L 28 AS 1065/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 94 AS 4029/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 1065/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft zwischen erwachsenen Familienmitgliedern
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in der Zeit vom 1. April 2006 bis zum 31. Dezember 2006.

Der 1954 geborene, ledige Kläger ist erwerbsfähig. Er war im streitigen Zeitraum erwerbslos und verfügte nicht über Vermögen. Er ist von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit und tätigte im streitigen Zeitraum monatliche Aufwendungen für eine Lebensversicherung in Höhe von 89,24 Euro. Er benötigt aus gesundheitlichen Gründen eine kostenaufwändige Ernährung. Er lebt seit 1994 gemeinsam mit seinem 1984 geborenen, erwerbsfähigen Sohn S U (im Folgenden U) in einer 84,42 qm großen 4-Zimmer-Wohnung in der KStr. in B-H. Für diese Wohnung, deren Hauptmieter der Kläger allein ist, schuldete er ab dem 1. November 2004 eine Nettokaltmiete in Höhe von 373,27 Euro monatlich (Grundmiete in Höhe von 307,55 Euro, Modernisierungszuschlag von 33,77 Euro und einen Zuschlag aufgrund weiterer Modernisierungsvereinbarung in Höhe von 31,95 Euro), daneben eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 120,82 Euro, eine Vorauszahlung für Heizung und Warmwasser in Höhe von 43,11 Euro monatlich sowie einen Zuschlag für Aufzugnutzung in Höhe von 21,11 Euro monatlich. Wegen Änderungen in der Betriebskostenvorauszahlung verringerte sich die Gesamtmiete zum 1. Oktober 2005 auf 544,26 Euro und erhöhte sich zum 1. Oktober 2006 auf 559,77 Euro.

U bezog bis Mai 2005 Arbeitslosengeld, danach mit Unterbrechungen Arbeitslosenhilfe; seit Januar 2005 bezieht er durchgehend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Unter dem 26. September 2004 schlossen der Kläger und U einen Untermietvertrag über ein 13,74 qm großes Zimmer zur alleinigen Nutzung sowie des 25,91 großen Wohnzimmers, Loggia, Küche, Bad, Flur und Keller zur Mitnutzung. Mietbeginn war der 1. Oktober 2004. Vereinbart ist für die Nutzung von insgesamt 37,50 qm die Zahlung einer Nettokaltmiete in Höhe von 165,81 Euro, eine Betriebskostenvorauszahlung in Höhe von 63,05 Euro und eine Vorauszahlung für die Kosten von Heizung und Warmwasser in Höhe von 19,46 Euro. Zusätzlich ist in § 11 des Vertrages vereinbart, dass U anteilige Kosten für Kosten für Elektroenergie und Telefongespräche gemäß gesonderter Vereinbarung zu zahlen habe, er die elektrischen Geräte in gemeinsamen Räumen (TV, Radio, Telefon, Kühlgeräte, Herd, Geschirrspüler, Waschmaschine etc.) und das in der Küche befindliche Geschirr mitnutzen dürfe, eine Kostenbeteiligung an Schönheitsreparaturen in gemeinsam genutzten Räumen sowie an Instandhaltung gemeinsam genutzter Haushaltsgeräte zu tragen habe und verpflichtet sei, sich an der regelmäßigen Reinigung der gemeinschaftlich genutzten Räume zu beteiligen. U zahlte den vereinbarten Mietpreis vom 1. Oktober 2004 an monatlich im bargeldlosen Zahlungsverkehr auf das Konto des Klägers. Andere Einnahmen hatte dieser im streitigen Zeitraum nicht.

Am 24. März 2005 und in der Folge zum 1. Oktober 2005 beantragte der Kläger, der bis zum 24. März 2005 Unterhaltsgeld von der Bundesagentur für Arbeit erhalten hatte, für die Zeit ab dem 25. März 2005 bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Er gab dabei gemeinsam mit U eine Erklärung ab, wonach Vater und Sohn keine gemeinsame Konten führten oder gegenseitige Kontovollmachten hätten, nicht gemeinsam aus einem Topf wirtschafteten und sich keinerlei finanzielle Hilfe oder sonstige Zuwendungen leisteten. Der Beklagte bewilligte in der Folge Leistungen für die Zeit vom 25. März 2005 bis zum 30. September 2005 (Bescheid vom 8. November 2005) und vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2006 (Bescheid vom 15. Dezember 2005). Auf den Regelbedarf rechnete er dabei Einkommen aus Untervermietung in Höhe von 153,18 Euro an (Untermiete abzüglich pauschaler Aufwendungen für Erhaltung des Wohnraumes in Höhe von 11 Prozent, der Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro sowie der monatlichen Kosten für die Kfz-Versicherung) und berücksichtigte als angemessene Kosten der Unterkunft und Heizung die gesamte sich aus dem Hauptmietvertrag ergebende Miete.

