L 5 B 349/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 28 AS 1998/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 5 B 349/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Bemerkung
L 5 B 350/08 AS PKH
Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Potsdam vom 23. August 2007 werden zurückgewiesen. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten sind auch für die Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, ihr höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) zu gewähren.

Zum 01. Oktober 2002 mietete die seinerzeit im Sozialhilfebezug stehende, im September 1980 geborene Antragstellerin die sich aus dem Rubrum ergebende 52,88 m² große Einzimmerwohnung an. Zuvor hatte das Sozialamt der Stadt N das Wohnungsangebot, nach dem für die Wohnung eine Nettokaltmiete von 243,33 EUR sowie ein Betriebskosten- und ein Heizkostenvorschuss in Höhe von je 53,94 EUR, mithin insgesamt 351,21 EUR zu zahlen waren, "aufgrund der gegenwärtigen Situation der Antragstellerin und der Individualität der Sachlagengestaltung" als angemessen hinsichtlich der Kaltmiete anerkannt. Ergänzend hieß es in dem Schreiben vom 26. September 2002, dass die Größe der Wohnungseinheit zwar geringfügig über der anzuerkennenden Größe liege, die Kaltmiete mit 4,60 EUR/m² jedoch noch den vorgegebenen Richtwerten zur Anerkennung von angemessenen Unterkunftskosten entspreche.

Seit Januar 2005 steht die Antragstellerin im Leistungsbezug des Antragsgegners. Zum damaligen Zeitpunkt belief sich ihre monatliche Miete auf 376,96 EUR. Dieser Betrag setzte sich aus einer Grundmiete von 243,25 EUR, Betriebskostenvorauszahlungen von 51,12 EUR und einem Heizkostenvorschuss von 82,59 EUR zusammen.

Leistungen nach dem SGB II wurden ihr für das Jahr 2005 in Höhe von monatlich (wohl) 693,09 EUR gewährt. Bei der Berechnung dieses neben dem Regelsatz von 331,00 EUR Kosten der Unterkunft in Höhe von 362,09 EUR umfassenden Betrages hatte der Antragsgegner von den Heizkosten in Höhe von 82,59 EUR einen 18 %igen Abschlag für die Warmwasseraufbereitung vorgenommen und insoweit nur 67,72 EUR anerkannt.

Anfang November 2005 zeigte die Antragstellerin an, dass sich ihre Miete zum 01. Dezember 2005 auf 397,58 EUR erhöhen werde (Grundmiete 243,25 EUR, Betriebskostenvorschuss 51,59 EUR, Heizkostenvorschuss 102,74 EUR). Mit Schreiben vom 22. November 2005 wies der Antragsgegner sie daraufhin auf die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten hin und führte aus, dass in N für eine Person lediglich eine Miete von 245,00 EUR (ohne Heizkostenvorschuss) angemessen sei. Sie werde daher aufgefordert, bis zum 05. Januar 2006 nach Möglichkeiten der Verringerung der Mietkosten zu suchen. Ab dem 01. Februar 2006 würden die Unterkunftskosten nur noch in angemessener Höhe berücksichtigt werden. Weiter zahlte der Antragsgegner der Antragstellerin offenbar bereits für Dezember 2005 Leistungen zur Grundsicherung nur noch in Höhe von 670,84 EUR aus, wobei er bei den Heizkosten nur noch 45,00 EUR als angemessen akzeptierte (Regelsatz 331,00 EUR, Kosten der Unterkunft 339,84 EUR [Grundmiete 243,25 EUR, Betriebskostenvorschuss 51,59 EUR, Heizkostenvorschuss 45,00 EUR]).

In Höhe von 339,84 EUR gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin auch in der ersten Hälfte des Jahres 2006 Leistungen für Unterkunft und Heizung, weil er davon ausging, dass auf dem Wohnungsmarkt aktuell keine kleinen Wohnungen zur Verfügung stünden. Soweit die Gesamtleistungshöhe in diesen Monaten differierte, war dies zum einen der Angleichung der Regelsätze in Ost und West zum 01. April 2006 sowie einer Einkommensanrechnung in den Monaten Januar und Februar 2006 geschuldet (Bescheid vom 07. Dezember 2005 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 10. März 2006).

