L 4 R 2126/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 RA 3514/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2126/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. April 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht.

Die am 1960 in der Slowakei geborene Klägerin, die seit 1968 in Deutschland lebt, besuchte nach ihrem Hauptschulabschluss ein Jahr lang eine Handelsschule. Einen Beruf hat sie jedoch nicht erlernt. Sie war bei verschiedenen Arbeitgebern als Bürohilfe versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, zuletzt (von 1984 bis 1995) bei der Universität H. als Schreibkraft. Von 1996 bis 1998 absolvierte sie eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation, woran sich eine Beschäftigung bis 1999 bei der Universität H. anschloss. Dieses Beschäftigungsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrags. Die Klägerin bezog ab dem 04. Oktober 1999 Arbeitslosengeld, ab dem 30. August 2000 Krankengeld, ab dem 05. April 2001 erneut Arbeitslosengeld und ab dem 03. Oktober 2001 wieder Krankengeld. Von Januar bis Dezember 2003 war sie im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Helferin halbtags bei der Diakonie beschäftigt. Seither ist die Klägerin arbeitslos; zuletzt (seit Mitte 2005) bezog sie Arbeitslosengeld II.

Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet), bewilligte der Klägerin eine vom 19. Mai bis 30. Juni 1999 in der B. Klinik L. durchgeführte stationäre Rehabilitationsbehandlung. Nach dem ärztlichen Entlassungsbericht (ohne Datum, Blatt 42 bis 44 der Verwaltungsakte) war die Klägerin als arbeitsfähig entlassen worden; sie könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig verrichten.

