Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 8 AS 1539/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 1088/07 ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. September 2006 insoweit aufgehoben, als das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet hat, etwaige Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Beklagten wegen der Teilnahme der Klägerin an einer beruflichen Bildungsmaßnahme zu übernehmenden Kinderbetreuungskosten für die Zeit vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007.
Die 1972 geborene Klägerin ist allein erziehende Mutter eines am 23. Juni 2000 geborenen Sohnes, der seit mindestens 2003 in einem Umfang von vier Stunden täglich eine Kindertagesstätte (Kita) besucht. Vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007 nahm die Klägerin an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teil. Aufgrund dessen musste ihr Sohn in der Kita nunmehr sieben bis neun Stunden täglich betreut werden. Der Klägerin entstanden dadurch Mehrkosten in Höhe von 10,00 EUR monatlich. Die Kosten der Betreuung betrugen insgesamt 67,00 EUR monatlich (25,00 EUR Grundbeitrag, 23,00 EUR Verpflegungsanteil, 10,00 EUR Trägerzuschuss, 7,00 EUR Anteil Frühstückskasse und 2,00 EUR Anteil Gruppenkasse). Im August 2006 ist der Sohn der Klägerin eingeschult worden. Seitdem wird er in einem Hort betreut. Die Kosten hierfür belaufen sich bei einem unveränderten Verpflegungsanteil in Höhe von 30,00 EUR monatlich auf insgesamt 53,00 EUR monatlich.
Der Beklagte übernahm mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2006 für die Zeit vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007 Kinderbetreuungskosten in Höhe von 10,00 EUR monatlich, also insgesamt 220,00 EUR. Zur Begründung gab er an, dass nur die Betreuungskosten übernommen werden könnten, die der Klägerin aufgrund ihrer Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme zusätzlich entstanden seien. Da ihr Kind bereits vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme in der Kita betreut worden sei, könnten lediglich die monatlichen Mehrkosten in Höhe von 10,00 EUR übernommen werden. Im Übrigen könnten Verpflegungskosten nicht im Rahmen der Kinderbetreuungskosten übernommen werden, weil diese mit einem Wert von 35 v. H. in der Regelleistung nach § 20 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) enthalten seien.
Hiergegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Nachdem sie zunächst die Übernahme von Kinderbetreuungskosten "in Höhe von monatlich 130,00 EUR, hilfsweise in Höhe von monatlich 60,00 EUR" geltend gemacht hatte, hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. September 2006 ihren Antrag auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Betreuung ihres Kindes abzüglich des Verpflegungsanteils, also auf mithin 37,00 EUR monatlich beschränkt.
Mit Urteil vom 6. September 2006 hat das Sozialgericht Berlin den angefochtenen Bescheid des Beklagten abgeändert und ihn verpflichtet, für den Zeitraum vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007 Kinderbetreuungskosten in Höhe von monatlich 37,00 EUR zu übernehmen sowie etwaige Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Beklagte Kinderbetreuungskosten in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten zu übernehmen habe. Es komme nicht darauf an, ob diese Kosten bereits teilweise auch vor der Weiterbildungsmaßnahme angefallen seien. Die Kinderbetreuungskosten müssten in der Höhe der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Verpflegungsaufwandes von dem Beklagten übernommen werden.
Gegen das ihm am 14. November 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 7. Dezember 2006. Er macht geltend, dass es sich bei der Gewährung von Kinderbetreuungskosten um eine Ermessensleistung handele. Hierbei habe er berücksichtigt, dass der Klägerin bereits vor der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme Kinderbetreuungskosten entstanden seien. Im Hinblick darauf, dass bei der Erbringung der für die Eingliederung erforderlichen Leistungen neben den individuellen Belangen auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 14 SGB II sowie die Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns in der Entscheidung einzubeziehen seien, seien vorliegend allein die aufgrund der Weiterbildungsmaßnahme zusätzlich angefallenen Kinderbetreuungskosten gewährt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht antragsgemäß verurteilt, der Klägerin sinngemäß über die ihr bereits gewährten Kinderbetreuungskosten in Höhe von 10,00 EUR monatlich weitere Kosten in Höhe von 27,00 EUR monatlich zu gewähren. Soweit das Sozialgericht den Beklagten über den Antrag der Klägerin hinaus verurteilt hat, "Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen", war das Urteil aufzuheben.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Übernahme der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten ist § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Danach kann der Beklagte an erwerbsfähige Hilfebedürftige u. a. die im Sechsten Abschnitt des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelten Leistungen erbringen.
