L 9 KR 167/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 4130/00
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 167/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie der beklagten Krankenkasse als freiwilliges Mitglied wirksam beigetreten ist.

Die 1938 geborene Klägerin war bis zum 30. September 1992 auf Grund eines Beschäftigungsverhältnisses, im Anschluss daran wegen des Bezuges von Krankengeld bis zum 5. Januar 1993 sowie vom 28. Januar 1993 bis zum 2. März 1993 wegen einer Rehabilitationsmaßnahme pflichtversichertes Mitglied der beklagten Krankenkasse. Mitte März 1993 meldete sich die Klägerin arbeitslos; die Gewährung von Leistungen durch die Bundesanstalt für Arbeit ist nicht festzustellen. Seit dem 1. Januar 2000 erhält die Klägerin eine Alterrente für Frauen. Mit Bescheid vom 5. Juli 2000 stellte das Landesamt für Gesundheit und Soziales - Versorgungsamt - bei der Klägerin auf Grund eines Antrages vom 16. Mai 2000 eine Schwerbehinderung wegen einer psychischen Behinderung, eines degenerativen Wirbelsäulen- und Gelenkleidens und Gicht sowie einer Hochdruck-Herzkrankheit mit einem Grad der Behinderung von 70 fest.

Im März 2000 wurde die Klägerin wegen einer psychischen Erkrankung in ein Krankenhaus eingewiesen. Mit Beschluss vom 20. März 2000 bestellte das Amtsgerichts Pankow/Weißensee den Rechtsanwalt J S zum Betreuer der Klägerin. Sein Aufgabenkreis umfasst u. a. die Vertretung gegenüber Behörden, insbesondere die Klärung der Renten- und Krankenversicherungsangelegenheiten der Klägerin. Mit Schreiben vom 20. April 2000 wandte sich der Betreuer unter Angabe des auf Grund des Rentenantrages der Klägerin vom 6. Januar 2000 vergebenen Aktenzeichens an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und bat um Information in allen Angelegenheiten, die für die Führung der Betreuung relevant seien. Noch vor der Bewilligung der o.g. Rente durch die BfA mit Bescheid vom 8. Juni 2000 übersandte er der BfA mit Schreiben vom 6. Juni 2000 zum Nachweis ihrer Berufsausbildung eine Kopie des Sozialversicherungsausweises, beantragte die Zahlung von Zuschüssen zur Kranken- und Pflegeversicherung nach §§ 106 und 106 a Sozialgesetzbuch/Sechstes Buch (SGB VI) und teilte mit, dass ein Antrag auf Aufnahme in die Techniker Krankenkasse gestellt sei.

Mit Schreiben vom 14. Juli 2000, bei der Beklagten eingegangen am 17. Juli 2000, wandte sich der Betreuer der Klägerin an die Beklagte und bat um Überprüfung ihres Ausschlusses aus der Krankenversicherung zum 5. Januar 1993. Diese Schreiben wertete die Beklagte als Beitrittserklärung zur freiwilligen Krankenversicherung und stellte mit Bescheid vom 3. August 2000, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 30. November 2000, fest, dass die Klägerin der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei der Beklagten nicht wirksam beigetreten sei, weil die Anzeige zum Beitritt nicht innerhalb der vom Gesetz vorgeschriebenen Frist von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft bis zum 5. April 1993 bei Ihr abgegeben worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht möglich, weil mehr als ein Jahr nach dem Ende der versäumten Frist vergangen sei und kein Fall der höheren Gewalt vorliege.

Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 27. September 2002 unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt: Es sei nicht festzustellen, dass die Klägerin die Beitrittsvoraussetzungen wegen ihrer Erkrankung nicht habe erfüllen können, weil weder vorgetragen noch sonst ersichtlich sei, dass die Klägerin in der gesamten Zeit zwischen dem Ende ihrer letzten Mitgliedschaft und dem Beitrittsantrag wegen Geschäftsunfähigkeit außerstande gewesen sei, einen Beitrittsantrag zu stellen. Eine Aufnahme als Schwerbehinderte scheitere daran, dass die Beklagte nach ihrer Satzung Schwerbehinderten nur bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres die Möglichkeit einräume, freiwilliges Mitglied zu werden.