Im Folgeantrag vom 2. März 2006 gab der Kläger an, es hätten sich in seinen persönlichen Verhältnissen keine wesentlichen Änderungen ergeben. Die Miete aus dem Hauptmietvertrag habe sich auf 544,26 Euro verringert, entsprechend erhalte er eine Untermiete in Höhe von 241,76 Euro, die er als Einkommen ansehe. Von diesem Einkommen sei eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro abzusetzen, außerdem unterhalte er ein Kraftfahrzeug, für das Beiträge zur Kfz-Versicherung in Höhe von 82,13 Euro vierteljährlich zu zahlen seien.

Mit Bescheiden vom 20. März 2006 bewilligte die Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2006 und vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 in Höhe von monatlich 752,29 Euro. Es ergebe sich ein Regelbedarf in Höhe von 345 Euro, ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung in Höhe von 35,79 Euro. Daneben seien Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 293,50 Euro anzuerkennen sowie Zuschüsse zur freiwilligen Rentenversicherung des Klägers in Höhe von 78,- Euro zu leisten. Der hiergegen gerichtete Widerspruch blieb ohne Erfolg. Es seien 373,28 Euro Grundmiete, 132,05 Euro Betriebskostenvorauszahlung und 29,93 Euro für Heizung als angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung grundsätzlich anzuerkennen. Dabei sei von den zu zahlenden Heizkosten eine Warmwasserpauschale in Höhe von 9,- Euro abzuziehen, da die Warmwasserversorgung über die Zentralheizung erfolge. Von den Gesamtkosten für Miete und Unterkunft in Höhe von 535,26 Euro sei die Untermiete abzusetzen, so dass sich ein Bedarf für Unterkunft und Heizung von 293,50 Euro ergebe. Die Untermiete sei dagegen nicht als Einkommen anzusehen. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung lägen nur vor, wenn Wohneigentum vermietet oder verpachtet werde. Aufwendungen zur Erhaltung des Wohnraumes (pauschal 1 Prozent für Bewirtschaftung und 10 Prozent für Instandsetzung/Instandhaltung) könnten folglich beim Kläger ebenso wenig abgesetzt werden wie die Versicherungspauschale und die Kosten für die Kfz-Versicherung (Widerspruchsbescheid vom 6. April 2006).

Mit seiner beim Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, es seien höhere Leistungen zu erbringen. Bei der erzielten Untermiete handele es sich um Einkommen im Sinne des § 11 SGB II, von dem die Beträge nach § 11 Abs. 2 SGB II in Abzug zu bringen seien, nämlich eine Bewirtschaftungs-/Instandhaltungspauschale in Höhe von 26,59 Euro, eine Versicherungspauschale in Höhe von 30 Euro, die Kosten für die Kfz-Versicherung in Höhe von 27,38 Euro und die von ihm zu tragenden Beiträge zur freiwilligen Rentenversicherung in Höhe von 12,- Euro. Das danach anrechenbare Einkommen in Höhe von 145,79 Euro sei von der Regelleistung abzusetzen; daneben seien die gesamte Miete als Kosten der Unterkunft und Heizung, der Mehrbedarfszuschlag für kostenaufwändige Ernährung und der Zuschuss zu den Rentenversicherungsbeiträgen zu zahlen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. September 2006 abgewiesen. Zutreffend habe der Beklagte die Untermiete entgegen der vorangegangenen Verwaltungspraxis nicht mehr als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II angesehen. Eine ausdrückliche Regelung, wie Einkünfte aus der Untervermietung sich auf den Hilfebedarf nach dem SGB II auswirkten, existiere nicht. Aus dem Regelungszusammenhang sei zu folgern, dass diese unmittelbar die tatsächlichen Aufwendungen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II minderten. Als Beispiel für die vom Hilfeempfänger zu fordernde Senkung von unangemessen hohen Wohnkosten sei in § 22 Abs. 1 Satz 2 (jetzt Satz 3) SGB II die (Unter-)Vermietung ausdrücklich genannt. Daraus sei zu folgern, dass die Untermiete unmittelbar zur Senkung von Unterkunftskosten führe, ohne dass ein Abzug der Versicherungspauschale, der Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten und der Kosten für die Kfz-Versicherung vorzunehmen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sei jeder Zufluss von Mitteln als Einkommen anzusehen, soweit nicht in § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II ausdrücklich anderes bestimmt sei. Von dieser eindeutigen Gesetzeslage hätte das SG nicht abweichen dürfen. Eine Regelungslücke hinsichtlich der Behandlung von Einnahmen durch Untervermietung bestehe nicht. Es sei auch nicht erkennbar, weswegen nicht weiterhin neben der Versicherungspauschale und den Kosten für die Kfz-Versicherung eine Pauschale für Bewirtschaftung und Instandhaltung abzusetzen sein sollte. Es seien monatliche Rückstellungen in Höhe von 53,08 Euro zu tätigen. Seit dem 1. Oktober 2006 betrage die Untermiete 248,65 Euro, die weiterhin gezahlt werde. Es bestehe zwischen ihm und U keine Haushaltsgemeinschaft, so dass der Untermietvertrag einem sog Fremdvergleich standhalte.

Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 19. September 2006 aufzuheben und den Beklagten unter Änderung der Bescheide vom 20. März 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 2006 zu verurteilen, ihm weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 31. Dezember 2006 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung am 10. Januar 2008 den Kläger persönlich gehört und seinen Sohn sowie seinen Neffen, Herrn C B, und einen Nachbarn, Herrn P B, als Zeugen vernommen. Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zum Ergebnis der Beweisaufnahme schriftlich Stellung zu nehmen; der Senat hat sodann abschließend beraten. Dem Senat haben die Gerichtsakten des Sozialgerichts Berlin (S 94 AS 4029/06) sowie die Verwaltungsakten des Beklagten vorgelegen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen sind. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft. Es wird zumindest ein Beschwerdewert im Sinne des § 144 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Höhe von 863,73 Euro erreicht. Der Kläger macht geltend, ihm sei eine Regelleistung in Höhe von 345 Euro abzüglich eines bereinigten Einkommens in Höhe von 145,79 Euro, Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von jedenfalls 535,26 Euro, ein Mehrbedarfszuschlag in Höhe von 35,79 Euro sowie einen Zuschlag zur freiwilligen Rentenversicherung in Höhe von 78,- Euro, insgesamt (gerundet) 848,- Euro monatlich zu zahlen. Abzüglich bereits gezahlter Leistungen in Höhe von 752,29 Euro monatlich ergibt sich bezogen auf die Bewilligungsabschnitte vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2006 und vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 der genannte Wert.

Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Zulässiger Gegenstand der Klage sind allein die Bescheide vom 20. März 2006 und der Widerspruchsbescheid vom 6. April 2006, wovon das SG zutreffend ausgegangen ist. Gegen beide Bescheide vom 20. März 2006 hat der Kläger in einem Schriftsatz Widerspruch erhoben. Der Beklagte hat diese Widersprüche zur Entscheidung verbunden und in einem Widerspruchsbescheid hierüber entschieden. Diesen Widerspruchsbescheid hat der Kläger mit einer Klage anfochten. Der gerichtlich zu überprüfende Zeitraum beschränkt sich damit auf den Bewilligungsabschnitt vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2006 einerseits und vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 andererseits. Folgebescheide sind nicht Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG geworden.

Der Senat ist im Verfahren gerichtet auf höhere Leistungen im streitigen Zeitraum verpflichtet, den geltend gemachten Anspruch unter sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Eine Beschränkung auf einen bestimmten rechtlichen Prüfmaßstab (hier: Berücksichtigung der gezahlten Untermiete als Einkommen) unterliegt nicht der Disposition der Beteiligten (vgl. BSG vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R - und vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R -); an die Einschätzung der Beteiligten, wonach bestimmte Prüfungspunkte als unstreitig angesehen worden sind, ist der Senat nicht gebunden. Ein Anspruch auf höhere als die bereits vom Beklagten bewilligten Leistungen besteht im Ergebnis dieser umfassenden Prüfung nicht.