Die Klägerin ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II (in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014). Sie hat in dem streitbefangenen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist sie hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II, weil sie und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Sohn im streitigen Zeitraum weder über ein ausreichendes eigenes Einkommen (§ 11 SGB II) noch über Vermögen im Sinne des § 12 SGB II verfügt haben.
Zu den in dem Sechsten Abschnitt des SGB III geregelten Leistungen gehört der Anspruch auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten nach § 83 SGB III. Dabei hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 16 Abs. 1 Satz 2 in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30. Juli 2004 (a. a. O.) sowie in der Nachfolgeregelung des § 16 Abs. 1 a SGB II, eingefügt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706), in Kraft getreten am 1. August 2006, klargestellt (vgl. BT-Drucks. 15/2997 S. 24), dass es sich bei der Verweisung in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II um eine Rechtsgrundverweisung handelt. Die in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II genannten Vorschriften des SGB III sind daher sowohl hinsichtlich ihrer Voraussetzungen als auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen heranzuziehen (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II (Std.: 14. EL/Oktober 2007), K § 16 RdNr. 313).
Die Übernahme der Kosten nach § 83 SGB III setzt für Hilfebedürftige nach dem SGB II zunächst voraus, dass ein Kind des Hilfebedürftigen während seiner Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme der Betreuung bedarf. Das mit der Klägerin in einem Haushalt lebenden Kind ist der leibliche Sohn der Klägerin. Er wird von der Klägerin unterhalten und von ihr betreut. Sie übt die Personensorge aus. Das Kind ist auch betreuungsbedürftig. Denn im hier streitbefangenen Zeitraum hatte der am 23. Juni 2000 geborene Sohn noch nicht das 7. Lebensjahr vollendet. Bei Kindern, die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch) kann Betreuungsbedürftigkeit grundsätzlich unterstellt werden (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 3. Auflage 2005, § 83 RdNr. 3; Fuchsloch in Gagel, SGB III (29. EL 2007) § 83 RdNr. 5 ff.; Niewald in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrecht, München 2003, § 4 RdNr. 366 und Olk, in PK, SGB II, 2. Auflage 2004, § 83 RdNr. 3 jeweils m. w. Nachw.).
Die Übernahme der Kosten für die Betreuung eines Kindes setzt nach § 79 Abs. 1 Nr. 4 SGB III weiter voraus, dass diese durch die Weiterbildungsmaßnahme unmittelbar entstanden sind. Das Bundessozialgericht hat bereits zu § 45 Satz 1 und Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), die Regelung, in der bis zum 31. Dezember 1997 die Übernahme von Kinderbetreuungskosten für Teilnehmer an einer beruflichen Bildungsmaßnahme normiert war, entschieden, dass eine enge kausale Verknüpfung zwischen den entstandenen notwendigen Kosten und der Weiterbildungsmaßnahme in dem Sinne gegeben sein muss, dass sie ohne die Teilnahme an der Maßnahme nicht entstanden wären. Der spezifische Ursachenzusammenhang ist danach bereits dann gegeben, wenn eine Teilnahme an der Maßnahme ohne die Betreuung der Kinder nicht möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Teilnehmer die Betreuung in Folge der Teilnahme nicht selbst oder durch einen Dritten - z. B. den Ehepartner - sicherstellen kann (Urteil des BSG vom 16. September 1998 - B 11 AL 19/98 R -, zitiert nach Juris). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit In-Kraft-Treten des § 79 SGB III insoweit eine Änderung herbeiführen wollte. Kinderbetreuungskosten sind mithin unabhängig davon zu übernehmen, ob die Kosten bereits vor der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme angefallen sind oder ob sie im Falle einer Arbeitsaufnahme auch anfallen würden. Entscheidend ist allein, dass (auch) während der Weiterbildungsmaßnahme eine Kinderbetreuung sichergestellt werden muss (vgl. Olk, a. a. O., § 83 RdNr. 4; Stratmann, a. a. O., § 79 RdNr. 5; Fuchsloch, a. a. O., § 83 RdNr. 11 und Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III (Std.: 77. EL./August 2007), § 83 RdNr. 29).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Ohne die Betreuung des Sohnes in einem Umfang von sieben bis neun Stunden täglich hätte die allein erziehende Klägerin nicht an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen können. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Sohn der Klägerin bereits vor Beginn der beruflichen Bildungsmaßnahme in einem Umfang von vier Stunden täglich in der Kita untergebracht war.
