L 22 B 1331/07 R

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 7 R 265/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 B 1331/07 R
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Neuruppin vom 10. September 2007 geändert. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens zu erstatten. Die Beklagte trägt ebenfalls die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Beschwerdeverfahren.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrte im Hauptsacheverfahren die Erteilung eines Widerspruchsbescheides.

Mit Bescheid vom 02. Februar 2005 stellte die Beklagte ergänzend zu ihrem Feststellungsbescheid vom 06. Juni 2003 fest, dass die Voraussetzungen des § 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) erfüllt sind und dass ein Anspruch auf originäre Zusatzversorgung zum 31. Dezember 1991 nicht bestand.

Auf den dagegen am 14. Februar 2005 eingelegten Widerspruch teilte die Beklagte mit Schreiben vom 11. März 2005 mit, die Akte des Zusatzversorgungsträgers befinde sich beim Landessozialgericht für das Land Brandenburg. Sobald die Akte wieder vorliege, werde der Widerspruch geprüft.

Mit dem am 07. März 2007 eingegangenen Schreiben vom 05. März 2007 teilte der Kläger der Beklagten mit, Bezug nehmend auf letztgenanntes Schreiben werde nunmehr einer Entscheidung über den Widerspruch entgegengesehen. Diese erwiderte mit Schreiben vom 18. Mai 2007, dass der Widerspruch an die Widerspruchsstelle abgegeben worden sei, deren Entscheidung abzuwarten gebeten werde. Mit weiterem Schreiben vom 16. Mai 2007 (eingegangen am 21. Mai 2007) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 01. Juni 2007 auf, den Widerspruchsbescheid zu erteilen, anderenfalls werde Untätigkeitsklage erhoben.

Am 25. Mai 2007 erhob der Kläger beim Sozialgericht Neuruppin Klage auf Erteilung eines Widerspruchsbescheides zum Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. Februar 2005.

Nachdem die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2007 zurückgewiesen hatte, erklärte der Kläger mit Schriftsatz vom 16. Juli 2007 die Klage für erledigt und hat beantragt, der Beklagten die Kosten aufzuerlegen. Die Untätigkeitsklage sei zulässig und begründet gewesen. Der Widerspruchsbescheid sei erst nach Ablauf der gesetzten Frist erteilt worden.

Die Beklagte hat eine Übernahme der außergerichtlichen Kosten nicht für gerechtfertigt gehalten. Nach Rücklauf der Zusatzversorgungsakte sei der Widerspruch sofort bearbeitet worden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, dass die Akte des Zusatzversorgungsträgers beim Landessozialgericht und beim Bundessozialgericht vorgelegen habe.

Mit Beschluss vom 10. September 2007 hat das Sozialgericht entschieden, dass außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind: Die Beklagte habe zwar Anlass zur Klagerhebung gegeben. Sie habe jedoch einen zureichenden Grund gehabt, warum bis zur Klageerhebung über den Widerspruch noch nicht entschieden worden sei, nämlich das Nichtvorliegen ihrer Verwaltungsakte. Im Übrigen habe der Kläger die selbst gesetzte Frist nicht abgewartet.

Gegen den seinen Prozessbevollmächtigten am 17. September 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 19. September 2007 eingelegte Beschwerde des Klägers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Er trägt vor: Es sei nicht ersichtlich, dass in der Zeit vom 08. Februar 2005 bis Ende Mai 2007 es nicht möglich gewesen sei, die Verwaltungsakten vom Gericht zurückzufordern. Auch sei bei Ablauf der von ihm gesetzten Frist der Widerspruchsbescheid noch nicht erteilt gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Änderung des Beschlusses des Sozialgerichts Neuruppin vom 10. September 2007 die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), die bei der Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Das Sozialgericht hat zu Unrecht entschieden, dass die Beklagte die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens nicht zu tragen hat.

Nach § 193 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Es entscheidet auf Antrag durch Beschluss, wenn das Verfahren - wie hier - anders beendet wird.

