S 12 KA 1008/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 1008/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 41/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auf die Aufhebung nicht rechtswidriger bestandskräftiger Honorarbescheide besteht kein Rechtsanspruch. Ein atypischer Fall liegt nicht schon dann vor, wenn ein Vertragsarzt vorträgt, er habe auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der Kassenärztlichen Vereinigung vertraut. Eine Kassenärztliche Vereinigung ist befugt, bei einem Vertragsarzt anzufragen, ob er ein Rechtsmittel im Hinblick auf eine bestimmte Rechtssprechung oder auf bestimmte Nachbesserungen ihrerseits zurücknimmt. Es obliegt dann dem einzelnen Vertragsarzt, ob er diesen Hinweisen vertraut und das Rechtsmittel zurücknimmt, ob er sein Rechtsbegehren weiterverfolgt oder ob er sich fachlichen Rat durch Rechtsanwälte oder auch Berufsverbände einholt.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bestandskräftig gewordener Honorarbescheide für die neun Quartale IV/02 bis I/05 mit Ausnahme des Quartals III/04.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis, bestehend aus zwei Ärzten mit Praxissitz in A-Stadt. Herr A ist als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie mit der Zusatzbezeichnung Psychotherapie und Frau A als Fachärztin für Psychiatrie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Am 31.05.2005 beantragte die Klägerin die Rückabwicklung der Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale. Sie trug vor, dass auch für diese Quartale – wie für das Quartal III/04 – eine Nachberechnung stattfinde, bei der die Punktwertreduktion für die "Allgemeinen Leistungen" durch Stützung der psychotherapeutischen Leistungen in diesen Quartalen aufgehoben werde. Die Berechnungen zur Ermittlung des Punktwertes seien für den einzelnen Vertragsarzt nicht zu durchschauen. Sie hätten in Treu und Glauben gehandelt, wenn sie bisher nicht gegen jeden Honorarbescheid Widerspruch eingelegt hätten. Sie hätten auch für das Quartal I/03 Widerspruch eingelegt. Dieser sei abgelehnt worden. Es sei aus der Widerspruchsbegründung nicht ersichtlich geworden, dass die Punktwertreduktion durch die Stützung der psychotherapeutischen Leistungen entstanden sei. Ihre Fachgruppe stehe seit langem sehr schlecht dar. Da sie vermutlich aufgrund des derzeitigen Punktwertverfalls und der sie treffenden Fallzahlbegrenzung die "5%-Regel", die sich auf die ausgezahlten Honorare der Quartale 04 beziehe, in Anspruch nehmen müsse, betreffe sie die Punktwertreduktion dieser Quartale zweimal.

Mit Bescheid vom 19.06.2006 wies die Beklagte den Antrag ab. Sie wies darauf hin, dass die angefochtenen Honorarbescheide bestandskräftig seien, da die Klägerin keinen Widerspruch erhoben habe bzw. der Widerspruch gegen den Honorarbescheid für das Quartal I/03 mit Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 zurückgewiesen worden sei. Der Widerspruchsbescheid sei bestandskräftig geworden, da die Klägerin Klage nicht erhoben habe. Eine Rückabwicklung bestandskräftig gewordener Honorarbescheide müsse dann in Betracht gezogen werden, wenn eine Rücknahme für die Vergangenheit aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Eine Rücknahme für die Vergangenheit scheide jedoch schon immer dann aus, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Im Fall einer Rücknahme sei sie nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz gehalten, auch alle anderen bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide rückabzuwickeln. Dies würde neben einem immensen Verwaltungsaufwand zu derartigen finanziellen Belastungen der KV Hessen führen, die mit einem hohen Punktwertverfall in den aktuellen Quartalen verbunden wären. Sie sei lediglich verpflichtet, für anhängige Verfahren Rückstellungen zu bilden, die auch ausreichend seien, in diesen Verfahren Nachvergütungen vorzunehmen. Die Rückabwicklung bestandskräftiger Verfahren ginge hingegen zu Lasten der Honorarverteilung und würde somit zu dem bereits dargestellten Punktwertverfall führen. Dieses Ergebnis könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nicht akzeptiert werden. Auch nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts bestehe kein Anspruch auf Rückabwicklung. Eine andere Vorgehensweise widerspräche den Interessen der Mitglieder der KV, möglichst schnell und mit Rechtsverbindlichkeit das Honorar für ein Quartal festgesetzt zu erhalten, um auf diese Weise Planungsgewissheit und –sicherheit zu haben