Sind damit die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Übernahme der von ihr insgesamt geltend gemachten 37,00 EUR. Denn § 83 SGB III bestimmt als Rechtsfolge die Übernahme von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 130,00 EUR monatlich je Kind. § 83 SGB III ist in der hier anzuwendenden Fassung durch das Gesetz vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4604) mit Wirkung vom 1. Januar 2003, wie der gesamte Sechste Abschnitt des SGB III, in dem die Förderung der beruflichen Weiterbildung normiert ist, neu gefasst worden. Dabei ist § 83 SGB III als Nachfolgenorm des § 85 SGB III a. F., der mit Wirkung vom 1. Januar 1998 durch das Gesetz vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) in Kraft getreten ist und in dem nach Außer-Kraft-Treten des § 45 AFG der Anspruch auf Übernahme von Kinderbetreuungskosten für Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen normiert war, geändert worden. Nach § 85 SGB III a. F. konnten Kosten für die Betreuung von aufsichtsbedürftigen Kinder des Arbeitnehmers bis zu 120,00 Deutsche Mark, in Härtefällen sogar bis zu 200,00 Deutsche Mark je Kind übernommen werden. Nachdem mit Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die Beträge in Deutscher Mark durch die Angabe in Euro ersetzt wurde, erfolgte mit Gesetz vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) mit Wirkung vom 2. Januar 2002 eine Erhöhung der Kinderbetreuungskosten auf bis zu 130,00 EUR. Gleichzeitig entfiel die Härtefallregelung des § 85 Satz 2 SGB II a. F ... Mit der Neufassung des § 83 SGB III mit Wirkung zum 1. Januar 2003 sind dann die Worte "bis zu" gestrichen worden. Aus Vereinfachungsgründen werden seitdem Kinderbetreuungskosten in Höhe von regelmäßig 130,00 EUR je Kind übernommen (BT-Drucks. 15/25 S. 30). Der Gesetzgeber hat mithin die bisherige Höchstbetragsregelung mit dem Ziel der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens durch eine einheitliche Pauschale ersetzt. Denn die angestrebte Verwaltungsvereinfachung lässt sich sinnvoll nur mit einer Pauschalierung erreichen, bei der die Sachbearbeitung nicht die tatsächlich angefallenen Kosten in jedem Einzellfall prüfen muss. Im Übrigen bringt diese Auslegung § 83 SGB III in Übereinstimmung mit den weiteren, im Sechsten Abschnitt des SGB III ebenfalls als pauschale Kostenübernahme ausgestalteten Regelungen der §§ 81 und 82 (vgl. Schmidt, a. a. O., § 83 RdNr. 30; Stratmann, a. a. O., RdNr. 2; Fuchsloch, a. a. O., § 83 RdNr. 12 und Niewald, a. a. O., § 4 RdNr. 374 f., a. A. Olk, a. a. O., RdNr. 4). Da die Klägerin indes ihren erstinstanzlichen Antrag auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten ausdrücklich auf insgesamt 37,00 EUR beschränkt und weitere Kosten nicht geltend gemacht hat, war der Senat gehindert, über den Klageantrag der Klägerin hinauszugehen und den Beklagten zur Übernahme weiterer Kosten zu verurteilen.
Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, dass er im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ermessensausübung allein die aufgrund der Teilnehme des Hilfebedürftigen an der beruflichen Bildungsmaßnahme zusätzlich anfallenden Kinderbetreuungskosten gewährt, kann der Senat unentschieden lassen, ob das dem Leistungsträger nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingeräumte Ermessen sich auf ein Entschließungsermessen beschränkt, welches sich auf das "ob" der Leistung bezieht und ob der Beklagte für den Fall einer positiven Förderentscheidung überhaupt ein Auswahlermessen dahingehend hat, in welchen Umfang und in welcher Höhe Kinderbetreuungskosten zu erstatten sind (so Sozialgericht Berlin, Urteil vom 15. November 2006 - S 102 AS 4364/06 - und Niewald a. a. O., § 4 RdNr. 398 unter Aufgabe der noch in Gagel, a. a. O., § 77 RdNr. 99 vertretenen Auffassung, a. A. wohl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2005 - L 10 B 1024/05 AS ER -, jeweils zitiert nach Juris). Ein solches dem Leistungsträger zukommendes Auswahlermessen dürfte mit der Einführung der Pauschalierung in § 83 SGB III und der damit verbundenen gesetzgeberischen Absicht, das Verwaltungsverfahren zur Übernahme von Kinderbetreuungskosten zu vereinfachen, nicht zu vereinbaren sein.
