Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 41 SB 833/93
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 76/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2003 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 9. Oktober 2003 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 für die Zeit ab November 1999.
Der 1960 geborene Kläger, dem ein Gesamt GdB von 40 zuerkannt war, stellte im Februar 1992 einen Verschlimmerungsantrag, den der Beklagte durch Bescheid vom 14. August 1992 in der Fassung eines Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1993 ablehnte. Die Funktionsbeeinträchtigungen, deren verwaltungsintern zuerkannte Einzel GdB sich aus den Zusätzen in Klammern ergeben, bezeichnete er wie folgt: a) Wirbelsäulenverschleiß bei extremer Adipositas (30) b) ausgeprägte Varicosis beiderseits mit Stauungsödemen, Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose links (30)
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht vom Arzt für Chirurgie und Orthopädie Prof. Dr. B ein Gutachten vom 19. April 1995 und hierzu zwei Rückäußerungen eingeholt. Dieser führte insgesamt aus, dass eine an beiden Daumengrundgelenken eingeschränkte Beweglichkeit vorliege, die mit einem Einzel GdB von 10 zu bewerten sei, was insgesamt den Gesamt GdB jedoch nicht erhöhe. Das Sozialgericht hat ferner ein Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. S vom 13. August 1996 und hierzu eine Rückäußerung eingeholt; dieser kam zu dem Ergebnis, dass für die wiederkehrend auftretenden Schmerzzustände an beiden Daumen ein höherer GdB als 10 nicht vorgeschlagen werden könne, dass sich jedoch am rechten Bein eine äußerst schmerzhafte frische Venenentzündung gefunden habe, wofür ein höherer Einzel GdB vorzuschlagen sei. Prof. Dr. S, Krankenhaus N, führte schließlich mit Gutachten vom 11. August 1997 aus, dass krankhafte Befunde im Bereich der Hände, insbesondere im Bereich beider Daumen, nicht hätten gefunden werden können. Eine zum Zeitpunkt seiner Erstuntersuchung 1991 gefundene leichte Instabilität beider Daumengrundgelenke sei jetzt nicht mehr nachweisbar.
Am 13. Februar 1997 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich Stauchungsbrüche beider Schienbeine sowie Innenknöchel- und Fußwurzelbrüche beiderseits zuzog. Durch Bescheid vom 26. März 1998 erkannte der Beklagte daraufhin einen Gesamt-GdB von 50 an, wobei er die weitere Funktionseinschränkung
c) schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Sprunggelenke nach Frakturen (Arbeitsunfallfolgen) aufgrund des Ergebnisses eines hierzu eingeholten Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. L vom 05. März 1998 intern mit 30 bewertete.
Aufgrund des Ergebnisses einer durch den Beklagten veranlassten Untersuchung durch den Facharzt für Hals-Nasen-Ohren (HNO)-Krankheiten Dr. Z vom 04. Januar 2000 erkannte der Beklagte sodann durch Bescheid vom 19. Januar 2000 einen Gesamt GdB von 60 ab Mai 1998 und einen Gesamt GdB von 70 ab November 1998 an, wobei er die Arbeitsunfallfolgen nunmehr mit 40 und die weitere Funktionseinschränkung d) Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen für die Zeit ab November 1998 intern mit 30 bewertete.
Der Kläger brachte in der Folgezeit Atteste seines behandelnden Arztes für Orthopädie K und des Nervenarztes M sowie ein im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft erstattetes Gutachten des Arztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. B vom 07. März 2000 bei; in letzterem ist ausgeführt, dass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 40 v. H. anzusetzen sei; das Krampfaderleiden beidseits sei operativ behandelt und somit nicht mehr existent. Der Kläger brachte ferner ein im Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger eingeholtes Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Anästhesie Dr. W vom 31. Januar 2001 bei und wies darauf hin, nunmehr einen Gesamt GdB von 100 geltend zu machen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Nervenarztes M vom 12. Februar 2001 nebst ergänzender Stellungnahme eingeholt und ein im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger erstelltes Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie R vom 27. September 2002 beigezogen, nach dessen Auswertung der Beklagte vergleichsweise einen Gesamt GdB von 80 ab dem Untersuchungszeitpunkt August 2002 vorschlug.
