Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 699/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1100/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1969 geborene Klägerin kam im Juli 1978 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland. Aus der im Jahre 1987 geschlossenen Ehe sind drei 1988, 1993 und 1995 geborene Kinder hervorgegangen. Das 1993 geborene Kind starb mit etwa neun Monaten.
Seit Juli 1988 stand die Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, zuletzt als Montiererin in einem Kunststoffbetrieb. Seit dem 10. November 2003 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog ab 22. Dezember 2003 Krankengeld.
Vom 25. Mai 2004 bis zum 22. Juni 2004 wurde für die Klägerin ein Heilverfahren in der psychosomatischen Klinik Schloss W. durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 20. Juli 2004 diagnostizierten die Ärzte somatoforme Störungen, eine mittelgradige depressive Episode, eine Zervikobrachial-Syndrom, Rückenschmerzen und sonstige Kopfschmerzsyndrome. Sie führten aus, die Beschwerden hätten nach der dritten Schwangerschaft begonnen und seien vor dem Hintergrund einer belasteten Kindheit und dem Kindstod im Jahr 1993 zu sehen. Auf der körperlichen Ebene reagiere die Klägerin mit einer vermehrten Schmerzwahrnehmung und chronischen Schmerzen, auf der emotionalen Ebene mit Nervosität, Ängsten und gedrückter Stimmung. Durch das Heilverfahren habe sich keine Verbesserung ihres Befindens erreichen lassen. Die Klägerin sei weiterhin arbeitsunfähig. Bei konsequenter ambulanter psychiatrischer und orthopädischer Behandlung könne mit einer Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in 3 bis 4 Monaten gerechnet werden. Dann sei die Klägerin wieder vollschichtig einsatzfähig für leichte Arbeiten im Wechselrhythmus, nicht überwiegend im Knien, ohne Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck, ohne Zwangshaltung, ohne Überkopfarbeiten, und ohne besondere Anforderung an Konzentration und Ausdauer.
Den am 15. Juli 2004 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2004 ab und stützte sich zur Begründung auf diese ärztlichen Feststellungen und Beurteilungen.
Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte Unterlagen der behandelnden Ärzte bei und ließ die Klägerin von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie - Sozialmedizin - Dr. U. begutachten. Diese stellte im Gutachten vom 29. Oktober 2004 die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung, einer derzeit leichten depressiven Episode, eines rezidivierenden Cervikobrachialsyndroms ohne radikuläre Defizite und einer kompensierten Hyperthyreose. Für das seit 3 bis 4 Jahren bestehende, in Intensität und Lokalisation wechselnde Schmerzsyndrom sei bisher kein organisches Korrelat diagnostiziert worden. Ca. zweimal pro Jahr finde ein ambulanter nervenärztlicher Kontakt statt. Eine Gesprächstherapie werde abgelehnt. Eine thymoleptische Medikation habe ebenso wie eine analgetische Medikation keine Linderung erbracht. Den laborchemischen Untersuchungen zufolge werde das Antidepressivum nur unregelmäßig eingenommen. Der aktuelle Befund sei vor dem Hintergrund einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung geprägt gewesen von einer leichtgradig depressiven Affektlage, einer leicht reduzierten psychomentalen Belastbarkeit, erheblicher Somatisierung und diffusen Ängsten. Eine Aggravation könne nicht ausgeschlossen werden. Bei einem uneingeschränkt normentsprechenden körperlichen Untersuchungsbefund bestehe unter Berücksichtigung der genannten Beeinträchtigungen keine wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin. Die ambulante nervenärztliche Behandlung solle intensiviert und ggf. um eine Gesprächstherapie erweitert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28. Februar 2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Allgemeinarzt Dr. K.(Auskunft vom 6. Mai 2005), den Orthopäden Dr. Urbanek (Auskunft vom 11. April 2005 ) und den Neurologen Dr. Tomov (Auskunft vom 7. April 2005) als sachverständige Zeugen auf schriftlichen Weg. Während Dr. K. eine körperlich leichte Tätigkeit nur noch für 4 Stunden täglich für zumutbar hielt, schätzten Dr. T. und Dr. U. übereinstimmend das Leistungsvermögen der Klägerin auf sechs Stunden täglich ein.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erstattete der Arzt für Psychiatrie Dr. G. das Gutachten vom 19. Oktober 2005. Er diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode (F32.1 ICD-10) und führte aus, die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten, wie leichte Reinigungsarbeiten, Aufräumarbeiten oder Post sortieren 6 Stunden täglich verrichten, wobei eine Wiedereingliederung in leichte Arbeitstätigkeit mit 4 Stunden pro Tag für die Dauer von 3 Monaten zu empfehlen sei. Mit den Beurteilungen im Reha-Entlassungsbericht und von Dr. T. bestehe Übereinstimmung.