Für den ersten der beiden streitbefangenen Bewilligungsabschnitte (Zeitraum vom 1. April 2006 bis zum 30. Juni 2006) ergibt sich folgendes:

Der Kläger ist Berechtigter i. S. des § 7 Abs. 1 SGB II (in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung des Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30. Juli 2004, BGBl I 2014). Er hat das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II). Er ist erwerbsfähig i. S. von § 8 SGB II (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II), da dem Sachverhalt trotz der zwischenzeitlichen längerfristigen Erkrankung des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Krankheit oder Behinderung zu entnehmen sind, die ihn an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens drei Stunden täglich hindern könnte. Er war nach den ärztlichen Feststellungen vom 10. März 2006 an wieder arbeitsfähig.

Nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 Abs. 1 SGB II ist schließlich hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, u. a. nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen erhält. Da U im April 2006 das 18. Lebensjahr bereits vollendet hatte, gehört er nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung des Gesetzes als volljähriges Kind des Klägers nicht zu dessen Bedarfsgemeinschaft; insoweit ist unerheblich, ob der Kläger und U in einer Haushaltsgemeinschaft leben (dazu sogleich). Nach § 9 Abs. 2 Satz 3 SGB II ist zur Berechnung des individuellen Leistungsanspruchs des Klägers einerseits der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft (bestehend allein aus dem Kläger) und andererseits deren Gesamteinkommen zu ermitteln (zu den Berechnungsschritten Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 9 RdNr. 100 ff.; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, § 9 RdNr. 33 ff).

Der Gesamtbedarf des Klägers setzt sich aus der Regelleistung in Höhe von 345,- Euro (§ 20 Abs. 2 SGB II hier in der ursprünglichen Fassung des 4. Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt), einem Mehrbedarfszuschlag wegen kostenaufwändiger Ernährung in Höhe von 34,79 Euro (vgl. § 21 Abs. 5 SGB II) und einem Zuschuss zu den Aufwendungen für die private Rentenversicherung in Höhe von 78,- Euro (§ 26 Abs. 1 SGB II) sowie den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ebenfalls in der ursprünglichen Fassung) zusammen. Da der Kläger zur Überzeugung des Senats in einer Haushaltsgemeinschaft mit U lebt, stehen ihm Kosten für Unterkunft und Heizung jedoch nur in Höhe des auf ihn entfallenden Kopfteils der tatsächlichen Aufwendungen für die gemeinsam bewohnte Wohnung zu, mithin Aufwendungen in Höhe von (höchstens) 272,13 Euro.

Wird eine Unterkunft von weiteren Personen genutzt, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, erfolgt die Zuordnung aus Praktikabilitätsgründen grundsätzlich unabhängig von Alter oder Nutzungsintensität entsprechend einer Aufteilung nach "Kopfzahl" (vgl. BVerwGE 79, 17 und im Anschluss BSG Urteil vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 RdNr. 28). Allenfalls für Sonderfälle ist denkbar, dass der Unterkunftsbedarf der "Bedarfsgemeinschaft" (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II) nicht deren Anteil an der Gesamtkopfzahl der Nutzer der Unterkunft entspricht. Vor allem im Falle einer Haushaltsgemeinschaft zwischen Familienmitgliedern handelt es sich um eine typische einheitliche Lebenssituation, die eine an der Intensität der Nutzung der Wohnung durch die einzelnen Familienmitglieder ausgerichtete Betrachtung und in deren Gefolge eine unterschiedliche Aufteilung der Aufwendungen für diese Wohnung nicht zulässt. Diesem Grundgedanken entspricht die ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), wonach Untermietverträge zwischen Angehörigen steuerrechtlich (nur) relevant sind, wenn sie zum einen bürgerlich-rechtlich wirksam geschlossen sind und darüber hinaus sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (sog Fremdvergleich). Dies setzt voraus, dass die Hauptpflichten der Vertragsparteien, also insbesondere das Überlassen einer bestimmten Mietsache zur Nutzung und die Höhe der zu entrichteten Miete, klar und eindeutig vereinbart worden sind und entsprechend dem Vereinbarten durchgeführt werden (BFH 19.10.1999 - IX R 39/99 - NJW 2000, 758 m.w.N.). Bei Familienmitgliedern kann von der Durchführung eines Untermietverhältnisses entsprechend dem zwischen Fremden üblichen nur ausgegangen werden, wenn eine Haushaltsgemeinschaft nicht besteht (BFH a.a.O. = juris RdNr. 20), wobei kennzeichnend für eine Haushaltsgemeinschaft das gemeinsame "Wirtschaften aus einem Topf" ist.

