Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 7266/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 20 B 1661/07 AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Beigeladenen wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 07. August 2007 abgeändert. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu ½ zu tragen.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist noch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Verfahren vor dem Sozialgericht streitig. In diesem war ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Übernahme von notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten für die Ausübung eines Umgangsrechts als Zuschuss streitig.
Der Kläger, Vater des bei der Mutter lebenden Kindes J H, bezog von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – und beantragte am 09. Januar 2006 bei dem Beklagten die Übernahme von im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Sohn entstandenen Fahrtkosten. Nachdem der Beklagte zu der Auffassung gelangt war, dass diese Kosten nach Vorlage von Belegen nach § 23 SGB II zu übernehmen seien, erstattete er für den Monat Januar 2006 Kosten in Höhe von 103,00 Euro für eine Bahnfahrt (Blatt 55, 58 Verwaltungsakte des Beklagten - VV -).
In der Folgezeit reichte der Kläger weitere Belege über verauslagte Fahrtkosten bei dem Beklagten ein. Dieser lehnte mit Bescheid vom 28. März 2006 den Antrag auf Übernahme von Fahrtkosten mit der Begründung ab, der Kläger sei unter Berücksichtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse in der Lage, die begehrte Sonderleistung aus eigenen Kräften und Mitteln zu erbringen. Eine Übernahme der Kosten sei nicht möglich, allenfalls könne ein Darlehen gewährt werden.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 01. August 2006 mit der weiteren Begründung zurück, die Kosten für den geltend gemachten Sonderbedarf seien bei der Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II nicht erfasst. Die planwidrige Regelungslücke sei verfassungskonform nur dadurch zu schließen, dass im Rahmen des § 23 Abs. 1 SGB II auch Bedarfe "erstattet" werden könnten, die nicht zu den Regelleistungen gehörten. Da der Kläger die begehrte Leistung ausdrücklich als Zuschuss und nicht als Darlehen beantragt habe, sei der Antrag abzulehnen gewesen.
Mit der am 14. August 2006 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2007 den Sozialhilfeträger beigeladen hatte, verwies dieser mit Schriftsatz vom 03. Juli 2007 auf seine dem Grunde nach bestehende Leistungspflicht, machte jedoch geltend, dass im Hinblick auf die Vorschriften über Einkommens- und Vermögensanrechnung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – eine weitere Prüfung zu erfolgen habe. Ein Antrag liege ihm nicht vor.
Nachdem der Beigeladene den Anspruch des Klägers auf Übernahme der Fahrtkosten zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit seinem Sohn dem Grunde nach anerkannt hatte, haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2007 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger hat eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beantragt.
Mit Beschluss vom 07. August 2007 hat das Sozialgericht dem Beklagten und dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zu ¼ auferlegt und im Übrigen entschieden, dass keine weitere Kostenerstattung zu erfolgen habe. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Kostentragungspflicht des Beklagten ergebe sich daraus, dass dieser durch sein widersprüchliches Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben habe, die Kostentragungspflicht des Beigeladenen folge daraus, dass dieser den Anspruch des Klägers in der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach anerkannt habe.
Gegen den ihm am 15. August 2007 zugestellten Beschluss hat der Beigeladene am 21. August 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 10. September 2007). Der Beigeladene macht geltend, er habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Wenn ein Verwaltungsträger einer Veränderung unverzüglich nach Kenntnis Rechnung trage, könne es nicht der Billigkeit entsprechen, ihm Kosten aufzuerlegen.
Der Beigeladene beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2007 insoweit aufzuheben, als er mit außergerichtlichen Kosten des Klägers belastet worden ist.
Der Beklagte macht geltend, er habe lediglich aus prozessökonomischen Gründen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin nicht angegriffen. Der Kläger sei auch mit dem Widerspruchsbescheid vom 01. August 2006 auf Alternativen zu einer Klageerhebung, etwa die Gewährung der begehrten Leistung als Darlehen, hingewiesen worden. Eine mögliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers habe der Kläger rundweg abgelehnt. Er, der Beklagte, habe schließlich im erstinstanzlichen Verfahren auf die klarstellende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hingewiesen. Eine Verschiebung der Kostenlast zu Ungunsten des Beklagten sei ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beigeladenen ist zulässig (§ 172 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung). Die Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht dem Beigeladenen außergerichtliche Kosten des Klägers auferlegt. Der Beklagte war mit einem weiteren Anteil von ¼ außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten, wenn das Verfahren – wie hier durch übereinstimmende Erledigungserklärung – anders als durch Entscheidung in der Sache beendet wird.