Nachdem der Kläger einen dementsprechenden Vergleich abgelehnt hatte, hat das Sozialgericht durch Urteil vom 11. Februar 2003 die Klage abgewiesen. In Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) sei kein höherer Gesamt GdB als 70 festzustellen. Für die Bandscheibenschäden erscheine ein Wert von 40 überhöht, da aufgrund des Sachverständigengutachtens des Dr. B davon auszugehen sei, dass zumindest seit März 2000 eine Besserung eingetreten sei. Für die Arbeitsunfallfolgen komme kein höherer Wert als 40 in Betracht, wie die Beweisaufnahme im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger ergeben habe. Soweit Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen mit einem Einzel GdB von 30 berücksichtigt worden sei, sei äußerst fraglich, ob diese Anerkennung zu Recht erfolgt sei, da dahingehende Befunde nicht vorlägen. Vielmehr ergäben sich aus dem Gutachten des Dr. W in dem Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger Hinweise darauf, dass der Schwindel auf Schädigungen der Halswirbelsäule zurückzuführen und mit der Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung abgegolten sei. Eine Migräne könne nicht anerkannt werden, da insoweit hinreichende Befunde fehlten. Weder habe der Kläger einen Migränekalender geführt noch werde eine übliche nervenärztliche Migränebehandlung durchgeführt. Die nach den Feststellungen des Gutachters Dr. R bestehende Depression sei nach den Vorgaben der AHP zu Recht mit einem Einzel GdB von 30 berücksichtigt worden. Die im Vergleichswege vorgeschlagene Bewertung des depressiven Syndroms mit einem GdB von 50, was eine Heraufsetzung des Gesamt GdB auf 80 rechtfertigen könnte, sei zwar im Vergleichswege gut vertretbar gewesen, wegen der Unsicherheiten in Ermangelung aussagekräftiger Befunde sei insgesamt jedoch weiterhin lediglich von einem Höchst GdB von 40 für die Depression und die Migräne auszugehen. Nach Auswertung der Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander erweise sich der Gesamt GdB von 70 daher als zutreffend.
Gegen dieses am 21. Mai 2003 zugegangene Urteil richtet sich die am 19. Juni 2003 eingegangene Berufung des Klägers. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte durch Bescheid vom 09. Oktober 2003 das zwischenzeitlich ebenfalls geltend gemachte Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) anerkannt, der GdB betrage jedoch weiterhin 70. Die Funktionsbeeinträchtigungen lauteten ab Januar 2001 wie folgt: a) Schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Sprunggelenke nach Frakturen (Arbeitsunfallfolgen) b) Wirbelsäulenverschleiß mit Funktionseinschränkungen und Reizzuständen bei ausgeprägter Übergewichtigkeit c) Narbenbildungen beidseits am Ober- und Unterschenkel nach operativ behandeltem Krampfaderleiden ohne Nachweis einer verbliebenen Verschlusssymptomatik d) Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen e) Funktionelle Behinderung des linken Schultergelenkes mit Beschwerden f) Bewegungseinschränkungen der Hüft- und weniger der Kniegelenke, besonders links mit Schmerzsymptomatik bei ausgeprägter Übergewichtigkeit.
Der Kläger trägt zur Begründung vor, dass die bei ihm bestehenden Einschränkungen mit einem Gesamt GdB von 100 bewertet werden müssten; insoweit wird auf den Schriftsatz vom 18. Juli 2003 Bezug genommen. Der Kläger verweist ferner auf ein für die Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin erstelltes Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dipl. Med. P vom 13. August 2003.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2003 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 14. August 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1993, insgesamt in der Fassung der (letzten) Bescheide vom 19. Januar 2000 und vom 09. Oktober 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Grad der Behinderung von 100 für die Zeit ab November 1999 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen und auf versorgungsärztliche Stellungnahmen hierzu.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dipl.-Ing. K vom 28. Mai 2004 eingeholt. Das Gericht hat ferner auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr. N, E S, eingegangen am 26. Juni 2006, unterzeichnet durch Prof. Dr. N und Dr. H, eingeholt, der ausführte, dass die erhobenen orthopädischen und neurologischen Befunde und die Befunde aus der Aktenlage insgesamt keine Erhöhung des GdB auf 100 rechtfertigten. Sämtliche Befunde, die bereits über den gesamten Begutachtungszeitraum bestanden hätten, seien ohne wesentliche Veränderungen. Dabei bewertete der Gutachter die schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Sprunggelenke nach Arbeitsunfall mit einem Einzel GdB von 50, den Wirbelsäulenverschleiß mit einem Einzel GdB von 20 und das depressive Syndrom mit Kopfschmerzsymptomatik, Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen, den Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose links ohne schwerwiegendes postthrombotisches Syndrom mit Besserung, die Narbenbildung beiderseits am Ober- und Unterschenkel nach operativ behandeltem Krampfaderleiden ohne Nachweis einer verbliebenen Verschlusssymptomatik, eine funktionelle Behinderung des linken Schultergelenkes mit Beschwerden und Bewegungseinschränkungen der Hüft- und weniger der Kniegelenke besonders links mit Schmerzsymptomatik bei ausgeprägter Übergewichtigkeit jeweils mit 10 und führte aus, dass der gesamte Grad dieser Behinderungen unter Berücksichtigung ihrer Wechselbeziehungen weiterhin 70 betrage.
Der Kläger hat hierzu vorgebracht, dass die Bewertung der Arbeitsunfallfolgen mit 50 keiner Beanstandung unterliege, dass jedoch sein Wirbelsäulenleiden bereits 1989 mit einem Einzel GdB von 30 bewertet worden sei und seither keine Besserung, sondern vielmehr eine Verschlimmerung eingetreten sei. Für sein depressives Syndrom und die Kopfschmerzsymptomatik sei mindestens ein Einzel GdB von 50 und für den Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen mindestens ein Einzel GdB von 30 anzusetzen. Der Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose dürfte mit 20 sachgerechter und zutreffender bewertet sein. Ergänzend wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 07. August 2006 Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 05. Oktober 2006 hat der Kläger ferner ausgeführt, dass ihn Prof. Dr. N lediglich für einen Zeitraum von ca. 10 Minuten gesehen und die Untersuchung nicht selbst vorgenommen habe.
Auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Gericht ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin P vom 25. April 2007 eingeholt, der insbesondere mitteilte, dass seit der Gutachtenerstellung von Prof. N eine erneute Venenoperation erfolgt sei mit deutlicher Verbesserung des Lokalbefundes am linken Bein. Das postthrombotische Syndrom des linken Beines mit erheblicher Lipödembildung und Umfangsvermehrung sowie mäßiger Funktionsbeeinträchtigung bewertete er mit einem Einzel GdB von 20, führte allerdings aus, dass diese Höherbewertung nicht zu einer Erhöhung des Gesamt GdB führe, da insoweit eine Überschneidung mit den Einschränkungen aufgrund der posttraumatischen Arthrose der Sprunggelenke vorliege. Der Gesamt GdB betrage weiterhin 70 v. H.
Der Kläger hat gegen dieses Gutachten keine Einwände vorgebracht, jedoch einen Antrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach § 109 SGG aufrechterhalten.
Diesbezüglich hat das Gericht das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie I vom 11. März 2008 eingeholt, der ausführte, dass das depressive Syndrom des Klägers als Dysthymia (ICD 10: F34.1) einzuordnen sei, also als eine chronische, andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Bei der Dysthymia handele es sich um den Ausdruck einer pessimistischen Grundeinstellung dem Leben gegenüber und eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Schicksal, jedoch nicht um ein schwerwiegendes psychiatrisches Krankheitsbild. Der Kläger leide nicht unter stärker behindernden psychovegetativen oder psychischen Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der Einzel GdB für das depressive Syndrom betrage 10, der Gesamt GdB unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der Behinderungen untereinander betrage, bedingt durch die Herabsetzung der Einzelbewertung des lediglich mit 20 zu bewertenden Schwindels, 60.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass die Beurteilung durch den Gutachter oberflächlich sei, dieser habe insbesondere seine Schmerzzustände nicht ausreichend gewürdigt und seine diesbezüglichen Aufzeichnungen nicht zur Kenntnis genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten und die Akten zum unfallversicherungsrechtlichen Verfahren L 3 U 38/03.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind in der Fassung des zuletzt ergangenen Bescheides vom 09. Oktober 2003, nach dem der Gesamt GdB weiterhin 70 betrage, nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung eines höheren GdB. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 3 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in 10er Graden von 20 bis 100 entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz in Verbindung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (derzeit Ausgabe 2008 – AHP 2008), die als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind, festzustellen. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind die Einzel-GdB in Graden anzugeben. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB IX die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Nr. 19 AHP 2008 (Seite 24 ff.) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP 2008 Nr. 19, Abs. 1, 3 und 4, Seite 24 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kommt ein höherer als der zuerkannte GdB von 70 nicht in Betracht. Das Gericht verweist zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, denen es gemäß § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Prüfung folgt. Die im Berufungsverfahren eingeholten drei Gutachten auf der Grundlage des § 109 SGG haben bestätigt, dass jedenfalls kein höherer Gesamt GdB als 70 in Betracht kommt.
Prof. Dr. N hat in seinem Gutachten, eingegangen am 26. Juni 2006, zwar die schmerzhafte Funktionseinschränkung der Sprunggelenke aufgrund der bei dem Arbeitsunfall erlittenen Frakturen mit einem Einzel GdB von 50, den Wirbelsäulenverschleiß jedoch lediglich mit einem Einzel GdB von 20 bewertet. Der Bemessung der Wirbelsäulenschäden mit 20 steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass Prof. Dr. B diese in seinem Gutachten vom 19. April 1995 mit 30 bewertet hatte. Irgendeine Bindungswirkung folgt aus dieser gutachterlichen Feststellung nicht. Auch an interne Einzel-GdB Bewertungen des Beklagten ist das Gericht nicht gebunden, da Regelungsgegenstand der Bescheide nur der Gesamt-GdB ist. Nach den Vorgaben der Anhaltspunkte begegnet die Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit 20 keinen Bedenken. Denn nach den AHP Nr. 26.18 (AHP 2008, S. 116, insoweit gleichlautend mit AHP 1996, 2004/2005) setzt ein Einzel-GdB von 30 schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt voraus, ein Einzel-GdB von 30 – 40 besteht nach den vorliegend maßgeblichen AHP 2008 nur bei mittelgradigen bis schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Prof. Dr. N hat zur Lendenwirbelsäule ausgeführt, dass hier nur mäßige degenerative Veränderungen in den Röntgenbildern ohne neurologische Ausfallerscheinungen vorlägen, was nicht als mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung gewertet werden kann. Auch seinen Feststellungen zur Halswirbelsäule lassen sich schwere Auswirkungen im Sinne der zitierten AHP nicht entnehmen; er beschreibt hier eine schmerzhaft deutlich eingeschränkte Beweglichkeit; radiologisch fand sich hier allerdings nur eine Steilstellung mit leichten degenerativen Veränderungen im unteren Segmentbereich. Weitere Einzelbehinderungen sind nach Einschätzung des Prof. Dr. N nur mit einem Einzel GdB von 10 zu bewerten. Da – wie ausgeführt – nach Nr. 19 Abs. 4 AHP 2008 leichte, nur mit 10 zu bewertende Gesundheitsstörungen nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und Additionen nach Nr. 19 Abs. 1 AHP 2008 (Seite 24) unzulässig sind, besteht unter Zugrundelegung der von Prof. Dr. N gefundenen Einzel-GdB von 50 und 20 sogar lediglich ein Gesamt GdB von maximal 60. Trotz der geringfügigen Höherbewertung der Arbeitsunfallfolgen ergibt sich damit aufgrund der geringeren Bewertung der übrigen Funktionseinschränkungen letztlich ein geringerer als der durch den Beklagten zuletzt durch Bescheide vom 09. Oktober 2003 und 19. Januar 2000 festgestellte Gesamt GdB.
