Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 2 KA 123/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Streitig ist eine Honorarrückforderung aufgrund Punktmengenüberschreitung im Jahre 1997.
Der Kläger ist als Arzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie in E niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 1997 rechnete er insgesamt 258.532 Punkte ab. Bei Erteilung der Honorarbescheide für diese Quartale ging die Beklagte davon aus, dass nach der - inzwischen wieder rückgängig gemachten - Aufhebung der Vorschriften zum degressiven Punktwert (§ 85 Abs. 4b ff. Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)) zum 30.06.1997 Honorarminderungen nur einträten, wenn Vertragszahnärzte die in diesen Vorschriften festgesetzten Grenzbeträge (350.000 Punkte + Zuschläge bei der Beschäftigung genehmigter Assistenten und/oder angestellter Zahnärzte) bereits in den ersten beiden Quartalen des Jahres 1997 überschritten hätten. Gegenüber dem Kläger setzte sie deshalb keine Honorarminderungen fest.
Mit der Quartalsabrechnung II/2001 vom 16.10.2001 verfügte die Beklagte wegen Überschreitung der praxisindividuellen Punktmengengrenze von 175.000 Punkten für die Quartale I/1997 und II/1997 einen Honorarabzug in Höhe von 31.337,06 DM. Diesen wies sie unter dem Buchungsschlüssel (C) 000 in der Rubrik "Zahlungen/Lastschriften" als "Nachberechnung Degression 1997" aus, während unter dem C 000 in der Rubrik "Gutschriften" ein Zahlbetrag in derselben Höhe mit dem Buchungstext "Vorläufige Aussetzung Nachberechnung Degression 97" verzeichnet ist.
In einem Begleitschreiben vom 12.10.2001 führte die Beklagte hierzu aus:
Für das Jahr 1997 habe sie die sog. "Degression" unter Zugrundelegung von 350.000 "kürzungsfreien" Punkten (zuzüglich entsprechender Zuschläge bei der Beschäftigung genehmigter Assistenten und/oder angestellter Zahnärzte) ermittelt. Die nordrheinischen Primärkrankenkassen/-verbände seien nun der Auffassung, die Berechnung der Degression für das Jahr 1997 sei auf einer Grundlage von nur 175.000 Punkten durchzuführen, da die gesetzliche Regelung über die Punktwertdegression zum 01.07.1997 außer Kraft getreten sei. Bei einer halbjährlichen Geltungsdauer käme den Vertragszahnärzten somit auch nur die Hälfte der "kürzungsfreien" Punktmenge zugute. Eine gerichtliche Auseinandersetzung sei möglicherweise unvermeidlich. Sollten sich die nordrheinischen Primärkrankenkassen mit ihrer Auffassung durchsetzen, sei die Beklagte vertraglich verpflichtet, dementsprechend die Berechnung für das Jahr 1997 unter Zugrundelegung von 175.000 Punkten durchzuführen. Bis zur eventuellen höchstrichterlichen Klärung dieser Frage könne erhebliche Zeit vergehen. Die Beklagte sei gezwungen, diese in Rede stehenden Forderungen der Krankenkassen sicherzustellen. Aus formalen Gründen müsse daher mit der Quartalsabrechnung II/2001 im Wege eines Bescheides die für den Kläger individuell berechnete Rückforderung festgesetzt werden. Da die Auffassung der Krankenkassen bisher nicht gerichtlich bestätigt worden sei, setze die Beklagte die Vollziehung, d. h. die Umsetzung, dieser Rückforderung aus. Das bedeute für den Kläger, die in der Quartalsabrechnung ausgewiesene Degressionsbelastung für das Jahr 1997 werde erst dann und nur in dem Fall wirksam, dass eine höchstrichterliche Entscheidung die Basis für 1997 auf 175.000 Punkte setze. Vorher komme es somit nicht zu einer Verrechnung mit seinen Honoraransprüchen. In Einzelfällen werde zu prüfen sein, ob es bei dieser Aussetzung der Vollziehung bleiben könne, so z. B. bei Beendigung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit im Bezirk der Beklagten. Bestätige sich die von der Beklagten vertretene Auffassung, werde die festgestellte Belastung auch formal durch Aufhebung dieses Bescheides rückgängig gemacht werden.