Gegen das ihr am 1. November 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. November 2002 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, sie sei der freiwilligen Krankenversicherung wirksam beigetreten. Ihr stehe wegen ihrer Schwerbehinderung ein Beitrittsrecht zu, zumal die Beschränkung des Beitrittsrechts auf Schwerbehinderte, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten, gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verstoße. Wegen ihrer behinderungsbedingten Erkrankungen sei sie in dem Zeitraum zwischen der Beendigung ihrer Pflichtmitgliedschaft und dem Beitrittsantrag nicht in der Lage gewesen, einen rechtzeitigen Antrag auf Aufnahme als freiwilliges Mitglied zu stellen. Diesen habe ihr Betreuer Mitte Juli 2000 unverzüglich nach Wegfall der Hinderungsgründe gestellt und dabei zugleich sinngemäß um die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gebeten. Denn vor Mitte Juli sei die Klägerin krankheitsbedingt nicht aussagefähig gewesen. Sie habe die Herausgabe von Unterlagen abgelehnt und dem Betreuer keine persönlichen Angaben machen können. Dieser habe deshalb erst in der ersten Kalenderwoche im Juli 2000 Kenntnis von der fehlenden Mitgliedschaft der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der entsprechenden Fristversäumnis erhalten. Hierauf habe die Beklagte zudem weder die Klägerin noch den Betreuer hingewiesen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. September 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. November 2000 aufzuheben und festzustellen, dass sie seit dem 6. Januar 1993, mit Ausnahme der Zeit vom 28. Januar bis März 1993, freiwilliges Mitglied der Beklagten ist,

hilfsweise,

ihrer Prozessbevollmächtigten eine Erklärungsfrist bis zum 31. Januar 2008 nachzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide und das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend. Sie weist darauf hin, dass die Klägerin seit dem 1. April 2007 auf der Grundlage des § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) und § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 12 Sozialgesetzbuch/Elftes Buch (SGB XI) pflichtversichertes Mitglied der Beklagten und der Pflegekasse der Beklagten sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die für die Klägerin bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte geführten Rentenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil und die Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin ist der freiwilligen Versicherung bei der Beklagten nicht wirksam beigetreten.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V (a. F. in der hier maßgeblichen Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 [BGBl. I S. 2266]) konnten der Versicherung u. a. Personen beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden waren und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 wurden nicht berücksichtigt. Beitrittsberechtigt waren außerdem gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V a. F. Schwerbehinderte im Sinne des § 1 des Schwerbehindertengesetzes, wenn sie, ein Elternteil oder ihr Ehegatte in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzungen nicht erfüllen; die Satzung konnte das Recht zum Beitritt von einer Altersgrenze abhängig machen. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V a. F. war der Beitritt der Krankenkasse im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft, nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V a.F. im Falle des Absatzes 1 Nr. 4 innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Behinderung nach § 4 des Schwerbehindertengesetzes anzuzeigen.

Diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin nicht.

1.) Ein Beitritt zur freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a. F. scheitert an einer rechtzeitigen Beitrittsanzeige nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V a. F.; die Klägerin hat ihren Beitritt der Beklagten nicht innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft angezeigt. Ihre Pflichtversicherung endete gemäß § 190 Abs. 2 SGB V mit Ablauf des Tages, an dem das Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt endete und blieb gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 und 3 SGB V für die Zeit des Bezuges von Krankengeld, zuletzt bis zur Beendigung der Rehabilitationsmaßnahme am 2. März 1993 bis zu diesem Zeitpunkt bestehen. Das Ende der Mitgliedschaft trat an diesem Tag kraft Gesetzes ein, ohne dass es einer Feststellung durch die Beklagte durch Verwaltungsakt bedurfte (Peters in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht (Std.: 43. EL/1. März 2004), § 190 SGB V RdNr. 3). Die Klägerin hätte hiernach ihren Beitritt zur freiwilligen Versicherung bis zum 2. Juni 1993 erklären müssen (§§ 26 des Sozialgesetzbuches, Zehntes Buch [SGB X], 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Die Beitrittserklärung ist jedoch erst nach Fristablauf, nämlich am 14. Juli 2000, bei der Beklagten eingegangen und konnte deshalb eine freiwillige Mitgliedschaft bei der Beklagten nicht begründen. a) Der Klägerin ist hinsichtlich dieses Fristversäumnisses gemäß § 27 keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; diese Vorschrift findet auch auf die hier vorliegende materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 9 Abs. 2 SGB V a. F. Anwendung (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 14. Mai 2002 - B 12 KR 14/01 R -, SozR 3-2500 § 9 Nr. 4). Wiedereinsetzung sieht § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X dann vor, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen. Nach Abs. 2 Satz 1 Der Vorschrift ist der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen. Ist dies geschehen, kann Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden (§ 27 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB X).