Am 09. April 2001 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Sie verwies dabei auf ein Hals-, Brust- und Lendenwirbelsyndrom, einen Morbus Scheuermann und ein Impingement-Syndrom an der linken Schulter, wobei sie ärztliche Atteste und Arztbriefe vorlegte. Die Beklagte erhob daraufhin ein Gutachten durch den Orthopäden Dr. H. vom 25. Juli 2001. Er diagnostizierte ein chronisches cervikocephales Syndrom bei Wirbelsäulenfehlhaltung, ein chronisches Lumbalsyndrom bei diskreter Wirbelsäulenskoliose, ein Impingement-Syndrom linke Schulter (anhaltend trotz operativer Maßnahmen), eine Chondropathia patellae beidseits sowie Knicksenkspreizfüße. Die Klägerin könne Tätigkeiten als angelernte kaufmännische Angestellte sowie leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr verrichten. Vermieden werden sollten Biege- und Hebebelastungen der Wirbelsäule mit Lasten über zehn kg, Armhaltungen über 90 Grad, einseitige Armhaltungen und Arbeiten unter Zugluft. Im Übrigen habe sich bei der Untersuchung der Eindruck einer psychosomatischen Überlagerung aufgedrängt. Der beratende Arzt der Beklagten M. bestätigte in seiner Stellungnahme vom 17. August 2001 das Gutachten. Mit Bescheid vom 17. September 2001 lehnte die Beklagte die Rentengewährung ab, da die Klägerin trotz der bestehenden Diagnosen noch in der Lage sei, ihren bisherigen Beruf unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug vor, eine psychosomatische Untersuchung sei notwendig, da sie nicht mehr in der Lage sei, noch leichte Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden zu verrichten. Die Beklagte zog daraufhin einen ärztlichen Befundbericht des Facharztes für Orthopädie Dr. Sc. vom 20. Dezember 2001 bei, der als Diagnosen nannte: Cervicalsyndrom bei muskulärer Dysbalance, lumbales Pseudoradikalsyndrom, Partialruptur Supraspinatussehne ohne wesentliche Funktionseinschränkung und Chondropathia patellae beidseits. Die Klägerin sei nicht arbeitsunfähig. Arzt für Allgemeinmedizin W. teilte in seinem Befundbericht vom 10. Dezember 2001 mit, die Klägerin sei seit 21. November 2001 arbeitsunfähig. Er rege eine Rehabilitationsmaßnahme an. Die Beklagte bewilligte daraufhin eine Maßnahme der medizinischen Rehabilitation, die stationär vom 10. Mai bis 07. Juni 2002 in der Klinik Max. in B. W. durchgeführt wurde. Im ärztlichen Entlassungsbericht des Dr. Ma. vom 26. Juni 2002 wurden als Diagnosen angegeben: Impingement-Syndrom linke Schulter mit Verdacht auf Bursitis subacromialis, chronische rezidivierende Cervicocephalgie und chronische rezivierende Lumbalgie bei degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und muskulären Dysbalancen sowie psychovegetatives Erschöpfungssyndrom und schweres depressives Syndrom. Die Klägerin werde als arbeitsfähig entlassen, wobei sie noch in der Lage sei, als kaufmännische Angestellte sechs Stunden und mehr tätig zu sein. Die Klägerin könne auch noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Stehen, Gehen oder Sitzen vollschichtig verrichten. Nicht mehr möglich seien schweres Heben oder Tragen von Lasten (über zehn kg), Überkopfarbeiten sowie einseitige Haltungen des Oberkörpers. Die Beklagte erhob daraufhin ein Gutachten durch den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sch. vom 14. Februar 2003. Er diagnostizierte eine lavierte depressive Symptomatik, multiple Somatisierungsstörungen und eine beginnende Polyneuropathie der Beine. Die Tätigkeit als Aushilfskraft bei der Diakonie könne die Klägerin nur noch drei bis unter sechs Stunden verrichten. Im Rahmen der psychiatrisch-psychischen Problematik komme es zu einer erheblichen Einschränkung bzw. Gefährdung der Erwerbstätigkeit durch die Vorstellung der Klägerin, ihr gesamtes Wirbelsäulensystem (insbesondere die Halswirbelsäule) könne zusammenbrechen, wobei sie irreparable Schäden befürchte. Hintergrund hierfür sei eine depressive Symptomatik. Zu vermeiden seien Arbeiten mit sehr viel Stress, sehr viel Publikumsverkehr und einem hohen Maß an schnell zu erledigender Arbeit. Leichte Tätigkeiten seien daher nur noch drei bis unter sechs Stunden möglich. In der von der Beklagten veranlassten Stellungnahme vom 20. März 2003 teilte Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Mai.-B. zu diesem Gutachten mit, schwerwiegende Funktionsdefizite könnten dem nervenärztlichen Gutachten nicht entnommen werden. Auch der Umstand, dass die Klägerin einer beruflichen Tätigkeit nachgehe, widerspreche der Annahme einer quantitativen Leistungsminderung. Auch erfolge eine nervenärztliche Behandlung nicht, so dass kein hoher Leidensdruck vorliege. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 18. Juni 2003 zurückgewiesen. Die Klägerin sei noch in der Lage, in dem bisherigen Beruf als Bürokauffrau mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sie sei daher nicht erwerbsgemindert.

Hiergegen erhob die Klägerin am 02. Juli 2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Das Gutachten des Neurologen Dr. Sch. trage ihren Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die bei der Diakonie ausgeübte Tätigkeit in einem Umfang von vier Stunden täglich entspreche dem von Dr. Sch. festgestelltem Restleistungsvermögen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und bezog sich auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids.