Der Facharzt für Innere Medizin P bestätigte den vom Beklagten bereits anerkannten Gesamt GdB von 70, wobei er das postthrombotische Syndrom trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Venenoperation mit Verbesserung des Lokalbefundes am linken Bein entgegen Prof. Dr. N mit einem Einzel GdB von 20 bewertete. Anhaltspunkte für eine nicht ausreichende Bewertung des Gesamt-GdB durch den Beklagten in den Bescheiden vom 19. Januar 2000 und vom 09. Oktober 2003 sind dem Gutachten insgesamt nicht zu entnehmen.
Auch das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie I vom 11. März 2008 bestätigt, dass jedenfalls kein höherer GdB als der vom Beklagten mit 70 zuerkannte vorliegt; vielmehr kam auch dieser Gutachter lediglich zu einem Gesamt GdB von 60, wobei er das depressive Syndrom mit Kopfschmerzsymptomatik lediglich mit einem Einzel GdB von 10 bewertete. Entgegen der Auffassung des Klägers vermittelt das 40-seitige Gutachten nicht den Eindruck, oberflächlich zu sein, vielmehr enthält es eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers. Der vom Kläger übersandte Bericht der C vom 5. Dezember 2007 über eine dort am 27. November 2007 erfolgte Vorstellung wegen eines chronischen Spannungskopfschmerzes und Migräne war dem Gutachter bekannt, er ist mehrmals auf ihn eingegangen (Seite 4 und 34 des Gutachtens). Unschädlich war auch, dass der Sachverständige den Schmerzkalender des Klägers nicht ausgewertet hat. Die im Schmerzkalender beschriebenen Schmerzzustände sind dem Gutachter gegenüber geschildert und von ihm ausweislich seiner Ausführungen zu aktuellen Beschwerden, allgemeiner Anamnese und zum Krankheitserleben zur Kenntnis genommen und in der Funktionseinschränkung f) auch berücksichtigt worden.
Die Einwände des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil sind damit durch die Gutachten nicht bestätigt worden. Weitere Gutachten waren nicht einzuholen. Etwas anderes folgt auch nicht aufgrund der Einwände des Klägers, die er gegen das ihm am 07. Juli 2006 übersandte Gutachten des Prof. Dr. N erst am 05. Oktober 2006 dahingehend erhoben hat, dass Prof. Dr. N dieses Gutachten nicht persönlich erstattet habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Gutachten, solange es sich nicht um eine psychiatrische Begutachtung handelt, nicht deshalb unverwertbar, weil der Sachverständige die körperliche Untersuchung des Probanden und die Erhebung der organmedizinischen Befunde einem ärztlichen Mitarbeiter übertragen hat (BSG, Beschluss vom 17. November 2006, Az.: B 2 U 58/05, SozR 4 1750 § 407 a Nr. 3). Entscheidend ist vielmehr, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüfe und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernehme, was vorliegend erfolgt ist. Auch war nach dem Vortrag des Klägers Prof. Dr. N bei der Untersuchung durchaus für einen Zeitraum von "ca. 10 Minuten" anwesend.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Zuerkennung eines Grades der Behinderung (GdB) von 100 für die Zeit ab November 1999.