Die Klägerin hat die Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses versäumt, auch wenn man zu ihren Gunsten davon ausgeht, dass sie in dem Zeitraum von der Beendigung ihres Pflichtversicherungsverhältnisses im Januar 1993 bis zur Bestellung eines Betreuers im März 2000 auf Grund ihrer psychischen Behinderung selbst nicht in der Lage war, ihren Beitritt zur freiwilligen Versicherung bei der Beklagten zu erklären. Abzustellen wäre in diesem Fall auf den vertretungsberechtigten Betreuer der Klägerin, dessen Verhalten sich die Klägerin zurechnen lassen muss. Aus den beigezogenen Rentenakten der BfA ist dem Senat aber bekannt, dass der Betreuer der Klägerin zunächst spätestens am 19. Mai 2000 wusste, dass für die Klägerin kein Krankenversicherungsschutz bestand, weil er nach seinen eigenen Angaben gegenüber dem Rentenversicherungsträger an diesem Tag einen Antrag auf Aufnahme in die TKK gestellt hatte; darüber hinaus beantragte er am 6. Juni 2000 für die Klägerin bei dem Rentenversicherungsträger Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung nach §§ 106, 106 a SGB VI. Diese Zuschüsse werden Rentnern gewährt, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind. Aus diesem Verhalten ist deshalb weiterhin zu schließen, dass der Betreuer der Klägerin, ein Rechtsanwalt, ein freiwilliges Krankenversicherungsverhältnis zu einer gesetzlichen Krankenkasse begründen wollte, um den Krankenversicherungsschutz der Klägerin auf diese Weise sicherzustellen. Damit war bereits am 19. Mai 2000, spätestens jedoch am 6. Juni 2000 das Hindernis, die Unkenntnis vom fehlenden Krankenversicherungsschutz der Klägerin und die Kenntnis von der Möglichkeit, einer gemäß § 173 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB V a.F. wählbaren Krankenkasse - der TKK oder der AOK - beizutreten, weggefallen, mit der Folge, dass die 2-Wochen-Frist des § 27 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB X spätestens mit dem 6. Juni 2000 zu laufen begann und spätestens am 20. Juni 2000 ablief. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte der Betreuer der Klägerin jedoch den Beitritt zur freiwilligen Versicherung bei der Beklagten weder erklärt noch einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Auf die Frage, ob im vorliegenden Fall die Wiedereinsetzung in die Beitrittserklärungsfrist an § 27 Abs. 3 SGB X scheiterte, weil hier kein Fall höherer Gewalt vorlag, kommt es deshalb nicht an.

b) Selbst wenn man den Beginn der Beitrittsfrist erst mit dem Wegfall des Hindernisses, eine wirksame Beitrittserklärung abgeben zu können, beginnen lassen wollte (so Bayerisches LSG, Urteil v. 29. Mai 2002, - L 4 KR 5/01 - zitiert nach Juris), wäre die Klägerin der freiwilligen Krankenversicherung bei der Beklagten nicht wirksam beigetreten. Solange die Klägerin selbst nicht zur Sicherung ihres Schutzes gegen Krankheit in der Lage und kein Betreuer bestellt war, hätte nach dieser Auffassung die Erklärungsfrist des § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V a.F. nicht zu laufen begonnen. Erst mit der Bestellung des Betreuers am 20. März 2000 hätte der Lauf der Erklärungsfrist zu laufen begonnen; abgelaufen wäre sie dann allerdings ebenfalls am 20. Juni 2000, bevor die Beitrittserklärung zur Beklagten bei dieser abgegeben worden ist, so dass die Frist auch nach dieser Rechtsauffassung versäumt worden wäre. Eine Wiedereinsetzung kommt auch in diesem Fall nicht in Betracht, weil die Fristversäumnis nicht unverschuldet i. S. d. § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB X gewesen ist. Denn der Betreuer wusste bereits am 19. Mai 2000, spätestens aber am 6. Juni 2000 vom fehlenden Versicherungsschutz der Klägerin und der Möglichkeit, einer wählbaren Krankenkasse beizutreten, so dass er die Beitrittserklärung gegenüber der Beklagten hätte abgeben können und müssen. Das Versäumnis ist für einen Rechtsanwalt auch grob fahrlässig.