Der Senat geht im Ergebnis der Beweisaufnahme davon aus, dass zwischen dem Kläger und U seit jeher eine Haushaltsgemeinschaft bestanden hat und weiterhin besteht, da sich an den für die Beurteilung maßgeblichen Verhältnissen nach Abschluss des Untermietvertrages nichts geändert hat. Eine häusliche Gemeinschaft zwischen Eltern und Kindern ist zunächst natürlicherweise vorgegeben. Die häuslichen Verhältnisse werden - wie hier - trotz Spannungen häufig über den Zeitpunkt des Erwachsenwerdens hinaus beibehalten. Die aus bestehenden Spannungen folgende Konsequenz, dass jeder im Wesentlichen "seiner Wege" geht, reicht nicht als Beweis für die Auflösung der Haushaltsgemeinschaft aus. Soll die häusliche Gemeinschaft aufgelöst werden, muss dies in einer Veränderung der innerfamiliären Lebensgewohnheiten deutlich werden. Es ist in besonderem Maße zu überprüfen, ob nach außen verlautbarte Erklärungen, wie sie hier im Mietvertrag abgegeben worden sind, tatsächlich umgesetzt werden oder ob die bisherige Lebensführung beibehalten worden ist.

Die vorgelegten vertraglichen Regelungen für sich genommen sprechen zwar für das Bestehen eines Untermietverhältnisses, das einem Fremdvergleich standhält, und also für die Auflösung einer Haushaltsgemeinschaft. U ist ein Zimmer (das 13,74 qm große ehemalige Kinderzimmer) zur ausschließlichen Nutzung überlassen. Der Mietpreis, der dem von U genutzten Anteil der Wohnung zum Gesamtpreis entspricht, ist marktüblich. Die tatsächliche Überweisung des geschuldeten Mietpreises ist vom Beginn des Mietverhältnisses an (1. Oktober 2004) nachgewiesen. Die Sondervereinbarungen zur gemeinsamen Nutzung von elektrischen Geräten in Küche und Wohnzimmer und der Beteiligung an Reinigung der gemeinsam genutzten Räume entsprechen dem, was üblicherweise auch zwischen Fremden in einer Wohngemeinschaft verabredet ist.

Der Senat ist jedoch im Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass diese vertraglichen Vereinbarungen im Zusammenleben von Vater und Sohn in zentralen Punkten nicht umgesetzt worden sind. Es ist nicht nachvollziehbar geworden, dass tatsächlich mit dem Abschluss des Mietvertrages eine Änderung im Zusammenleben erfolgt ist. U hat als Zeuge zu den Inhalten des Mietvertrages und den ihm übertragenen Pflichten keine weitergehenden Angaben machen können. Er konnte auch auf Nachfragen keine Gründe nennen, weshalb sein Vater auf den Abschluss eines Untermietvertrages bestanden hat. Er konnte ebenso wenig einen Zeitpunkt für den Abschluss des Vertrages benennen. Dem Senat ist damit zwar nachvollziehbar geworden, dass zwischen Vater und Sohn schon seit langem Differenzen bestanden haben und sie sich voneinander entfremdet hatten. Dies macht insbesondere die Aussage des Zeugen B deutlich, der geschildert hat, dass auch am Wochenende oder an Feiertagen wie Weihnachten ein Familienleben mit gemeinsamen Mahlzeiten und Gesprächen nicht stattfindet. Es ist aber mit sämtlichen Aussagen nicht nachvollziehbar geworden, dass gerade die Nebenabreden des Mietvertrages seit dem 1. Oktober 2004 eingehalten werden. Die Pflichten, die U als Untermieter im Hinblick auf das Miteinander in einer Wohnung auferlegt worden sind, werden von ihm durchweg nicht erfüllt. Der Mietvertrag stellt sich für den Senat als Versuch dar, eine Mitverantwortlichkeit des Sohnes für den Haushalt vertraglich zu erzwingen, was offenbar gescheitert ist, wie es sich aus der die Aussage des Zeugen B anschaulich ergibt. U verhält sich in den Auseinandersetzungen gerade nicht wie ein Untermieter, der im Falle des gröblichen Verstoßes gegen die Nebenpflichten mit einer Kündigung rechnen müsste. Die vertraglichen Verpflichtungen werden im täglichen Umgang nicht umgesetzt. Der Kläger übernimmt die Haushaltsführung für U mit, wenn er auch einige Aufgaben (wie etwa das Waschen der Wäsche) nunmehr dem Sohn überlässt. Er reinigt die gemeinsamen Wohnräume, versorgt die gemeinsame Katze und kauft Grundnahrungsmittel wie Brot, Butter, Margarine, Tee und Gewürze ein, die er auch für den Sohn vorhält. Unerheblich für die Frage einer gemeinsamen Haushaltsführung ist, dass U nur selten auf die Möglichkeiten zurückgreift, die sich zu Hause bieten, sondern sich meistens außer Haus versorgt. Diese Verhältnisse bestehen offenbar schon seit langem.

