L 2 U 43/97

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 69 U 223/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 43/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 1997 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger wegen der Folgen des am 16. Januar 1995 erlittenen Arbeitsunfalls eine Verletztenrente beanspruchen kann.

An diesem Tage erlitt der 1934 geborene Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeit bei der K. R Spezialbau GmbH, bei der er seit 1985 als Monteur beschäftigt war, einen Unfall, als er beim Überqueren der Arnulfstraße in Berlin-Steglitz von einem von der Röblingstraße links abbiegenden Pkw angefahren wurde. In seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 23. Januar 1995 gegenüber dem Polizeipräsidenten, auf die der Kläger auf dem „Wegeunfallbogen“ der Beklagten Bezug nahm, gab er folgende Schilderung: „Die Stoßstange des Wagens stieß gegen mein rechtes Bein und ich fiel mit der rechten Schulter gegen den Seitenspiegel des Wagens; mein Kopf schlug auf den Wagen, dann fiel ich auf die Straße“.

In dem Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. Fa ( ...-Krankenhaus) vom 17. Januar 1995 über die am Vortag durchgeführte Untersuchung ist „Knieprellung rechts, Schürfung rechter Oberschenkel“ als Diagnose angegeben. Im Befund wurden ein Druckschmerz an der Außenseite des rechten Tibiakopfes bei freier, aber schmerzhafter Bewegung, ein Druckschmerz am körpernahen Innenbandansatz sowie Hautabschürfungen am rechten Oberschenkel festgestellt. Die Röntgenuntersuchung des rechten Knies ergab keine frische knöcherne Verletzung. Am 17. Januar 1995 stellte sich der Kläger erneut bei Prof. Dr. Fa vor und klagte über Schmerzen in der rechten Schulter, bei der Armhebung sowie über ein Taubheitsgefühl in der ganzen Hand. Außerdem bestehe seit dem Unfall eine herabgesetzte Berührungsempfindlichkeit im Fußbereich. In dem Zwiscshenbericht über die am 6. Februar 1995 erfolgte Untersuchung führte Prof. Dr. Fa aus, aus unfallchirurgischer Sicht bestehe bei dem Kläger eine Knieprellung rechts und eine Schulterprellung rechts. Es gebe keinen Anhalt für ein Schädelhirntrauma. Angesichts des „sehr unklaren Beschwerdebildes und der wechselnden Schmerzangaben ohne klinisches Korrelat“ wurde der Kläger am selben Tage von dem Chefarzt der Neurologisch/ Psychiatrischen Abteilung des ...-Krankenhauses Dr. Ba untersucht, der den Verdacht auf eine latente motorische und sensible Hemiparese rechts bei Aggravationstendenz äußerte und ausführte, peripher-neurogene Ausfälle im Sinne eines zervikalen oder lumbalen Wurzelirritationssyndroms sowie distale Nervenläsionen seien nicht abgrenzbar. Am 24. Februar 1995 wurde der Kläger aus der ambulanten Behandlung Prof. Dr. Fas, der ihn ab 20. Februar 1995 für arbeitsfähig hielt, entlassen.

Am 21. Februar 1995 begab sich der Kläger in die Behandlung der orthopädischen Praxis der Dr. Em, Fr und Dr. Ri, in deren Bericht vom 27. Februar 1995 „Wirbelsäulensyndrom, Zustand nach multiplen Prellungen und HWS-Distorsion“ als Diagnose angegeben und Arbeitsunfähigkeit bis 7. März 1995 angenommen wurde. In einer am 20. März 1995 von Dr. To durchgeführten Kopf-MR-Untersuchung wurde eine leicht betonte interne Hirnatrophie festgestellt. Ansonsten bestand ein unauffälliges MRT des Cerebrums ohne Nachweis posttraumatischer Veränderungen. In einem Zwischenbericht des Orthopäden Fr vom 29. März 1995 wurde aufgrund der Vorschädigung eine insgesamt achtwöchige Behandlung zu Lasten des Unfallversicherungsträgers für indiziert gehalten, wobei es sich um eine vorübergehende Verschlechterung eines vorbestehenden Leidens handele. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage Null vH. Nach einer weiteren Untersuchung am 31. März 1995 hielt Prof. Dr. Fa daran fest, dass es für die vom Kläger geklagten Beschwerden kein klinisches Korrelat gebe und Arbeitsfähigkeit am 20. Februar 1995 eingetreten sei.