c) Die verspätete Erklärung des Beitritts zur freiwilligen Versicherung ist auch nicht wegen einer Verletzung der der Klägerin gegenüber bestehenden Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten durch die Beklagten unter Bezugnahme auf das so genannte sozialrechtliche Herstellungsrecht unbeachtlich. Werden die genannten Pflichten durch den Sozialversicherungsträger verletzt, so ist grundsätzlich und soweit notwendig sowie rechtlich und tatsächlich möglich der Zustand wiederherzustellen, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht eingetreten wäre und der Sozialleistungsträger sich rechtmäßig verhalten hätte (Urteil des BSG vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 13/03 R -, SozR 4-1200 § 46 Nr. 1 m. w. Nachw.).

Für einen Herstellungsanspruch ist aber dann kein Raum, wenn der Gesetzgeber selbst die Rechtsfolgen einer Verletzung von Nebenpflichten des Sozialleistungsträgers geregelt hat. An einer der Ausfüllung durch Richterrecht zugänglichen Regelungslücke fehlt es insbesondere dann, wenn das Fachrecht selbst im Einzelnen bestimmt, unter welchen Voraussetzungen die Behörde einen nachträglich gestellten fristgebundenen Antrag ausnahmsweise noch berücksichtigen darf, obwohl der Antragsteller die gesetzliche Antragsfrist versäumt hat. Eine solche gesetzliche Regelung lässt von vornherein keinen Raum für einen Herstellungsanspruch, der damit begründet wird, das Verhalten des Sozialleistungsträgers sei ursächlich oder mitursächlich dafür geworden, dass die Leistung nicht fristgerecht beantragt worden sei (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, NJW 1997, 2966 ff. sowie Urteile des BSG vom 23. Juli 1986 - 1 RA 31/85 -, BSGE 60, 158 (167) = SozR 1300 § 44 Nr. 23, vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 -, NZS 1998, S. 247 (249) und vom 10. Juli 2003 - B 11 AL 11/03 R -, SGb 2003, S. 575 f.).

Eine den richterlichen Herstellungsanspruch ausschließende Norm hat der Gesetzgeber hier mit der Regelung über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand getroffen (vgl. für die Versäumung einer Antragsfrist Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 - a.a.O. und für die Versäumung einer Widerspruchsfrist Urteil des BSG vom 10. Juli 2003 - B 11 AL 11/03 R - a.a.O.; offen gelassen für die Beitragsfrist nach § 9 Abs. 2 SGB X Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O., § 9 SGB V RdNr. 49). Das gleiche gilt dann, wenn man den Lauf der Erklärungsfrist erst mit dem Wegfall des Erklärungshindernisses beginnen lassen wollte.

Die Frist für die Anzeige des Beitritts zur freiwilligen Krankenversicherung nach dem Ende einer Pflichtmitgliedschaft aufgrund des Ausscheidens aus der Versicherungspflicht ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist. Ihre Wahrung ist Voraussetzung für einen wirksamen Beitritt. Die Versäumung dieser Frist führt zum Erlöschen des Beitrittsrechts (Peters in Kasseler Kommentar, a.a.O. § 9 SGB V RdNr. 47). Materiell-rechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich. Sie stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte (Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, a.a.O.). Dass und unter welchen Voraussetzungen nach Versäumung der Beitrittsfristen zur freiwilligen Krankenversicherung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statthaft ist, regelt § 27 SGB X abschließend. Dies folgt aus § 27 Abs. 3 und 5 SGB X. Der danach bestimmte Zeitraum von einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist, innerhalb dessen die Wiedereinsetzung beantragt oder die versäumte Handlung nachgeholt worden sein muss, außer wenn dies wegen höherer Gewalt unmöglich war, stellt eine endgültige Ausschlussfrist dar. Denn die absolute Zeitgrenze für die Wiedereinsetzung verfolgt den Zweck, Verfahren für vergangene Zeiträume angemessen zu beschränken. Insoweit dient sie der gerade im Rahmen einer Massenverwaltung besonders wichtigen Rechtssicherheit und Vereinfachung, weil der Säumige mit der Rechtshandlung ohne weitere Prüfung ausgeschlossen wird. Diese absolute Wirkung des Fristablaufs ergibt sich aus § 27 Abs. 5 SGB X. Ist ein Jahr seit dem Ende der versäumten Frist verstrichen, darf Wiedereinsetzung allein dann noch gewährt werden, wenn die Jahresfrist wegen höherer Gewalt nicht gewahrt werden konnte (Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, a.a.O.).