Mit Urteil vom 26. Januar 2006 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 10. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 3. März 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingegangen ist.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Allgemeinarzt Dr. K. hat auf Anfrage des Senats unter dem 27. April 2006 mitgeteilt, es hätten sich im Gesundheitszustand der Klägerin keine Veränderungen ergeben.
Der die Klägerin seit Januar 2006 behandelnde Orthopäde Dr. N. hat unter dem 11. April 2006 die von ihm gestellten Diagnosen mitgeteilt und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG das Gutachten vom 13. November 2006 erstattet. Bei der Klägerin bestünden auf orthopädischem Fachgebiet ein cervikales Wurzelreizsyndrom beidseits bei multiplen Bandscheibenvorfällen cervical mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der HWS ohne eindeutiges sensomotorisches Defizit, ein degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom mit Skoliose und Fehlhaltung und Spondylarthrose der unteren LWS, eine ISG-Sklerose mit Beckentiefstand links, Impingementsyndrom beider Schultern, eine beginnende PIP-Gelenkarthrose an beiden Händen, Senk-Spreizfüße beidseits mit beginnender Fußwurzelarthrose und Hallux rigidus, ein chronisches BWS-Syndrom, ein Fibromyalgiesyndrom und eine Somatisierungsstörung mit Depression. Einschränkungen bestünden hinsichtlich der Beweglichkeit und der Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Beweglichkeit der Schultern. Von Seiten der Deformität beider Hände und Füße zeigten sich lediglich mäßige funktionelle Einschränkungen. Zusammenfassend bestehe eine Diskrepanz der objektiv erhobenen Befunde und der deutlichen Schmerzangabe nahezu des gesamten Bewegungsapparats. Letzteres sei durch die Somatisierungsstörung im Rahmen einer Depression und bei Fibromyalgie erklärbar, weshalb er eine Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet empfehle. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten im Bewegungswechsel 6 Stunden und mehr an 5 Tagen in der Woche verrichten. Eine Einschränkung bezüglich des Arbeitsweges bestehe nicht.
Auf Anfrage des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. unter dem 19. April 2007 mitgeteilt, die Klägerin habe sich am 30. April 2002 erstmals in seine Behandlung begeben. Weitere Kontakte seien am 9. Juni und 12. Juli 2006 sowie am 15. Januar und 13. März 2007 erfolgt. Vom 1. August 2005 bis zum 22. Juni 2006 habe die Klägerin ausweislich des Attestes von Dr. G. vom 16. Januar 2007 bei diesem in Behandlung gestanden. Auf psychiatrischem Gebiet bestehe eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung mit deutlicher Chronifizierung (ICD 10 F32.1). Psychopathologisch habe eine Schlafstörung bei Grübelneigung bestanden. Die Klägerin habe über Konzentrationsstörungen berichtet. Bei den fortbestehenden, organisch nicht erklärbaren Paraesthesien beider Hände handele es sich diagnostisch um eine anhaltende somatoforme Störung (ICD 10 F 45.0). Es bestehe eine eingeschränkte körperliche und psychische Belastbarkeit. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne Hebetätigkeiten und monotone Haltungen könne die Klägerin noch 3 bis 6 Stunden täglich ausüben.