Am 10. Mai 1995 suchte der Kläger das Oskar-Helene-Heim auf und wurde von dem Oberarzt Dr. Schu untersucht. Auf dessen Veranlassung erfolgte eine neurologische Untersuchung durch den Oberarzt der Neurologischen Klinik und Poliklinik des Virchow-Klinikums Dr. Be, der keine neurologischen Ausfälle und Auffälligkeiten fand und in seinem Bericht vom 26. Mai 1995 ausführte, die vom Kläger angegebene leichte diffuse Sensibilitätsstörung am rechten Bein lasse sich organisch nicht begründen. Er würde sie als Aggravation nach Prellung einstufen. Daraufhin äußerte auch Dr. Schu in seinem Bericht vom 10. Juni 1995 die Überzeugung, dass keine Arbeitsunfallfolgen mehr vorlägen, was der Kläger „offensichtlich nicht verstehen zu können bzw. nicht verstehen zu wollen“ scheine. Der Kläger reichte ein Attest des ihn behandelnden Arztes (Naturheilverfahren/Sportmedizin) A. H B vom 30. März 1995 ein, in dem es heißt, die aktuellen Beschwerden des Klägers im Bereich des rechten Unterschenkels, der rechten Ferse, des rechten Kniegelenks und auch im Bereich der rechten Schulter seien vor dem Unfall nicht Gegenstand seiner Behandlung gewesen.

Auf Anregung des Prof. Dr. Fa, bei dem sich der Kläger am 30. Juni 1995 erneut vorgestellt hatte, ließ die Beklagte ihn von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hi begutachten. Aufgrund der am 2. November 1995 durchgeführten Untersuchung kam dieser Arzt in dem Gutachten vom 9. November 1995 zu dem Ergebnis, bei dem Unfall sei es weder zu einem Hirntrauma noch zu einer besonderen psychosomatischen Verletzung gekommen, unfallunabhängig liege ein degeneratives Cervikalsyndrom mit behandlungsbedürftigen Beschwerden vor.

Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 15. Dezember 1995 die Gewährung einer Verletztenrente mit der Begründung ab, der Arbeitsunfall vom 16. Januar 1995 habe über die 13. Woche hinaus keine MdE in rentenberechtigendem Grade hinterlassen. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 19. Februar 1995 bestanden. Den Widerspruch des Klägers, mit dem er weitere Unfallfolgen, Schmerzen im Bereich des „rechten Gesichtes“ sowie beider Augen, Schwerhörigkeit des rechten Ohres, geltend machte, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 26. Februar 1996 zurück.