Aber selbst wenn dem Beklagten im Rahmen des § 83 SGB III ein Auswahlermessen zukommt, muss diese Ermessensausübung zur Übernahme der von der Klägerin begehrten weiteren Kinderbetreuungskosten führen.
Zunächst ist jedenfalls die von dem Beklagten insoweit durchgeführte Ermessensausübung ermessenfehlerhaft. Fehlerhaft im Sinne einer Ermessensüberschreitung ist eine Ermessenausübung dann, wenn die Behörde, gleich aus welchem Grund, sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 114 RdNr. 7). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn soweit der Beklagte im Rahmen seiner Ermessenausübung den Anspruch auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten auf den Teil der Kosten begrenzt, der "aufgrund der Weiterbildungsmaßnahme zusätzlich" entstanden ist und damit die Übernahme von Kinderbetreuungskosten ablehnt, die bereits vor der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme angefallen sind, schränkt er den Anspruch zu Lasten der Anspruchsberechtigten in einer dem Gesetz widersprechenden Auslegung ein. Denn das Tatbestandsmerkmal "Unmittelbarkeit" im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 4 SGB III verlangt lediglich, wie ausgeführt, dass (auch) während der Weiterbildungsmaßnahme eine Kinderbetreuung sichergestellt werden muss. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Ist damit die Entscheidung des Beklagten wegen der fehlerhaften Ermessensausübung rechtswidrig, besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, mit der Folge dass der Beklagte zur entsprechenden Neubescheidung zu verurteilen ist. Lediglich für den Fall, dass das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann, hier also im Sinne der Übernahme der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten, und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Denn vor dem Hintergrund der Entscheidung des Beklagten, die Teilnahme der Klägerin an der beruflichen Bildungsmaßnahme zu fördern, ist nicht erkennbar, welche anderen Gesichtspunkte zu einer teilweisen Ablehnung der Übernahme der Betreuungskosten führen könnten, zumal die Klägerin ihr Begehren auf die Übernahme eines Teilbetrages der tatsächlich angefallenen Kosten in Höhe von zunächst 67,00 EUR monatlich und ab 1. September 2006 in Höhe von 53,00 EUR beschränkt hat. Kann damit im Ergebnis nur die Übernahme der geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 37,00 EUR rechtmäßig sein (Fall der Ermessensreduzierung auf eine rechtmäßige Entscheidung), war der Beklagte zur Übernahme der geltend gemachten Kosten zu verpflichten.
Soweit das Sozialgericht hingegen im Tenor der angefochtenen Entscheidung über den Antrag der Klägerin hinaus den Beklagten verpflichtet hat, "etwaige Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen", war dieser Teil des Tenors aufzuheben. Denn einen diesen Teil des Tenors entsprechenden Antrag hat die Klägerin nicht gestellt. Das Gericht darf indes nicht etwas zusprechen, was nicht beantragt und damit nicht gewollt war (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 123 RdNr. 4).
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe der von dem Beklagten wegen der Teilnahme der Klägerin an einer beruflichen Bildungsmaßnahme zu übernehmenden Kinderbetreuungskosten für die Zeit vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007.
Die 1972 geborene Klägerin ist allein erziehende Mutter eines am 23. Juni 2000 geborenen Sohnes, der seit mindestens 2003 in einem Umfang von vier Stunden täglich eine Kindertagesstätte (Kita) besucht. Vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007 nahm die Klägerin an einer beruflichen Bildungsmaßnahme teil. Aufgrund dessen musste ihr Sohn in der Kita nunmehr sieben bis neun Stunden täglich betreut werden. Der Klägerin entstanden dadurch Mehrkosten in Höhe von 10,00 EUR monatlich. Die Kosten der Betreuung betrugen insgesamt 67,00 EUR monatlich (25,00 EUR Grundbeitrag, 23,00 EUR Verpflegungsanteil, 10,00 EUR Trägerzuschuss, 7,00 EUR Anteil Frühstückskasse und 2,00 EUR Anteil Gruppenkasse). Im August 2006 ist der Sohn der Klägerin eingeschult worden. Seitdem wird er in einem Hort betreut. Die Kosten hierfür belaufen sich bei einem unveränderten Verpflegungsanteil in Höhe von 30,00 EUR monatlich auf insgesamt 53,00 EUR monatlich.