Gegen den Quartalsabrechnungsbescheid II/2001 legte der Kläger kein Rechtsmittel ein.
Mit Quartalsabrechnungsbescheid I/2005 vom 15.07.2005 belastete die Beklagte das Konto des Klägers mit 16.022,38 EUR. In einem Begleitschreiben vom 08.07.2005 erläuterte sie hierzu, das Bundessozialgericht (BSG) habe am 27.04.2005 - B 6 KA 17/04 R - entschieden, dass für das Jahr 1997 (Zeitraum bis 30.06.1997) eine degressionsfreie Punktmenge von 175.000 Punkten bei der Ermittlung von Vergütungsminderungen aufgrund Punktmengenüberschreitung gemäß § 85 Abs. 4b-e SGB V anzuwenden sei. Über die Möglichkeit einer solchen Entscheidung hätte sie den Kläger im Jahr 2001 informiert. Mit der Abrechnung II/2001 habe sie rein vorsorglich bereits eine (entsprechende) Berechnung durchgeführt und seinem Konto einen Betrag von 31.337,06 DM belastet. Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt noch unklaren Situation sei der Vollzug dieser Belastung jedoch ausgesetzt worden, so dass ein Einbehalt zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich nicht erfolgt sei. Durch die nunmehr vorliegende höchstrichterliche Entscheidung sei die Beklagte gezwungen, die im II. Quartal 2001 ausgesetzte Belastung zu realisieren.
Diesem Bescheid widersprach der Kläger: Von den berechneten 258.532 Gesamtpunkten in den Quartalen I und II/1997 seien 18.650 Punkte aus Honorarberichtigungsbescheiden (Rückzahlungen WR2/WR3) sowie mindestens 40.000 Punkte aus diversen Wirtschaftlichkeitsprüfungen abzuziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Gegen die Quartalsabrechnung II/2001 vom 16.10.2001 sei seitens des Klägers kein Widerspruch eingelegt worden, so dass dieser Bescheid bestandskräftig sei. Durch die nunmehr vorliegende höchstrichterliche Entscheidung erfolge mit der Quartalsabrechnung I/2005 die buchhalterische Umsetzung des bestandskräftigen Bescheides vom 16.10.2001.
Hiergegen richtet sich die am 20.07.2006 zum Aktenzeichen S 2 KA 164/06 erhobene Klage. Einvernehmlich ist das Verfahren bis zur Entscheidung des BSG vom 28.03.2007 - B 6 KA 28/06 R - ruhend gestellt und sodann unter dem neuen Aktenzeichen S 2 KA 123/07 fortgesetzt worden.
Der Kläger ist der Ansicht, ausweislich des Widerspruchsbescheides sei in II/2001 nur eine Belastung angekündigt worden, weil diese nicht vollzogen worden sei. Der Vollzug sei erst mit der Abrechnung I/2005 erfolgt, hiergegen habe der Kläger ausweislich des Widerspruchsbescheides fristgerecht Widerspruch erhoben.
Der Kläger beantragt,
die Quartalsabrechnung I/2005 vom 15.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2006 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die "Honorarrückforderung Degression 1997" in Höhe von 16.022,38 EUR vollzieht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die grundsätzliche Frage, in welcher Höhe Vergütungsminderungen wegen Punktwertminderung zu ermitteln und festzusetzen gewesen seien, sei zwischenzeitlich durch Entscheidungen des BSG geklärt. Im hier anhängigen Rechtsstreit sei gegenüber dem Kläger mit dem Abrechnungsbescheid für das Quartal II/2001 eine entsprechende Honorarrückforderung bestandskräftig festgesetzt und nicht nur angekündigt worden. Allein die Vollziehung des Bescheides sei ausgesetzt worden. Der angefochtene Abrechnungsbescheid I/2005 stelle insoweit allein die buchhalterische Umsetzung dieser Entscheidung dar. Aufgrund des Widerspruches gegen die Quartalsabrechnung I/2005 scheide eine erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung aus Oktober 2001 aus.