Zur Begründung seiner Klage reichte der Kläger die auf seine Veranlassung erstatteten Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. Pu vom 19. August 1996 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Hin vom 25. September 1996 ein. Dr. Pu führte u.a. aus, das stattgehabte HWS-Schleudertrauma dürfte in diesem Fall „richtungsweisenden Charakter“ gehabt und somit - zumindest teilweise - unfallbedingt einen Folgeschaden nach sich gezogen haben. Die Schulterverletzung sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch den Unfall hervorgerufen worden. Gegenbeweise seien bislang nicht erbracht worden. Die übrigen vom Kläger angegebenen Beschwerden in der rechten Wade, dem rechten Knie sowie im Schlüsselbein-Brustbein-Gelenk könnten nicht bewiesen bzw. nicht dem Unfall zugeordnet werden. Dr. Hin führte zusammenfassend aus, der Kläger habe am 16. Januar 1995 im Rahmen seines Sturzes mit Polytrauma einen adäquaten Unfall mit Schädigung der Halswirbelsäule sowie der übrigen Wirbelsäule und der gesamten rechten Körperhälfte neben einem wahrscheinlichen Schädelhirntrauma erlitten, der körperliche und psychische Dauerfolgen (chronifizierte körperliche und psychische Beschwerden und Gesundheitsstörungen mit Einschränkungen der Erwerbsfähigkeit und Minderung der Lebensqualität) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Sinne der „wesentlichen Ursache“ verursacht habe. Vom 16. Januar bis 19. Februar, 28. Februar bis 7. April 1995 sowie vom 2. Februar bis 14. Juni 1996 habe Arbeitsunfähigkeit bestanden. Der Grad der unfallbedingten MdE sei auf 100 % während der Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie 60 % vom 8. April bis 31. Juli 1995 50 % vom 1. August 1995 bis 1. Februar 1996 sowie vom 15. bis 30. Juni 1996 40 % vom 1. bis 31. Juli 1996 sowie 30 % ab 1. August 1996 auf Dauer einzuschätzen.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 7. März 1997 mit im Wesentlichen folgender Begründung abgewiesen: Der Kläger habe durch den Unfall lediglich eine Knieprellung rechts sowie eine Schürfung am rechten Oberschenkel davongetragen, die vor Ablauf der 13. Woche nach dem Unfalleintritt wieder folgenlos abgeheilt gewesen seien. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen sei auszuschließen, dass es zu einer kontusionellen Hirnschädigung, zu einer schweren Halswirbelsäulenverletzung oder zu einer Verletzung des Schulterbereichs gekommen sei. Die Ausführungen der Dres. Pu und Hin böten keine Grundlage für eine andere Beurteilung, weil sie von dem vom Kläger subjektiv vorgetragenen Beschwerdebild und nicht von den objektiven Gegebenheiten ausgingen.

Gegen den am 9. April 1997 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 6. Mai 1997 Be-rufung eingelegt und sich zur Begründung auf die von ihm im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten medizinischen Gutachten berufen.

Auf Veranlassung des Senats hat zunächst der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. G (Chefarzt der Neurologischen Abteilung des Krankenhauses Neukölln) am 3. Oktober 1997 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten über den Kläger erstattet. Er stellte eine Hörstörung rechts, eine vermehrte Reibesituation bei passiver Beweglichkeit im Schultergelenk und Kniegelenk rechts und eine Qualitätsempfindungsveränderung des Vibrationssinnes rechts als Ge-sundheitsstörungen fest. Das letztgenannte Leiden sei nicht Folge des Unfalls vom 16. Januar 1995. Hinsichtlich der orthopädischen Leiden empfehle er eine orthopädische Begutachtung.

Der Senat beauftragte daraufhin den Arzt für Orthopädie Dr. J mit der Erstattung eines Gutachtens und gab ihm auf, sich auch mit einem weiteren vom Kläger eingereichten „Sachverständigengutachten“ des Dr. Pu vom 22. Oktober 1997 auseinanderzusetzen, in dem dieser daran festhielt, dass die jetzigen Beschwerden des Klägers in der rechten Schulter und der Halswirbelsäule durch den Unfall verursacht bzw. erheblich verschlimmert worden seien. In dem Gutachten vom 19. Februar 1998 kam Dr. J zu dem Ergebnis, bei dem Kläger bestünden degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, eine Periarthropathie der rechten Schulter und des rechten Kiefergelenkes, die jedoch nicht Folgen des Ereignisses vom 16. Januar 1995 seien. Die eigentlichen Unfallfolgen mit multiplen Prellungen des rechten Schultergelenkes, rechten Beines und die HWS-Zerrung seien zwischenzeitlich abgeklungen. Es habe Arbeitsunfähigkeit bis zum 20. Februar 1995 und eine MdE von 10 vH bis ca. 20. Mai 1995 bestanden, danach von Null vH.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat den Chefarzt der Neurologischen Klinik der Landesklinik Teupitz Dr. F mit der Erstattung eines Gutachtens über den Kläger beauftragt. Er führte in seinem neurologischen Fachgutachten vom 17. August 1999 aus, bei dem Kläger liege als Unfallfolge eine posttraumatische Belastungsreaktion vor, wobei insbesondere psychische Faktoren in Rechnung zu stellen seien, die jedoch in ihrer Ausprägung als gering einzustufen seien. Die körperlichen Symptome seien mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unfallunabhängig. Die psychische Belastungsreaktion bedinge nach Eintritt der Arbeitsfähigkeit am 20. Februar 1995 eine MdE „in der Folgezeit für ca. drei Monate von 30 % und nach sechs Monaten auf Dauer von 10 %“.