Der Beklagte übernahm mit Bescheid vom 8. Dezember 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 2006 für die Zeit vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007 Kinderbetreuungskosten in Höhe von 10,00 EUR monatlich, also insgesamt 220,00 EUR. Zur Begründung gab er an, dass nur die Betreuungskosten übernommen werden könnten, die der Klägerin aufgrund ihrer Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme zusätzlich entstanden seien. Da ihr Kind bereits vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme in der Kita betreut worden sei, könnten lediglich die monatlichen Mehrkosten in Höhe von 10,00 EUR übernommen werden. Im Übrigen könnten Verpflegungskosten nicht im Rahmen der Kinderbetreuungskosten übernommen werden, weil diese mit einem Wert von 35 v. H. in der Regelleistung nach § 20 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) enthalten seien.
Hiergegen hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben. Nachdem sie zunächst die Übernahme von Kinderbetreuungskosten "in Höhe von monatlich 130,00 EUR, hilfsweise in Höhe von monatlich 60,00 EUR" geltend gemacht hatte, hat sie im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6. September 2006 ihren Antrag auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Betreuung ihres Kindes abzüglich des Verpflegungsanteils, also auf mithin 37,00 EUR monatlich beschränkt.
Mit Urteil vom 6. September 2006 hat das Sozialgericht Berlin den angefochtenen Bescheid des Beklagten abgeändert und ihn verpflichtet, für den Zeitraum vom 4. April 2005 bis zum 19. Januar 2007 Kinderbetreuungskosten in Höhe von monatlich 37,00 EUR zu übernehmen sowie etwaige Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Beklagte Kinderbetreuungskosten in Höhe der tatsächlich entstandenen Kosten zu übernehmen habe. Es komme nicht darauf an, ob diese Kosten bereits teilweise auch vor der Weiterbildungsmaßnahme angefallen seien. Die Kinderbetreuungskosten müssten in der Höhe der tatsächlichen Kosten nach Abzug des Verpflegungsaufwandes von dem Beklagten übernommen werden.
Gegen das ihm am 14. November 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten vom 7. Dezember 2006. Er macht geltend, dass es sich bei der Gewährung von Kinderbetreuungskosten um eine Ermessensleistung handele. Hierbei habe er berücksichtigt, dass der Klägerin bereits vor der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme Kinderbetreuungskosten entstanden seien. Im Hinblick darauf, dass bei der Erbringung der für die Eingliederung erforderlichen Leistungen neben den individuellen Belangen auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 14 SGB II sowie die Effizienz und Effektivität des Verwaltungshandelns in der Entscheidung einzubeziehen seien, seien vorliegend allein die aufgrund der Weiterbildungsmaßnahme zusätzlich angefallenen Kinderbetreuungskosten gewährt worden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 6. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten ist im tenorierten Umfang begründet. Das Sozialgericht hat den Beklagten zu Recht antragsgemäß verurteilt, der Klägerin sinngemäß über die ihr bereits gewährten Kinderbetreuungskosten in Höhe von 10,00 EUR monatlich weitere Kosten in Höhe von 27,00 EUR monatlich zu gewähren. Soweit das Sozialgericht den Beklagten über den Antrag der Klägerin hinaus verurteilt hat, "Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen", war das Urteil aufzuheben.
Rechtsgrundlage des Anspruchs auf Übernahme der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten ist § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II. Danach kann der Beklagte an erwerbsfähige Hilfebedürftige u. a. die im Sechsten Abschnitt des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) geregelten Leistungen erbringen.
Die Klägerin ist Berechtigte im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB II (in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014). Sie hat in dem streitbefangenen Zeitraum das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Sie ist erwerbsfähig im Sinne von § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung, die sie an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte, zu entnehmen sind. Zudem ist sie hilfebedürftig gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit §§ 9, 11, 12 SGB II, weil sie und der mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebende Sohn im streitigen Zeitraum weder über ein ausreichendes eigenes Einkommen (§ 11 SGB II) noch über Vermögen im Sinne des § 12 SGB II verfügt haben.
