L 29 B 739/08 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
29
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 156 AS 4576/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 29 B 739/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. März 2008 aufgehoben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für das erst- und zweitinstanzliche einstweilige Anordnungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die statthafte, fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Beschwerde, §§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG), der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 12. Juni 2008), ist begründet.

Eine einstweilige Anordnung darf nur ergehen, wenn der Antragsteller das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den so genannten Anordnungsanspruch, und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, den so genannten Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG – , § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO –). Maßgebend sind - auch im Beschwerdeverfahren - die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (OVG Hamburg NVwZ 1990, Seite 975). In Bezug auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende für die Zeit ab dem vom Antragsteller gestellten Antrag bis zur Entscheidung des erkennenden Senates steht dem Antragsteller kein Anordnungsgrund zur Seite. Derartige Ansprüche für die Vergangenheit können regelmäßig nicht im Wege eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens anerkannt werden. Diese sind in einem Hauptsacheverfahren geltend zu machen. Etwas Anderes kann nur dann in Betracht kommen, wenn die sofortige Verfügbarkeit von für zurückliegende Zeiträume zu zahlenden Hilfen zur Abwendung eines gegenwärtig drohenden Nachteils erforderlich ist. Diesbezüglich ist jedoch vom Antragsteller nichts glaubhaft gemacht worden.

Soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, im Wege der einstweiligen Anordnung Leistungen für die Zeit ab der Entscheidung des Senats zu erhalten, fehlt es ebenfalls an einem Anordnungsgrund. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes in Fällen der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt, und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch vom Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft gemacht worden.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Ein Anordnungsanspruch - die Rechtsposition, deren Durchsetzung im Hauptsacheverfahren beabsichtigt ist - sowie der Anordnungsgrund - die Eilbedürftigkeit der begehrten sofortigen Regelung - sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 ZPO). Die Glaubhaftmachung bezieht sich dabei auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit von tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruches und des Anordnungsgrundes in einem so genannten summarischen Prüfungsverfahren (Grieger, Vorläufiger Rechtsschutz in Angelegenheiten der Sozialhilfe und der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch Verwaltungs- und Sozialgerichte, ZFSH/SGB 2004, 579, 583).

Für den Erlass der einstweiligen Anordnung fehlt es – entgegen dem erstinstanzlichen Beschluss des Sozialgerichts – an der Dringlichkeit der vorläufigen Regelung, dem Antragsteller die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) für die von ihm zum 01. Februar 2008 angemietete Einzimmerwohnung im Haus zu gewähren. Ausweislich des Mietvertrages zwischen ihm und der Pensionskasse der hatte nach Hinweisen in den Verwaltungsakten des Antragsgegners, der Vater des Antragstellers, die Erfüllung aller Rechte und Pflichten aus diesem Mietvertrag und zugleich "die persönliche Schuldhaftung" gegenüber der Vermieterin übernommen. Bei dieser Sachlage, besteht kein Eilbedürfnis für den Erlass der einstweiligen Anordnung, dem Antragsteller aus Steuermitteln KdU gemäß § 22 Abs. 2a des Sozialgesetzbuches (SGB II) in der hier anzuwenden Fassung zuzugestehen, wobei offen bleiben kann, ob es sich bei dieser Erklärung um ein Bürgschaftsversprechen (iSd §§ 765 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB –), eine Schuldübernahme, Erfüllungsübernahme oder einen Schuldbeitritt (vgl. hierzu Palandt-Heinrichs, BGB, Kommentar, 67. Auflage, Überblick vor § 414 Rnr. 4 und Sprau-Palandt, a. a. O., Einführung vor § 765 Rnr. 15 ff.) handelt.

Nach alledem konnte der angefochtene Beschluss des Sozialgerichts Berlin keinen Bestand haben.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht anfechtbar; § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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