Hiergegen hat die Klägerin am 17.07.2006 Widerspruch eingelegt. Die Beklagte setze sich nicht mit der Problematik auseinander, dass das Zustandekommen des Punktwerts für den einzelnen Vertragsarzt völlig undurchschaubar sei und daher eine gezielte Argumentation verunmögliche. Die Dauer des Widerspruchverfahrens könne nicht entscheidend sein, ob eine Nachberechnung stattfinde. Zumindest für das Quartal I/03 fordere sie deshalb die Rückabwicklung. Sie hätte bereits seinerzeit das Unverständnis über den niedrigen Punktwert zum Ausdruck gebracht. Sie seien auch durch mehrmalige Nachberechnungen, die bereits damals zu Nachzahlungen geführt hätten, in den Glauben versetzt worden, alle Korrekturmöglichkeiten seien ausgeschöpft und eine Klage sinnlos. Es könne sehr wohl der Umstand vorliegen, dass ein betroffener Arzt durch Hinweise der Kassenärztlichen Vereinigung von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden sei, worauf das Bundessozialgericht im Urteil vom 22.06.2005, Aktenzeichen B 6 KA 21/04 R, hingewiesen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2006, der Klägerin am 10.10. zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch mit weitgehend gleichlautender Begründung wie im Ausgangsbescheid zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 09.11.2006 die Klage erhoben. Ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungsverfahren führt sie aus, mit Bescheid vom 16.05.2006 habe die Beklagte eine Neuberechnung des Honorars wegen der vom Vorstand der Beklagten beschlossenen Änderungen im Berechnungsverfahren vorgenommen und eine Nachvergütung in Höhe von 2.201,13 EUR bewilligt. Aus diesem Grund habe sie eine Nachberechnung auch für die streitbefangenen Quartale beantragt. Die Beklagte habe von dem ihr in § 44 Abs. 2 SGB X eingeräumten Ermessen keinen rechtmäßigen Gebrauch gemacht. Sie gehe davon aus, sie sei zu einer Rücknahme nicht verpflichtet. Sie habe keine eigene Ermessensentscheidung getroffen. Die Beklagte sei auch zur Rückabwicklung verpflichtet, wenn sie darauf hingewirkt habe, dass keine Rechtsmittel eingelegt werden. Die Beklagte habe auch zugegeben, dass die von ihr für die Honorarberechnung verwandten notwendigen Programmieranweisungen nicht mehr beherrscht würden. Das sei ihr aber nicht erkennbar gewesen, da auch im Bereich der Beklagten fast alle Honorarbescheide angefochten würden, entstehe durch die Rückabwicklung keine übermäßig ungeplante Belastung der Beklagten. Die Missstände bei der Beklagten reichten bereits ins Jahr 2000 zurück. In einem Musterprozess werde die Honorarverteilung überprüft. Die Fachgruppe der Nervenärzte, Neurologen und Psychiater habe längst das Vertrauen in die Unparteilichkeit der Beklagten verloren. Die Beklagte müsse sich strikt an das Gleichbehandlungsgebot des Artikels 3 Grundgesetz halten und alles vermeiden, was Zweifel an der rechtsmäßigen Verwaltungstätigkeit hervorrufen könnten. Gegen diese Anforderungen verstießen verschiedene Äußerungen des stellvertretenden Vorsitzenden der Beklagten. Die Beklagte fange erst in jüngster Zeit damit an, die Verständlichkeit ihrer Honorarbescheide zu verbessern. Bei den streitgegenständlichen Honorarbescheiden sei dies jedoch nicht der Fall. Die Abrechnungsunterlagen seien intransparent. Aufgrund massiver Beeinflussung durch die Beklagte habe sie den Widerspruchsbescheid vom 30.11.2004 bestandskräftig werden lassen. Anfang 2006 habe sie dann zufällig erfahren, dass die Beklagte zwischenzeitlich für die Quartale IV/02 bis I/05 Nachvergütungen an andere gezahlt habe, ohne sie hiervon zu informieren. Es sei auch von Amts wegen zu erforschen, ob die Honorarbescheide dem Bestimmtheitsgrundsatz genügten. Die Hessische Sozialministerin weise in ihrem Rundschreiben vom 12.12.2007 darauf hin, die Beklagte habe sich gegenüber dem Ministerium verpflichtet, die Honorarbescheide mit dem Ziel zu überarbeiten, sie so zu gestalten, dass sie für den Empfänger verständlich und übersichtlich seien. Die Beklagte habe damit einen Verstoß gegen den Bestimmtheitsgrundsatz zugestanden.

Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 19.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2006 die Beklagte zu verpflichten, die Honorarbescheide für die Quartale IV/02 bis II/04 sowie IV/04 und I/05 abzuändern und sie über ihre Honoraransprüche für diese Quartale unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, sie habe von dem ihr in § 44 Abs. 2 SGB X eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht. Das Bundessozialgericht habe es nicht beanstandet, wenn sich eine KV bei ihrer Weigerung zur Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide "nur" darauf berufe, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge vermindern zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005, B 6 KA 21/04 R Juris, Rdnr. 26). Bei ihrer auf generellen Erwägungen abstellenden Ermessensausübung sei eine KV nicht verpflichtet, als maßgeblichen Gesichtspunkt eine mögliche, besondere individuelle Betroffenheit des Klägers zu berücksichtigen (vgl. BSG, aaO. Rdnr. 19). Atypische Umstände seien im Fall der Klägerin nicht gegeben. Sie habe zu keinem Zeitpunkt ihre Mitglieder von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten. Es sei bereits höchstrichterlich entschieden, dass ihre Honorarbescheide hinreichend bestimmt im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB X seien. Das von der Klägerin angeführte Rundschreiben der Hessischen Sozialministerin sei auf die Quartale II/05 bis IV/06 beschränkt. Diese Quartale seien nicht rechtsanhängig. Auch das LSG Hessen sei einer in einem vergleichbaren Fall geforderten Beweiserhebung nicht nachgekommen, da die Äußerungen sogar als wahr unterstellt werden könnten, ohne dass diese Auswirkungen auf den konkreten Rechtsstreit hätten (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 24.10.2007, L 6/7 KA 28/04, Seite 12 u. 13 der Urteilsausfertigung).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Psychotherapeuten entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Psychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 19.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2006 ist rechtmäßig und war daher nicht aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten, die Honorarbescheide für die Quartale IV/02 bis II/04 sowie IV/04 und I/05 aufzuheben und sie über ihre Honoraransprüche für diese Quartale neu zu bescheiden.

Der Bescheid vom 19.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2006 war rechtmäßig.

§ 44 Abs. 1 SGB X ist auf vertragsärztliches Honorar nicht anzuwenden, weil dieses keine Sozialleistung i. S. des § 44 Abs. 1 SGB X darstellt. Als Rechtsgrundlage der von der Klägerin begehrten Rücknahme und Korrektur dieser Bescheide kommt allein § 44 Abs. 2 Satz 2 SGB X in Betracht. Danach kann ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor.

Die Entscheidung einer KÄV, ob sie bestandskräftig gewordene Honorarbescheide zurücknimmt und ggf. Nachvergütungen gewährt, ist danach von den Gerichten nur auf Ermessensnichtgebrauch, -fehlgebrauch und Ermessensüberschreitung zu prüfen. Das Ermessen der KÄV, ob sie inzwischen als rechtswidrig erkannte Honorarbescheide zurücknimmt und Nachvergütungen leistet, ist nur im atypischen Fall von vornherein im Sinne der Bescheidkorrektur und Nachvergütung vorgeprägt, soweit sie nämlich auf die Entscheidung ihrer Mitglieder, Rechtsmittel einzulegen, direkten oder indirekten Einfluss genommen und für ihre entsprechenden Auskünfte ggf. einzustehen hat. Wenn die KÄV sich dafür entscheidet, nur solchen Leistungserbringern Nachvergütungen zu gewähren, die den Eintritt der Bestandskraft ihrer Honorarbescheide verhindert haben, geht davon unverkennbar ein Anreiz aus, in Zukunft bei jedem noch so fern liegenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der generellen Grundlagen der Honorarverteilung Honorarbescheide vorsorglich mit dem Widerspruch anzugreifen, um sich die Chance von Nachvergütungen für den Fall offen zu halten, dass in gerichtlichen Verfahren deren Rechtswidrigkeit festgestellt werden sollte. Dies führt zu einer erheblichen Belastung der KÄV sowohl wegen des mit jedem Widerspruchsverfahren verbundenen Verwaltungsaufwands als auch hinsichtlich der Entscheidung, bei massenhaften Widersprüchen, die nicht von vornherein als erkennbar aussichtslos beurteilt werden können, Rückstellungen in beträchtlichem Umfang vorzunehmen. Dem kann eine KÄV vorbeugen, indem sie in Fällen, in denen zahlreiche Leistungserbringer Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der normativen Grundlagen der Honorarverteilung geltend machen, ausdrücklich erklärt, dass Rechtsmittel nicht erforderlich sind, weil sie dann, wenn sich die Bedenken in nachfolgenden gerichtlichen Verfahren (Musterverfahren) als berechtigt erweisen sollten, alle Leistungserbringer entsprechend den gerichtlichen Vorgaben behandeln werde. Wenn eine KÄV nicht so verfährt, verbleibt das Risiko, von einer künftigen, für den einzelnen Leistungserbringer günstigen Rechtsprechung zu profitieren, bei diesem. Er muss sich entscheiden, ob er Rechtsmittel einlegen will oder nicht. Legt er Rechtsmittel ein, hat das seit dem 2. Januar 2002 jedenfalls für ein anschließendes Klageverfahren ggf. Kostenkonsequenzen (§ 197a Abs. 1 SGG). Deshalb muss auch der Vertragsarzt/Vertragspsychotherapeut Chancen und Risiken von Rechtsmitteln gegen Honorarbescheide bei vermuteten Fehlern der normativen Grundlagen der Honorarverteilung abwägen. Scheut er das Kostenrisiko, ist es nicht unbillig, ihm zu versagen, an dem prozessualen Erfolg anderer Ärzte zu partizipieren. Soweit keine atypischen Umstände im Einzelfall gegeben sind, etwa ein betroffener Arzt durch Hinweise der KÄV von der Einlegung von Rechtsmitteln abgehalten worden ist oder die KÄV sich insoweit zumindest mehrdeutig verhalten hat, ist es danach grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn sich die KÄV bei ihrer Weigerung zur Rücknahme bestandskräftiger Honorarbescheide "nur" darauf beruft, die Gesamtvergütung für das laufende Quartal nicht ohne Rechtspflicht durch Vorwegabzüge vermindern zu wollen (vgl. BSG, Urteil vom 22.06.2006 – B 6 KA 21/04 RSozR 4-1300 § 44 Nr. 6 = GesR 2005, 541 = MedR 2006, 223 = Breith 2006, 359 = NZS 2006, 332 = USK 2005-105, zitiert nach juris Rn. 15 ff.).

Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Honorarbescheide für die Quartale IV/02 bis II/04 sowie IV/04 und I/05 rechtswidrig waren. Auch unterstellt, diese Honorarbescheide seien rechtswidrig, so hat die Beklagte ihr Ermessen hinreichend und fehlerfrei ausgeübt.

Soweit die Beklagte im angefochtenen Widerspruchsbescheid ausführt, eine Rückabwicklung sei ihr "aus rechtlichen Gründen nicht möglich", so bringt sie damit, wie aus dem Kontext ersichtlich wird, nicht zum Ausdruck, dass ihr eine Rückabwicklung verwehrt sei, sondern legt hinreichend dar, dass sie ihr Ermessen im Sinne einer Nichtaufhebung der strittigen Honorarbescheide ausübt. Sie führt im Einzelnen aus, dass jeder Vorwegabzug von Gesamtvergütungsanteilen in mehr oder weniger großem Ausmaß den Auszahlungswert vermindere, der der Honorierung der im laufenden Quartal erbrachten vertragsärztlichen Leistungen zugrunde liege. Ziel der Honorarverteilung sei aber, dass die für ein bestimmtes Quartal geleistete Gesamtvergütung möglichst ungeschmälert für die Honorierung der in diesem Quartal erbrachten Leistungen verwendet werde. Eine Rückabwicklung sei daher nur dann in Betracht zu ziehen, wenn dies aus Billigkeitsgesichtspunkten zwingend notwendig erscheine. Das sei jedoch dann nicht der Fall, wenn der Verwaltungsaufwand im Verhältnis zum Erfolg unverhältnismäßig hoch wäre. Bei einer Rückabwicklung im Falle der Klägerin sieht die Beklagte auch eine Verpflichtung, alle anderen Leistungserbringer entsprechend zu behandeln wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes. Dies würde aus ihrer Sicht zu einem immensen Verwaltungsaufwand und zu einer finanziellen Belastung führen, die mit einem Punktwertverfall im aktuellen Quartal verbunden sei. Von daher legt die Beklagte hinreichend dar, aus welchen Gründen für sie eine Rückabwicklung nicht in Betracht kommt. Die Beklagte war dabei auch nicht verpflichtet, darüber hinausgehend auf den Vortrag der Klägerin einzugehen. Insofern liegt kein atypischer Fall seitens der Klägerin vor. Die Klägerin hat nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagte sie tatsächlich von einer Rechtsverfolgung abgehalten hätte. Soweit die Klägerin vorträgt, sie habe auf die Rechtmäßigkeit des Handelns der Beklagten vertraut, so oblag dies ihrer eigenen Einschätzung. Die Beklagte ist durchaus befugt, bei einem Vertragsarzt anzufragen, ob er ein Rechtsmittel im Hinblick auf eine bestimmte Rechtssprechung oder auf bestimmte Nachbesserungen ihrerseits zurücknimmt. Es obliegt dann dem rechtsuchenden Bürger, hier dem einzelnen Vertragsarzt, ob er diesen Hinweisen vertraut und das Rechtsmittel zurücknimmt, ob er sein Rechtsbegehren weiterverfolgt oder ob er sich fachlichen Rat durch Rechtsanwälte oder auch Berufsverbände einholt. Die Beklagte hat jedenfalls nicht dargelegt, dass von einer weiteren Rechtsverfolgung abgesehen werde, da sie ihrerseits von Amtswegen gegebenenfalls Nachkorrekturen vornehmen werde.