Zu den in dem Sechsten Abschnitt des SGB III geregelten Leistungen gehört der Anspruch auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten nach § 83 SGB III. Dabei hat der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 16 Abs. 1 Satz 2 in der Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem SGB II vom 30. Juli 2004 (a. a. O.) sowie in der Nachfolgeregelung des § 16 Abs. 1 a SGB II, eingefügt durch das Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 (BGBl. I S. 1706), in Kraft getreten am 1. August 2006, klargestellt (vgl. BT-Drucks. 15/2997 S. 24), dass es sich bei der Verweisung in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II um eine Rechtsgrundverweisung handelt. Die in § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II genannten Vorschriften des SGB III sind daher sowohl hinsichtlich ihrer Voraussetzungen als auch hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen heranzuziehen (vgl. Voelzke in Hauck/Noftz, SGB II (Std.: 14. EL/Oktober 2007), K § 16 RdNr. 313).
Die Übernahme der Kosten nach § 83 SGB III setzt für Hilfebedürftige nach dem SGB II zunächst voraus, dass ein Kind des Hilfebedürftigen während seiner Teilnahme an einer beruflichen Bildungsmaßnahme der Betreuung bedarf. Das mit der Klägerin in einem Haushalt lebenden Kind ist der leibliche Sohn der Klägerin. Er wird von der Klägerin unterhalten und von ihr betreut. Sie übt die Personensorge aus. Das Kind ist auch betreuungsbedürftig. Denn im hier streitbefangenen Zeitraum hatte der am 23. Juni 2000 geborene Sohn noch nicht das 7. Lebensjahr vollendet. Bei Kindern, die noch nicht das 14. Lebensjahr vollendet haben (vgl. § 7 Abs. 1 Nr. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch) kann Betreuungsbedürftigkeit grundsätzlich unterstellt werden (vgl. Stratmann in Niesel, SGB III, 3. Auflage 2005, § 83 RdNr. 3; Fuchsloch in Gagel, SGB III (29. EL 2007) § 83 RdNr. 5 ff.; Niewald in Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrecht, München 2003, § 4 RdNr. 366 und Olk, in PK, SGB II, 2. Auflage 2004, § 83 RdNr. 3 jeweils m. w. Nachw.).
Die Übernahme der Kosten für die Betreuung eines Kindes setzt nach § 79 Abs. 1 Nr. 4 SGB III weiter voraus, dass diese durch die Weiterbildungsmaßnahme unmittelbar entstanden sind. Das Bundessozialgericht hat bereits zu § 45 Satz 1 und Satz 2 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), die Regelung, in der bis zum 31. Dezember 1997 die Übernahme von Kinderbetreuungskosten für Teilnehmer an einer beruflichen Bildungsmaßnahme normiert war, entschieden, dass eine enge kausale Verknüpfung zwischen den entstandenen notwendigen Kosten und der Weiterbildungsmaßnahme in dem Sinne gegeben sein muss, dass sie ohne die Teilnahme an der Maßnahme nicht entstanden wären. Der spezifische Ursachenzusammenhang ist danach bereits dann gegeben, wenn eine Teilnahme an der Maßnahme ohne die Betreuung der Kinder nicht möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Teilnehmer die Betreuung in Folge der Teilnahme nicht selbst oder durch einen Dritten - z. B. den Ehepartner - sicherstellen kann (Urteil des BSG vom 16. September 1998 - B 11 AL 19/98 R -, zitiert nach Juris). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit In-Kraft-Treten des § 79 SGB III insoweit eine Änderung herbeiführen wollte. Kinderbetreuungskosten sind mithin unabhängig davon zu übernehmen, ob die Kosten bereits vor der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme angefallen sind oder ob sie im Falle einer Arbeitsaufnahme auch anfallen würden. Entscheidend ist allein, dass (auch) während der Weiterbildungsmaßnahme eine Kinderbetreuung sichergestellt werden muss (vgl. Olk, a. a. O., § 83 RdNr. 4; Stratmann, a. a. O., § 79 RdNr. 5; Fuchsloch, a. a. O., § 83 RdNr. 11 und Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III (Std.: 77. EL./August 2007), § 83 RdNr. 29).
Ein solcher Fall ist hier gegeben. Ohne die Betreuung des Sohnes in einem Umfang von sieben bis neun Stunden täglich hätte die allein erziehende Klägerin nicht an der beruflichen Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen können. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Sohn der Klägerin bereits vor Beginn der beruflichen Bildungsmaßnahme in einem Umfang von vier Stunden täglich in der Kita untergebracht war.