Der Senat hat daraufhin ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. E. vom 11. September 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. November 2007 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine anhaltende Stimmungsstörung mit schleichender Verschlechterung ohne deutliche schwere depressive oder manische Phasen im Sinne einer Dysthymia (ICD-10 F 34.1) Während der insgesamt 5-stündigen Untersuchung habe es keine eindeutigen Hinweise auf eine Simulation der angegebenen Beschwerden gegeben. Auffällig sei jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden bzw. dem Verhalten der Klägerin gewesen. In der Exploration sei die Klägerin gesprächsbereit und meist konzentriert in der Lage gewesen, die Fragen der Untersucherin zu beantworten. Die von ihr beschriebene Ruhelosigkeit und motorische Unruhe habe nicht beobachtet werden können. Auch habe es keinen Anhalt für die beklagte Angststörung mit Panikgefühlen gegeben. Ebenso sei die beklagte Schmerzsymptomatik zu keiner Zeit im Verhalten zu erkennen gewesen. Es habe sich auch keine Schonhaltung oder Gangauffälligkeit gezeigt. Auffällig sei eine schnelle Ermüdbarkeit gewesen, weswegen die Klägerin mehrere Pausen gewünscht habe. Die Beschreibung der Symptome sei klagsam und zum Teil ungenau, diffus und wechselnd gewesen. Es bestünden daher insgesamt Zweifel, ob die von der Klägerin beschriebenen Defizite im häuslichen Bereich tatsächlich so ausgeprägt seien. Eine Aggravation könne nicht ausgeschlossen werden. Die Klägerin habe sich nach eigenen Angaben auch nie einer konsequenten medikamentösen und psychotherapeutischen antidepressiven Therapie unterzogen, obwohl zu erwarten sei, dass durch eine solche Therapie eine Besserung in absehbarer Zeit erfolgen könnte. Derzeit - und dies seit etwa 3 Jahren - könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 3 bis 6 Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden seien Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschichtarbeiten und Arbeiten mit erhöhter Anforderung an Konzentration, sprachliches Ausdrucksvermögen, Ausdauer und Verantwortung. Eine stationäre psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung mit türkischsprachigem Behandlungsteam könne eine nachhaltige Besserung bewirken. In der ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige ausgeführt, er gehe von einer 3 bis unter 6-stündigen Leistungsfähigkeit aus. Es gebe für psychiatrische Beurteilungen sicher wenig objektivierbare Messinstrumente hinsichtlich der psychischen Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Exploration der Klägerin und der Verhaltensbeobachtung entstehe vor dem Hintergrund der gestellten Diagnose der Eindruck, dass das aktuelle Leistungsvermögen sowohl zeitlich als auch in Bezug auf die Schwere der Tätigkeit eingeschränkt sei.
Dieser Beurteilung ist die Beklagte unter Vorlage der Stellungnahmen der Ärztin für Psychiatrie Dr. H. vom 12. Oktober 2007 und 7. Februar 2008 entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, die Beurteilung des Leistungsvermögens sei die einzige Inkonsistenz des ansonsten vorzüglichen und aussagekräftigen Sachverständigengutachtens. Bei den darin beschriebenen Widersprüchen und Inkonsistenzen sowie dem Verdacht auf Aggravation werde die rentenrelevante quantitative Leistungsminderung nur auf die subjektiven Angaben der Klägerin gestützt, obwohl keine gravierenden psychischen Beeinträchtigungen objektivierbar gewesen seien und ferner eine große therapeutische Reserve bestehe. Es sei nicht nachvollziehbar und zweifelsfrei begründet worden, weshalb eine 39-jährige Versicherte bei einer seit etwa 10 Jahren mehr oder weniger unverändert bestehenden dysthymen Störung und einer noch großen therapeutischen Reserve nicht in der Lage sein sollte, einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig nachzugehen.
Die Klägerin hat noch mitgeteilt, dass sie weiterhin arbeitsunfähig sei. Sie befinde sich in Behandlung bei Dr. D. und erhalte Medikamente. Für die von Dr. D. empfohlene Gesprächstherapie sei noch kein geeigneter Behandler gefunden worden.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagte sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen.
Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des Entlassungsberichts der psychosomatischen Klinik Schloss W. vom 20. Juli 2004, des im Widerspruchsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens von Dr. U. vom 29. Oktober 2004, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, des gemäß § 109 SGG im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Psychiaters Dr. G. vom 19. Oktober 2005, des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Orthopäden Dr. N.r vom 13. November 2006 und des psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. E. vom 11. September 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. November 2007 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen der die Klägerin behandelnden Ärzte.