Eine offensichtliche Parteilichkeit des Vorstands der Beklagten ist bezüglich des hier streitbefangenen Bescheides nicht ersichtlich. Die Klägerin verweist auf allgemeine berufspolitische Äußerungen, die, auch unterstellt, sie seien parteilich, jedenfalls keinen Eingang in die konkrete Entscheidung gefunden haben. Es ist der Kammer jedenfalls nicht ersichtlich, dass gerade der Klägerin oder Angehörigen ihrer Berufsgruppe es in besonderer Weise verwehrt worden sein sollte, bestandskräftige Honorarbescheide einer erneuten Überprüfung zuzuführen.

Die Ausführungen des Hessischen Sozialministeriums haben keine Auswirkungen auf die Überprüfung eines Bescheides nach § 44 Abs. 2 SGB X und betreffen im Übrigen andere Quartale.

Soweit die Rechtsmäßigkeit der Honorarbescheide für die streitbefangenen Quartale nicht zu überprüfen war, kommt es auch nicht auf die Bestimmtheit der Bescheide an. Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass die Bescheide, die eindeutig den Honoraranspruch den Euro festsetzen, hinreichend bestimmt sind. Das Bundessozialgericht hat zu Honorarbescheiden der Beklagten aus früheren Quartalen hierzu ausgeführt, dem Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 SGB X entspreche ein Verwaltungsakt nur dann nicht, wenn dessen Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich nicht widerspruchsfrei sei und der davon Betroffene bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers nicht in der Lage sei, sein Verhalten daran auszurichten. Diesen Anforderungen genügten die angefochtenen Honorarbescheide. Aus ihnen gehe klar und unzweideutig hervor, in welcher Höhe die Beklagte den Honoraranspruch des Klägers für die jeweiligen Quartale festgestellt habe. Zum Verfügungssatz eines Honorarbescheides gehörten aber nicht die einzelnen Rechenschritte, die erforderlich seien, um von der Honoraranforderung des Vertragsarztes zu der Honorarsumme zu gelangen, die er nach den für die Honorarverteilung geltenden Vorschriften beanspruchen könne. Dies gelte auch dann, wenn bei der Berechnung Honorarbegrenzungsmaßnahmen anzuwenden seien. Auch in diesem Fall sei es im Hinblick auf § 33 Abs. 1 SGB X unerheblich, wie verständlich die der festgestellten Honorarsumme zu Grunde liegenden Rechenschritte in dem Honorarbescheid dargestellt seien. Hierbei handele es sich vielmehr um eine Frage der Begründung des Verwaltungsakts, die an § 35 SGB X zu messen sei (vgl. BSG, Urt. v. 09.12.2004 - B 6 KA 44/03 R - SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 = BSGE 94, 50 = GesR 2005, 307 = MedR 2005, 538 = Breith 2005, 817, juris Rdnr. 31). Aber auch die Begründungen genügten nach dem Bundessozialgericht den Anforderungen des § 35 Abs. 1 SGB X; selbst wenn die Begründungen der angefochtenen Honorarbescheide den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht entsprechen würden, könnte nicht allein deswegen beansprucht werden, dass die Bescheide wenigstens insoweit aufgehoben werden, als darin eine weitergehende Vergütung abgelehnt worden sei. Denn nach § 42 Satz 1 SGB X rechtfertigen bei rechtsgebundenen Verwaltungsakten, was hier der Fall sei, bloße Begründungsmängel grundsätzlich nicht deren Aufhebung (vgl. BSG, aaO., Rdnr. 32 – 35).

Der Antrag der Klägerin vom 17.02.2006 war auch nicht als Widerspruch gegen die Quartalshonorarbescheide für die strittigen Quartale anzusehen. Die Klägerin hat dies nicht geltend gemacht. Auch liegen keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor (vgl. § 67 Abs. 1 bis 3 i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Nach allem war der angefochtene Bescheid rechtmäßig und die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
Saved