Die Entscheidung über die Kostentragung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Im Beschwerdeverfahren gegen eine erstinstanzliche Kostenentscheidung, hat das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf Fehler hin zu überprüfen und eine eigene Entscheidung zu treffen. Dass die Kostenentscheidung im Ermessen des Gerichts gestellt ist, heißt nicht, dass dem Sozialgericht ein nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum eingeräumt ist, vielmehr wird damit klargestellt, dass die Entscheidung über die Kosten nicht durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist (LSG Baden-Württemberg Beschluss v. 07.03.2005, L 11 KR 3402/04 AK-B m.w.N.). Im Beschwerdeverfahren ist die erstinstanzliche Entscheidung über die Verteilung der Kostenlast, auch wenn diese eine Quotelung oder eine Verteilung auf verschiedene Beteiligte vorsieht vollumfänglich überprüfbar, wenn ein Beteiligter Rechtsmittel einlegt. Das Verbot der reformatio in peius gilt nicht bei der Überprüfung von Kostenentscheidungen (BSG Urteil v. 10.09.1987, 10 RAr 10/86, SozR 4100 § 141 b Nr. 40; Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 193 Rn. 16). Der Senat konnte daher auf die Beschwerde des Beigeladenen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu Lasten des Beklagten abändern.
Eine sachgemäße Ermessensentscheidung hat alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wesentlich sind dabei die Erfolgsaussichten der Klage und die Frage, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat. Der Gesichtspunkt der Veranlassung der Klageerhebung hat Vorrang vor dem der Erfolgsaussicht der Klage (vgl. LSG NRW vom 09. Mai 2007, L 8 B 28/06 R, juris; ähnlich: Hess. LSG vom 07.02.2003, L 12 B 93/02 RJ, juris). Die Entscheidung, dass der Beigeladene ¼ der außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt, ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unbillig.
Der Beigeladene hat keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ihm war der vom Kläger geltend gemachte Bedarf vor Klageerhebung nicht bekannt, er hatte daher keine Möglichkeit, eine Leistungsverpflichtung zu prüfen und ggf. Leistungen zu gewähren. Erst mit der Beiladung vom 23. Mai 2007 konnte er eine Leistungsverpflichtung und Bescheiderteilung prüfen.
Auch aus dem anschließenden Anerkenntnis der Zuständigkeit folgt keine Kostentragungspflicht. Zwar ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der in dem Rechtsstreit unterliegt. Das Gericht muss dabei aber auch die Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene zeitnah nach Kenntnis von dem geltend gemachten Hilfebedarf anerkannt, dass er eine Leistungspflicht zu prüfen hat und ebenfalls schon mit Schriftsatz vom 03. Juli 2007 darauf hingewiesen, dass er zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit des Klägers nach den Vorschriften des SGB XII weitere Informationen benötigte. Prüffähige Unterlagen lagen ihm nicht vor, er konnte daher auch (noch) nicht das ihm im Rahmen des § 73 SGB XII eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausüben. Da der Beigeladene den Kläger hiervon unterrichtet hat und zudem im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2007 den Anspruch auf Bescheidung des Antrages des Klägers anerkannt hat, war kein Raum, ihn mit außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten.
Hingegen folgt aus dem Veranlassungsprinzip die Verpflichtung des Beklagten, jedenfalls ½ der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Zu Recht ist der Beklagte zwar mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 2006 davon ausgegangen, dass eine Leistungspflicht auf der Grundlage des § 20 SGB II für die geltend gemachten Kosten des Umgangsrechtes nicht bestanden hat. Zu Unrecht hat der Beklagte jedoch mit dem Widerspruchsbescheid den Kläger darauf verwiesen, dass eine darlehensweise Gewährung und nicht ein Zuschuss möglich ist und es unterlassen, den Antrag im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren an den Beigeladenen weiterzuleiten.