Sind damit die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt, hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Übernahme der von ihr insgesamt geltend gemachten 37,00 EUR. Denn § 83 SGB III bestimmt als Rechtsfolge die Übernahme von Kinderbetreuungskosten in Höhe von 130,00 EUR monatlich je Kind. § 83 SGB III ist in der hier anzuwendenden Fassung durch das Gesetz vom 23. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4604) mit Wirkung vom 1. Januar 2003, wie der gesamte Sechste Abschnitt des SGB III, in dem die Förderung der beruflichen Weiterbildung normiert ist, neu gefasst worden. Dabei ist § 83 SGB III als Nachfolgenorm des § 85 SGB III a. F., der mit Wirkung vom 1. Januar 1998 durch das Gesetz vom 24. März 1997 (BGBl. I S. 594) in Kraft getreten ist und in dem nach Außer-Kraft-Treten des § 45 AFG der Anspruch auf Übernahme von Kinderbetreuungskosten für Teilnehmer an beruflichen Bildungsmaßnahmen normiert war, geändert worden. Nach § 85 SGB III a. F. konnten Kosten für die Betreuung von aufsichtsbedürftigen Kinder des Arbeitnehmers bis zu 120,00 Deutsche Mark, in Härtefällen sogar bis zu 200,00 Deutsche Mark je Kind übernommen werden. Nachdem mit Gesetz vom 21. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1983) mit Wirkung vom 1. Januar 2002 die Beträge in Deutscher Mark durch die Angabe in Euro ersetzt wurde, erfolgte mit Gesetz vom 10. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3443) mit Wirkung vom 2. Januar 2002 eine Erhöhung der Kinderbetreuungskosten auf bis zu 130,00 EUR. Gleichzeitig entfiel die Härtefallregelung des § 85 Satz 2 SGB II a. F ... Mit der Neufassung des § 83 SGB III mit Wirkung zum 1. Januar 2003 sind dann die Worte "bis zu" gestrichen worden. Aus Vereinfachungsgründen werden seitdem Kinderbetreuungskosten in Höhe von regelmäßig 130,00 EUR je Kind übernommen (BT-Drucks. 15/25 S. 30). Der Gesetzgeber hat mithin die bisherige Höchstbetragsregelung mit dem Ziel der Vereinfachung des Verwaltungsverfahrens durch eine einheitliche Pauschale ersetzt. Denn die angestrebte Verwaltungsvereinfachung lässt sich sinnvoll nur mit einer Pauschalierung erreichen, bei der die Sachbearbeitung nicht die tatsächlich angefallenen Kosten in jedem Einzellfall prüfen muss. Im Übrigen bringt diese Auslegung § 83 SGB III in Übereinstimmung mit den weiteren, im Sechsten Abschnitt des SGB III ebenfalls als pauschale Kostenübernahme ausgestalteten Regelungen der §§ 81 und 82 (vgl. Schmidt, a. a. O., § 83 RdNr. 30; Stratmann, a. a. O., RdNr. 2; Fuchsloch, a. a. O., § 83 RdNr. 12 und Niewald, a. a. O., § 4 RdNr. 374 f., a. A. Olk, a. a. O., RdNr. 4). Da die Klägerin indes ihren erstinstanzlichen Antrag auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten ausdrücklich auf insgesamt 37,00 EUR beschränkt und weitere Kosten nicht geltend gemacht hat, war der Senat gehindert, über den Klageantrag der Klägerin hinauszugehen und den Beklagten zur Übernahme weiterer Kosten zu verurteilen.