Diese spezielle und abschließende Regelung der Voraussetzungen, unter denen die Versäumung der Beitrittsfrist zur freiwilligen Krankenversicherung unschädlich ist, verbietet einen Rückgriff auf das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stellt den Antragsteller so, als hätte er rechtzeitig seinen Beitritt zur freiwilligen Versicherung erklärt. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch zielt auf die Herbeiführung desselben Ergebnisses. Ist die Wiedereinsetzung wie hier mangels Vorliegens ihrer gesetzlichen Voraussetzungen von Rechts wegen zu versagen, kann mit dem Herstellungsanspruch nicht erreicht werden, dass die verspätete Anzeige als fristgemäß gilt. Die Schaffung dieses Zustandes wäre gesetzeswidrig. Hat der Gesetzgeber selbst die Voraussetzungen der Beseitigung eines Rechtsnachteils, der infolge einer Fristversäumnis entstanden ist, bestimmt und die Möglichkeiten einer richterlichen Billigkeitsentscheidung durch die Vorschriften über die Wiedereinsetzung sachlich und zeitlich eingeschränkt, bleibt für eine richterrechtliche Modifizierung dieses gesetzten Rechts im Sinne eines Herstellungsanspruchs und einer Regelungslücke kein Raum (Urteil des BVerwG vom 18. April 1997 - 8 C 38/95 -, a.a.O., m.w.Nachw.).

Im Hinblick hierauf kann der Senat offen lassen, ob die einzelnen Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs hier vorliegen. Hierbei ist fraglich, ob die Beklagte verpflichtet war, die Klägerin anlässlich des Endes der Pflichtmitgliedschaft von sich aus über die Möglichkeit einer Fortführung ihrer Krankenversicherung als freiwillige Versicherung zu beraten. Bedenken bestehen insoweit deswegen, weil das Ende der Pflichtmitgliedschaft kraft Gesetzes eintrat und es sich dabei um einen Vorgang der Massenverwaltung handelt. Es hieße die Einzugsstellen zu überfordern, müssten sie jedes Ende der Pflichtversicherung zum Anlass nehmen, den Versicherten anzuschreiben, um ihn auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich seines Versicherungsschutzes hinzuweisen. Hierzu besteht im Übrigen auch kein konkreter Anlass. Denn das Ende des Versicherungsverhältnisses kann eine Vielzahl von Gründen haben, die eine Weiterversicherung im Rahmen der freiwilligen Versicherung nicht notwendig machen. Beispielsweise ist daran zu denken, dass das frühere Pflichtmitglied eine Folgebeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber aufgenommen und anlässlich dieses Beschäftigungswechsels eine andere Krankenkasse gewählt hat. Es kann aber auch ein anderweitiger Versicherungsschutz, wie z.B. im Rahmen der Familienversicherung, bestehen. § 14 Sozialgesetzbuch/Erstes Buch (SGB I) verpflichtet daher die Krankenkasse nicht, von sich aus auf ein Beitrittsrecht hinzuweisen, wenn bisher eine Versicherung bei ihr bestanden und diese geendet hat (Wollenschläger in Wannagat, Sozialgesetzbuch [Std.: 62. Lfg. = 7. Lfg. SGB V/Oktober 2000], § 9 SGB V RdNr. 24 und Klattenhoff in Hauck/Noftz, SGB V [Std.: 54. Erg.-Lfg. III/01], § 9 SGB V RdNr. 50).

