L 9 U 4831/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2724/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4831/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Gewährung von höherem Verletztengeld.

Der am 15. Mai 1948 geborene Kläger ist als selbständiger Gärtnermeister bei der Beklagten pflichtversichert und hat bei dieser außerdem seit dem 28. Juni 1989 eine freiwillige Zusatzversicherung mit einem zusätzlichen Jahresarbeitsverdienst (JAV) in Höhe von 58.955,76 EUR abgeschlossen.

Nach § 44 Abs. 2 Satz 1 der Satzung der Beklagten in der Fassung bis 30. September 2004 galt der höhere JAV für die Berechnung der Geldleistungen an die Versicherten, mithin auch für die Berechnung des Verletztengeldes.

Aufgrund eines Beschlusses der Vertreterversammlung der Beklagten vom 22. Juni 2004, genehmigt vom Bundesversicherungsamt am 15. Juli 2004, wurde mit Wirkung ab 01. Oktober 2004 § 44 Abs. 2 der Satzung der Beklagten durch Anfügung der Sätze 3 und 4 ergänzt. Diese haben folgenden Wortlaut: "Abweichend von Satz 1 werden für die Berechnung des Verletztengeldes während der ersten 6 Wochen nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit lediglich 50 % des zusätzlichen Jahresarbeitsverdienstes angesetzt. Ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit ist für die Berechnung der gesamte zusätzliche Jahresarbeitsverdienst zu berücksichtigen." Die Änderung veröffentlichte die Beklagte in ihrem offiziellen Mitteilungsblatt "Guter Rat", das vierteiljährlich erscheint und an alle Mitglieder versandt wird, in der Ausgabe 3/04 vom September 2004, in der auch im redaktionellen Teil über die Änderung berichtet wurde. Die daneben beabsichtigte Übersendung eines Informationsschreibens mit der Beitragsanforderung für das Kalenderjahr 2004 erfolgte - jedenfalls im Falle des Klägers - nicht.

Der Kläger erlitt am 14. Oktober 2004 einen Arbeitsunfall. Infolge dessen war er vom 21. Oktober 2004 bis 22. März 2005 arbeitsunfähig krank.

Neben dem auf Grund der Pflichtversicherung gezahlten Verletztengeld gewährte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. April 2004 unter Bezugnahme auf vorherige Zwischenabrechnungen, u. a. vom 30. November und 7. Dezember 2004 sowie 19. Januar 2005, entsprechend der zum 1. Oktober 2004 in Kraft getretenen Satzungsregelung für die ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit aus der Zusatzversicherung unter Zugrundelegung des um 50% gekürzten zusätzlichen JAV Verletztengeld nur in Höhe von kalendertäglich 65,51 EUR und ab 2. Dezember 2004 dann in Höhe von 131,01 EUR.

Zu seinem fristgerecht erhobenen Widerspruch trug der Kläger im wesentlichen vor, die entgegen der bisherigen Übung vorgenommene Kürzung des Verletztengeldes auf 50 % innerhalb der ersten sechs Wochen der Arbeitsunfähigkeit sei nicht nachvollziehbar. Die Beklagte sei nicht befugt, durch bloße Satzungsänderung eine mit zusätzlichen Beiträgen erkaufte zusätzliche Leistung einseitig zu ändern. Zumindest für die Zeiten vor Kenntnis der Satzungsänderung sei er von der Karenzregelung auszunehmen. Von der Satzungsänderung sei ihm nichts bekannt gewesen.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2005 zurück. Der Bescheid beruhe auf der zum 01. Oktober 2004 in Kraft getretenen Satzungsänderung, die von der Vertreterversammlung beschlossen und vom Bundesversicherungsamt genehmigt worden sei. Die Satzungsänderung und die Genehmigung durch das Bundesversicherungsamt sei den Mitgliedern in der Ausgabe des offiziellen Mitteilungsorgans "Guter Rat" in der Ausgabe 3/04 rechtzeitig mitgeteilt worden.