Der 1960 geborene Kläger, dem ein Gesamt GdB von 40 zuerkannt war, stellte im Februar 1992 einen Verschlimmerungsantrag, den der Beklagte durch Bescheid vom 14. August 1992 in der Fassung eines Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1993 ablehnte. Die Funktionsbeeinträchtigungen, deren verwaltungsintern zuerkannte Einzel GdB sich aus den Zusätzen in Klammern ergeben, bezeichnete er wie folgt: a) Wirbelsäulenverschleiß bei extremer Adipositas (30) b) ausgeprägte Varicosis beiderseits mit Stauungsödemen, Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose links (30)
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht vom Arzt für Chirurgie und Orthopädie Prof. Dr. B ein Gutachten vom 19. April 1995 und hierzu zwei Rückäußerungen eingeholt. Dieser führte insgesamt aus, dass eine an beiden Daumengrundgelenken eingeschränkte Beweglichkeit vorliege, die mit einem Einzel GdB von 10 zu bewerten sei, was insgesamt den Gesamt GdB jedoch nicht erhöhe. Das Sozialgericht hat ferner ein Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. S vom 13. August 1996 und hierzu eine Rückäußerung eingeholt; dieser kam zu dem Ergebnis, dass für die wiederkehrend auftretenden Schmerzzustände an beiden Daumen ein höherer GdB als 10 nicht vorgeschlagen werden könne, dass sich jedoch am rechten Bein eine äußerst schmerzhafte frische Venenentzündung gefunden habe, wofür ein höherer Einzel GdB vorzuschlagen sei. Prof. Dr. S, Krankenhaus N, führte schließlich mit Gutachten vom 11. August 1997 aus, dass krankhafte Befunde im Bereich der Hände, insbesondere im Bereich beider Daumen, nicht hätten gefunden werden können. Eine zum Zeitpunkt seiner Erstuntersuchung 1991 gefundene leichte Instabilität beider Daumengrundgelenke sei jetzt nicht mehr nachweisbar.
Am 13. Februar 1997 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall, bei dem er sich Stauchungsbrüche beider Schienbeine sowie Innenknöchel- und Fußwurzelbrüche beiderseits zuzog. Durch Bescheid vom 26. März 1998 erkannte der Beklagte daraufhin einen Gesamt-GdB von 50 an, wobei er die weitere Funktionseinschränkung
c) schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Sprunggelenke nach Frakturen (Arbeitsunfallfolgen) aufgrund des Ergebnisses eines hierzu eingeholten Gutachtens des Facharztes für Orthopädie Dr. L vom 05. März 1998 intern mit 30 bewertete.
Aufgrund des Ergebnisses einer durch den Beklagten veranlassten Untersuchung durch den Facharzt für Hals-Nasen-Ohren (HNO)-Krankheiten Dr. Z vom 04. Januar 2000 erkannte der Beklagte sodann durch Bescheid vom 19. Januar 2000 einen Gesamt GdB von 60 ab Mai 1998 und einen Gesamt GdB von 70 ab November 1998 an, wobei er die Arbeitsunfallfolgen nunmehr mit 40 und die weitere Funktionseinschränkung d) Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen für die Zeit ab November 1998 intern mit 30 bewertete.
Der Kläger brachte in der Folgezeit Atteste seines behandelnden Arztes für Orthopädie K und des Nervenarztes M sowie ein im Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft erstattetes Gutachten des Arztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dr. B vom 07. März 2000 bei; in letzterem ist ausgeführt, dass die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit mit 40 v. H. anzusetzen sei; das Krampfaderleiden beidseits sei operativ behandelt und somit nicht mehr existent. Der Kläger brachte ferner ein im Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger eingeholtes Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Anästhesie Dr. W vom 31. Januar 2001 bei und wies darauf hin, nunmehr einen Gesamt GdB von 100 geltend zu machen.
Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des Nervenarztes M vom 12. Februar 2001 nebst ergänzender Stellungnahme eingeholt und ein im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger erstelltes Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie R vom 27. September 2002 beigezogen, nach dessen Auswertung der Beklagte vergleichsweise einen Gesamt GdB von 80 ab dem Untersuchungszeitpunkt August 2002 vorschlug.
Nachdem der Kläger einen dementsprechenden Vergleich abgelehnt hatte, hat das Sozialgericht durch Urteil vom 11. Februar 2003 die Klage abgewiesen. In Anwendung der Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) sei kein höherer Gesamt GdB als 70 festzustellen. Für die Bandscheibenschäden erscheine ein Wert von 40 überhöht, da aufgrund des Sachverständigengutachtens des Dr. B davon auszugehen sei, dass zumindest seit März 2000 eine Besserung eingetreten sei. Für die Arbeitsunfallfolgen komme kein höherer Wert als 40 in Betracht, wie die Beweisaufnahme im Verfahren gegen den Unfallversicherungsträger ergeben habe. Soweit Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen mit einem Einzel GdB von 30 berücksichtigt worden sei, sei äußerst fraglich, ob diese Anerkennung zu Recht erfolgt sei, da dahingehende Befunde nicht vorlägen. Vielmehr ergäben sich aus dem Gutachten des Dr. W in dem Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger Hinweise darauf, dass der Schwindel auf Schädigungen der Halswirbelsäule zurückzuführen und mit der Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung abgegolten sei. Eine Migräne könne nicht anerkannt werden, da insoweit hinreichende Befunde fehlten. Weder habe der Kläger einen Migränekalender geführt noch werde eine übliche nervenärztliche Migränebehandlung durchgeführt. Die nach den Feststellungen des Gutachters Dr. R bestehende Depression sei nach den Vorgaben der AHP zu Recht mit einem Einzel GdB von 30 berücksichtigt worden. Die im Vergleichswege vorgeschlagene Bewertung des depressiven Syndroms mit einem GdB von 50, was eine Heraufsetzung des Gesamt GdB auf 80 rechtfertigen könnte, sei zwar im Vergleichswege gut vertretbar gewesen, wegen der Unsicherheiten in Ermangelung aussagekräftiger Befunde sei insgesamt jedoch weiterhin lediglich von einem Höchst GdB von 40 für die Depression und die Migräne auszugehen. Nach Auswertung der Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander erweise sich der Gesamt GdB von 70 daher als zutreffend.