Im Juni 2006 legte die Antragstellerin ein Attest der Havellandklinik N - Tagesklinik für Psychiatrie - vor, nach dem sie sich dort seit Anfang Mai 2006 in teilstationärer Behandlung befand. In dem Schreiben heißt es, dass ihr aus gesundheitlichen Gründen ein Umzug zurzeit nicht zumutbar sei. Zur Stabilisierung müsse sie in ihrem gewohnten Umfeld und ihrer Wohnung verbleiben.

Für die zweite Hälfte des Jahres 2006 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen in Höhe von 689,84 EUR monatlich, wobei er als Kosten der Unterkunft nunmehr 344,84 EUR anerkannte. Dieser Betrag setzte sich aus der Grundmiete von 243,25 EUR, einem Betriebskostenvorschuss von 51,59 EUR und einem Heizkostenvorschuss von 50,00 EUR zusammen (Bescheid vom 29. Juni 2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05. Juni 2007, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007).

Im August 2006 erfuhr der Antragsgegner, dass bei der Antragstellerin bis einschließlich 14. August 2006 Mietrückstände in Höhe von 1.253,70 EUR aufgelaufen waren, woraufhin die Miete ab September 2006 nach Erteilung einer Abtretungserklärung durch die Antragstellerin in vollem Umfang unmittelbar an die Hausverwaltung überwiesen wurde. Zu diesem Zeitpunkt änderte sich auch die Miethöhe. Diese reduzierte sich nunmehr auf 389,60 EUR (Grundmiete 243,25 EUR, Betriebskostenvorschuss 47,97 EUR, Heizkostenvorschuss 98,38 EUR). Auswirkungen auf die der Antragstellerin für Unterkunft und Heizung gewährten Leistungen hatte dies - soweit ersichtlich - nicht.

Für den Zeitraum vom 01. Januar bis zum 30. Juni 2007 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin unverändert Leistungen in Höhe von 689,84 EUR (Bescheid vom 30. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Januar 2007, dieser in der Fassung des Änderungsbescheides vom 05. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007). Als Kosten der Unterkunft erkannte er unverändert 344,84 EUR an (Grundmiete 243,25 EUR, Betriebskostenvorschuss 51,59 EUR, Heizkostenvorschuss 50,00 EUR).

Für Juli 2007 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Erhöhung des Regelsatzes auf 347,00 EUR bei gleichbleibendem Ansatz von 344,84 EUR für die Kosten der Unterkunft insgesamt Leistungen in Höhe von 691,84 EUR (Bescheid vom 05. Juni 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007).

Zum 01. August 2007 stieg die Miete der Antragstellerin auf 396,61 EUR (Grundmiete 243,25 EUR, Betriebskostenvorschuss 46,60 EUR, Heizkostenvorschuss 106,76 EUR). Der Antragsgegner gewährte der Antragstellerin für den Zeitraum von August bis Dezember 2007 Leistungen in Höhe von 686,85 EUR (Bescheid vom 05. Juni 2007 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 09. Juli 2007, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2007). Dieser Betrag setzte sich aus dem Regelsatz in Höhe von 347,00 EUR sowie Unterkunftskosten in Höhe von 339,85 EUR zusammen. In letztgenannten Betrag flossen die Grundmiete mit 243,25 EUR, der Betriebskostenvorschuss mit 46,60 EUR und die Heizkostenvorauszahlungen mit 50,00 EUR ein.

Mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 gewährte der Antragsgegner der Antragstellerin schließlich für die erste Hälfte des Jahres 2008 unverändert Leistungen in Höhe von 686,85 EUR.