Soweit der Beklagte im Berufungsverfahren vorträgt, dass er im Rahmen seiner pflichtgemäßen Ermessensausübung allein die aufgrund der Teilnehme des Hilfebedürftigen an der beruflichen Bildungsmaßnahme zusätzlich anfallenden Kinderbetreuungskosten gewährt, kann der Senat unentschieden lassen, ob das dem Leistungsträger nach § 16 Abs. 1 Satz 2 SGB II eingeräumte Ermessen sich auf ein Entschließungsermessen beschränkt, welches sich auf das "ob" der Leistung bezieht und ob der Beklagte für den Fall einer positiven Förderentscheidung überhaupt ein Auswahlermessen dahingehend hat, in welchen Umfang und in welcher Höhe Kinderbetreuungskosten zu erstatten sind (so Sozialgericht Berlin, Urteil vom 15. November 2006 - S 102 AS 4364/06 - und Niewald a. a. O., § 4 RdNr. 398 unter Aufgabe der noch in Gagel, a. a. O., § 77 RdNr. 99 vertretenen Auffassung, a. A. wohl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2005 - L 10 B 1024/05 AS ER -, jeweils zitiert nach Juris). Ein solches dem Leistungsträger zukommendes Auswahlermessen dürfte mit der Einführung der Pauschalierung in § 83 SGB III und der damit verbundenen gesetzgeberischen Absicht, das Verwaltungsverfahren zur Übernahme von Kinderbetreuungskosten zu vereinfachen, nicht zu vereinbaren sein.
Aber selbst wenn dem Beklagten im Rahmen des § 83 SGB III ein Auswahlermessen zukommt, muss diese Ermessensausübung zur Übernahme der von der Klägerin begehrten weiteren Kinderbetreuungskosten führen.
Zunächst ist jedenfalls die von dem Beklagten insoweit durchgeführte Ermessensausübung ermessenfehlerhaft. Fehlerhaft im Sinne einer Ermessensüberschreitung ist eine Ermessenausübung dann, wenn die Behörde, gleich aus welchem Grund, sich nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung hält (Kopp/Schenke, VwGO, 14. Auflage 2005, § 114 RdNr. 7). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Denn soweit der Beklagte im Rahmen seiner Ermessenausübung den Anspruch auf Übernahme der Kinderbetreuungskosten auf den Teil der Kosten begrenzt, der "aufgrund der Weiterbildungsmaßnahme zusätzlich" entstanden ist und damit die Übernahme von Kinderbetreuungskosten ablehnt, die bereits vor der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme angefallen sind, schränkt er den Anspruch zu Lasten der Anspruchsberechtigten in einer dem Gesetz widersprechenden Auslegung ein. Denn das Tatbestandsmerkmal "Unmittelbarkeit" im Sinne von § 79 Abs. 1 Nr. 4 SGB III verlangt lediglich, wie ausgeführt, dass (auch) während der Weiterbildungsmaßnahme eine Kinderbetreuung sichergestellt werden muss. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.
Ist damit die Entscheidung des Beklagten wegen der fehlerhaften Ermessensausübung rechtswidrig, besteht grundsätzlich nur ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung, mit der Folge dass der Beklagte zur entsprechenden Neubescheidung zu verurteilen ist. Lediglich für den Fall, dass das Ermessen ausschließlich in einem bestimmten Sinne rechtmäßig ausgeübt werden kann, hier also im Sinne der Übernahme der geltend gemachten Kinderbetreuungskosten, und jede andere Entscheidung rechtswidrig wäre, besteht ein Anspruch auf diese einzig mögliche rechtmäßige Entscheidung. Ein solcher Fall ist hier gegeben.
Denn vor dem Hintergrund der Entscheidung des Beklagten, die Teilnahme der Klägerin an der beruflichen Bildungsmaßnahme zu fördern, ist nicht erkennbar, welche anderen Gesichtspunkte zu einer teilweisen Ablehnung der Übernahme der Betreuungskosten führen könnten, zumal die Klägerin ihr Begehren auf die Übernahme eines Teilbetrages der tatsächlich angefallenen Kosten in Höhe von zunächst 67,00 EUR monatlich und ab 1. September 2006 in Höhe von 53,00 EUR beschränkt hat. Kann damit im Ergebnis nur die Übernahme der geltend gemachten Kosten in Höhe von insgesamt 37,00 EUR rechtmäßig sein (Fall der Ermessensreduzierung auf eine rechtmäßige Entscheidung), war der Beklagte zur Übernahme der geltend gemachten Kosten zu verpflichten.
Soweit das Sozialgericht hingegen im Tenor der angefochtenen Entscheidung über den Antrag der Klägerin hinaus den Beklagten verpflichtet hat, "etwaige Änderungen in der Höhe der Kinderbetreuungskosten zu berücksichtigen", war dieser Teil des Tenors aufzuheben. Denn einen diesen Teil des Tenors entsprechenden Antrag hat die Klägerin nicht gestellt. Das Gericht darf indes nicht etwas zusprechen, was nicht beantragt und damit nicht gewollt war (Meyer-Ladewig in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 123 RdNr. 4).
Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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