Die zu treffende Kostenentscheidung hat nach sachgerechtem Ermessen des Gerichts zu ergehen. Nach Auffassung des Senats ist es sachgerecht, dass derjenige Beteiligte die außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt, der das Entstehen dieser Kosten veranlasst hat. Dies entspricht in der Regel billigem Ermessen. Grundsätzlich hat der voraussichtlich unterliegende Beteiligte die Kosten zu tragen, denn die Inanspruchnahme des Gerichts hat sich in diesem Fall als nicht gerechtfertigt erwiesen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine wesentliche Änderung der Sach- und Rechtslage während des gerichtlichen Verfahrens nicht eingetreten ist. Im Einzelfall kann ein anderes Ergebnis geboten sein, wenn vom Regelfall abweichende Gründe für die Klageerhebung und die Erledigung der Klage vorliegen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 8. Auflage, § 193 Rdnrn. 12 a bis 13 c).

Hiervon ausgehend hat die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen, denn sie hat die Untätigkeitsklage veranlasst. Die Untätigkeitsklage war nach § 88 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG zulässig, denn die Frist von 3 Monaten war gerechnet ab dem am 14. Februar 2005 eingelegten Widerspruch bei Klageerhebung am 25. Mai 2007 abgelaufen.

Es kann dahinstehen, ob einer zulässigen Untätigkeitsklage der Einwand treuwidrigen Verhaltens entgegengehalten werden kann, wenn ein Kläger trotz ausdrücklichen Einverständnisses mit der vorläufigen Nichtentscheidung über seinen Widerspruch oder trotz eines schlüssigen Einverständnisses durch stillschweigende über einen erheblichen Zeitraum sich erstreckende Duldung eines solchen Verhaltens der Behörde unvermittelt Klage erhebt, ohne der Behörde vorab Gelegenheit zu geben, das Widerspruchsverfahren fortzuführen. Ein solcher Sachverhalt ist vorliegend nicht gegeben, denn der Kläger erinnerte mit Schreiben vom 05. März 2007 an die Erteilung des Widerspruchsbescheides. Es kann auch offen bleiben, ob der genannte Einwand erfolgreich wäre, falls die Behörde innerhalb der Frist von drei Monaten, gerechnet ab der Erinnerung des Widerspruchsführers an die Fortsetzung des Widerspruchsverfahrens den Widerspruchsbescheid erteilt. Ein solcher Sachverhalt liegt hier ebenfalls nicht vor, denn ausgehend von dem am 07. März 2007 eingegangenen Schreiben vom 05. März 2007 erließ die Beklagte den Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2007 erst nach Ablauf dieser Frist. Der Kläger erhob zwar innerhalb dieser Dreimonatsfrist Untätigkeitsklage. Dies ist jedoch allein nicht entscheidend, denn mit dem Ablauf dieser Frist kann - dem Rechtsgedanken des § 88 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG entsprechend, wonach der Mangel der vorfristig erhobenen (unzulässigen) Klage geheilt wird, wenn während des Rechtsstreits die Frist verstreicht (Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 26. August 1994 – 13 RJ 17/94, abgedruckt in BSGE 75, 56 = SozR 3- 1500 § 88 Nr. 2) - der Einwand treuwidrigen Verhaltens jedenfalls nicht mehr erhoben werden.

Zureichende Gründe dafür, dass innerhalb der Frist des § 88 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGG der Widerspruch nicht hätte sachlich beschieden werden können, sind von der Beklagten, die insoweit darlegungspflichtig ist (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 88 Rdnr. 7), nicht vorgetragen. Die bezeichneten Gründe rechtfertigen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Überschreitung dieser Frist für die Erteilung des Widerspruchsbescheides.

Die Untätigkeitsklage soll sicherstellen, dass die Behörde den Berechtigten nicht durch Untätigkeit in seinen Rechten beeinträchtigen kann. Jener ist zumeist aber nicht in der Lage, eindeutig zu beurteilen, ob Untätigkeit, das heißt eine unberechtigte Verzögerung des Verwaltungsverfahrens bzw. Widerspruchsverfahrens gegeben ist. Ob und wie die Behörde das Verwaltungsverfahren bzw. Widerspruchsverfahren betreibt, liegt außerhalb seiner Erkenntnismöglichkeiten. Die Behörde hat somit einen Wissensvorsprung, der jedoch nicht dazu führen darf, dass der Berechtigte seine durch eine Untätigkeitsklage entstandenen außergerichtlichen Kosten allein deshalb zu tragen hat, weil sich rückschauend herausstellt, dass ein sachgerecht handelnder Berechtigter bei Kenntnis der Sachlage von dieser Klage abgesehen hätte. Letztlich ist somit in einem solchen Fall die fehlende Kenntnis vom Verfahrensstand ursächlich für die Klageerhebung.