Seit Ende 2006 wandte der im Oktober 2006 bestellte Betreuer der Antragstellerin sich im Rahmen zahlreicher Widersprüche und Überprüfungsanträge gegen die angesetzten Kosten für Unterkunft und Heizung. Er meinte, dass die Betriebs- und Heizkosten im tatsächlich anfallenden Umfang zu berücksichtigen seien. Dies habe insbesondere zu gelten, da die Nettokaltmiete im Oktober 2002 durch das Sozialamt der Stadt N als angemessen anerkannt worden sei.

Dem folgte der Antragsgegner nicht, sondern stützte sich im Wesentlichen darauf, dass in Anwendung der seit dem 01. Juli 2006 geltenden Handlungsanweisungen des Landkreises H bei der Gewährung von laufenden Unterkunftskosten grundsätzlich nur die Verpflichtung bestehe, die angemessenen Kosten zur Sicherung der Unterkunft zu übernehmen. Der Landkreis werde in drei Mietregionen unterteilt. Die Stadt N (ohne Ortsteile) unterfalle der Mietregion B, für die für einen Ein-Personenhaushalt eine Grundmiete von 191,00 EUR, Betriebskosten in Höhe von 54,00 EUR sowie Heizkosten von 50,00 EUR, mithin insgesamt 295,00 EUR als angemessen angesehen würden. Sei ein zum Haushalt rechnendes Familienmitglied infolge einer schweren körperlichen und geistigen Behinderung oder infolge einer Dauererkrankung auf besonderen Wohnraum angewiesen, könnten zusätzlich 10 % der Höchstgrenze eines Ein-Personenhaushalts monatlich anerkannt werden. Heizkosten seien bis zu einer Höhe von 1,00 EUR pro m² der angemessenen Wohnungsgröße, die der Anzahl der Personen im Haushalt entspreche, zu gewähren. Bei der Antragstellerin seien im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand bereits 339,84 EUR mit bindend gewordenem Bescheid vom 18. August 2006 als noch angemessen anerkannt worden (vgl. Widerspruchsbescheid vom 04. Januar 2007).

Am 13. Juni 2007 hat die seinerzeit anwaltlich vertretene Antragstellerin beim Sozialgericht Potsdam beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr höhere Unterkunftskosten nach dem SGB II - hilfsweise als Darlehen - zu gewähren. Weiter hat sie die Gewährung von Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass die Nichtübernahme der Unterkunfts- und Heizungskosten in tatsächlich anfallender Höhe nicht darauf gestützt werden könne, dass sie in unangemessenem Wohnraum lebe. Die Handlungsanweisungen des Antragsgegners berücksichtigten nicht die Verhältnisse an ihrem Wohnort. Zu den aufgestellten Angemessenheitskriterien gebe es keinen freien Wohnraum. Ihr sei die Wohnung im Jahr 2002 während des seinerzeitigen Sozialhilfebezuges als angemessen angeboten worden. Hätte man die jetzt angesetzten Angemessenheitskriterien bereits damals zugrunde gelegt, wäre die Wohnung von Anfang an als nicht angemessen anzusehen gewesen. Der Antragsgegner, der im Übrigen bei seinen Angemessenheitskriterien die allgemeine Teuerung und insbesondere die überproportional gestiegenen Heizkosten nicht berücksichtigt habe, habe sich durch die Bewilligung im Jahr 2002 selbst gebunden. Außerdem erfordere ihr Gesundheitszustand den Verbleib in der jetzigen Wohnung. Auch bestehe ein Eilbedürfnis. Aufgrund ihrer psychischen Erkrankung sei sie unterernährt und benötige hochkalorische Nahrung. Sie beabsichtige deshalb, einen Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs zu stellen. Jedenfalls aber benötige sie den Regelsatz in voller Höhe, während der Antragsgegner ihr diesen - im Hinblick auf die Überweisung der vollen Miete an den Vermieter - nur gekürzt um 49,76 EUR auszahle.