Gegen dieses am 21. Mai 2003 zugegangene Urteil richtet sich die am 19. Juni 2003 eingegangene Berufung des Klägers. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat der Beklagte durch Bescheid vom 09. Oktober 2003 das zwischenzeitlich ebenfalls geltend gemachte Merkzeichen "G" (erhebliche Gehbehinderung) anerkannt, der GdB betrage jedoch weiterhin 70. Die Funktionsbeeinträchtigungen lauteten ab Januar 2001 wie folgt: a) Schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Sprunggelenke nach Frakturen (Arbeitsunfallfolgen) b) Wirbelsäulenverschleiß mit Funktionseinschränkungen und Reizzuständen bei ausgeprägter Übergewichtigkeit c) Narbenbildungen beidseits am Ober- und Unterschenkel nach operativ behandeltem Krampfaderleiden ohne Nachweis einer verbliebenen Verschlusssymptomatik d) Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen e) Funktionelle Behinderung des linken Schultergelenkes mit Beschwerden f) Bewegungseinschränkungen der Hüft- und weniger der Kniegelenke, besonders links mit Schmerzsymptomatik bei ausgeprägter Übergewichtigkeit.
Der Kläger trägt zur Begründung vor, dass die bei ihm bestehenden Einschränkungen mit einem Gesamt GdB von 100 bewertet werden müssten; insoweit wird auf den Schriftsatz vom 18. Juli 2003 Bezug genommen. Der Kläger verweist ferner auf ein für die Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin erstelltes Gutachten des Facharztes für Chirurgie und Sozialmedizin Dipl. Med. P vom 13. August 2003.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Februar 2003 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 14. August 1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02. Juni 1993, insgesamt in der Fassung der (letzten) Bescheide vom 19. Januar 2000 und vom 09. Oktober 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm einen Grad der Behinderung von 100 für die Zeit ab November 1999 zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.
Der Beklagte verweist auf das Ergebnis der medizinischen Ermittlungen und auf versorgungsärztliche Stellungnahmen hierzu.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes einen Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dipl.-Ing. K vom 28. Mai 2004 eingeholt. Das Gericht hat ferner auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr. N, E S, eingegangen am 26. Juni 2006, unterzeichnet durch Prof. Dr. N und Dr. H, eingeholt, der ausführte, dass die erhobenen orthopädischen und neurologischen Befunde und die Befunde aus der Aktenlage insgesamt keine Erhöhung des GdB auf 100 rechtfertigten. Sämtliche Befunde, die bereits über den gesamten Begutachtungszeitraum bestanden hätten, seien ohne wesentliche Veränderungen. Dabei bewertete der Gutachter die schmerzhafte Funktionseinschränkung beider Sprunggelenke nach Arbeitsunfall mit einem Einzel GdB von 50, den Wirbelsäulenverschleiß mit einem Einzel GdB von 20 und das depressive Syndrom mit Kopfschmerzsymptomatik, Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen, den Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose links ohne schwerwiegendes postthrombotisches Syndrom mit Besserung, die Narbenbildung beiderseits am Ober- und Unterschenkel nach operativ behandeltem Krampfaderleiden ohne Nachweis einer verbliebenen Verschlusssymptomatik, eine funktionelle Behinderung des linken Schultergelenkes mit Beschwerden und Bewegungseinschränkungen der Hüft- und weniger der Kniegelenke besonders links mit Schmerzsymptomatik bei ausgeprägter Übergewichtigkeit jeweils mit 10 und führte aus, dass der gesamte Grad dieser Behinderungen unter Berücksichtigung ihrer Wechselbeziehungen weiterhin 70 betrage.
Der Kläger hat hierzu vorgebracht, dass die Bewertung der Arbeitsunfallfolgen mit 50 keiner Beanstandung unterliege, dass jedoch sein Wirbelsäulenleiden bereits 1989 mit einem Einzel GdB von 30 bewertet worden sei und seither keine Besserung, sondern vielmehr eine Verschlimmerung eingetreten sei. Für sein depressives Syndrom und die Kopfschmerzsymptomatik sei mindestens ein Einzel GdB von 50 und für den Schwindel mit Gleichgewichtsstörungen mindestens ein Einzel GdB von 30 anzusetzen. Der Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose dürfte mit 20 sachgerechter und zutreffender bewertet sein. Ergänzend wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 07. August 2006 Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 05. Oktober 2006 hat der Kläger ferner ausgeführt, dass ihn Prof. Dr. N lediglich für einen Zeitraum von ca. 10 Minuten gesehen und die Untersuchung nicht selbst vorgenommen habe.
Auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Gericht ein Gutachten des Facharztes für Innere Medizin P vom 25. April 2007 eingeholt, der insbesondere mitteilte, dass seit der Gutachtenerstellung von Prof. N eine erneute Venenoperation erfolgt sei mit deutlicher Verbesserung des Lokalbefundes am linken Bein. Das postthrombotische Syndrom des linken Beines mit erheblicher Lipödembildung und Umfangsvermehrung sowie mäßiger Funktionsbeeinträchtigung bewertete er mit einem Einzel GdB von 20, führte allerdings aus, dass diese Höherbewertung nicht zu einer Erhöhung des Gesamt GdB führe, da insoweit eine Überschneidung mit den Einschränkungen aufgrund der posttraumatischen Arthrose der Sprunggelenke vorliege. Der Gesamt GdB betrage weiterhin 70 v. H.
Der Kläger hat gegen dieses Gutachten keine Einwände vorgebracht, jedoch einen Antrag auf Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens nach § 109 SGG aufrechterhalten.
Diesbezüglich hat das Gericht das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie I vom 11. März 2008 eingeholt, der ausführte, dass das depressive Syndrom des Klägers als Dysthymia (ICD 10: F34.1) einzuordnen sei, also als eine chronische, andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug sei, um die Kriterien einer leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen. Bei der Dysthymia handele es sich um den Ausdruck einer pessimistischen Grundeinstellung dem Leben gegenüber und eine Unzufriedenheit mit dem eigenen Schicksal, jedoch nicht um ein schwerwiegendes psychiatrisches Krankheitsbild. Der Kläger leide nicht unter stärker behindernden psychovegetativen oder psychischen Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit. Der Einzel GdB für das depressive Syndrom betrage 10, der Gesamt GdB unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der Behinderungen untereinander betrage, bedingt durch die Herabsetzung der Einzelbewertung des lediglich mit 20 zu bewertenden Schwindels, 60.
Der Kläger hat hiergegen eingewandt, dass die Beurteilung durch den Gutachter oberflächlich sei, dieser habe insbesondere seine Schmerzzustände nicht ausreichend gewürdigt und seine diesbezüglichen Aufzeichnungen nicht zur Kenntnis genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte des Beklagten und die Akten zum unfallversicherungsrechtlichen Verfahren L 3 U 38/03.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind in der Fassung des zuletzt ergangenen Bescheides vom 09. Oktober 2003, nach dem der Gesamt GdB weiterhin 70 betrage, nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung eines höheren GdB. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft sind gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 und 4 und Abs. 3 SGB IX abgestuft als Grad der Behinderung in 10er Graden von 20 bis 100 entsprechend den Maßstäben des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz in Verbindung mit den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil II SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (derzeit Ausgabe 2008 – AHP 2008), die als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen sind, festzustellen. Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so sind die Einzel-GdB in Graden anzugeben. Für die Bildung des Gesamt-GdB bei Vorliegen mehrerer Funktionsbeeinträchtigungen sind nach § 69 Abs. 3 SGB IX die Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander zu ermitteln, wobei sich nach Nr. 19 AHP 2008 (Seite 24 ff.) die Anwendung jeglicher Rechenmethode verbietet. Vielmehr ist zu prüfen, ob und inwieweit die Auswirkungen der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind und ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen oder ob und inwieweit sich die Auswirkungen der Behinderungen überschneiden oder gegenseitig verstärken. Dabei ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden, wobei die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden dürfen. Leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, führen grundsätzlich nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung; auch bei leichten Funktionsstörungen mit einem GdB-Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AHP 2008 Nr. 19, Abs. 1, 3 und 4, Seite 24 ff.).
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben kommt ein höherer als der zuerkannte GdB von 70 nicht in Betracht. Das Gericht verweist zunächst auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil, denen es gemäß § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Prüfung folgt. Die im Berufungsverfahren eingeholten drei Gutachten auf der Grundlage des § 109 SGG haben bestätigt, dass jedenfalls kein höherer Gesamt GdB als 70 in Betracht kommt.