Das SG hörte die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Allgemeinmediziner W. (Auskunft eingegangen beim SG am 28. August 2003) kam zu der Einschätzung, die Klägerin könne ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit und auch leichte Tätigkeiten nicht mehr verrichten, da orthopädische und psychische Erkrankungen dem entgegenstünden. Facharzt für Orthopädie Dr. Sc. (Auskunft vom 30. Oktober 2003) teilte mit, die Klägerin könne leichte Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten. Privatdozent Dr. Hö., Ärztlicher Direktor der S.-klinik (Auskunft vom 15. Juli 2004), teilte mit, die Klägerin sei vom 22. April bis 29. Juli 2004 stationär psychotherapeutisch behandelt worden. Nach Rückbildung der depressiven Störung und der Angststörung sei die Klägerin noch in der Lage, eine berufliche Tätigkeit als Angestellte im Schreibdienst sowie andere leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinem Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten. Weiter holte das SG über die berufliche Tätigkeit und Qualifikation der Klägerin die Auskünfte der Universität H. vom 01. September 2003 und des Evangelischen Kirchenbezirks F.-B. vom 04. September 2003 ein.

Das SG erhob ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. Hei., Chefarzt der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums A. W., vom 02. Dezember 2003. Danach bestehe eine Anpassungsstörung mit vorwiegender Beeinträchtigung von anderen Gefühlen. Die Kriterien für das Vorliegen einer auch leichten depressiven Episode seien nicht erfüllt, ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für eine somatoforme Störung vor. Die Klägerin habe Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie im Nacken beklagt. Neurologische Ausfallerscheinungen seien jedoch nicht nachweisbar. Zwar bestehe ein schädlicher Gebrauch von Alkohol, relevante Leistungseinschränkungen ergäben sich hieraus aber nicht. Hinweise auf eine beginnende Polyneuropathie hätten sich nicht bestätigt. Die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten sowie ihren bisherigen Beruf als Angestellte im Schreibdienst vollschichtig verrichten. Aufgrund der degenerativen Veränderung der Wirbelsäule sollten schwere Lasten (über zehn kg) nicht gehoben oder getragen werden. Zu vermeiden seien auch Arbeiten auf Leitern, häufiges Bücken, häufiges Treppensteigen, gleichförmige Körperhaltungen und Überkopfarbeiten. Eine Überforderung durch Akkordarbeit, Wechselschicht oder Nachtarbeit bzw. durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck müsse vermieden werden.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erstattete Arzt für Naturheilverfahren und Orthopädie Dr. Ha. ein Gutachten vom 07. Januar 2005. Er kam zu der Einschätzung, dass leichte Tätigkeiten in wechselnder Haltung auf dem allgemeinem Arbeitsmarkt vollschichtig möglich seien; einseitige Schreibtischtätigkeit sollte auf fünf bis sechs Stunden täglich beschränkt sein.

Mit Urteil vom 28. April 2005, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 03. Mai 2005 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Bei der Klägerin seien die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt, auch nicht diejenigen für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Die Klägerin sei noch in der Lage, körperlich leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung unter Beachtung qualitativer Ausschlüsse vollschichtig zu verrichten. Sie sei auch noch in der Lage, ihren bisherigen Beruf vollschichtig zu verrichten, wobei offen bleiben könne, ob als bisheriger Beruf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Schreibdienst oder die Umschulungstätigkeit (Bürokauffrau) anzusehen sei. Denn beide Tätigkeiten könne die Klägerin noch vollschichtig verrichten.