Mit Beschluss vom 23. August 2007 hat das Sozialgericht Potsdam den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass kein Anordnungsgrund vorliege. Die Antragstellerin habe nicht hinreichend dargelegt, dass sie durch die Gewährung von 344,84 EUR als Kosten der Unterkunft in eine wirtschaftliche Notsituation gerate, die es abzuwenden gelte. Der Antragsgegner habe mit bindend gewordenem Bescheid vom 18. August 2006 festgelegt, dass er die Kosten für die Wohnung in Höhe von 339,84 EUR noch als angemessen ansehe, obgleich der Antragstellerin nur die Übernahme einer Warmmiete von 295,00 EUR zustehe. Dem angegriffenen Gesundheitszustand der Antragstellerin sei damit hinreichend Rechnung getragen. Die Erstattung höherer Wohnkosten komme nicht in Betracht, weil die bereits gewährten Kosten für Unterkunft und Heizung weit über dem lägen, was die Antragstellerin beanspruchen könne. Unter Hinweis auf diese Gründe hat das Sozialgericht mit weiterem Beschluss vom selben Tag auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.

Gegen diese am 31. August 2007 zugestellten Beschlüsse hat die Antragstellerin am 27. September 2007 Beschwerden eingelegt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren beantragt. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, dass der Antragsgegner nicht ausreichend auf die Bedingungen des Einzelfalls abgestellt habe. Bei ihr laufe monatlich ein Fehlbetrag von 56,76 EUR auf, was 16 % des minimal festgestellten Regelsatzes entspreche. Schon daraus folge das Vorliegen einer Notlage. Hinzu kämen die bestehenden Miet- und sonstigen Schulden. Von dem viel zu geringen verbleibenden Geld müsse sie auch noch ihren Hund ernähren. Dabei sei sie selbst auf besondere Ernährung angewiesen. Die von dem Antragsgegner angegebene Mietkostenobergrenze sei in keiner Weise begründet. Weder gebe es einen Mietspiegel noch sonstige Erhebungen zu den Mietpreisen. Auch seien keine Mietangebote im entsprechenden Preissegment in N vorhanden. Auch die Wohnraumvermittlung des Antragsgegners könne entsprechende Angebote nicht nachweisen. Ergänzend hat sie ein Schreiben der Hausverwaltung vom 04. Dezember 2007 vorgelegt, in dem diese im Hinblick auf bestehende Rückstände von 1.235,62 EUR die Zahlung monatlicher Raten von 10,00 EUR anfordert und anderenfalls die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses in Aussicht stellt. Ihr Betreuer hat für sie gegenüber der Hausverwaltung die Zahlung von Raten abgelehnt und zugleich um weiteren Aufschub von drei Monaten im Hinblick auf das laufende Verfahren gebeten.

Mit Beschluss vom 03. Januar 2008 hat das Sozialgericht Potsdam der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landessozialgericht - am 14. Februar 2008 - vorgelegt. Der Antragsgegner hat sich gegen die Beschwerden gewandt und ausgeführt, dass Wohnraum, der der Unterkunftsrichtlinie des Landkreises H entspreche, vorhanden sei, und hat zwei konkrete Angebote benannt. Die Antragstellerin hat hierzu erklärt, dass sie die freie Wohnung in N nicht habe nehmen können, weil der Vermieter ihren Hund der Rasse "Haski" nicht akzeptiert habe. Das Angebot in G B komme nicht in Betracht, weil sie dort völlig isoliert leben müsste und es keine angemessenen Einkaufsmöglichkeiten für Alg II–Empfänger gebe. Aufgrund der bestehenden Mietschulden, die sie psychisch zusätzlich belasteten, sei der Nachweis einer Mietschuldenfreiheit unmöglich, was der Anmietung einer anderen Wohnung entgegenstehe.