Auf dem orthopädischen Fachgebiet stehen im Vordergrund degenerative Veränderungen der Wirbelsäule in allen Wirbelsäulenabschnitten und im Bereich beider Schultern, die die Beweglichkeit und die Belastbarkeit der Wirbelsäule und die Beweglichkeit der Schultern beeinträchtigen. Die Deformitäten der Hände und der Füße haben nur mäßige funktionelle Auswirkungen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der behandelnden Orthopäden Dr. N. vom 13. November 2006, der aber - insoweit in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Dr. U. im Gutachten vom 29. Oktober 2004 - auf eine Diskrepanz zwischen den objektiv erhobenen Befunden und den deutlichen Schmerzangaben nahezu des gesamten Bewegungsapparats hinwies. Von Seiten des orthopädischen Fachgebiets kann die Klägerin nach seiner den Senat überzeugenden Beurteilung leichte körperliche Tätigkeiten im Bewegungswechsel noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten.
Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer depressiven Verstimmung, die nach den Feststellungen des im Berufungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen Prof. Dr. E. seit Jahren relativ unverändert ohne deutliche und zeitlich begrenzte schlechtere oder auch gute Phasen besteht und deshalb als eine Dysthymia zu bezeichnen ist. Definitionsgemäß handelt es sich hierbei um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen (ICD-10 F34.1). Diese diagnostische Einordnung überzeugt den Senat, auch wenn zuvor abweichende Diagnosen gestellt wurden. So wurde im Mai /Juli 2004 während des Heilverfahrens eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert, während Dr. U. im Oktober 2004 nur noch eine leichte depressive Episode fand. Demgegenüber beschrieb der die Klägerin von Februar 2000 bis Juli 2005 in größeren Zeitabständen von etwa einem halben Jahr behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. T. eine depressive Entwicklung vor dem Hintergrund einer familiären Überlastungssituation, während Dr. Gül, der die Klägerin vom August 2005 bis Juni 2006 wegen einer depressiven Störung mit Antidepressiva und stützenden Gesprächen behandelte und der am 25. April 2006 eine Besserung der depressiven Affektivität erhoben hatte (Bericht vom 16. Januar 2007), in dem zu Beginn der Behandlung erstatteten Gutachten vom 19. Oktober 2005 (Untersuchungstag 12. August 2005) eine mittelgradige depressive Episode diagnostizierte. Schließlich bezeichnete auch der Neurologe und Psychiater Dr. D., in dessen gelegentlicher Behandlung sich die Klägerin im Juni/ Juli 2006 und im Januar/ März 2007 befand, in der Auskunft vom 19. April 2007 die depressive Störung als mittelgradig. Allerdings waren, ungeachtet der diagnostischen Einordnung, alle diese Ärzte der Auffassung, dass die Klägerin in der Lage war, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und auch noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zu 6 Stunden am Tag erwerbstätig zu sein. Dies gilt für die Ärzte der Klinik W. ebenso, wie für Dr. U., für Dr. T.(sachverständige Zeugenaussage vom 7. April 2005), für Dr. G.und für Dr. D ...
Die bei der im Juli 2007 durchgeführten Untersuchung durch Prof. Dr. E. erhobenen objektiven Befunde zeigten eine deutliche Diskrepanz zu dem Ausmaß der von der Klägerin geklagten subjektiven Beschwerden. Es konnten weder eine von der Klägerin beschriebene Ruhelosigkeit oder motorische Unruhe noch Hinweise auf eine beklagte Angststörung mit Panikgefühlen erhoben werden. Auch bildete sich die beklagte Schmerzsymptomatik, welche im Heilverfahren im Mai/Juni 2004 noch im Vordergrund stand, zu keinem Zeitpunkt im Verhalten der Klägerin ab. Damit konnte der Sachverständige die von den Ärzten der psychosomatischen Klinik Schloss W. und auch von Dr. U. diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung nicht (mehr) bestätigen. Der zeitliche Ablauf und die ärztlichen Feststellungen belegen auch, dass die in Bezug auf die depressive Verstimmung vorhandenen therapeutischen Angebote von der Klägerin nicht in hinreichendem Maße genutzt wurden. Die von der Gutachterin Dr. U. veranlassten Laboruntersuchungen zeigten, dass das seinerzeit von Dr. T. verordnete Antidepressivum nur unregelmäßig eingenommen wurde. Auch gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. E. gab die Klägerin an, dass sie alle Antidepressiva nach kurzer Zeit wieder abgesetzt habe, da sie sich mit den Medikamenten noch müder und kraftloser gefühlt habe. Auf den Hinweis des Sachverständigen, dass - wie bereits in W. empfohlen - eine konsequente und kontinuierliche medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung gegebenenfalls stationär erfolgen müsse, reagierte die Klägerin, die ansonsten in einem leidenden und passiven Zustandsbild verharrte, sehr lebendig und massiv ablehnend mit latenter Aggressivität.