Mit Schreiben vom 6. Dezember 1999 und 20. Januar 2000 nahm Dr. F auf Rückfrage des Gerichts erneut gutachterlich Stellung. Er stellte klar, dass bis August 1995 von einer MdE von 20 vH auszugehen sei. Zur Begründung seiner MdE-Einschätzung verwies der Sachverständige auf den von ihm beigefügten Auszug aus einem im Jahre 1999 gehaltenen Vortrag des Prof. Widder „Schleudertrauma/Leitlinien der Begutachtung - Bewährtes und Strittiges“.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 7. März 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15. Dezember 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Februar 1996 zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des am 16. Januar 1995 erlittenen Arbeitsunfalls Verletztenrente ab 21. Februar 1995 nach einer MdE von mindestens 30 vH zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf den Akteninhalt verwiesen. Der den Kläger betreffende Verwaltungsvorgang der Beklagten lag dem Senat vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Ihm steht, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, wegen der Folgen des am 16. Januar 1995 erlittenen Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Verletztenrente zu.

Nach § 581 Abs. 1 Nr. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO), der hier zur Anwendung kommt, weil der Versicherungsfall vor dem Außerkrafttreten des Dritten Buches der RVO am 31. Dezember 1996 (Art. 35 Nr. 1, 36 des Unfallversicherungseinordnungsgesetzes - UVEG - vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254, 1317) eingetreten ist (§ 212 Sozialgesetzbuch - Siebentes Buch - SGB VII -), wird, solange infolge des Arbeitsunfalls die Erwerbsfähigkeit des Verletzten um wenigstens ein Fünftel gemindert ist, als Verletztenrente der Teil der Vollrente gewährt, der dem Grade der MdE entspricht. Anspruch auf Verletztenrente besteht nur, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO).

Voraussetzung für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Verletztenrente ist, dass zwischen dem Unfallereignis und den bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowie der darauf gestützten überwiegenden Meinung im Schrifttum reicht für die Bejahung der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität die hinreichende Wahrscheinlichkeit aus (vgl. BSGE 45, 285, 286; 58, 76, 79; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 480 m). Hierunter ist eine Wahrscheinlichkeit zu verstehen, nach der bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286).

Der Senat ist nach Auswertung aller medizinischer Unterlagen, insbesondere der Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. G, Dr. J und Dr. F, sowie unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Gutachten des Dr. Pu vom 18. August 1996 und vom 22. Oktober 1997 sowie des Dr. Hin vom 25. September 1996, die als urkundlich belegter Beteiligtenvortrag im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung zu werten sind (BSG SozR § 118 SGG Nr. 3), zu der Überzeugung gelangt, dass es durch den Unfall vom 16. Januar 1995 zu multiplen Prellungen am rechten Bein und dem rechten Schultergelenk sowie zu einer Halswirbelsäulenzerrung gekommen war, die jedoch durch die sofort eingeleiteten Behandlungsmaßnahmen soweit gebessert wurden, dass ab 20. Februar 1995 Arbeitsfähigkeit eintrat und eine MdE in rentenberechtigendem Grade - jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten nach dem Ereignis - nicht bestand.

Das entnimmt der Senat dem Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen Dr. J vom 19. Februar 1998, das aufgrund einer eingehenden körperlichen Untersuchung des Klägers und nach sorgfältiger und umfassender Würdigung der in den Akten befindlichen medizinischen Unterlagen einschließlich des nachträglich zugesandten „Sachverständigengutachtens“ des Dr. Pu vom 22. Oktober 1997 erarbeitet wurde. Dr. J hat überzeugend dargelegt, dass die Folgen der - von ihm aufgrund der Unfallschilderung des Klägers unterstellten - HWS-Zerrung nach unfallärztlicher Erfahrung binnen weniger Monate abklängen, so dass die bei dem Kläger schon vor dem Unfall vorhandenen altersbedingten degenerativen Veränderungen allein verantwortlich für die von ihm noch geklagten Beschwerden seien. Die bei dem Kläger festzustellenden Reibegeräusche an beiden Schultergelenken seien als Zeichen altersgemäßer degenerativer Veränderungen zu werten.