Deswegen hat der Kläger am 18. Juli 2005 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und geltend gemacht, die Satzungsänderung sei rechtswidrig. Er habe über viele Jahre hinweg einen zusätzlichen Mehraufwand unter der ausdrücklichen Prämisse geleistet, dass ihm vom ersten Tag an auch das volle Verletztengeld zustehe. Die zusätzlich eingekauften Leistungen könne die Beklagte nicht einseitig durch Satzungsänderung in ihrem Kernbestand auf die Hälfte reduzieren. Zumindest hätte sie eine Übergangsfrist vorsehen müssen und ihn auch über die Änderung informieren müssen. Das im Widerspruchsbescheid genannte Informationsheft habe er nicht erhalten. Im Falle einer rechtzeitigen Information hätte er auf die Änderung "bestimmt reagiert".

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Änderung der Satzung und die Einführung einer Karenzzeit sei im Rahmen des bestehenden Ermessenspielraums erfolgt. Das Bundesversicherungsamt habe der Satzungsänderung und dem damit verbundenen Eingriff auch zugestimmt und lediglich eine rechtzeitige Information der Zusatzversicherten gefordert, die mit der Septemberausgabe des amtlichen Mitteilungsblattes "Guter Rat", das jeder versicherte Unternehmer regelmäßig erhalte, erfolgt sei.

Mit Urteil vom 23. August 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe das Verletztengeld zutreffend nach der ab 01. Oktober 2004 geltenden Regelung berechnet und zutreffend während der ersten sechs Wochen nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit lediglich 50 % des zusätzlichen JAV angesetzt. Die betreffende Satzungsregelung sei auch weder formell, noch materiell zu beanstanden, insbesondere ordnungsgemäß beschlossen und genehmigt worden und verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Der Kläger könne sich auch nicht auf Vertrauen in den Fortbestand der bis zum 30. September 2004 geltenden Regelung berufen, denn die Abänderbarkeit von Leistungsbestimmungen aus der freiwilligen Zusatzversicherung mit einem höheren JAV sei systemimmanent. Im übrigen habe die Beklagte den Mitgliedern ein Sonderkündigungsrecht eingeräumt. Die Beklagte habe die geänderten Satzungsbestimmungen auch ordnungsgemäß in ihrem öffentlichen Mitteilungsblatt "Guter Rat" bekannt gemacht. Soweit der Kläger vortrage, er habe dieses nicht erhalten, erachte die Kammer das als nicht glaubhaft, sondern als ziel- und zweckgerichtetes Vorbringen.

Gegen das am 25. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. September 2006 Berufung eingelegt, mit welcher er auch für die Zeit vom 21. Oktober bis 01. Dezember 2004 die Gewährung von Verletztengeld insgesamt in Höhe von kalendertäglich 131,01 EUR begehrt. Die Beklagte sei beweispflichtig für den Zugang der rechtzeitigen Information und habe diesen nicht bewiesen. Im übrigen möge zwar ein Satzungsgeber einseitig die Satzung ändern können, doch hätte die Beklagte hier im Hinblick auf Artikel 14 Grundgesetz (GG) Übergangsfristen einräumen müssen. Damit sei die Satzungsänderung unzulässig.

Der Kläger beantragt zum Teil sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. April 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. Juni 2005 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 21. Oktober 2004 bis zum 01. Dezember 2004 ein zusätzliches Verletztengeld aus der freiwilligen Unfallversicherung in Höhe von 131,01 EUR abzüglich bereits gezahlter 65,51 EUR kalendertäglich zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist im wesentlichen auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat die Beteiligten auf die Möglichkeit der Entscheidung im Wege des Beschlusses nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen und mitgeteilt, es sei beabsichtigt entsprechend dieser Vorschrift zu verfahren. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, hierzu Stellung zu nehmen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Auf seine Einwände wurde dem anwaltlich vertretenen Kläger nochmals mitgeteilt, dass auch unter Berücksichtigung seines Vorbringens beabsichtigt ist, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden.