2.) Ein Recht zum Beitritt zur freiwilligen Versicherung bei der Beklagten hat die Klägerin auch nicht aus § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V a.F., weil sie zu dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt der Beendigung ihrer Pflichtmitgliedschaft bei der Beklagten im März 1993 bereits das 54. Lebensjahr vollendet hatte. Nach § 3 Abs. 2 der Satzung der Beklagten in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung war das Beitrittsrecht von Schwerbehinderten auf Personen beschränkt, die das 45. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V konnte und kann die Satzung das Recht zum Beitritt von einer Altersgrenze abhängig machen. Hiervon hat die Beklagte fehlerfrei Gebrauch gemacht.

a) Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es auf den Zeitpunkt März 1993 an, weil ein Anspruch der Klägerin auf Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung erst zu diesem Zeitpunkt, nämlich mit der Beendigung der Versicherungspflicht entstanden sein kann; denn die Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung geht der freiwilligen Krankenversicherung grundsätzlich vor und schließt das Recht zum Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung deshalb aus.

b) Die Altersgrenze in § 3 Abs. 2 der Satzung ist auch nicht rechts-, insbesondere nicht verfassungswidrig. Die Beklagte hat ihr Regelungsermessen in zutreffender Weise ausgeübt. § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V stellt ausdrücklich eine Ermächtigungsgrundlage für eine derartige Regelung dar. § 9 Abs.1 Nr. 4 SGB V beruht auf § 176c Reichsversicherungsordnung (RVO). Danach konnten Schwerbehinderte im Sinne § 1 des Schwerbehindertengesetzes innerhalb von drei Monaten nach Feststellung der Schwerbehinderung der Versicherung beitreten, wenn sie, ein Elternteil oder ihr Ehegatte in den letzten fünf Jahren vor dem Beitritt mindestens drei Jahre versichert waren, es sei denn, sie konnten wegen ihrer Behinderung diese Voraussetzungen nicht erfüllen. Satz 2 dieser Bestimmung sah eine Altersgrenze durch eine Satzungsregelung der Krankenkasse vor, die auch heute noch in § 9 Abs.1 Nr. 4 SGB V enthalten ist. Ferner schloss § 176c Satz 2 RVO eine Wartezeit für Versicherungsberechtigte (§ 207 RVO) sowie das Beitrittshindernis einer Vorerkrankung und die Möglichkeit einer vorherigen ärztlichen Untersuchung aus (§ 310 Abs. 2, 3 RVO). Damit ist die Rechtslage seit Einführung des § 176c RVO bis heute im Wesentlichen gleich geblieben. Sinn und Zweck der Vorgängervorschrift des § 176c RVO hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 19.02.1987 (SozR 2200 § 176c Nr.7 = BSGE 61, 169 = USK 8766) erläutert. Die Feststellungen gelten auch für die hier einschlägige Vorschrift des § 9 Abs.1 Nr. 4 SGB V. Die durch die Vorversicherungszeit, durch die kurze Anzeigefrist von drei Monaten nach Feststellung der Schwerbehinderung (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 SGB V) und durch die Möglichkeit der Regelung einer Altersgrenze normierte Beitrittsbeschränkung dient der Entlastung der Krankenkassen durch Verringerung der Zahl der Beitrittsberechtigten. Hauptziel dieser Beschränkungen war und ist es, die Leistungsfähigkeit der Krankenkassen zu sichern. Denn es ist zu berücksichtigen, dass Behinderte ein besonders ungünstiges Risiko in der Krankenversicherung darstellen. Diese Regelung ist nicht willkürlich i.S.d Art. 3 Abs. 1 GG. Die Möglichkeit für den Satzungsgeber, eine Altersgrenze für den freiwilligen Beitritt zur Krankenversicherung einzuführen, stellt darauf ab, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse von Beschäftigten und selbständig Tätigen regelmäßig mit zunehmendem Alter gefestigt sind und dabei auch die soziale Absicherung im Hinblick auf die gesetzliche Sozialversicherung oder eine private Versicherung geklärt ist. Da es sich um eine Normgebung handelt, die einer Vielzahl von Fällen gerecht werden muss und nicht auf den Einzelfall abstellen kann, muss die Entscheidung, wann mit einer derartigen Klärung gerechnet werden kann, im Wege einer pauschalierenden Betrachtung vorgenommen werden. Geht man davon aus, dass regelmäßig bis zur Vollendung des 30. Lebensjahres die Beschäftigten und Selbständigen ihren Beruf aufgenommen haben, kann jedenfalls auch angenommen werden, dass mit der Vollendung des 45. Lebensjahres eine berufliche Verfestigung erfolgt ist. Dies gilt auch dann, wenn nach einer Zeit der Erwerbstätigkeit eine weitere Ausbildungszeit folgen sollte und eine klare Abgrenzung zwischen Ausbildung und beruflicher Tätigkeit nicht vorgenommen werden kann. Somit ist die Beklagte mit der Einführung der Beitrittsgrenze zum vollendeten 45. Lebensjahr dem Normzweck in ihrer Satzung nachgekommen. Ein Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 GG liegt darin ebenfalls nicht. Denn hierbei muss berücksichtigt werden, dass die freiwillige Krankenversicherung Mitglieder erfasst, die originär nicht zu dem schützenswürdigen Personenkreis zählen, sondern in erweiternder Ausdehnung dieses Kreises auch weitere Gruppen von Beschäftigten und freiwillig Tätigen bzw. Rentnern erfasst werden, die der Gesetzgeber nicht als so sozial schützenswert ansah, dass eine Pflichtversicherung notwendigerweise durchzuführen wäre. Unmaßgeblich ist es hierbei, ob andere Krankenkassen andere Altersgrenzen für den Beitritt vorgesehen haben. Denn § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V stellt es ausdrücklich in die Regelungsbefugnis der einzelnen Krankenkasse, unterschiedlich abweichende Regelungen zu treffen. Wäre eine einheitliche Altersgrenze aus Rechtsgründen notwendig, hätte der Gesetzgeber diese bereits in § 9 Abs. 1 Nr. 4 SGB V festlegen können (vgl. zu Vorstehendem Bayerisches LSG, Urteil vom 20. Januar 2005, - L 4 KR 141/02 -, Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 22. August 2000, - L 1 KR 37/99 -, jeweils zitiert nach Juris).