Rechtsirrtümlich ist der Beklagte dabei davon ausgegangen, dass überhaupt eine darlehensweise Gewährung der geltend gemachten Kosten auf der Grundlage des § 23 SGB II in Frage kommt. Da es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Umgangskosten um einen wiederkehrenden Bedarf handelt, war eine Leistungsgewährung ausgeschlossen. Der Anspruch war gegen den Beigeladenen auf der Grundlage des § 73 SGB XII zu richten (vgl. hierzu ausführlich: BSG Urteil vom 07.11.2006, B 7 B AS 14/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1, juris, Rn. 20). Der Beklagte hat bereits dadurch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, dass er mit der Begründung im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck gebracht hat, dass dem Grunde nach seine Zuständigkeit - allerdings nur für die Gewährung eines Darlehens - gegeben sei. Folgerichtig hat der Kläger daher sein Klagebegehren, die beantragte Leistung nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu erhalten, gegen den Beklagten gerichtet. Der Beklagte hatte zudem den Kläger dadurch in der Vorstellung bestärkt, eine Zuständigkeit sei gegeben, weil ihm für den Monat Januar 2006 die begehrte Leistung (rechtswidrig) auch gewährt worden war.
Gemäß § 16 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I – war der Beklagte gehalten, da der geltend gemachte Anspruch bei ihm als unzuständigen Leistungsträger gestellt worden war, den Antrag unverzüglich an den Beigeladenen weiterzuleiten. Eine außergerichtliche Klärung des geltend gemachten Bedarfs ist dem Kläger durch die unterlassene Weiterleitung erschwert worden.
Soweit der Beklagte im Beschwerdeverfahren geltend macht, er habe mit dem Widerspruchsbescheid den Kläger auf "nach dem damaligen Stand der Rechtssprechung" bestehende Alternativen zu einer Klageerhebung hingewiesen, kommt es darauf nicht an. Der Beklagte hat den Kläger nämlich in der Vorstellung belassen, es komme allenfalls ein Anspruch gegen ihn und nicht gegen den Sozialhilfeträger in Betracht.
Das Gesetz sieht darüber hinaus die Gewährung vorläufiger Leistungen durch den erstangegangen Leistungsträger bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen den Leistungsträgern vor (§ 43 SGB I). Der erstangegangene Leistungsträger hat in diesen Fällen Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte dies beantragt. Diese Vorschrift soll den Berechtigten vor Benachteiligungen schützen bei ungeklärter Zuständigkeit, sie ergänzt das Beschleunigungsgebot des § 17 SGB I (Seewald in: a. a. O. § 43 SGB I, Rn. 2). Hätte der Beklagte unabhängig von seiner damaligen Rechtsauffassung, die nicht vom Gesetz gedeckt war, den Beigeladenen von dem geltend gemachten Bedarf entsprechend § 16 Abs. 2 SGB I unterrichtet, so hätte bei einem Streit zwischen den Leistungsträgern auch eine Leitungspflicht des Beklagten auf der Grundlage des § 43 SGB I bestanden. Unabhängig davon ob hier nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen des § 73 SGB XII ein Anspruch auf die begehrte Leistung tatsächlich bestand, folgt aus § 43 SGB I jedenfalls, dass der erstangegangene Leistungsträger nicht untätig bleiben kann, wenn – wie bei Leistungen nach § 73 SGB XII – kein Entschließungsermessen eingeräumt ist (Seewald in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 43 SGB I, Rn. 7).
Da die Beklagte einerseits im Klageverfahren erfolgreich gewesen wäre, andererseits Anlass zur Klage gegeben hat, ist es angemessen, ihr jedenfalls die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte aufzuerlegen (vgl. BSG Urteil v. 16.05.2007, B 7b AS 40/06 R, juris). Auf die Beschwerde des Beigeladenen war der angefochtene Beschluss entsprechend zu Ungunsten des Beklagten zu ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war erforderlich, da hier mit der Beschwerde eine Entscheidung in dem Antragsverfahren nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG bei Erledigung der Hauptsache angefochten war. In diesen Fällen hat eine Kostenentscheidung zu ergehen (Meyer-Ladewig: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005 § 176 Rn. 5; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl., X Rn. 58; Mählicke in: HK-SGG, § 176 Rn. 5; Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 176 Rn. 9; LSG Niedersachsen-Bremen v. 27.03.2007, L5 B 3/06 VG, juris, Rn.: 18; LSG Rheinland-Pfalz vom 06.08.2007, L 3 B 307/06 AS, juris; a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz v. 12. 02.2007, L 4 B 246/06 R, juris).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Im Übrigen sind keine außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist noch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das Verfahren vor dem Sozialgericht streitig. In diesem war ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Übernahme von notwendigen Fahrt- und Unterkunftskosten für die Ausübung eines Umgangsrechts als Zuschuss streitig.