Der Kläger hat gegenüber dem Senat bestimmte Änderungen im gemeinsamen Wohnen seit dem 1. Oktober 2004 als maßgeblich für eine Auflösung der Haushaltsgemeinschaft herausgestellt. Er hat dazu darauf verwiesen, dass er seither die Kosten für den Telefonanschluss sowie die Kosten für Wasch- und Putzmittel, die Haltung der Katze und eine Grundversorgung im Haushalt (Brot, Butter, Salz, Zucker, Tee usw.) teile und pauschal abrechne. Er habe die Kosten genau aufgelistet und eine Summe von 50 Euro errechnet, die U monatlich zu zahlen habe. Eine entsprechende, vom Kläger am 10. Dezember 2007 erstellte Auflistung, die seine akribische Auseinandersetzung mit den Nebenkosten des Haushalts über 6 und 12 Monate erkennen lässt, ist U ganz offensichtlich unbekannt. Entsprechende Abrechnungen sind oder waren offenbar nie Gegenstand von (vertraglichen) Vereinbarungen, wie dies im Verhältnis zwischen Hauptmieter und Untermieter zu erwarten wäre, wenn ein Hauptmieter eine solche Abrechnung erstellt, und wie dies auch der vorliegende Vertrag mit seiner Bezugnahme auf ergänzende, noch zu treffende Regelungen vorgibt. U hat die Angaben des Klägers zur Aufteilung dieser Nebenkosten auch in keinem Punkt bestätigt. Er hat im Gegenteil angegeben, Waschmittel selbst zu kaufen und auch sonst alles selbst zu kaufen. Er versorge sich im Wesentlichen außerhalb, weswegen ihm auch kein Fach im Gefrierschrank zugewiesen sei, was der Kläger aber behauptet hatte. U hat im Übrigen nur vage angegeben, er zahle an seinen Vater "40 bis 50 Euro", da sei "Telefon mit dabei"; "irgendwann" habe man eine feste Summe ausgemacht. Erst auf den Vorhalt des Senats, dass es sich bei 40 bis 50 Euro nicht um eine feste Summe handele, hat er eine feste Summe genannt ("Das stimmt auch wieder. Dann sagen wir 50 Euro."). Es ist dem Senat nicht nachvollziehbar, dass U, der selbst nur über begrenzte Mittel verfügt, nicht zumindest in wesentlichen Zügen anzugeben vermag, welche Nebenkosten für den Haushalt er an den Vater zu zahlen hat und wofür diese - außer für den Festnetzanschluss des Telefons, den er ohnehin kaum nutzt - überhaupt aufzubringen sind. Es handelt sich nach den Angaben des Klägers mit 50,- Euro monatlich um eine Summe, die für einen Empfänger von Leistungen nach dem SGB II durchaus spürbar ist, vor allem, wenn die weitere Aussage von U richtig wäre, dass damit Aufwendungen für den Haushalt in keiner Hinsicht abgedeckt gewesen seien und er selbst noch Wasch- und Putzmittel, Grundnahrungsmittel etc. habe kaufen müssen. Es stellt sich im Ergebnis dieser deutlich gewordenen Widersprüche in der Aussage des U und den Angaben des Klägers deshalb für den Senats so dar, dass U solche Nebenkosten nicht zahlt, entweder weil der Kläger sie von vornherein nicht verlangt hat, oder weil er sich in diesem Punkt U gegenüber nicht durchzusetzen vermochte. Beides spricht dagegen, dass die Vereinbarungen im Untermietvertrag tatsächlich zwischen Vater und Sohn umgesetzt worden sind.