Der Wissensvorsprung (das Wissensdefizit) lässt sich allerdings dadurch beseitigen, dass die Behörde die Gründe für die Nichtbescheidung mitteilt. Es kann grundsätzlich erwartet werden, dass die Behörde gegenüber dem Berechtigten tätig wird, wenn sie die Wartefrist, die zugleich Handlungsfrist ist, nicht einhalten kann. Daher ist eine Belastung der Behörde mit den außergerichtlichen Kosten des Berechtigten auch dann gerechtfertigt, wenn zwar sachliche Gründe für die Verzögerung des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens bzw. Widerspruchsverfahrens vorgelegen haben, diese dem Berechtigten durch die Behörde aber nicht mitgeteilt wurden.

Die Beklagte teilte dem Kläger zwar auf dessen am 14. Februar 2005 erhobenen Widerspruch gegen den Bescheid vom 02. Februar 2005 mit Schreiben vom 11. März 2005 mit, sie werde den Widerspruch prüfen, sobald die Akte des Zusatzversorgungsträgers ihr vorliegt. Aufgrund dessen durfte der Kläger davon ausgehen, dass die Beklagte diese Akte vom Landessozialgericht für das Land Brandenburg anfordert, denn dies entspricht der üblichen sachgerechten Vorgehensweise. Eine solche Absicht bestand bei der Beklagten jedoch nicht, wie das Schreiben vom selben Tag erkennen lässt, welches an die Verwaltungsstelle der Beklagten gerichtet war, die das gerichtliche Verfahren beim Landessozialgericht führte. Darin heißt es: "Bitte senden Sie uns die ZV-Akte nach Rücklauf vom LSG mit dem vorliegenden Band III zurück, damit der Widerspruch bearbeitet werden kann." Die Beklagte ließ den Kläger damit im Schreiben vom 11. März 2005 über die wesentliche Ursache dafür, dass der Widerspruch ersichtlich in absehbarer Zeit nicht beschieden werden wird, im Unklaren. Auch nachdem der Kläger nach zwei Jahren mit Schreiben vom 05. März 2007 an die Entscheidung über seinen Widerspruch erinnert hatte, reagierte die Beklagte zunächst überhaupt nicht; erst mit Schreiben vom 18. Mai 2007 informierte sie den Kläger über die Abgabe seiner Widerspruches an die Widerspruchsstelle, ohne einen Grund für die bisherige Nichtbearbeitung seines Widerspruches zu benennen. Angesichts dessen muss es - entgegen der Ansicht der Beklagten im Schriftsatz vom 09. Juli 2007 - nicht verwundern, dass der Kläger der Beklagten mit weiterem Schreiben vom 16. Mai 2007 eine Frist für die Erteilung des Widerspruchsbescheides setzte und im Anschluss daran Untätigkeitsklage erhob, denn aus seiner Sicht musste die Verwaltungsakte längst der Beklagten vorliegen.

Hat es die Beklagte somit unterlassen, dem Kläger den (wahren) Grund für den verzögerten Abschluss des Widerspruchsverfahrens anzugeben, trägt sie bereits deswegen dessen außergerichtliche Kosten.

Nichts anderes würde jedoch gelten, wenn dieser Grund offenbart worden wäre.

Eine Mitteilung gegenüber dem Berechtigten ist überhaupt nur sinnvoll und erforderlich, wenn tatsächlich sachliche Gründe einer Entscheidung entgegenstehen. In diesem Fall wird ein sachgerecht handelnder Berechtigter von der Erhebung einer Untätigkeitsklage absehen. Liegen jedoch solche Gründe schon nicht vor, soll gerade die Untätigkeitsklage die nichtberechtigte Verzögerung des Verwaltungsverfahrens bzw. Widerspruchsverfahrens beenden. Die Behörde hat in einem solchen Fall Veranlassung zur Klageerhebung gegeben und daher die außergerichtlichen Kosten des Berechtigten zu erstatten.