Sachlich-rechnerische Berichtigungen bzw. Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen würden nach gesamtvertraglichen Regelungen erst zum Zeitpunkt ihrer Bestandskraft berücksichtigt und reduzierten dann das entsprechende "Degressionskonto" im laufenden Kalenderjahr.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese nicht rechtswidrig sind.
Rechtsgrundlage für die Belastung des Abrechnungskontos des Klägers mit einem Betrag von 16.022,38 EUR (31.337,06 DM) ist der für die Beteiligten in der Sache bindende Quartalsabrechnungsbescheid II/2001 vom 16.10.2001.
Mit diesem Bescheid hat die Beklagte eine Regelung im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch - Sozialdatenschutz und Sozialverwaltungsverfahren (SGB X) getroffen, Honorar in dieser Höhe aufgrund einer Nachberechnung der Degression für das Jahr 1997 von dem Kläger zurückzufordern. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit zum einen aus der entsprechenden Belastungsanzeige vom 12.10.2001 - Anlage zur Quartalsabrechnung II/2001 -. In dieser werden die einzelnen Berechnungsschritte (praxisindividuelle Punktmengengrenze, abgerechnete Gesamtpunktzahl, Punktmengenüberschreitung, Berechnungsformel, zu berücksichtigende Honoraranteile, Honorarabzug) dargestellt und der ermittelte Betrag rechnerisch hergeleitet; die Belastungsanzeige endet mit der klaren Aussage: "Diesen Honorarbetrag von DM 31.337,06 müssen wir von Ihnen zurückfordern". Ergänzend weist die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 12.10.2001 - ebenfalls Anlage zur Quartalsabrechnung II/2001 - im Anschluss an die Darstellung unterschiedlicher Rechtsauffassungen zwischen ihr und den nordrheinischen Primärkrankenkassen/-verbänden ausdrücklich darauf hin, sie sei gezwungen, die in Rede stehenden Forderungen der Krankenkassen sicherzustellen. Aus formalen Gründen müsse daher mit der Quartalsabrechnung II/2001 im Wege eines Bescheides die für den Kläger individuell berechnete Rückforderung festgesetzt werden. In Verbindung mit der Lastschrift von 31.337,06 DM unter dem C 000 mit dem Buchungstext "Nachberechnung Degression 1997" lässt dies bei verständiger Würdigung aus der Sicht des Empfängers keine Zweifel daran, dass die Beklagte hier nicht lediglich eine Belastung angekündigt, sondern konkret festgesetzt hatte.
Sicherlich ist nicht zu verkennen, dass sich der Bescheid vordergründig bei oberflächlicher Lektüre im Ergebnis als nicht belastend darstellt. Denn der Lastschrift von 31.337,06 DM steht wenige Zeilen später eine Gutschrift in derselben Höhe gegenüber, so dass ein unbedarfter Leser von einem "Nullsummenspiel" ausgehen könnte, dem keine rechtlich erhebliche Bedeutung beizumessen sein möge. Indes weist bereits der Buchungstext "Vorläufige Aussetzung Nachberechnung Degression 1997" darauf hin, dass die Beklagte lediglich vorläufig von einer Realisierung der Rückforderung Abstand nehmen wollte. Im Einzelnen erhellt das von der Beklagten insoweit gewollte Vorgehen aus dem erläuternden Begleitschreiben vom 12.10.2001. Dieses stellt hinreichend deutlich klar, dass die Beklagte lediglich die Vollziehung, d. h. die Umsetzung der Rückforderung, solange auszusetzen beabsichtigte, bis eine höchstrichterliche Entscheidung die Basis auf 175.000 Punkte setzte. Nur in diesen Fall und erst dann sollte die in der Quartalsabrechnung ausgewiesene Degressionsbelastung für das Jahr 1997 wirksam werden. Vorher sollte es nicht zu einer Verrechnung mit Honoraransprüchen kommen, sofern nicht in Einzelfällen - z. B. bei Beendigung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit - zu prüfen sei, ob es bei der Aussetzung der Vollziehung bleiben könne. Mit der so erläuterten Vorgehensweise musste allen Vertragszahnärzten klar sein, dass mit dem Quartalsabrechnungsbescheid II/2001 dem Grunde nach bereits eine konkrete Honorarrückforderung verfügt worden war und lediglich deren Realisierung von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhing, nämlich der Bewertung der Rechtslage durch das BSG.