Prof. Dr. N hat in seinem Gutachten, eingegangen am 26. Juni 2006, zwar die schmerzhafte Funktionseinschränkung der Sprunggelenke aufgrund der bei dem Arbeitsunfall erlittenen Frakturen mit einem Einzel GdB von 50, den Wirbelsäulenverschleiß jedoch lediglich mit einem Einzel GdB von 20 bewertet. Der Bemessung der Wirbelsäulenschäden mit 20 steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass Prof. Dr. B diese in seinem Gutachten vom 19. April 1995 mit 30 bewertet hatte. Irgendeine Bindungswirkung folgt aus dieser gutachterlichen Feststellung nicht. Auch an interne Einzel-GdB Bewertungen des Beklagten ist das Gericht nicht gebunden, da Regelungsgegenstand der Bescheide nur der Gesamt-GdB ist. Nach den Vorgaben der Anhaltspunkte begegnet die Bewertung der Wirbelsäulenschäden mit 20 keinen Bedenken. Denn nach den AHP Nr. 26.18 (AHP 2008, S. 116, insoweit gleichlautend mit AHP 1996, 2004/2005) setzt ein Einzel-GdB von 30 schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt voraus, ein Einzel-GdB von 30 – 40 besteht nach den vorliegend maßgeblichen AHP 2008 nur bei mittelgradigen bis schweren Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten. Prof. Dr. N hat zur Lendenwirbelsäule ausgeführt, dass hier nur mäßige degenerative Veränderungen in den Röntgenbildern ohne neurologische Ausfallerscheinungen vorlägen, was nicht als mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung gewertet werden kann. Auch seinen Feststellungen zur Halswirbelsäule lassen sich schwere Auswirkungen im Sinne der zitierten AHP nicht entnehmen; er beschreibt hier eine schmerzhaft deutlich eingeschränkte Beweglichkeit; radiologisch fand sich hier allerdings nur eine Steilstellung mit leichten degenerativen Veränderungen im unteren Segmentbereich. Weitere Einzelbehinderungen sind nach Einschätzung des Prof. Dr. N nur mit einem Einzel GdB von 10 zu bewerten. Da – wie ausgeführt – nach Nr. 19 Abs. 4 AHP 2008 leichte, nur mit 10 zu bewertende Gesundheitsstörungen nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen und Additionen nach Nr. 19 Abs. 1 AHP 2008 (Seite 24) unzulässig sind, besteht unter Zugrundelegung der von Prof. Dr. N gefundenen Einzel-GdB von 50 und 20 sogar lediglich ein Gesamt GdB von maximal 60. Trotz der geringfügigen Höherbewertung der Arbeitsunfallfolgen ergibt sich damit aufgrund der geringeren Bewertung der übrigen Funktionseinschränkungen letztlich ein geringerer als der durch den Beklagten zuletzt durch Bescheide vom 09. Oktober 2003 und 19. Januar 2000 festgestellte Gesamt GdB.
Der Facharzt für Innere Medizin P bestätigte den vom Beklagten bereits anerkannten Gesamt GdB von 70, wobei er das postthrombotische Syndrom trotz einer zwischenzeitlich erfolgten Venenoperation mit Verbesserung des Lokalbefundes am linken Bein entgegen Prof. Dr. N mit einem Einzel GdB von 20 bewertete. Anhaltspunkte für eine nicht ausreichende Bewertung des Gesamt-GdB durch den Beklagten in den Bescheiden vom 19. Januar 2000 und vom 09. Oktober 2003 sind dem Gutachten insgesamt nicht zu entnehmen.
Auch das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie I vom 11. März 2008 bestätigt, dass jedenfalls kein höherer GdB als der vom Beklagten mit 70 zuerkannte vorliegt; vielmehr kam auch dieser Gutachter lediglich zu einem Gesamt GdB von 60, wobei er das depressive Syndrom mit Kopfschmerzsymptomatik lediglich mit einem Einzel GdB von 10 bewertete. Entgegen der Auffassung des Klägers vermittelt das 40-seitige Gutachten nicht den Eindruck, oberflächlich zu sein, vielmehr enthält es eine umfassende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Klägers. Der vom Kläger übersandte Bericht der C vom 5. Dezember 2007 über eine dort am 27. November 2007 erfolgte Vorstellung wegen eines chronischen Spannungskopfschmerzes und Migräne war dem Gutachter bekannt, er ist mehrmals auf ihn eingegangen (Seite 4 und 34 des Gutachtens). Unschädlich war auch, dass der Sachverständige den Schmerzkalender des Klägers nicht ausgewertet hat. Die im Schmerzkalender beschriebenen Schmerzzustände sind dem Gutachter gegenüber geschildert und von ihm ausweislich seiner Ausführungen zu aktuellen Beschwerden, allgemeiner Anamnese und zum Krankheitserleben zur Kenntnis genommen und in der Funktionseinschränkung f) auch berücksichtigt worden.
Die Einwände des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil sind damit durch die Gutachten nicht bestätigt worden. Weitere Gutachten waren nicht einzuholen. Etwas anderes folgt auch nicht aufgrund der Einwände des Klägers, die er gegen das ihm am 07. Juli 2006 übersandte Gutachten des Prof. Dr. N erst am 05. Oktober 2006 dahingehend erhoben hat, dass Prof. Dr. N dieses Gutachten nicht persönlich erstattet habe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist ein Gutachten, solange es sich nicht um eine psychiatrische Begutachtung handelt, nicht deshalb unverwertbar, weil der Sachverständige die körperliche Untersuchung des Probanden und die Erhebung der organmedizinischen Befunde einem ärztlichen Mitarbeiter übertragen hat (BSG, Beschluss vom 17. November 2006, Az.: B 2 U 58/05, SozR 4 1750 § 407 a Nr. 3). Entscheidend ist vielmehr, dass der Sachverständige die Schlussfolgerungen seines Mitarbeiters überprüfe und durch seine Unterschrift die volle Verantwortung für das Gutachten übernehme, was vorliegend erfolgt ist. Auch war nach dem Vortrag des Klägers Prof. Dr. N bei der Untersuchung durchaus für einen Zeitraum von "ca. 10 Minuten" anwesend.
Nach alledem war die Berufung daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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