Der Kläger, Vater des bei der Mutter lebenden Kindes J H, bezog von dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – SGB II – und beantragte am 09. Januar 2006 bei dem Beklagten die Übernahme von im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem Sohn entstandenen Fahrtkosten. Nachdem der Beklagte zu der Auffassung gelangt war, dass diese Kosten nach Vorlage von Belegen nach § 23 SGB II zu übernehmen seien, erstattete er für den Monat Januar 2006 Kosten in Höhe von 103,00 Euro für eine Bahnfahrt (Blatt 55, 58 Verwaltungsakte des Beklagten - VV -).
In der Folgezeit reichte der Kläger weitere Belege über verauslagte Fahrtkosten bei dem Beklagten ein. Dieser lehnte mit Bescheid vom 28. März 2006 den Antrag auf Übernahme von Fahrtkosten mit der Begründung ab, der Kläger sei unter Berücksichtung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse in der Lage, die begehrte Sonderleistung aus eigenen Kräften und Mitteln zu erbringen. Eine Übernahme der Kosten sei nicht möglich, allenfalls könne ein Darlehen gewährt werden.
Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 01. August 2006 mit der weiteren Begründung zurück, die Kosten für den geltend gemachten Sonderbedarf seien bei der Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II nicht erfasst. Die planwidrige Regelungslücke sei verfassungskonform nur dadurch zu schließen, dass im Rahmen des § 23 Abs. 1 SGB II auch Bedarfe "erstattet" werden könnten, die nicht zu den Regelleistungen gehörten. Da der Kläger die begehrte Leistung ausdrücklich als Zuschuss und nicht als Darlehen beantragt habe, sei der Antrag abzulehnen gewesen.
Mit der am 14. August 2006 vor dem Sozialgericht Berlin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Nachdem das Sozialgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2007 den Sozialhilfeträger beigeladen hatte, verwies dieser mit Schriftsatz vom 03. Juli 2007 auf seine dem Grunde nach bestehende Leistungspflicht, machte jedoch geltend, dass im Hinblick auf die Vorschriften über Einkommens- und Vermögensanrechnung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – SGB XII – eine weitere Prüfung zu erfolgen habe. Ein Antrag liege ihm nicht vor.
Nachdem der Beigeladene den Anspruch des Klägers auf Übernahme der Fahrtkosten zur Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit seinem Sohn dem Grunde nach anerkannt hatte, haben die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2007 den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Der Kläger hat eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beantragt.
Mit Beschluss vom 07. August 2007 hat das Sozialgericht dem Beklagten und dem Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zu ¼ auferlegt und im Übrigen entschieden, dass keine weitere Kostenerstattung zu erfolgen habe. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Kostentragungspflicht des Beklagten ergebe sich daraus, dass dieser durch sein widersprüchliches Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben habe, die Kostentragungspflicht des Beigeladenen folge daraus, dass dieser den Anspruch des Klägers in der mündlichen Verhandlung dem Grunde nach anerkannt habe.
Gegen den ihm am 15. August 2007 zugestellten Beschluss hat der Beigeladene am 21. August 2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 10. September 2007). Der Beigeladene macht geltend, er habe keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Wenn ein Verwaltungsträger einer Veränderung unverzüglich nach Kenntnis Rechnung trage, könne es nicht der Billigkeit entsprechen, ihm Kosten aufzuerlegen.
Der Beigeladene beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 7. August 2007 insoweit aufzuheben, als er mit außergerichtlichen Kosten des Klägers belastet worden ist.
Der Beklagte macht geltend, er habe lediglich aus prozessökonomischen Gründen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin nicht angegriffen. Der Kläger sei auch mit dem Widerspruchsbescheid vom 01. August 2006 auf Alternativen zu einer Klageerhebung, etwa die Gewährung der begehrten Leistung als Darlehen, hingewiesen worden. Eine mögliche Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers habe der Kläger rundweg abgelehnt. Er, der Beklagte, habe schließlich im erstinstanzlichen Verfahren auf die klarstellende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - hingewiesen. Eine Verschiebung der Kostenlast zu Ungunsten des Beklagten sei ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitsstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Beigeladenen ist zulässig (§ 172 SGG in der bis zum 31. März 2008 geltenden Fassung). Die Beschwerde ist auch begründet. Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht dem Beigeladenen außergerichtliche Kosten des Klägers auferlegt. Der Beklagte war mit einem weiteren Anteil von ¼ außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss über die Kosten, wenn das Verfahren – wie hier durch übereinstimmende Erledigungserklärung – anders als durch Entscheidung in der Sache beendet wird.