Dies hat zur Folge, dass Einwendungen gegen die Rückforderung von Honoraren aus dem Jahre 1997 durch Einlegung eines Widerspruchs gegen den Abrechnungsbescheid II/2001 hätten vorgebracht werden müssen. Hierzu gehört der von Zahnärzten mitunter angeführte Gesichtspunkt der Verjährung (vgl. zur vierjährigen Ausschlussfrist insofern BSG, Urteil vom 28.03.2007 - B 6 KA 28/06 R -) ebenso wie die von dem Kläger vorgetragene Problematik, inwieweit sich die abgerechnete Gesamtpunktmenge durch anderweitige Honorarkürzungsmaßnahmen reduziert (vgl. zur Reduzierung der abgerechneten degressionsrelevanten Gesamtpunktzahl durch anderweitige Kürzungsmaßnahmen erst im Zeitpunkt von deren Bestandskraft und damit im laufenden Kalenderjahr Urteil der erkennenden Kammer vom 02.12.1998 - S 2 KA 256/97 -). Indem der Kläger den Abrechnungsbescheid II/2001 hinsichtlich der Rückforderung aber nicht mit Rechtsbehelf angegriffen hat, ist dieser gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Das führt dazu, dass die Beklagte aufgrund der Titelfunktion bestandskräftiger Verwaltungsakte unmittelbar aus dem Bescheid vollstrecken bzw. - wie hier - die Aussetzung der Vollziehung aufheben und die Rückforderung mit laufenden Honoraransprüchen verrechnen kann. Die Belastung des Zahnarztkontos des Klägers durch die Quartalsabrechnung I/2005 ist daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Tatbestand:
Streitig ist eine Honorarrückforderung aufgrund Punktmengenüberschreitung im Jahre 1997.
Der Kläger ist als Arzt für Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie in E niedergelassen und zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 1997 rechnete er insgesamt 258.532 Punkte ab. Bei Erteilung der Honorarbescheide für diese Quartale ging die Beklagte davon aus, dass nach der - inzwischen wieder rückgängig gemachten - Aufhebung der Vorschriften zum degressiven Punktwert (§ 85 Abs. 4b ff. Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V)) zum 30.06.1997 Honorarminderungen nur einträten, wenn Vertragszahnärzte die in diesen Vorschriften festgesetzten Grenzbeträge (350.000 Punkte + Zuschläge bei der Beschäftigung genehmigter Assistenten und/oder angestellter Zahnärzte) bereits in den ersten beiden Quartalen des Jahres 1997 überschritten hätten. Gegenüber dem Kläger setzte sie deshalb keine Honorarminderungen fest.
Mit der Quartalsabrechnung II/2001 vom 16.10.2001 verfügte die Beklagte wegen Überschreitung der praxisindividuellen Punktmengengrenze von 175.000 Punkten für die Quartale I/1997 und II/1997 einen Honorarabzug in Höhe von 31.337,06 DM. Diesen wies sie unter dem Buchungsschlüssel (C) 000 in der Rubrik "Zahlungen/Lastschriften" als "Nachberechnung Degression 1997" aus, während unter dem C 000 in der Rubrik "Gutschriften" ein Zahlbetrag in derselben Höhe mit dem Buchungstext "Vorläufige Aussetzung Nachberechnung Degression 97" verzeichnet ist.
