L 9 U 4064/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2639/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4064/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 27. Februar 2002.

Der 1951 geborene Kläger, der bislang keine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezieht, hat vor dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall bereits mehrere weitere Arbeitsunfälle erlitten, darunter den vom 6. Mai 1993 (Knieverletzung links; klagabW.nder Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg [SG], vom 23. Juli 2003, Az S 9 U 940/02, nach Einholung eines Gutachtens des Orthopäden Dr. P. vom 30. Januar 2003, weil die 1998 durchgeführte Arthroskopie des linken Innenmeniskus nicht Unfallfolge und eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit [MdE] nicht verblieben sei) und den vom 15. November 2001 (rechten Ellenbogen angeschlagen mit traumatischer Bursitis olecrani, weswegen ein weiteres Berufungsverfahren unter dem Az L 9 U 3234/05 wegen Gewährung von Verletztenrente anhängig ist). Außerdem war der Kläger zur operativen Behandlung eines Sulcus ulnaris-Syndroms im September 2001 in stationärer Behandlung, nach welcher in der Folge am 4. Oktober 2001 noch eine Schwellung im rechten Ellenbogen bestand (Bericht Dr. Zabel vom 12. Oktober 2001).

Am 27. Februar 2002 stürzte der Kläger, als er in eine etwa 1,60 Meter tiefe Fahrzeuggrube hinabgehen wollte. Gemäß der Unfallanzeige vom 24. April 2002 rutschte er dabei aus und fiel mit beiden Händen auf den Grubenrand und stürzte mit beiden Knien gegen die Grubenwand. Gemäß den bei der ärztlichen Untersuchung gemachten Angaben, wie im Durchgangsarztbericht des Dr. R. vom 27. Februar 2002 festgehalten, war er ausgerutscht und mit beiden Knien und der Hand auf eine Eisenstange gefallen. Der Kläger selbst gab am 22. April 2002 an, er sei beim Hinabgehen in eine Fahrzeuggrube ausgerutscht und mit beiden Knien und der Hand auf eine "Eisenstage gefallen". Verletzt habe er sich das linke und rechte Kniegelenk sowie das linke und rechte Handgelenk.

Gemäß dem Durchgangsarztbericht von Dr. R. vom 27. Februar 2002 fanden sich bei der Röntgenuntersuchung des linken Handgelenks sowie des rechten und des linken Kniegelenks keine frischen knöchernen Verletzungen, am rechten Kniegelenk keine altersunüblichen degenerativen Veränderungen und am linken Kniegelenk eine leichte mediale Ausziehung im Sinne einer medial betonten GonarthR. nach Meniskusläsion. Die Diagnose lautete: Prellung/Stauchung linkes Handgelenk, stärker als rechts, Prellung und Schürfung rechts am distalen Oberschenkel zum Kniegelenk hin sowie am linken Schienbeinkopf. Ab 7. März 2002 war der Kläger, der am 4. März 2002 aus der ambulanten Behandlung entlassen wurde, laut Mitteilung von Dr. B.vom 16. Mai 2002 arbeitsfähig.

Im weiteren Durchgangsarztbericht vom 6. Mai 2002 diagnostizierte Dr. K. u. a. einen Zustand nach Handgelenkskontusion beidseits und einen Zustand nach Knieprellung beidseits. Der Kläger demonstriere sehr heftige Schmerzen am ganzen rechten Arm. Die Schulter und das Handgelenk seien nach Ablenkung weiterhin frei beweglich. An beiden Kniegelenken zeigten sich beginnende Degenerationen vor allem am lateralen Kniegelenkspalt und dorsal am Tibiaplateau Zeichen einer beginnenden RetropatellararthR ... Im Bereich der Handgelenke fanden sich diffuse leichte Degenerationen im Bereich der Handwurzel im Radiocarpalgelenk. Am 27. Juni 2002 machte der Kläger bei Dr. K. Rückenbeschwerden geltend, die er als mittelbare Folge des Unfalls aus dem Jahr 1993 sah.

Nach einem MRT des linken Handgelenks vom 21. Juni 2002 durch den Radiologen Dr. Boos (Bericht vom 24. Juni 2002) und Eingang weiterer Berichte von Dr. K. veranlasste die Beklagte eine Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T ... Über diese berichtete Prof. Dr. W. am 24. Juli 2002. Danach fanden sich degenerative Veränderungen hauptsächlich im Bereich des linken Handgelenkes und im Bereich des rechten Kniegelenkes sowie weniger stark ausgeprägt im Bereich des linken Kniegelenkes, die aber nicht als Unfallfolgen anzusehen seien. Es sei Arbeitsfähigkeit ab 12. Juli 2002 eingetreten. Gemäß einem Bericht des Dr. K. vom 20. August 2002 machte der Kläger nun Beschwerden hauptsächlich im Bereich der Schulter geltend, die jedoch keine sichere Traumafolge seien.