Gegen das Urteil hat die Klägerin am 25. Mai 2005 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Ihre Schmerzen und die entsprechenden Auswirkungen seien nicht genügend berücksichtigt worden, vor allem beim Gehen. Sie leide an hochgradigen Kopfschmerzen durch die Halswirbelsäule und habe große Beschwerden beim Stehen, Sitzen und Liegen. Dr. Ha. habe zudem auf die Einschränkung hingewiesen, dass eine einseitige Schreibtätigkeit auf fünf bis sechs Stunden täglich beschränkt werden müsse. Da sie als Büroangestellte im Schreibdienst und als Bürokauffrau tätig gewesen sei, liege vorliegend ein untervollschichtiges Leistungsvermögen vor. In diesem Zusammenhang hat die Klägerin unter anderem Befundberichte des Facharztes für Orthopädie Dr. P. (vom 25. Mai und 11. Juli 2005), des HNO-Arztes Dr. Be. (vom 13. Juni und 03. November 2005), der Radiologischen Praxis Dr. Gr. (vom 04. Oktober 2005), der HNO-Ärztin Dr. Sa. (vom 02. Januar und 13. Juni 2006), ein hausärztliches Attest des Allgemeinarztes W. (vom 03. Januar 2006) und einen Befundbericht der Universitäts-Hautklinik T. (vom 15. März 2006) vorgelegt. In den Berichten von Dr. Sa. und der Universitäts-Hautklinik T. wird mitgeteilt, dass die Klägerin an einer chronischen ekzematösen Entzündung der Ohren und des Naseneingangs leide. Die Klägerin hat weiter einen Befundbericht des Prof. Dr. Gre., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Plastische Chirurgie am M.-hospital S., vom 07. September 2007 vorgelegt, wonach ein Verdacht auf Discusläsion im Bereich des rechten Handgelenks bestehe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. April 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, weiter hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab 01. April 2001 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des SG für zutreffend.

Der Berichterstatter hat Facharzt für Orthopädie Dr. E. Hein. zum Sachverständigen bestimmt. In seinem Gutachten vom 12. April 2006 ist er zu folgenden Diagnosen gelangt: chronisches Cervicalsyndrom (Osteochondrose und Spondylose im Segment C 4/5), Nackenmuskelverspannungen, leichtgradige Diskopathie, rezidivierende Dorsalgie, Keilwirbelbildungen und Schmorlsche Knorpelknötchen, chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen, diskret ausgeprägte Bandscheibenprotrusion und leichtgradige Chondrose im Segment L 4/5 ohne Kompression der Nervenwurzeln, rezidivierende pseudoradikuläre Schmerzprojektion ohne Hinweis auf neurologische Ausfälle, Zustand nach Acromioplastik im Bereich der linken Schulter bei Restbeschwerden (kein Impingement nachweisbar), Reizzustand am rechten Handgelenk, gering ausgeprägte Patelladysplasie im Bereich beider Kniegelenke (rezidivierende chondropathische Beschwerden) und Senk-Spreizfüße. Tätigkeiten, die mit schwerer und überwiegend mittelschwerer körperlicher Arbeit verbunden seien, seien zu vermeiden. Außerdem sollten (auch leichte) Tätigkeiten vermieden werden, die in Zwangshaltungen - einschließlich einer rein sitzenden Tätigkeit - und in Extrempositionen durchgeführt würden bzw. mit häufig wiederkehrenden und rhythmischen, vorwiegend axial auf die Wirbelsäule einwirkenden Belastungen verbunden seien. Ebenso wenig seien Arbeiten, die in einseitiger Position ausgeführt werden müssten oder häufiges bzw. längeres Gehen oder Stehen erforderten, leidensgerecht. Zu vermeiden seien auch Arbeiten auf Gerüsten und Leitern sowie häufige Überkopfarbeiten und Tätigkeiten in Kälte oder unter Kälteeinfluss bzw. im Freien. Die Klägerin sei jedoch noch in der Lage, leichte und anteilig mittelschwere Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu verrichten.

Der Berichterstatter hat weiter die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. G.-P. zum Sachverständigen bestellt. In ihrem Gutachten vom 30. Oktober 2006 hat sie zu folgende Diagnosen genannt: narzisstische Persönlichkeitsstörung, schädlicher Alkoholmehrkonsum, beginnende Polyneuropathie der Beine nicht ausschließbar und Verdacht auf Spannungskopfschmerzen. Wegen der möglichen beginnenden Polyneuropathie der Beine sollten Einwirkungen von Staub, Gasen und Dämpfen vermieden werden. Wegen auswärts festgestellter chronischer ekzematöser Entzündungen in den Ohren sollten Arbeiten mit Publikumsverkehr vermieden werden. Wegen der Wirbelsäulensyndrome sollten schwere körperliche Arbeiten vermieden werden sowie Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über zehn kg, gleichförmige Körperhaltungen und häufiges Bücken. Die Klägerin sei jedoch noch in der Lage, Erwerbstätigkeiten von zumindest sechs Stunden täglich auszuüben. Bezüglich der Persönlichkeitsstörung bestehe kein ausgeprägter Leidensdruck und keine ausreichende Therapiemotivation.