Eine Abweichung zu den Gutachten des Dr. Pu vom 19. August 1996 und 22. Oktober 1997 ergibt sich nur in Bezug auf die Bewertung der Beschwerden des Klägers im rechten Schultergelenk und der Halswirbelsäule. Dr. Pu bewertet sie, obwohl er von einer Vorschädigung der Halswirbelsäule ausgeht, als Unfallfolgen, weil er seiner Bewertung die - durch die nach dem Unfall erfolgten Untersuchungen nicht belegten - Beschwerdeangaben des Klägers zugrunde gelegt hat und von der nach seiner Auffassung glaubhaften Versicherung des Klägers ausgegangen ist, dass dieser vor dem Unfall keine Beschwerden gehabt habe. Andererseits hat auch Dr. Pu einräumen müssen, dass sich für die vom Kläger geklagten Beschwerden an anderen Körperteilen, insbesondere dem rechten Bein, kein Korrelat finden lasse, das diese Angaben bestätigen könnte.

Der Senat folgt den Einschätzungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. J, die nicht wie die des Dr. Pu auf unklaren und teilweise widersprüchlichen Angaben des Klägers beruhen, sondern auf den Feststellungen der ihn nach dem Unfall auf unfallchirurgischem, orthopädischem und neurologisch-psychiatrischem Gebiet umfassend und nach den modernsten medizinisch-technischen diagnostischen Möglichkeiten behandelnden und begutachtenden Ärzte. Hiernach besteht kein Zweifel, dass die durch den Unfall erlittenen Verletzungen am rechten Bein und möglicherweise an der Halswirbelsäule und der Schulter spätestens am 20. Februar 1995 soweit gebessert waren, dass sie keine Arbeitsunfähigkeit mehr bedingten und spätestens nach Ablauf von drei Monaten keine MdE mehr verursachten, jedenfalls keine solche in rentenberechtigendem Grade von 20 vH.

Der Senat ist weiterhin davon überzeugt, dass der Kläger auch auf neurologisch-psychiatrischem Bereich keine Gesundheitsstörungen erlitten hatte, die seine Erwerbsfähigkeit länger als drei Monate in rentenberechtigendem Grade minderten. Das folgt aus den überzeugenden Gutachten des Dr. Hi vom 9. November 1995 und des gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. G vom 3. Oktober 1997 sowie dem Ergebnis der von Dr. Be am 22. Mai 1995 durchgeführten Untersuchung. Letzterer fand keine neurologischen Ausfälle und Auffälligkeiten und wertete die vom Kläger angegebene Sensibilitätsstörung am rechten Bein, die organisch nicht begründbar sei, als Aggravation nach Prellung. Dr. Hi schloss in seinem Gutachten vom 9. November 1995, wie zuvor schon die behandelnden Ärzte Prof. Dr. Fa, Dr. Ba und Dr. Be, ein Hirntrauma und besondere psychosomatische Verletzungen aus und kam zu dem Ergebnis, die Beschwerden an der deutlich vorgeschädigten Halswirbelsäule seien unfallunabhängig. In seiner Stellungnahme hat Dr. Hi, gestützt auf den EMG-Befund, die vom Kläger behaupteten Sensibilitätsstörungen als objektiv nicht vorhanden, somit als funktionell vorgetäuscht (simu-liert) bezeichnet. Bei dem Kläger liege eine weitgehend bewusste Fixierung und therapeutische Anspruchshaltung vor, wobei er sich bezüglich der zweifelsfrei vorhandenen massiven Vorschädigung uneinsichtig zeige. Entsprechende Äußerungen sind auch den Berichten der ihn nach dem Unfall behandelnden Ärzte zu entnehmen. Prof. Dr. G hat in seinem Gutachten vom 3. Oktober 1997 nach eingehender Würdigung aller medizinischer Unterlagen sowie der vom Kläger nachträglich eingereichten Atteste des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. Adler vom 24. Januar und 12. März 1996 die Einschätzung des Dr. Hi in vollem Umfang bestätigt und die Überzeugung geäußert, dass auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine Unfallfolgen mit Wahrscheinlichkeit feststellbar seien, die die Erwerbsfähigkeit des Klägers minderten.