Vorliegend sind sachliche Gründe weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich.

Einziger Grund, weswegen über den Widerspruch des Klägers nicht entschieden wurde, war das Fehlverhalten der Beklagten nach Eingang des Widerspruches. Wird Widerspruch eingelegt, hat die Behörde alles Erforderliche zu veranlassen, damit über den Widerspruch entschieden werden kann. Soweit, wie hier, die Ermittlung von Tatsachen nicht erforderlich ist, weil ausschließlich über eine Rechtsfrage zu befinden ist, gibt es regelmäßig keinen Grund, die Entscheidung über den Widerspruch hinauszuzögern. Kann gleichwohl nicht entschieden werden, weil ausnahmsweise sich die Verwaltungsakte bei einer anderen Stelle befindet, ist die Behörde gehalten, unverzüglich ihre Verwaltungsakte zurückzufordern. Lediglich dann, wenn die andere Stelle trotz dieser Aufforderung die Verwaltungsakte nicht zurückgibt, kann ein sachlicher Grund für die der Behörde dann nicht zuzurechnende Verzögerung gegeben sein.

Die Beklagte hat nicht einmal den Versuch unternommen, ihre Verwaltungsakte vom Landessozialgericht zurückzuerhalten. Es ist von ihr auch nicht vorgetragen, dass dies deswegen nicht versucht worden sei, weil das Landessozialgericht die Verweigerung der Rückgabe der Verwaltungsakte bereits vorab angekündigt hätte.

Auch nach Eingang des Schreibens des Klägers vom 05. März 2007 lässt sich der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten nicht entnehmen, weswegen nunmehr nicht unverzüglich über den Widerspruch entschieden wurde. Wie einem Vermerk vom 02. April 2007 zu entnehmen ist, lag die Akte seit "Ende März", nach der "Gesamtvorgangshistorie" wohl am 19. März 2007, wieder vor. Nach einem weiteren Vermerk vom 16. April 2007 konnte das Widerspruchsschreiben nicht aufgefunden werden. Im Anschluss daran wurde die Akte offensichtlich zwischen verschiedenen Stellen innerhalb der Beklagten hin- und hergegeben, bevor sie dann am 18. Mai 2007 der Widerspruchsstelle, wie mit gleichlautendem Schreiben dem Kläger mitgeteilt, zugeleitet wurde. Eine solche Verfahrensweise genügt nicht den Anforderungen, die von einer sachgerecht handelnden Behörde erwartet werden können, selbst wenn berücksichtigt wird, dass die maßgebende Verwaltungsakte Teil eines umfangreichen Aktenpakets (7 Bände) war. Die Beklagte versäumte es offensichtlich, das Widerspruchsverfahren statistisch zu erfassen. Dies ergibt sich aus einem weiteren Vermerk unter Hinweis auf die "Verfahrensdokumentation-Versicherung".

Angesichts der von der Beklagten zu bewältigenden Massenverfahren mit, wie hier, mehreren nebeneinander anhängigen Rechtsbehelfsverfahren, ist zwar nachvollziehbar, dass es zu den aufgezeigten Mängeln der Sachbearbeitung kommen kann. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass die Behörde den Berechtigten durch Untätigkeit in seinen Rechten beeinträchtigt. Gerade für solche Fälle steht die Untätigkeitsklage zur Verfügung.

Mithin hat die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben. Unbeachtlich ist, dass der Kläger Untätigkeitsklage vor Ablauf der von ihn selbst der Beklagten eingeräumten Frist erhob. Der Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2007 wurde jedenfalls nicht vor Ablauf dieser Frist erlassen, so dass diese Tatsache nicht ursächlich kausal wurde.

Die Beklagte hat daher die außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens dem Kläger zu erstatten.