Die Beklagte holte ein Gutachten zur Zusammenhangsfrage ein, das Prof. Dr. W. mit Dr. K. am 28. Dezember 2002 erstellte. Bei der Untersuchung machte der Kläger Schmerzen in Hand- und Kniegelenken geltend. Die Gutachter diagnostizierten einen Zustand nach Prellung beider Hand- und Kniegelenke. Am linken Handgelenk und am linken Kniegelenk fänden sich degenerative Veränderungen im Sinne einer beginnenden ArthR., wobei im Hinblick auf den Zeitraum zwischen Unfall und Auftreten radiologischer Zeichen einer ArthR. der Unfall nicht als Ursache angesehen werden könne und die geklagten Beschwerden unfallunabhängig seien. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Beschwerden, die der Versicherte an Hand- und Kniegelenken angebe, mit dem Unfall sei ausgeschlossen. Ab Wegfall der Arbeitsunfähigkeit schätzten sie die unfallbedingte MdE auf 0 v.H. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten vom 28. Dezember 2002 verwiesen. Über den 6. März 2002 hinaus habe keine durch den Unfall vom 27. Februar 2002 bedingte Arbeitsunfähigkeit mehr vorgelegen.

Mit Bescheid vom 27. März 2003 und Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2003 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen über den 6. März 2002 hinaus, insbesondere die Gewährung von Verletztenrente, ab, weil eine messbare MdE nicht verblieben sei.

Deswegen hat der Kläger am 2. Juni 2003 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben mit dem Begehren, ihm Verletztenrente zu gewähren. Die Verletzung sei immer noch nicht ausgeheilt. Der Bericht von Prof. Dr. W. stehe nicht in Übereinstimmung mit den Angaben des Arztes ihm gegenüber, der ihn zuerst untersucht habe. Soweit Prof. Dr. W. auf degenerative Veränderungen hingewiesen habe, fehle es an einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Unfall nicht zu einer richtunggebenden Verschlimmerung geführt habe. Im übrigen stelle sich die Frage, ob Verletztenrente nicht unter Mitberücksichtigung der beiden weiteren Arbeitsunfälle zu gewähren sei.

Das SG hat auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. vom 5. Oktober 2004 eingeholt. Gegenüber Prof. Dr. L. hat der Kläger angegeben, er sei am 27. Februar 2002 vornüber in eine Fahrzeuggrube auf beide Knie und Hände gestürzt, wohl mit dem rechten Ellenbogen eingeknickt und dann noch mit der Schulter direkt aufgeschlagen. Sofort seien Schmerzen an den betroffenen Gelenken aufgetreten. Prof. Dr. L. ist im wesentlichen zum Ergebnis gelangt, an objektivierbaren Befunden fänden sich eine leichte O-Beinstellung beidseits mit beginnender KniegelenksarthR. beidseits, Narben am linken Kniegelenk nach Arthroskopie bei Meniskusläsion, eine mittelgradige EllenbogengelenksarthR. rechts und Narben am rechten Ellenbogen nach chirurgischer Neurolyse des Nervus ulnaris. Keine dieser Gesundheitsstörungen sei mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 27. Februar 2002 oder auf denjenigen vom 15. November 2001 sowie denjenigen vom 6. Mai 1993 zurückzuführen. Beim Unfall vom 27. Februar 2002 habe sich der Kläger gemäß dem Durchgangsarztbericht eine Prellung beider Handgelenke und eine Prellung und Schürfung des rechten Kniegelenkes und des linken Schienbeinkopfes zugezogen. Bei der Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen im Juni 2002 seien beide Schultergelenke frei beweglich gewesen. Mit überwiegender Wahrscheinlichkeit habe sich der Kläger am 27. Februar 2002 Prellungen im Bereich beider Kniegelenke und beider Handgelenke zugezogen, die folgenlos ausgeheilt seien. Die objektivierbaren Unfallverletzungen vom 27. Februar 2002 rechtfertigten eine Arbeitsunfähigkeit zwischen zwei und maximal sechs Wochen sowie eine Behandlungsbedürftigkeit für maximal sechs Wochen. Eine MdE sei nach Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit nicht verblieben und er stimme bezüglich des Ereignisses vom 27. Februar 2002 auch mit Prof. Dr. W. überein, wonach keine wesentlichen Folgen des Unfalls mehr vorlägen.

Mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2005 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Unfall vom 27. Februar 2002 habe eine MdE messbaren Grades nicht hinterlassen, was sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. W. und auch dem von Prof. Dr. L. ergebe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid verwiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 4. August 2005 Berufung eingelegt. Er trägt im wesentlichen vor, die bisher eingeholten Gutachten seien zu unzutreffenden Ergebnissen gelangt. Bei dem Unfall vom 27. Februar 2002 habe er sich auch Verletzungen der Rippenbögen und der Wirbelsäule zugezogen. Prof. Dr. L. habe nicht alle Unfallfolgen berücksichtigt. Bei dem Unfall sei er neben der Grube entlanggehend mit dem Fuß hängen geblieben und kopfüber in die Grube gestürzt. Er habe sich reflexartig mit den Händen abfangen wollen. Dabei sei er eingeknickt und auch mit Schulter und Rippen angestoßen. Die Aufprallwucht habe einem Kopfsprung aus über drei Metern entsprochen. Hierzu hat er unter anderem das Gutachten des Dr. Peters im Rechtsstreit S 9 U 940/02 vom 31. Januar 2003 betreffend den Unfall vom 6. Mai 1993 sowie die in einem Rechtsstreit gegen die gesetzliche Rentenversicherung eingeholten nervenärztlichen Gutachten des Dr. K. vom 11. Juni 2005 und des Prof. Dr. H. vom 27. Juni 2006, die unter anderem eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt haben, vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 8. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2003 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Februar 2002 Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 10 v.H. ab Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Unfall habe eine messbare MdE nicht hinterlassen.

Nach Anhörung des den Kläger seit 26. Juli 2004 behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. K.als sachverständigen Zeugen (schriftliche Aussage vom 18. April 2006) hat der Senat von Amts wegen ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. W. vom 17. November 2006 eingeholt. Er ist im wesentlichen zum Ergebnis gelangt, auf neurologischem Gebiet bestünden eine diskrete Restsymptomatik bei Sulcus ulnaris-Syndrom rechts sowie ein intermittierendes Wurzelreizsyndrom L 5/S 1 links bei Neuroforamensstenose ohne entsprechende neurologische Ausfälle. Auf psychiatrischem Gebiet bestehe ein Beschwerdebild, das in jüngster Zeit mit dem Titel der "Verbitterungsstörung" beschrieben werde, wenn es durch verschiedene Lebensereignisse zu Kränkungen komme, ohne dass diesen Lebensereignissen der Charakter des "nicht alltäglichen" anhaften müsse. Eine schwerwiegende psychische Störung sei nicht zu erkennen. Insbesondere könne er die Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung nicht klar nachvollziehen. All diese Gesundheitsstörungen könne er - über eine vorübergehende Verschlechterung eines vorbestehenden Sulcus ulnaris-Syndroms rechts (beim Unfall vom 15. November 2001) hinaus - in keinem Zusammenhang zu sehen mit dem Arbeitsunfall vom 27. Februar 2002 wie auch dem vom 15. November 2001. Die Gesundheitsstörungen seien nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf diese Unfälle zurückzuführen. Eine unfallbedingte MdE bestehe nicht. Das Gutachten von Prof. Dr. L. erachte er als schlüssig.

Außerdem hat der Senat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Sachverständigengutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. H. vom 14. Juli 2007 eingeholt. Er hat seine im Rentenrechtsstreit gestellte Diagnose einer somatoformen Schmerzstörung und psychischen Erschöpfung nach Auswertung der Unfallakten revidiert. Das Hauptkriterium eines andauernden schweren und quälenden Schmerzes sei nicht erfüllt. Es liege eine Entwicklung und ausgeprägte Fixierung körperlicher Beschwerden aus psychischen Gründen vor. Das Beschwerdebild sei also nicht körperlichen Ursprungs, sondern habe seine Wurzeln in primär persönlichen Zügen und psychosozialen Belastungen und sei bestimmt von unzutreffenden Wunschvorstellungen des Klägers. Auf neurologischem Gebiet fänden sich keine eindeutig fassbaren Störungen. Die Beschwerden im rechten Bein seien am ehesten pseudoradikulär. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Unfall vom 27. Februar 2002 sei nicht wahrscheinlich. Insofern stimme er mit Prof. Dr. L. und Prof. Dr. Dr. W. überein. Auch die linksseitigen Knie- und Lumbalbeschwerden seien nicht auf den Unfall vom 27. Februar 2002 zurückzuführen. Eine unfallbedingte MdE liege nicht vor.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten sowie die Gerichts- und Verwaltungsakten betreffend den Arbeitsunfall vom 15. November 2001 und die Gerichtsakten betreffend den Arbeitsunfall vom 6. Mai 1993 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligen nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Februar 2002.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles bei der Bemessung der MdE bzw. der Verletztenrente ist u.a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und einem Gesundheitserstschaden (haftungsbegründende Kausalität) und dem Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen Einwirkung und dem Gesundheitserstschaden sowie dem Gesundheitserstschaden und fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt im Bereich in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich- philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden. Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn (vgl. hierzu das grundlegende Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 17= BSGE 96, 196-209).