3) Bei dieser Sachlage ist unerheblich und bedurfte keiner weiteren Aufklärung durch den Senat, ob die Klägerin der TKK wirksam beigetreten ist. Sollte die Klägerin allerdings gegenüber der TKK eine wirksame Beitrittserklärung abgegeben haben, wäre der Beitritt zur Beklagten auch aus diesem Grunde ausgeschlossen. Denn der Beitritt zur TKK war gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V a.F. grundsätzlich möglich, weil die TKK gemäß § 173 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 SGB V a.F. zum Zeitpunkt der Abgabe der Beitrittserklärung im Schreiben vom 19. Mai 2000 eine wählbare Krankenkasse war und eine Beitrittserklärung die Ausübung des Wahlrechts beinhaltet. Denn die Beitrittserklärung muss keineswegs zu der Krankenkasse abgegeben werden, bei der der Beitrittsberechtigte zuletzt pflichtversichert war (Peters, KK, § 9 RdNr. 51). In diesem Fall wäre die TKK gemäß § 175 Abs. 1 Satz 2 SGB V a.F. gehindert, die Mitgliedschaft abzulehnen und die Klägerin gemäß § 175 Abs. 4 Satz 1 SGB V an die Wahl gebunden, so dass die Beitrittserklärung vom 14. Juli 2000 auch aus diesem Grunde wirkungslos wäre. Allerdings wäre dieser Beitritt zur freiwilligen Versicherung bei der TKK nur dann wirksam möglich gewesen, wenn die Klägerin tatsächlich zwischen März 1993 und März 2000 geschäftsunfähig gewesen sein sollte.

Im Hinblick auf die dargestellte Rechtslage, die mit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ausführlich erörtert worden ist, hat der Senat keine Gründe dafür erkennen können, dem Hilfsantrag zu entsprechen und der Prozessbevollmächtigten der Klägerin eine weitere Frist zur Stellungnahme einzuräumen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zugelassen worden, weil hierfür kein Grund nach § 160 Abs. 2 SGG vorlag.
Rechtskraft
Aus
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