Schließlich hat Prof. Dr. E. in Übereinstimmung mit Dr. U. eine Aggravation der Beschwerden durch die Klägerin nicht ausschließen können, nachdem die Beschreibung der Symptome sehr klagsam und zum Teil ungenau, diffus und wechselnd war.
Diese in sich schlüssigen und überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen tragen seine Beurteilung, das Leistungsvermögen der Klägerin sei auch für leichte körperliche Tätigkeiten im Bewegungswechsel unter Ausschluss von Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachschichtarbeiten und Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an Konzentration, sprachliches Ausdrucksvermögen, Ausdauer und Verantwortung zeitlich eingeschränkt und die Klägerin könne nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich erwerbstätig sein, nicht. Darauf hat die beratende Ärztin der Beklagten zutreffend hingewiesen. Die bei der Klägerin vorliegende Dysthymia führt schon definitionsgemäß im Vergleich zu leichten, mittelschweren oder gar schweren depressiven Episoden zu deutlich geringeren funktionellen Auswirkungen und schränkt die Leistungsfähigkeit der von ihr Betroffenen grundsätzlich nicht in quantitativer Hinsicht ein. Nachdem - wie bereits dargelegt - auch die Ärzte, die die depressive Verstimmung der Klägerin als leichte oder gar mittelgradige depressive Episode bezeichneten, der Auffassung, waren, dass die Klägerin dennoch in der Lage war, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und auch noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zu 6 Stunden am Tag erwerbstätig zu sein, überzeugt es nicht, dass ein weniger schwerwiegendes Krankheitsbild, das zudem einer effektiven Behandlung zugänglich wäre, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin begründen soll.
Nach alledem kann das Vorliegen von Erwerbsminderung bei der Klägerin nicht festgestellt werden.
Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1969 geborene Klägerin kam im Juli 1978 aus der Türkei in die Bundesrepublik Deutschland. Aus der im Jahre 1987 geschlossenen Ehe sind drei 1988, 1993 und 1995 geborene Kinder hervorgegangen. Das 1993 geborene Kind starb mit etwa neun Monaten.
Seit Juli 1988 stand die Klägerin in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis, zuletzt als Montiererin in einem Kunststoffbetrieb. Seit dem 10. November 2003 war sie arbeitsunfähig erkrankt und bezog ab 22. Dezember 2003 Krankengeld.
Vom 25. Mai 2004 bis zum 22. Juni 2004 wurde für die Klägerin ein Heilverfahren in der psychosomatischen Klinik Schloss W. durchgeführt. Im Entlassungsbericht vom 20. Juli 2004 diagnostizierten die Ärzte somatoforme Störungen, eine mittelgradige depressive Episode, eine Zervikobrachial-Syndrom, Rückenschmerzen und sonstige Kopfschmerzsyndrome. Sie führten aus, die Beschwerden hätten nach der dritten Schwangerschaft begonnen und seien vor dem Hintergrund einer belasteten Kindheit und dem Kindstod im Jahr 1993 zu sehen. Auf der körperlichen Ebene reagiere die Klägerin mit einer vermehrten Schmerzwahrnehmung und chronischen Schmerzen, auf der emotionalen Ebene mit Nervosität, Ängsten und gedrückter Stimmung. Durch das Heilverfahren habe sich keine Verbesserung ihres Befindens erreichen lassen. Die Klägerin sei weiterhin arbeitsunfähig. Bei konsequenter ambulanter psychiatrischer und orthopädischer Behandlung könne mit einer Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit in 3 bis 4 Monaten gerechnet werden. Dann sei die Klägerin wieder vollschichtig einsatzfähig für leichte Arbeiten im Wechselrhythmus, nicht überwiegend im Knien, ohne Nachtschicht und ohne besonderen Zeitdruck, ohne Zwangshaltung, ohne Überkopfarbeiten, und ohne besondere Anforderung an Konzentration und Ausdauer.