Die Entscheidung über die Kostentragung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Im Beschwerdeverfahren gegen eine erstinstanzliche Kostenentscheidung, hat das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung auf Fehler hin zu überprüfen und eine eigene Entscheidung zu treffen. Dass die Kostenentscheidung im Ermessen des Gerichts gestellt ist, heißt nicht, dass dem Sozialgericht ein nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum eingeräumt ist, vielmehr wird damit klargestellt, dass die Entscheidung über die Kosten nicht durch zwingende gesetzliche Regelungen vorgegeben ist (LSG Baden-Württemberg Beschluss v. 07.03.2005, L 11 KR 3402/04 AK-B m.w.N.). Im Beschwerdeverfahren ist die erstinstanzliche Entscheidung über die Verteilung der Kostenlast, auch wenn diese eine Quotelung oder eine Verteilung auf verschiedene Beteiligte vorsieht vollumfänglich überprüfbar, wenn ein Beteiligter Rechtsmittel einlegt. Das Verbot der reformatio in peius gilt nicht bei der Überprüfung von Kostenentscheidungen (BSG Urteil v. 10.09.1987, 10 RAr 10/86, SozR 4100 § 141 b Nr. 40; Meyer-Ladewig/Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 193 Rn. 16). Der Senat konnte daher auf die Beschwerde des Beigeladenen die Kostenentscheidung des Sozialgerichts zu Lasten des Beklagten abändern.
Eine sachgemäße Ermessensentscheidung hat alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Wesentlich sind dabei die Erfolgsaussichten der Klage und die Frage, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben hat. Der Gesichtspunkt der Veranlassung der Klageerhebung hat Vorrang vor dem der Erfolgsaussicht der Klage (vgl. LSG NRW vom 09. Mai 2007, L 8 B 28/06 R, juris; ähnlich: Hess. LSG vom 07.02.2003, L 12 B 93/02 RJ, juris). Die Entscheidung, dass der Beigeladene ¼ der außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt, ist unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unbillig.
Der Beigeladene hat keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ihm war der vom Kläger geltend gemachte Bedarf vor Klageerhebung nicht bekannt, er hatte daher keine Möglichkeit, eine Leistungsverpflichtung zu prüfen und ggf. Leistungen zu gewähren. Erst mit der Beiladung vom 23. Mai 2007 konnte er eine Leistungsverpflichtung und Bescheiderteilung prüfen.
Auch aus dem anschließenden Anerkenntnis der Zuständigkeit folgt keine Kostentragungspflicht. Zwar ist es in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der in dem Rechtsstreit unterliegt. Das Gericht muss dabei aber auch die Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat der Beigeladene zeitnah nach Kenntnis von dem geltend gemachten Hilfebedarf anerkannt, dass er eine Leistungspflicht zu prüfen hat und ebenfalls schon mit Schriftsatz vom 03. Juli 2007 darauf hingewiesen, dass er zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit des Klägers nach den Vorschriften des SGB XII weitere Informationen benötigte. Prüffähige Unterlagen lagen ihm nicht vor, er konnte daher auch (noch) nicht das ihm im Rahmen des § 73 SGB XII eingeräumte Ermessen rechtmäßig ausüben. Da der Beigeladene den Kläger hiervon unterrichtet hat und zudem im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17. Juli 2007 den Anspruch auf Bescheidung des Antrages des Klägers anerkannt hat, war kein Raum, ihn mit außergerichtlichen Kosten des Klägers zu belasten.
Hingegen folgt aus dem Veranlassungsprinzip die Verpflichtung des Beklagten, jedenfalls ½ der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
Zu Recht ist der Beklagte zwar mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. März 2006 davon ausgegangen, dass eine Leistungspflicht auf der Grundlage des § 20 SGB II für die geltend gemachten Kosten des Umgangsrechtes nicht bestanden hat. Zu Unrecht hat der Beklagte jedoch mit dem Widerspruchsbescheid den Kläger darauf verwiesen, dass eine darlehensweise Gewährung und nicht ein Zuschuss möglich ist und es unterlassen, den Antrag im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren an den Beigeladenen weiterzuleiten.