In einem Begleitschreiben vom 12.10.2001 führte die Beklagte hierzu aus:
Für das Jahr 1997 habe sie die sog. "Degression" unter Zugrundelegung von 350.000 "kürzungsfreien" Punkten (zuzüglich entsprechender Zuschläge bei der Beschäftigung genehmigter Assistenten und/oder angestellter Zahnärzte) ermittelt. Die nordrheinischen Primärkrankenkassen/-verbände seien nun der Auffassung, die Berechnung der Degression für das Jahr 1997 sei auf einer Grundlage von nur 175.000 Punkten durchzuführen, da die gesetzliche Regelung über die Punktwertdegression zum 01.07.1997 außer Kraft getreten sei. Bei einer halbjährlichen Geltungsdauer käme den Vertragszahnärzten somit auch nur die Hälfte der "kürzungsfreien" Punktmenge zugute. Eine gerichtliche Auseinandersetzung sei möglicherweise unvermeidlich. Sollten sich die nordrheinischen Primärkrankenkassen mit ihrer Auffassung durchsetzen, sei die Beklagte vertraglich verpflichtet, dementsprechend die Berechnung für das Jahr 1997 unter Zugrundelegung von 175.000 Punkten durchzuführen. Bis zur eventuellen höchstrichterlichen Klärung dieser Frage könne erhebliche Zeit vergehen. Die Beklagte sei gezwungen, diese in Rede stehenden Forderungen der Krankenkassen sicherzustellen. Aus formalen Gründen müsse daher mit der Quartalsabrechnung II/2001 im Wege eines Bescheides die für den Kläger individuell berechnete Rückforderung festgesetzt werden. Da die Auffassung der Krankenkassen bisher nicht gerichtlich bestätigt worden sei, setze die Beklagte die Vollziehung, d. h. die Umsetzung, dieser Rückforderung aus. Das bedeute für den Kläger, die in der Quartalsabrechnung ausgewiesene Degressionsbelastung für das Jahr 1997 werde erst dann und nur in dem Fall wirksam, dass eine höchstrichterliche Entscheidung die Basis für 1997 auf 175.000 Punkte setze. Vorher komme es somit nicht zu einer Verrechnung mit seinen Honoraransprüchen. In Einzelfällen werde zu prüfen sein, ob es bei dieser Aussetzung der Vollziehung bleiben könne, so z. B. bei Beendigung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit im Bezirk der Beklagten. Bestätige sich die von der Beklagten vertretene Auffassung, werde die festgestellte Belastung auch formal durch Aufhebung dieses Bescheides rückgängig gemacht werden.
Gegen den Quartalsabrechnungsbescheid II/2001 legte der Kläger kein Rechtsmittel ein.
Mit Quartalsabrechnungsbescheid I/2005 vom 15.07.2005 belastete die Beklagte das Konto des Klägers mit 16.022,38 EUR. In einem Begleitschreiben vom 08.07.2005 erläuterte sie hierzu, das Bundessozialgericht (BSG) habe am 27.04.2005 - B 6 KA 17/04 R - entschieden, dass für das Jahr 1997 (Zeitraum bis 30.06.1997) eine degressionsfreie Punktmenge von 175.000 Punkten bei der Ermittlung von Vergütungsminderungen aufgrund Punktmengenüberschreitung gemäß § 85 Abs. 4b-e SGB V anzuwenden sei. Über die Möglichkeit einer solchen Entscheidung hätte sie den Kläger im Jahr 2001 informiert. Mit der Abrechnung II/2001 habe sie rein vorsorglich bereits eine (entsprechende) Berechnung durchgeführt und seinem Konto einen Betrag von 31.337,06 DM belastet. Aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt noch unklaren Situation sei der Vollzug dieser Belastung jedoch ausgesetzt worden, so dass ein Einbehalt zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich nicht erfolgt sei. Durch die nunmehr vorliegende höchstrichterliche Entscheidung sei die Beklagte gezwungen, die im II. Quartal 2001 ausgesetzte Belastung zu realisieren.
Diesem Bescheid widersprach der Kläger: Von den berechneten 258.532 Gesamtpunkten in den Quartalen I und II/1997 seien 18.650 Punkte aus Honorarberichtigungsbescheiden (Rückzahlungen WR2/WR3) sowie mindestens 40.000 Punkte aus diversen Wirtschaftlichkeitsprüfungen abzuziehen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Gegen die Quartalsabrechnung II/2001 vom 16.10.2001 sei seitens des Klägers kein Widerspruch eingelegt worden, so dass dieser Bescheid bestandskräftig sei. Durch die nunmehr vorliegende höchstrichterliche Entscheidung erfolge mit der Quartalsabrechnung I/2005 die buchhalterische Umsetzung des bestandskräftigen Bescheides vom 16.10.2001.