Nachgewiesen ist damit aus Sicht des Senats allein, dass U sich vom 1. Oktober 2004 an tatsächlich an den Kosten der Unterkunft beteiligt hat. Zur Überzeugung des Senats hat der Kläger eine solche Beteiligung an den Kosten durchgesetzt und zur Untermauerung seiner Forderung den Untermietvertrag zur Unterschrift vorgelegt. Dies für sich genommen führt aber nicht zur Auflösung der Haushaltsgemeinschaft. Es ist vielmehr aus Sicht des Senats selbstverständlich, dass erwachsene Kinder mit eigenem Einkommen einen Beitrag zu den Kosten einer gemeinsamen Unterkunft leisten, insbesondere dann, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern eine weitergehende Unterstützung der Kinder nicht (mehr) erlauben. Zudem lässt der Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages den Schluss zu, dass die bevorstehenden Rechtsänderungen mit Einführung des SGB II entscheidend für den Entschluss waren, eine Kostenbeteiligung schriftlich zu regeln, damit U entsprechende Kosten für Unterkunft und Heizung bei Antragstellung nach dem SGB II nachweisen konnte. Eine (wenngleich begrenzte) wirtschaftliche Selbständigkeit des U bestand jedenfalls schon lange vor dem 1. Oktober 2004, da er durchgehend Transferleistungen von der Bundesagentur für Arbeit bezogen hatte. Dem entspricht die Aussage des Zeugen B, dass es zwischen Vater und Sohn zu einer Entfremdung und vermehrten Streitigkeiten gekommen ist, seit U sein eigenes Geld bekommen habe und auf die Unterstützung durch den Vater nicht mehr angewiesen gewesen sei. Eine Änderung in den beruflichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des U, die zu dem Entschluss des Klägers geführt haben soll, sich zum 1. Oktober 2004 wirtschaftlich und finanziell vom Sohn zu trennen, ist dem Senat ebenso wenig wie ein weitergehender Streit zwischen Vater und Sohn gerade zu diesem Zeitpunkt als Grund für einen Abschluss des Vertrages nachvollziehbar geworden.

Damit ergibt sich ein Gesamtbedarf in Höhe von höchstens 730,- Euro (gerundet entsprechend § 41 Abs. 2 SGB II), den der Beklagte mit seinen Leistungen bereits vollständig gedeckt hat, da er zugunsten des Klägers davon ausgegangen ist, dass für ihn Unterhaltskosten in Höhe von 293,50 Euro zu berücksichtigen seien. Es kommt damit nicht darauf an, ob die Wohnkosten von (insgesamt) 544,26 Euro monatlich für einen 2 Personen Haushalt angemessen sind und ob von den Gesamtaufwendungen für Unterkunft und Heizung Abzüge für die zentrale Beheizung des Wassers zu machen sind. Auch die Frage, ob diesem Bedarf weitere Einkünfte gegenüber stehen und welche Absetzungen von solchem Einkommen zu machen wären, ist unerheblich. Ansprüche auf höhere Leistungen bestehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt.

Für den Bewilligungsabschnitt vom 1. Juli 2006 bis zum 31. Dezember 2006 ist zwischen dem Kläger und U, der nach Aktenlage nicht über eigene Mittel verfügt, die seine Hilfebedürftigkeit entfallen lassen, bei unverändert gebliebenen Verhältnissen im Übrigen, von denen sich der Senat im Ergebnis der Beweisaufnahme überzeugt hat, nicht nur von einer Haushaltsgemeinschaft, sondern auch von einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II auszugehen. Da der zweite Bewilligungszeitraum nicht vor dem 1. Juli 2006 beginnt, ist die bis zum 30. Juni 2006 geltende Fassung, die bei der Entscheidung über diesen Bewilligungsabschnitt noch maßgeblich war, nicht mehr anzuwenden (vgl. § 68 Abs. 1 SGB II). Für die Ansprüche des Klägers, die vorliegend allein streitig sind, hat diese Rechtsänderung allerdings keine unmittelbaren Auswirkungen. Sein Anteil am Gesamtbedarf hat sich für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis zum 30. September 2006 nicht geändert und beträgt weiterhin 730 Euro. Mit der Erhöhung der Mietkosten zum 1. Oktober 2006 (Anteil des Klägers nunmehr 279,88 Euro) erhöht sich der Bedarf auf (höchstens) 738,- Euro, wobei der Senat auch insoweit offen lassen konnte, ob die angefallenen Kosten für Unterkunft und Heizung für 2 Personen angemessen sind. Die sich ergebenden Einzelansprüche des Klägers als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft hat der Beklagte jedenfalls durchgehend erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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