Der Senat hat keine Bedenken, den Gutachten des Dr. Hi und des Prof. Dr. G, die mit den zeitnahen Erkenntnissen der erstbehandelnden Ärzte, insbesondere des Prof. Dr. Fa, Dr. Brasch und Dr. Be, übereinstimmen, zu folgen. Er teilt die Auffassung des Sozialgerichts, dass das Gutachten des Dr. Hin vom 25. September 1996 keine Grundlage für eine abweichende Beurteilung bietet, weil es sich auf den subjektiven Beschwerdeangaben des Kläger gründet und die objektiven Befunde der behandelnden Ärzte weitgehend unberücksichtigt lässt. Prof. Dr. G hat zu Recht darauf hingewiesen, dass das Gutachten vom 25. September 1996 gravierende Mängel aufweist, weil Befunde, die 17 Monate nach dem Unfall erhoben wurden, ohne kritische Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Befund auf den Unfall bezogen wurden. Diese Auffassung wird selbst von dem auf Antrag des Klägers zum Sachverständigen ernann-ten Dr. F in dessen Gutachten vom 17. August 1999 geteilt, der im Übrigen dem Kläger sowohl bei der Exploration als auch bei der neurologischen Untersuchung eine gewisse Aggravationstendenz bescheinigt und damit den Eindruck bestätigt hat, den zuvor schon mehrere den Kläger behandelnde bzw. begutachtende Ärzte gewonnen hatten. Auch im Übrigen bestätigt der Sachverständige lediglich die zuvor von den früheren Sachverständigen getroffenen Feststellungen und Bewertungen. Soweit er allerdings bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsreaktion als Unfallfolge erkannt hat, die die MdE bis August 1995 um 20 vH mindere, fehlt es an einer schlüssigen, für den Senat nachvollziehbaren Begründung. Obwohl der Sachverständige mit gerichtlichen Schreiben vom 10. November und erneut vom 9. Dezember 1999 aufgefordert wurde, den Versuch zu unternehmen, seine von der der früheren Sachverständigen abweichende MdE-Bewertung nachvollziehbar zu begründen, ist er eine plausible, den vorliegenden Fall betreffende Erläuterung schuldig geblieben. Er hatte zunächst in dem Gutachten „einige allgemeine, wissenschaftlich begründete Ausführungen“ zur Problematik des Beschleunigungstraumas der HWS gemacht (S. 16, 17) und sich dann damit begnügt, auf einen Aufsatz über Leitlinien der Begutachtung von HWS-Schleudertraumen zu verweisen. In dem vorliegenden Fall ist jedoch - und insoweit hat auch Dr. F keine Klarheit schaffen können - nicht gesichert, dass der Kläger ein HWS-Schleudertrauma erlitten hatte, zumal es, worauf bereits Dr. Hi hingewiesen hat, an einer Primärschädigung der Halswirbelsäule nach den eigenen Angaben des Klägers zum Unfallhergang fehlt. Dass bei dem Kläger eine für die ersten sechs Monate mit einer MdE von 20 vH zu bewertende posttraumatische Belastungsreaktion eingetreten sein soll, was zuvor noch von keinem der ihn behandelnden Ärzte oder Gutachter diskutiert wurde, ist von dem Sachverständigen, obwohl ihm mehrfach Gelegenheit eingeräumt wurde, nicht schlüssig begründet worden und daher für den Senat nicht nachvollziehbar.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Folgen des Unfalls vom 16. Januar 1995 nicht über die 13. Woche nach dem Ereignis hinaus um mindes-tens 20 vH gemindert war. Dem Kläger steht daher kein Anspruch auf Verletztenrente zu. Seiner Berufung musste der Erfolg versagt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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