Mit Schreiben vom 22. November und 19. Dezember 2007 sind die Beteiligten daraufhin gewiesen worden, dass beabsichtigt ist, durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten (2 Bände) sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 17. September 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Ihr steht ab dem 01. April 2001 keine Rente wegen voller oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung. Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzen¬anpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, 554) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser, als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und im welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach diesen Maßgaben ist die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Bei der Klägerin liegen zwar auf psychiatrischem und orthopädischem Fachgebiet verschiedene Erkrankungen vor, diese sind jedoch nicht so ausgeprägt, dass das Leistungsvermögen so weit gemindert wäre, dass volle oder teilweise Erwerbsminderung vorliegt.

a) Das Schwergewicht der Erkrankung der Klägerin liegt auf orthopädischem Fachgebiet. Der Senat entnimmt dem auf umfassenden Untersuchungen der Klägerin beruhenden orthopädischen Gutachten des Dr. E. Hein. vom 12. April 2006, dass die Klägerin insbesondere an Schmerzen im Bereich der Hals- und der Lendenwirbelsäule, im Bereich des rechten Kniegelenks sowie des rechten Handgelenks leidet. Zum einen bestehen Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule, die auf paravertebrale Muskelverspannungen und degenerative Veränderungen zurückzuführen sind. Im Bereich der Brustwirbelsäule besteht ein Zustand nach abgelaufenem Morbus Scheuermann mit Keilwirbelbildungen und Schmorlschen Knorpelknötchen. Zum anderen besteht ein chronisches Lumbalsyndrom mit pseudoradikulärer Schmerzausstrahlung. Des Weiteren leidet die Klägerin an Beschwerden in beiden Kniegelenken und an Schultergelenksschmerzen. Auch liegen Beschwerden im Bereich des rechten Handgelenks vor; dies wird auch durch den Befundbericht des Prof. Dr. Gre. vom 07. September 2007 bestätigt. Aus dem vom SG auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG erhobenen Gutachten des Dr. Ha. vom 07. Januar 2005 ergibt sich nichts Abweichendes. Mit diesen festgestellten Erkrankungen kann die Klägerin keine körperlich schweren oder überwiegend mittelschwere Tätigkeiten mehr ausüben. Außerdem muss die Klägerin (auch leichte) Tätigkeiten vermeiden, die in Zwangshaltungen (einschließlich einer rein sitzenden Tätigkeit) und in Extrempositionen durchgeführt werden bzw. mit häufig wiederkehrenden oder rhythmischen, vorwiegende axial auf die Wirbelsäule einwirkenden Belastungen verbunden sind. Zu vermeiden sind auch Arbeiten, die in einseitiger Position ausgeführt werden und die häufiges bzw. längeres Gehen oder Stehen erfordern. Heben und Tragen von schweren Gegenständen (bis zu zehn kg) sind ebenfalls nicht möglich. Aufgrund der Kniebeschwerden sind auch Arbeiten auf Gerüsten und Leitern nicht mehr möglich. Weiterhin kommen Tätigkeiten in Kälte, unter Kälteeinfluss oder im Freien nicht in Betracht.