Rechtsirrtümlich ist der Beklagte dabei davon ausgegangen, dass überhaupt eine darlehensweise Gewährung der geltend gemachten Kosten auf der Grundlage des § 23 SGB II in Frage kommt. Da es sich bei den vom Kläger geltend gemachten Umgangskosten um einen wiederkehrenden Bedarf handelt, war eine Leistungsgewährung ausgeschlossen. Der Anspruch war gegen den Beigeladenen auf der Grundlage des § 73 SGB XII zu richten (vgl. hierzu ausführlich: BSG Urteil vom 07.11.2006, B 7 B AS 14/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr. 1, juris, Rn. 20). Der Beklagte hat bereits dadurch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben, dass er mit der Begründung im Widerspruchsbescheid zum Ausdruck gebracht hat, dass dem Grunde nach seine Zuständigkeit - allerdings nur für die Gewährung eines Darlehens - gegeben sei. Folgerichtig hat der Kläger daher sein Klagebegehren, die beantragte Leistung nicht als Darlehen, sondern als Zuschuss zu erhalten, gegen den Beklagten gerichtet. Der Beklagte hatte zudem den Kläger dadurch in der Vorstellung bestärkt, eine Zuständigkeit sei gegeben, weil ihm für den Monat Januar 2006 die begehrte Leistung (rechtswidrig) auch gewährt worden war.
Gemäß § 16 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I – war der Beklagte gehalten, da der geltend gemachte Anspruch bei ihm als unzuständigen Leistungsträger gestellt worden war, den Antrag unverzüglich an den Beigeladenen weiterzuleiten. Eine außergerichtliche Klärung des geltend gemachten Bedarfs ist dem Kläger durch die unterlassene Weiterleitung erschwert worden.
Soweit der Beklagte im Beschwerdeverfahren geltend macht, er habe mit dem Widerspruchsbescheid den Kläger auf "nach dem damaligen Stand der Rechtssprechung" bestehende Alternativen zu einer Klageerhebung hingewiesen, kommt es darauf nicht an. Der Beklagte hat den Kläger nämlich in der Vorstellung belassen, es komme allenfalls ein Anspruch gegen ihn und nicht gegen den Sozialhilfeträger in Betracht.
Das Gesetz sieht darüber hinaus die Gewährung vorläufiger Leistungen durch den erstangegangen Leistungsträger bei einem Zuständigkeitsstreit zwischen den Leistungsträgern vor (§ 43 SGB I). Der erstangegangene Leistungsträger hat in diesen Fällen Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte dies beantragt. Diese Vorschrift soll den Berechtigten vor Benachteiligungen schützen bei ungeklärter Zuständigkeit, sie ergänzt das Beschleunigungsgebot des § 17 SGB I (Seewald in: a. a. O. § 43 SGB I, Rn. 2). Hätte der Beklagte unabhängig von seiner damaligen Rechtsauffassung, die nicht vom Gesetz gedeckt war, den Beigeladenen von dem geltend gemachten Bedarf entsprechend § 16 Abs. 2 SGB I unterrichtet, so hätte bei einem Streit zwischen den Leistungsträgern auch eine Leitungspflicht des Beklagten auf der Grundlage des § 43 SGB I bestanden. Unabhängig davon ob hier nach Ausübung pflichtgemäßen Ermessens im Rahmen des § 73 SGB XII ein Anspruch auf die begehrte Leistung tatsächlich bestand, folgt aus § 43 SGB I jedenfalls, dass der erstangegangene Leistungsträger nicht untätig bleiben kann, wenn – wie bei Leistungen nach § 73 SGB XII – kein Entschließungsermessen eingeräumt ist (Seewald in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, § 43 SGB I, Rn. 7).
Da die Beklagte einerseits im Klageverfahren erfolgreich gewesen wäre, andererseits Anlass zur Klage gegeben hat, ist es angemessen, ihr jedenfalls die außergerichtlichen Kosten des Klägers zur Hälfte aufzuerlegen (vgl. BSG Urteil v. 16.05.2007, B 7b AS 40/06 R, juris). Auf die Beschwerde des Beigeladenen war der angefochtene Beschluss entsprechend zu Ungunsten des Beklagten zu ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits. Eine Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens war erforderlich, da hier mit der Beschwerde eine Entscheidung in dem Antragsverfahren nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG bei Erledigung der Hauptsache angefochten war. In diesen Fällen hat eine Kostenentscheidung zu ergehen (Meyer-Ladewig: Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005 § 176 Rn. 5; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 3. Aufl., X Rn. 58; Mählicke in: HK-SGG, § 176 Rn. 5; Jansen, Sozialgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 176 Rn. 9; LSG Niedersachsen-Bremen v. 27.03.2007, L5 B 3/06 VG, juris, Rn.: 18; LSG Rheinland-Pfalz vom 06.08.2007, L 3 B 307/06 AS, juris; a.A. Landessozialgericht Rheinland-Pfalz v. 12. 02.2007, L 4 B 246/06 R, juris).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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