Das SG hat nach dem Ergebnis der Prüfung durch den Senat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die Berechnung des hier vom Kläger beanspruchten Verletztengeldes dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte das Verletztengeld zutreffend berechnet hat und insbesondere die dem zugrunde liegende Satzungsänderung ab 01. Oktober 2004 formell und materiell nicht zu beanstanden ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist lediglich anzumerken, dass die Beklagte ihren Informations- und Veröffentlichungspflichten auch zur Überzeugung des Senats nachgekommen ist. Bei der Satzungsänderung handelt es sich nicht um einen nach den Bestimmungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - § 37 SGB X - dem Versicherten persönlich bekannt zu gebenden Verwaltungsakt, sondern um vom Satzungsgeber - hier der Vertreterversammlung der Beklagten - gesetztes Recht, das nach § 34 Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) öffentlich bekannt zu geben ist, wobei die Art der Bekanntmachung wiederum in der Satzung zu regeln ist (§ 34 Abs. 2 Satz 3 SGB IV). Dieses Publizitätsgebot ist Ausfluss des Rechtsstaatsgebots aus Art. 20 Grundgesetz. Nach § 47 Abs. 1 der Satzung der Beklagten wird die Satzung - und damit auch eine Satzungsänderung - vom Vorstand in dem Mitteilungsblatt "Guter Rat" veröffentlicht. Dies ist hier geschehen. Die Beklagte hat die Satzungsänderung in ihrem offiziellen Mitteilungsblatt im September 2004 ihren Versicherten mitgeteilt. Ein zusätzliches, darüber hinausgehendes individuelles Informationsschreiben an alle Versicherte, wie es zunächst beabsichtigt war, war nicht erforderlich, zumal dieses, wie zunächst vorgesehen, mit der Beitragsrechnung für das Jahr 2004 hätte übersandt werden sollen, die dem Kläger auch erst nach dem Eintritt des vorliegend zu entschädigenden Arbeitsunfalls zugegangen wäre.

Ob der Kläger die Veröffentlichung im offiziellen Mitteilungsblatt "Guter Rat" tatsächlich zur Kenntnis genommen oder übersehen hat, ist nicht maßgeblich. Möglicherweise hat er dies schlicht übersehen. Soweit er behauptet, er habe dieses Mitteilungsblatt überhaupt nicht erhalten, bestehen auch für den Senat gewisse Zweifel, doch war dem Kläger jedenfalls bekannt, dass das offizielle Mitteilungsblatt regelmäßig vierteljährlich erscheint. Der Nachweis, dass der Kläger tatsächlich Kenntnis von der Satzungsänderung hatte, ist mit der Veröffentlichung im hierfür satzungsgemäß bestimmten Mitteilungsblatt nach dem Grundsatz der formellen Publizität von Rechtsvorschriften zur Wirksamkeit in Bezug auf den Kläger nicht erforderlich.

Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass die Beklagte verpflichtet war, den Kläger individuell von der Satzungsänderung in Kenntnis zu setzen, würde das Fehlen dieser Information nicht dazu führen, dass der Kläger die begehrte Leistung beanspruchen kann. Auf die Wirksamkeit der Satzungsänderung, auch für den Kläger, hat dies keinen Einfluss. Soweit er auf den Gedanken des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches hinweist, könnte ein solcher, wenn seine Voraussetzungen erfüllt wären, auch nur dazu führen, dass der Kläger so gestellt würde, wie wenn er rechtzeitig informiert worden wäre. Aber auch in diesem Falle hätte er keinen Anspruch auf höheres Verletztengeld im strittigen Zeitraum.

Im übrigen handelt es sich bei der Satzungsänderung und dem damit verbundenen Einschnitt bezüglich der Leistungen auch nicht um eine einseitige Regelung wie zwischen zwei Vertragspartnern. Vielmehr handelt es sich um eine Regelung der von den Mitgliedern, also auch dem Kläger, gewählten Vertreterversammlung, die aus den vom SG ausführlich dargelegten Gründen nicht zu beanstanden ist.

Da der Kläger somit keinen Anspruch auf die begehrte Leistung hat, ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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