Hiergegen richtet sich die am 20.07.2006 zum Aktenzeichen S 2 KA 164/06 erhobene Klage. Einvernehmlich ist das Verfahren bis zur Entscheidung des BSG vom 28.03.2007 - B 6 KA 28/06 R - ruhend gestellt und sodann unter dem neuen Aktenzeichen S 2 KA 123/07 fortgesetzt worden.
Der Kläger ist der Ansicht, ausweislich des Widerspruchsbescheides sei in II/2001 nur eine Belastung angekündigt worden, weil diese nicht vollzogen worden sei. Der Vollzug sei erst mit der Abrechnung I/2005 erfolgt, hiergegen habe der Kläger ausweislich des Widerspruchsbescheides fristgerecht Widerspruch erhoben.
Der Kläger beantragt,
die Quartalsabrechnung I/2005 vom 15.07.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.07.2006 insoweit aufzuheben, als die Beklagte die "Honorarrückforderung Degression 1997" in Höhe von 16.022,38 EUR vollzieht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Die grundsätzliche Frage, in welcher Höhe Vergütungsminderungen wegen Punktwertminderung zu ermitteln und festzusetzen gewesen seien, sei zwischenzeitlich durch Entscheidungen des BSG geklärt. Im hier anhängigen Rechtsstreit sei gegenüber dem Kläger mit dem Abrechnungsbescheid für das Quartal II/2001 eine entsprechende Honorarrückforderung bestandskräftig festgesetzt und nicht nur angekündigt worden. Allein die Vollziehung des Bescheides sei ausgesetzt worden. Der angefochtene Abrechnungsbescheid I/2005 stelle insoweit allein die buchhalterische Umsetzung dieser Entscheidung dar. Aufgrund des Widerspruches gegen die Quartalsabrechnung I/2005 scheide eine erneute Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Honorarrückforderung aus Oktober 2001 aus.
Sachlich-rechnerische Berichtigungen bzw. Honorarkürzungen aufgrund von Wirtschaftlichkeitsprüfungen würden nach gesamtvertraglichen Regelungen erst zum Zeitpunkt ihrer Bestandskraft berücksichtigt und reduzierten dann das entsprechende "Degressionskonto" im laufenden Kalenderjahr.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), da diese nicht rechtswidrig sind.
Rechtsgrundlage für die Belastung des Abrechnungskontos des Klägers mit einem Betrag von 16.022,38 EUR (31.337,06 DM) ist der für die Beteiligten in der Sache bindende Quartalsabrechnungsbescheid II/2001 vom 16.10.2001.
Mit diesem Bescheid hat die Beklagte eine Regelung im Sinne des § 31 Sozialgesetzbuch - Sozialdatenschutz und Sozialverwaltungsverfahren (SGB X) getroffen, Honorar in dieser Höhe aufgrund einer Nachberechnung der Degression für das Jahr 1997 von dem Kläger zurückzufordern. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit zum einen aus der entsprechenden Belastungsanzeige vom 12.10.2001 - Anlage zur Quartalsabrechnung II/2001 -. In dieser werden die einzelnen Berechnungsschritte (praxisindividuelle Punktmengengrenze, abgerechnete Gesamtpunktzahl, Punktmengenüberschreitung, Berechnungsformel, zu berücksichtigende Honoraranteile, Honorarabzug) dargestellt und der ermittelte Betrag rechnerisch hergeleitet; die Belastungsanzeige endet mit der klaren Aussage: "Diesen Honorarbetrag von DM 31.337,06 müssen wir von Ihnen zurückfordern". Ergänzend weist die Beklagte in ihrem Begleitschreiben vom 12.10.2001 - ebenfalls Anlage zur Quartalsabrechnung II/2001 - im Anschluss an die Darstellung unterschiedlicher Rechtsauffassungen zwischen ihr und den nordrheinischen Primärkrankenkassen/-verbänden ausdrücklich darauf hin, sie sei gezwungen, die in Rede stehenden Forderungen der Krankenkassen sicherzustellen. Aus formalen Gründen müsse daher mit der Quartalsabrechnung II/2001 im Wege eines Bescheides die für den Kläger individuell berechnete Rückforderung festgesetzt werden. In Verbindung mit der Lastschrift von 31.337,06 DM unter dem C 000 mit dem Buchungstext "Nachberechnung Degression 1997" lässt dies bei verständiger Würdigung aus der Sicht des Empfängers keine Zweifel daran, dass die Beklagte hier nicht lediglich eine Belastung angekündigt, sondern konkret festgesetzt hatte.
