGB V Rn. 17), nicht möglich ist.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die inkriminierten Äußerungen im ID 6/2007 nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat ihren Mitgliedern - ausschließlich an diese richtet sich der ID - sachlich, informativ, nicht polemisch und in nicht unangemessen pointierter Diktion über den Stand der Vergütungsverträge bzw. Honorarvereinbarungen mit den Primär- und Ersatzkassen berichtet. Um die Verhandlungsposition der Antragsgegnerin gegenüber den Krankenkassen zu verdeutlichen, durfte die Mitteilung auch die näheren Hintergründe der Vergütungsvereinbarungen erhellen. Hierzu gehört auch die Information darüber, in welchen Ursachen die Antragsgegnerin die Gründe für die Budgetüberschreitung bei etlichen Krankenkassen zu sehen meint. Dies ist hier zunächst in allgemeiner Form geschehen (Seite 4) und sodann für einzelne "Problembereiche" (AOK Rheinland/I, Knappschaft, Betriebskrankenkas
sen, IP-Punktwerte).
Soweit es die Betriebskrankenkassen betrifft, führt die Antragsgegnerin die Budgetüberschreitungen namentlich auf die als Folge der Kündigung der "Saldierungsvereinbarung" entstandene "Saldierungsproblematik" zurück. Innerhalb der legitimen Darstellung dieses "Problembereichs" durfte sie zurecht einzelne Betriebskrankenkassen benennen, um exemplarisch die Ursachen für die Budgetüberschreitung aus ihrer Sicht zu verdeutlichen. Dabei unterschlägt die Information nicht, dass Vertragspartner auf Seiten der Betriebskrankenkassen nicht die einzelne Krankenkasse ist, sondern deren Landesverband (Seite 6, linke Spalte). Diese gesamtvertragliche Rechtslage schließt jedoch keineswegs aus, dass die Beklagte am Beispiel einzelner Krankenkassen deutlich macht, wer die Vergütungsproblematik aus ihrer Sicht ausgelöst hat. So wird die Antragstellerin exemplarisch ("Die BKK C M weist zum Beispiel ") als Krankenkasse mit Budgetüberschreitungen genannt und die BKKen Bayer, Novitas und Deutsche BKK als Krankenkassen, deren Budgets in hohem Maße unterschritten würden. Nur durch solche umfassende Information können die Vertragszahnärzte in die Lage versetzt werden, die Verhandlungsposition der Antragsgegnerin richtig einzuschätzen und zu beurteilen.
Soweit der Antragstellerin hierbei vorgehalten wird, sie sei zu einer Anpassung der Budgetwerte an die deutlich geänderte Mitgliederstruktur bisher nicht bereit gewesen, ist dies weder tatsächlich unrichtig noch stellt dies eine unredliche Bewertung dar. Dass sich objektiv die Mitgliederstruktur der Antragstellerin deutlich geändert hat und Budgetüberschreitungen vorliegen, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Ebenso unstreitig ist, dass die Antragstellerin (bis heute) ein Junktim zwischen den Vergütungsvereinbarungen (des BKK LV NRW) mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und der Antragsgegnerin herstellt. So verständlich diese Haltung bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ist, sieht das SGB V jedoch getrennte Rechtskreise für den vertragsärztlichen und den
vertragszahnärztlichen Bereich vor. Aus Sicht der Antragsgegnerin, die allein für den vertragszahnärztlichen Bereich zuständig ist, darf sich dieses Junktim daher berechtigt als bisher fehlende Bereitschaft der Antragstellerin zur Anpassung der Budgetwerte im zahnärztlichen Bereich darstellen. Da der BKK LV NRW - gerichtsbekannt - gesamtvertragliche Honorarvereinbarungen nur in enger Tuchfühlung mit den einzelnen BKKen abschließt, schon weil die von ihm vereinbarten Gesamtvergütungen die einzelnen Mitgliedskassen zwingend binden (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2005 - B 6 KA 71/04 R -), durfte die Antragsgegnerin auch konkret die bisher fehlende Bereitschaft der Antragstellerin ansprechen. Eine differenziertere Aussage über die Vertragsabschlusskompetenzen und das Binnenverhältnis zwischen BKK LV NRW und seinen einzelnen Mitgliedskassen, sofern die Antragsgegnerin hierin überhaupt Einblick hat, kann im Rahmen einer kurzen Berichterstattung über den Stand der Verhandlungen nicht verlangt werden.
Auch die Äußerung: "Auch bei der BKK C M ist von daher auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten" begegnet keinen Bedenken. Zwar handelt es sich bei dieser Äußerung mitnichten um einen schlichten Hinweis auf das Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 SGB V. Dieses Gebot kennen Vertragszahnärzte bereits durch ihre Teilnahme am Einführungslehrgang, aus Veröffentlichungen von Verfahrensordnungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung im Rheinischen Zahnärzteblatt, aus der Mitteilung von Kontingentgrenzen im ID etc. zu Genüge. Zur Auffrischung entsprechender Rechtskenntnisse hätte es auch keines fett gedruckten Hinweises im Zusammenhang mit einer namentlich genannten einzelnen BKK bedurft. Vor allem aber übersteigt die Wendung: "äußerst wirtschaftlich" den Gesetzeswortlaut.
Die Intention der Antragsgegnerin für den Appell an ihre Mitglieder, bei der Antragstellerin auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung zu achten, ist eine honorarpolitische. Die von der Antragstellerin zur Verfügung gestellten Budget werte reichen zur Finanzierung der durchschnittlichen Kontingentgrenze der Primärkassen nicht aus bzw. drücken diese nach unten. Angesichts einer rund 25 %igen Budgetüberschreitung erstrebt die Antragsgegnerin eine entsprechende Anpassung. Dies ist Informationszweck der gesamten Aussage zur Antragstellerin im ID 6/2007, Seite 6, rechte Spalte, 2. Absatz. Bei verständiger Auslegung der Formulierung zur Leistungsgewährung aus dem Empfängerhorizont der Vertragszahnärzte ist damit ersichtlich nicht gemeint, den Versicherten der Antragstellerin notwendige vertragszahnärztliche Leistungen vorzuenthalten, wohl aber im Rahmen der - in der zahnärztlichen Versorgung ohnehin begrenzten - Therapiefreiheit durchaus auf Budgetkonformität zu achten. Das ist legitim und kann nicht beanstandet werden. Eines gesonderten Hinweises gemäß Ziffer 3) des Antrages bedarf es daher nicht.
Es liegt auch kein Anordnungsgrund vor, da keine Eilbedürftigkeit zu erkennen ist. Soweit ein einzelner Zahnarzt (von rund 5.000 Mitgliedern der Antragsgegnerin) den Hinweis auf äußerst wirtschaftliche Leistungsgewährung bei Versicherten der Antragstellerin missverstanden haben sollte, reicht dessen individuelle Belehrung über seine vertragszahnärztlichen Pflichten durch die Antragsgegnerin aus. Für den von der Antragstellerin befürchteten existenzbedrohenden Mitgliederschwund fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten, unbeschadet der Frage, ob gesetzlichen Krankenkassen unbeschränkt ein verfassungsrechtlich geschütztes Existenzrecht zusteht (vgl. BVerfGE 39, 302, 312 ff.).
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 des 6. SGG-ÄndG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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NRW
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