Der Antragsgegner hat Schreiben des Landkreises Havelland – Dez. II/Sozialamt – vom 30. Mai 2007 und 15. April 2008 übersandt, in denen es um die Ermittlung der Tabellenwerte in den von dem Antragsgegner zur Bemessung der Kosten der Unterkunft herangezogenen Richtlinien geht. Bezüglich des genauen Inhalts wird auf die Schreiben verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerin gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Potsdam vom 23. Oktober 2007 sind gemäß §§ 172 Abs. 1 und 173 SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht Potsdam hat sowohl ihren Antrag, den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, ihr höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung zu bewilligen, als auch ihr Prozesskostenhilfebegehren zu Recht abgelehnt.

1.) Nach § 86b Abs. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Dies setzt voraus, dass sowohl ein Anordnungsanspruch als auch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht werden. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Senat hat bereits erhebliche Zweifel, ob der Antragstellerin ein Anordnungsanspruch zusteht, d.h. der Antragsgegner im Klageverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dazu verpflichtet werden wird, ihr weitergehende Kosten für Unterkunft und Heizung zu gewähren. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Soweit der Antragsgegner bzgl. der Angemessenheit der Unterkunftskosten auf die hierzu ergangenen Richtlinien des Landkreises H abgestellt hat, begegnet dies keinen durchgreifenden Bedenken. Die Richtlinien dürften nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden sein (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.08.2007 – L 20 B 906/07 AS ER -, zitiert nach sozialgerichtsbarkeit.de). Nach dem vom Antragsgegner vorgelegten Schreiben des Landrats Dez. II/Sozialamt vom 30. Mai 2007 erfolgt die Festlegung der Höchstgrenzen orientiert an den Tabellenwerten der Wohngeldtabelle nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt. Die Erhebungen zum Wohnungsmarkt resultieren danach aus Angaben, die die Wohnungsunternehmen mit umfangreichem Wohnungsbestand im Kreisgebiet der Kreisverwaltung zur Auswertung zur Verfügung stellen. Die Abfrage bei den Unternehmen erfolgt in regelmäßigen Abständen. Abgestellt wird auf den unteren Bereich der marktüblichen Wohnungsmieten. Bei den kalten Betriebs- und Heizkosten werden anhand der Jahresendabrechnung die Daten erhoben, die als durchschnittliche Kosten je m² Wohnfläche im Wohnungsbestand angefallen sind. In einem ergänzenden Schreiben vom 15. April 2008 sind die Daten der Wohnungsunternehmen mit repräsentativem Wohnungsbestand für die einzelnen Mietregionen aufgeführt, wobei die Daten auf Erhebungen Mitte des Kalenderjahres 2005 sowie Ende der Jahre 2006 und 2007 zurückgehen.

Dieses Vorgehen dürfte den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 07.11.2006, B 7 b AS 18/06 R, zitiert nach juris) gerecht werden. Danach sind für die Feststellung des angemessenen Unterkunftsbedarfs die Kosten für eine Wohnung, "die nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist", zu ermitteln. Abzustellen ist dabei auf das Produkt aus angemessener Wohnfläche und Standard, welches sich in der Wohnungsmiete niederschlägt.