Eine gesonderte Kostenentscheidung ist erforderlich. Die frühere allgemeine Auffassung, dass in Verfahren nach § 183 SGG in der Beschwerdeentscheidung ein Ausspruch über eine Kostenerstattung grundsätzlich nicht zulässig sei (vgl. Rohwer-Kahlmann, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 176 Rdnr. 9, Stand 42. Lieferung-VIII-2004), kann seit dem Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (RVG) nicht mehr aufrecht erhalten werden (so auch Landessozialgericht - LSG - Rheinland-Pfalz Beschlüsse 06. August 2007 – L 3 B 307/06 AS und vom 13. November 2006 - L 6 B 221/06 SB; LSG Niedersachsen-Bremen vom 27. März 2007 – L 5 B 3/06 VG, jeweils zitiert nach juris). Sie wurde unter Hinweis auf § 116 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) damit begründet, dass alle Nebenverfahren wie auch Beschwerdeverfahren grundsätzlich mit der für das Betreiben des sozialgerichtlichen Verfahrens in einem Rechtszug entstandenen Gebühr abgegolten sind (vgl. Nachweise in Rohwer-Kahlmann, a. a. O.). Das RVG erfasst nunmehr jedoch auch insoweit Beschwerdeverfahren. Nach § 3 Absatz 1 Satz 1 RVG erhält der bevollmächtigte Rechtsanwalt im sozialgerichtlichen Verfahren eine Vertragsrahmengebühr, wenn das Gerichtskostengesetz nicht anwendbar ist (vgl. dazu § 197 a SGG). Nach § 18 Nr. 5 RVG sind – u. a. – Beschwerdeverfahren "besondere Angelegenheiten", die im Verhältnis zur Hauptsache zusätzliche Gebühren für den prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt selbst dann neben seinen Gebühren auslösen, wenn die Tätigkeit, die den Anlass zu der Beschwerde bildet, durch die Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens abgegolten wird, z. B. wenn sich die Beschwerde gegen ein die Prozessleitung betreffenden Beschluss richtet (vgl. Gerold/Schmidt - Müller-Rabe, § 18 RVG Rdnr. 38). Nach Gebührenziffer 3501 der Anlage 1 zum RVG (Vergütungsverzeichnis) fällt für ein Beschwerdeverfahren in Fällen des § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG eine eigene Gebühr (von 15,00 EUR bis 160,00 EUR) an.

Der auch unter der Geltung des RVG vertretenen Gegenmeinung (vgl. LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 12. Februar 2007 - L 4 B 246/06 R und LSG für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 06. Dezember 2006 - L 19 B 103/06 AS) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Zwar regelt das RVG nicht, ob und unter welchen Voraussetzungen vom Prozessgegner die Erstattung von nach dem RVG angefallenen außergerichtlichen Kosten gefordert werden kann. Auch trifft es zu, dass eine eigenständige Kostenentscheidung regelmäßig nur in einem Verfahren ergehen kann, dass von seinem Verfahrensgegenstand her vom Hauptsacheverfahren unabhängig ist (vgl. Bundessozialgericht, Beschluss vom 06. September 1993 – 6 RKa 25/91), und das Verfahren über die außergerichtlichen Kosten insoweit lediglich Annex zum Hauptsacheverfahren ist. Gleichwohl kommt auch in Nebenverfahren eine eigenständige Kostenentscheidung in Betracht, wenn die wegen dieses Nebenverfahrens angefallenen Kosten sonst nicht berücksichtigt werden können (so bereits zum früheren Recht: Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 6. Auflage § 176 Rdnr 5; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz, 31. ErgL. § 176 Rdnr 49 Bst aa und cc insbesondere für den Fall, dass die Kosten nicht im Rahmen der Kostenfestsetzung nach § 197 SGG berücksichtigt werden können). Ein solcher Sachverhalt liegt hier vor. Die einem Rechtsanwalt nach RVG zustehende Gebühr eines Beschwerdeverfahrens kann nicht als Teil der Verfahrensgebühr des Hauptsacheverfahrens verstanden werden. In analoger Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 3 SGG ist daher eine gesonderte Kostenentscheidung geboten, da ansonsten diese Kosten (zu Lasten des unterlegenen Prozessgegners) keine Berücksichtigung finden könnten.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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