Trotz der genannten qualitativen Einschränkungen ist die Klägerin jedoch noch in der Lage, eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin derartige Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Der Senat stützt sich hierbei insbesondere auf die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin durch den Gutachter Dr. Hei ... Dieser ist in seinem Gutachten vom 12. April 2006 nachvollziehbar und schlüssig zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten vollschichtig zu verrichten. Die Einschränkung von Dr. Ha., die Klägerin könne einseitige Schreibtischtätigkeiten nur noch fünf bis sechs Stunden täglich verrichten, kann durch einen Wechsel zwischen Sitzen und Stehen bewerkstelligt werden.

b) Die daneben auf psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen, insbesondere die Anpassungsstörung bei narzisstischer Persönlichkeitsstörung, die eventuell beginnende Polyneuropathie der Beine, der schädliche Alkoholmehrkonsum und Spannungskopfschmerzen rechtfertigen keine zeitliche Herabsetzung des Leistungsvermögens. Dies steht zur Überzeugung des erkennenden Senats aufgrund der nachvollziehbaren und schlüssigen nervenärztlichen Gutachten von Dr. T. Hei. vom 03. November 2003 und Dr. G.-P. vom 30. Oktober 2006 fest. Die Klägerin ist danach trotz der psychiatrischen Erkrankungen noch in der Lage, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Aufgrund der Anpassungsstörung muss jedoch eine Überforderung durch Akkordarbeit, Wechselschicht oder Nachtarbeit bzw. durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden. Dies gilt auch für besondere Anforderungen an Auffassung und Konzentration, eine erhöhte Verantwortung und eine besonders hohe geistige Beanspruchung.

Soweit Dr. Sch. in seinem Gutachten vom 14. Februar 2003 zu einem untervollschichtigem Leistungsvermögen der Klägerin gelangt, überzeugt diese Einschätzung nicht. Zum Einen wird diese Einschätzung nicht begründet, und zum Anderen sind die von ihm mitgeteilten Befunde durch die Gutachter beider Instanzen bei deren Begutachtung berücksichtigt worden. Dr. T. Heinrich hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Divergenz zu der Einschätzung von Dr. Sch. hingewiesen und nachvollziehbar dargelegt, dass sich ein untervollschichtiges Leistungsvermögen aufgrund der erhobenen Befunde nicht begründen lässt.

c) Die von Dr. Sa. (Attest vom 13. Juni 2006) und der Universitäts-Hautklinik T. (Bericht vom 15. März 2006) diagnostizierte chronische ekzematöse Entzündung der Ohren und des Naseneingangs führen nicht zu einer zeitlichen Einschränkung des Leistungsvermögens. Dr. G.-P. hat in ihrem Gutachten vom 30. Oktober 2006 zutreffend darauf hingewiesne, dass hierdurch allenfalls Tätigkeiten mit Publikumsverkehr vermieden werden sollten.

d) Soweit der Allgemeinmediziner W. in seiner Auskunft vor dem SG (dort eingegangen am 28. August 2003) die Klägerin nicht mehr in der Lage hält, leichte Tätigkeiten zu verrichten, überzeugt diese Einschätzung nicht. Zum Einen wird diese Einschätzung nicht begründet, und zum Anderen sind die von ihm mitgeteilten Befunde durch die Gutachter beider Instanzen bei deren Begutachtung berücksichtigt worden.

2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbminderung haben nach § 240 Abs. 1 SGB VI bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres auch Versicherte, die vor dem 02. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach dem die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs unter besonderen Anforderung ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Die Klägerin ist mit dem festgestelltem Leistungsvermögen noch in der Lage, ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit im Schreibdienst (Institutssekretärin) bzw. die Umschulungstätigkeit als Kauffrau für Bürokommunikation mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Wie sich aus der Auskunft der Universität H. vom 01. September 2003 ergibt, sind zwar bei der Tätigkeit als Angestellte im Schreibdienst überwiegend Arbeiten im Sitzen und an einem PC-Schreib-Arbeitsplatz zu erbringen. Hiermit im Zusammenhang stehen aber weitere Tätigkeiten, wie Botengänge, Kopieren oder Ablage. Durchgehende Zwangshaltungen können dadurch vermieden werden. Da die Klägerin diese Tätigkeit noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, ist sie nicht berufsunfähig, so dass sie auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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