Nach den genannten Richtlinien waren in der Stadt N für einen Ein-Personenhaushalt während des Leistungsbezugs der Antragstellerin eine Grundmiete von 191,00 EUR, ein Betriebskostenvorschuss von 54,00 EUR und ein Heizkostenvorschuss von 45,00 EUR (bis Juni 2006), von 50,00 EUR (von Juli 2006 bis Mai 2008) bzw. von 53,00 EUR (ab Juni 2008) angemessen. Ausgehend von diesen Beträgen hat der Antragsgegner der Antragstellerin über den gesamten Zeitraum hinweg für die Kaltmiete höhere als ihr eigentlich zustehenden Leistungen gewährt. So hat er konstant eine Grundmiete von 243,25 EUR sowie - ab Dezember 2005 - einen Betriebskostenvorschuss von 51,59 EUR anerkannt und erst ab dem 01. August 2007 letztgenannten Betrag auf die tatsächlich zu zahlenden 46,60 EUR reduziert. Statt der vorgesehenen 245,00 EUR erhielt die Antragstellerin insoweit mithin 294,84 EUR bzw. 289,85 EUR. Ob dies - was der Akte nicht zu entnehmen ist - im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Antragstellerin oder im Hinblick darauf erfolgte, dass die Miete im Jahre 2002 als angemessen anerkannt worden war, kann hier dahinstehen. Festzuhalten sein dürfte jedoch, dass die Antragstellerin im Hinblick auf die Übernahme der tatsächlichen Kosten für die Grundmiete und die Betriebskosten keine weiteren Rechte daraus herleiten kann, dass das Sozialamt N die Nettokaltmiete im Jahr 2002 als angemessen anerkannt hat. Der Differenzbetrag zwischen der tatsächlichen Miete und den gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung ist mithin allein darauf zurückzuführen, dass der Antragsgegner die Heizkosten der Antragstellerin lediglich in dem nach den Richtlinien angemessenen Umfang übernommen hat und übernimmt, nicht aber in der tatsächlich anfallenden Höhe. Diesbezüglich kommt eine Selbstbindung der Verwaltung jedoch von vornherein nicht in Betracht.

Schließlich dürften auch keine durchgreifenden Bedenken bestehen, dass Wohnraum in angemessener Größe und zu angemessenem Mietzins in N vorhanden ist. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin zwei konkrete Wohnungsangebote benannt. Dabei kann dahinstehen, ob ihr zuzumuten gewesen wäre, nach G zu ziehen. Denn jedenfalls handelte es sich bei dem ihr unterbreiteten Wohnungsangebot in N um ein zumutbares. Dass sie diese Wohnung nicht anmieten konnte, weil der Vermieter ihren Hund nicht akzeptiert hat, dürfte nicht der Antragsgegner zu vertreten haben, sondern allein der Antragstellerin zuzurechnen sein.

Letztlich kann das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs jedoch auch dahinstehen. Denn zur Überzeugung des Senats hat die Antragstellerin keinen Anordnungsgrund in hinreichendem Maße glaubhaft gemacht. Eine einstweilige Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile ist nur dann geboten, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles für den Betroffenen unzumutbar ist, eine Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Dies war hier unter Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen der Beteiligten von Anfang an nicht der Fall.

Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht am 13. Juni 2007 ist zu beachten, dass der Antragstellerin - wie schon ab September 2006 - für Juni und Juli 2007 bei einer Miete in Höhe von 389,60 EUR Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 344,84 EUR gewährt wurden. Es verblieb daher ein monatlicher Differenzbetrag in Höhe von je 44,76 EUR, was ausgehend vom Regelsatz von 345,00 EUR knapp 13 % entspricht. Im Zeitraum August 2007 bis Juni 2008 belief sich der monatliche Differenzbetrag bei einer Miete von 396,61 EUR und gewährten Leistungen für Unterkunft und Heizung von 339,85 EUR auf 56,76 EUR, mithin etwa 16,35 % des Regelsatzes von 347,00 EUR. In diesem Umfang wurde der der Antragstellerin monatlich gewährte Regelsatz gekürzt ausgezahlt, da der Antragsgegner der Abtretungserklärung der Antragstellerin folgend die Miete jeweils in vollem Umfang an den Vermieter überwiesen hat. Ob der jeweilige Differenzbetrag nochmals um monatlich 6,22 EUR (bei einem Regelsatz von 345,00 EUR) bzw. um 6,26 EUR (bei einem Regelsatz von 347,00 EUR) im Hinblick auf den zulässigen Abzug einer Warmwasserpauschale (vgl. BSG, Urteil vom 27.02.2008 – B 14/11b AS 15/07 R – Rn. 25) zu kürzen wäre und sich damit weiter reduzierte, kann dahinstehen. Denn selbst in der oben aufgezeigten Höhe reduzierte er die der Antragstellerin monatlich ausgezahlten Leistungen nicht so stark, dass damit das Existenzminimum unhaltbar unterschritten wäre. Dafür spricht bereits, dass der Gesetzgeber bei Eintreten einer Sanktion gemäß § 31 Abs. 1 SGB II unter gewissen Umständen sogar eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 30 % - ohne die gleichzeitige Gewährung ergänzender Sachleistungen oder geldwerter Leistungen (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II) - für vertretbar hält. Des weiteren ist zu berücksichtigen, dass der Regelsatz des Alg II neben den Leistungen zur Sicherung des unmittelbaren soziokulturellen Existenzminimums anders als die früheren Sozialhilfesätze auch eine Ansparpauschale in Höhe von ungefähr 16 % der Sozialhilfesätze enthält, mit der unter Geltung des SGB II der Wegfall des Anspruchs auf Einmalzahlungen ausgeglichen werden soll (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, Rn. 44 zu § 20). Eine vorübergehende Minderung der Leistung um einen Betrag in dieser Größenordnung stellt mithin noch keine konkrete Gefährdung des Existenzminimums dar. Schließlich hat auch das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass jedenfalls vorübergehend bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens eine Leistungskürzung bis zu 20 % hinnehmbar ist. Seiner Auffassung nach ist es gerechtfertigt, wenn in einem Eilverfahren zur Vermeidung der Vorwegnahme der Hauptsache statt der vollen Regelleistung zunächst nur eine Leistung mit einem Abschlag von 20 % zugesprochen wird (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - zu Ziffer II.1.c.aa.2; vgl. hierzu auch Beschluss des Senats vom 28.05.2008 - L 5 B 1001/08 AS ER -).

Soweit die Antragstellerin - was ihrem Antrag mangels zeitlicher Eingrenzung nicht zu entnehmen ist - für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht Leistungen begehren sollte, gilt nichts anderes. Insbesondere kann ein Eilbedürfnis weder für diesen Zeitraum noch für den aktuellen mit den bis August 2006 aufgelaufenen Mietrückständen in Höhe von 1.253,70 EUR begründet werden. Abgesehen davon, dass nicht ersichtlich ist, dass das Mietverhältnis tatsächlich gekündigt worden wäre, hat der Vermieter ausdrücklich eine Ratenzahlung in Höhe von 10,00 EUR zur Abwendung einer Kündigung angeboten. Auch im Falle der Zahlung von monatlich 10,00 EUR beliefe sich der bei der Antragstellerin monatlich auflaufende Differenzbetrag mit aktuell 66,76 EUR noch immer auf weniger als die vom Bundesverfassungsgericht angesetzten 20 %. Die Antragstellerin hat damit die Abwendung der in Form der Wohnungslosigkeit drohenden Notlage selbst in der Hand.

Soweit sie meint, dass ihr im Hinblick auf ihren Bedarf an hochkalorischer Nahrung entsprechende Zahlungen nicht zuzumuten seien, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob hochkalorische Nahrung tatsächlich mit zusätzlichen Kosten verbunden ist. Selbst wenn dies jedoch der Fall sein und die Antragstellerin aus gesundheitlichen Gründen tatsächlich auf entsprechende Nahrungsmittel angewiesen sein sollte, stünde es ihr jederzeit frei, beim Antragsgegner die Gewährung eines Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung zu beantragen. Bedeutung für das hiesige Verfahren kommt dem jedoch nicht zu.

2.) Soweit das Sozialgericht Potsdam auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat, ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden. Zur Überzeugung des Senats hatte der Antrag aus den vorgenannten Gründen keine hinreichenden Erfolgsaussichten (§ 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung – ZPO -). Da auch für die Beschwerde der Antragstellerin nichts anderes gilt, war auch die Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Beschwerdeverfahren abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht bzgl. der Beschwerde gegen die ablehnende PKH-Entscheidung auf § 127 Abs. 4 ZPO, im Übrigen auf § 193 SGG analog.

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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