Die hier vorzunehmende Kausalitätsbeurteilung hat im Übrigen auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Dies schließt die Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet war, eine bestimmte körperliche Störung hervorzurufen (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - aaO).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente, da der Unfall vom 27. Februar 2002 nach Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und über die 26. Woche hinaus keine MdE messbaren Grades hinterlassen hat. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats schlüssig und nachvollziehbar sowohl aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Prof. Dr. W. und der Dr. K., welches durch das auf Antrag des Klägers vom SG eingeholte Sachverständigengutachten des Prof. Dr. L. bestätigt wurde. Danach lagen und liegen über den Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit hinaus keine mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 27. Februar 2002 zurückzuführenden Gesundheitsstörungen und funktionellen Einschränkungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet mehr vor und demzufolge auch keine MdE messbaren Grades. Insbesondere sind die vom Kläger geltend gemachten Schulter- und Wirbelsäulenbeschwerden - soweit sie überhaupt objektivierbar sind - nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf dieses Unfallereignis zurückzuführen. Nachgewiesen ist lediglich, dass sich der Kläger bei dem Sturz vom 27. Februar 2002 eine Prellung beider Handgelenke sowie eine Prellung und Schürfung des rechten Kniegelenkes und des linken Schienbeinkopfes zugezogen hat. Röntgenologisch und kernspintomographisch wurden knöcherne Schäden an den Handgelenken und Kniegelenken ausgeschlossen. Verletzungszeichen oder Funktionsstörungen im Bereich der rechten Schulter sind auch im Durchgangsarztbericht des Dr. R. vom 27. Februar 2002 nicht dokumentiert. Auch bei späteren Untersuchungen der rechten Schulter haben sich keine Verletzungshinweise ergeben. Bei der Untersuchung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Tübingen machte der Kläger Schmerzen in den Knie- und Handgelenken sowie in beiden Ellenbogen geltend. Beide Schultergelenke waren frei beweglich. Die bei der Untersuchung durch Prof. Dr. L. demonstrierten funktionellen Einschränkungen entsprachen nicht den bei Ablenkung beobachteten Bewegungsausmaßen. Befunde, die auf eine wesentliche funktionelle Einschränkung im Bereich der rechten Schulter hinweisen würden, liegen nicht vor. Die allein nachgewiesenen Verletzungen im Bereich beider Kniegelenke und Handgelenke sind folgenlos ausgeheilt und rechtfertigen die Annahme einer maximalen unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit von sechs Wochen. Danach und über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus ist eine unfallbedingte MdE messbaren Grades nicht nachgewiesen. Dies folgt für den Senat schlüssig sowohl aus dem Gutachten von Prof. Dr. W. und Dr. K. wie auch dem des Prof. Dr. L ... Soweit der Kläger zuletzt noch behauptet hat, bei dem Sturz am 27. Februar 2002 hätten Einwirkungen vergleichbar einem Kopfsprung aus über drei Metern vorgelegen, ist dies weder glaubhaft, noch nachgewiesen. Im übrigen fehlt es an jeglichen Nachweisen entsprechender primärer Verletzungen.

Darüber hinaus liegen und lagen nach dem Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit und über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus auch auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Gesundheitsstörungen vor, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen wären und eine MdE messbaren Grades bedingen würden. Dies folgt für den Senat schlüssig und überzeugend aus den Ausführungen von Prof. Dr. Dr. W ... Danach findet sich auf neurologischem Fachgebiet eine diskrete Restsymptomatik bei Sulcus ulnaris-Syndrom rechts sowie ein intermittierendes Wurzelreizsyndrom L 5/S 1 links bei Neuroforamenstenose ohne entsprechende neurologische Ausfälle, die nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 27. Februar 2002 zurückzuführen sind. Dasselbe gilt für die von Prof. Dr. Dr. W. als "Verbitterungsstörung" bezeichnete psychische Störung, die keinen schwerwiegenden Charakter hat. Sie ist auf die psychische Disposition des Klägers zurückzuführen und hätte auch durch andere Lebensereignisse, ohne dass diesen Lebensereignissen der Charakter des nicht alltäglichen anhaften muss, auftreten können. Ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit dem Unfall vom 27. Februar 2002 besteht nicht. Dem hat sich im übrigen im Ergebnis auch der auf Antrag des Klägers gehörte Nervenarzt Prof. Dr. H. angeschlossen, der auch seine frühere Diagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung und einer psychischen Erschöpfung nach Auswertung der Unfallakten revidiert hat.

Nachdem nach übereinstimmender Auffassung der gehörten Gutachter und Sachverständigen Unfallfolgen über die 26. Woche nach dem Ereignis vom 27. Februar 2002 hinaus nicht vorliegen und insofern auch keine MdE messbaren Grades festzustellen ist, hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen des Arbeitsunfalls vom 27. Februar 2002.

Da das SG zu Recht die Klage abgewiesen hat, ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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