Sicherlich ist nicht zu verkennen, dass sich der Bescheid vordergründig bei oberflächlicher Lektüre im Ergebnis als nicht belastend darstellt. Denn der Lastschrift von 31.337,06 DM steht wenige Zeilen später eine Gutschrift in derselben Höhe gegenüber, so dass ein unbedarfter Leser von einem "Nullsummenspiel" ausgehen könnte, dem keine rechtlich erhebliche Bedeutung beizumessen sein möge. Indes weist bereits der Buchungstext "Vorläufige Aussetzung Nachberechnung Degression 1997" darauf hin, dass die Beklagte lediglich vorläufig von einer Realisierung der Rückforderung Abstand nehmen wollte. Im Einzelnen erhellt das von der Beklagten insoweit gewollte Vorgehen aus dem erläuternden Begleitschreiben vom 12.10.2001. Dieses stellt hinreichend deutlich klar, dass die Beklagte lediglich die Vollziehung, d. h. die Umsetzung der Rückforderung, solange auszusetzen beabsichtigte, bis eine höchstrichterliche Entscheidung die Basis auf 175.000 Punkte setzte. Nur in diesen Fall und erst dann sollte die in der Quartalsabrechnung ausgewiesene Degressionsbelastung für das Jahr 1997 wirksam werden. Vorher sollte es nicht zu einer Verrechnung mit Honoraransprüchen kommen, sofern nicht in Einzelfällen - z. B. bei Beendigung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit - zu prüfen sei, ob es bei der Aussetzung der Vollziehung bleiben könne. Mit der so erläuterten Vorgehensweise musste allen Vertragszahnärzten klar sein, dass mit dem Quartalsabrechnungsbescheid II/2001 dem Grunde nach bereits eine konkrete Honorarrückforderung verfügt worden war und lediglich deren Realisierung von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhing, nämlich der Bewertung der Rechtslage durch das BSG.
Dies hat zur Folge, dass Einwendungen gegen die Rückforderung von Honoraren aus dem Jahre 1997 durch Einlegung eines Widerspruchs gegen den Abrechnungsbescheid II/2001 hätten vorgebracht werden müssen. Hierzu gehört der von Zahnärzten mitunter angeführte Gesichtspunkt der Verjährung (vgl. zur vierjährigen Ausschlussfrist insofern BSG, Urteil vom 28.03.2007 - B 6 KA 28/06 R -) ebenso wie die von dem Kläger vorgetragene Problematik, inwieweit sich die abgerechnete Gesamtpunktmenge durch anderweitige Honorarkürzungsmaßnahmen reduziert (vgl. zur Reduzierung der abgerechneten degressionsrelevanten Gesamtpunktzahl durch anderweitige Kürzungsmaßnahmen erst im Zeitpunkt von deren Bestandskraft und damit im laufenden Kalenderjahr Urteil der erkennenden Kammer vom 02.12.1998 - S 2 KA 256/97 -). Indem der Kläger den Abrechnungsbescheid II/2001 hinsichtlich der Rückforderung aber nicht mit Rechtsbehelf angegriffen hat, ist dieser gemäß § 77 SGG für die Beteiligten in der Sache bindend geworden. Das führt dazu, dass die Beklagte aufgrund der Titelfunktion bestandskräftiger Verwaltungsakte unmittelbar aus dem Bescheid vollstrecken bzw. - wie hier - die Aussetzung der Vollziehung aufheben und die Rückforderung mit laufenden Honoraransprüchen verrechnen kann. Die Belastung des Zahnarztkontos des Klägers durch die Quartalsabrechnung I/2005 ist daher nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 1 des 6. Gesetzes zur Änderung des SGG sowie § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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