Den am 15. Juli 2004 gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30. Juli 2004 ab und stützte sich zur Begründung auf diese ärztlichen Feststellungen und Beurteilungen.
Im Widerspruchsverfahren zog die Beklagte Unterlagen der behandelnden Ärzte bei und ließ die Klägerin von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie - Sozialmedizin - Dr. U. begutachten. Diese stellte im Gutachten vom 29. Oktober 2004 die Diagnosen einer somatoformen Schmerzstörung, einer derzeit leichten depressiven Episode, eines rezidivierenden Cervikobrachialsyndroms ohne radikuläre Defizite und einer kompensierten Hyperthyreose. Für das seit 3 bis 4 Jahren bestehende, in Intensität und Lokalisation wechselnde Schmerzsyndrom sei bisher kein organisches Korrelat diagnostiziert worden. Ca. zweimal pro Jahr finde ein ambulanter nervenärztlicher Kontakt statt. Eine Gesprächstherapie werde abgelehnt. Eine thymoleptische Medikation habe ebenso wie eine analgetische Medikation keine Linderung erbracht. Den laborchemischen Untersuchungen zufolge werde das Antidepressivum nur unregelmäßig eingenommen. Der aktuelle Befund sei vor dem Hintergrund einer selbstunsicheren Persönlichkeitsstörung geprägt gewesen von einer leichtgradig depressiven Affektlage, einer leicht reduzierten psychomentalen Belastbarkeit, erheblicher Somatisierung und diffusen Ängsten. Eine Aggravation könne nicht ausgeschlossen werden. Bei einem uneingeschränkt normentsprechenden körperlichen Untersuchungsbefund bestehe unter Berücksichtigung der genannten Beeinträchtigungen keine wesentliche Einschränkung des Leistungsvermögens der Klägerin. Die ambulante nervenärztliche Behandlung solle intensiviert und ggf. um eine Gesprächstherapie erweitert werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen erhob die Klägerin am 28. Februar 2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin, den Allgemeinarzt Dr. K.(Auskunft vom 6. Mai 2005), den Orthopäden Dr. Urbanek (Auskunft vom 11. April 2005 ) und den Neurologen Dr. Tomov (Auskunft vom 7. April 2005) als sachverständige Zeugen auf schriftlichen Weg. Während Dr. K. eine körperlich leichte Tätigkeit nur noch für 4 Stunden täglich für zumutbar hielt, schätzten Dr. T. und Dr. U. übereinstimmend das Leistungsvermögen der Klägerin auf sechs Stunden täglich ein.
Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG erstattete der Arzt für Psychiatrie Dr. G. das Gutachten vom 19. Oktober 2005. Er diagnostizierte eine mittelgradige depressive Episode (F32.1 ICD-10) und führte aus, die Klägerin könne leichte körperliche Tätigkeiten, wie leichte Reinigungsarbeiten, Aufräumarbeiten oder Post sortieren 6 Stunden täglich verrichten, wobei eine Wiedereingliederung in leichte Arbeitstätigkeit mit 4 Stunden pro Tag für die Dauer von 3 Monaten zu empfehlen sei. Mit den Beurteilungen im Reha-Entlassungsbericht und von Dr. T. bestehe Übereinstimmung.
Mit Urteil vom 26. Januar 2006 wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Gegen das am 10. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 3. März 2006 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingegangen ist.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26. Januar 2006 und den Bescheid der Beklagten vom 30. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Februar 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 1. Juli 2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Allgemeinarzt Dr. K. hat auf Anfrage des Senats unter dem 27. April 2006 mitgeteilt, es hätten sich im Gesundheitszustand der Klägerin keine Veränderungen ergeben.
Der die Klägerin seit Januar 2006 behandelnde Orthopäde Dr. N. hat unter dem 11. April 2006 die von ihm gestellten Diagnosen mitgeteilt und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG das Gutachten vom 13. November 2006 erstattet. Bei der Klägerin bestünden auf orthopädischem Fachgebiet ein cervikales Wurzelreizsyndrom beidseits bei multiplen Bandscheibenvorfällen cervical mit schmerzhafter Bewegungseinschränkung der HWS ohne eindeutiges sensomotorisches Defizit, ein degeneratives Wirbelsäulen-Syndrom mit Skoliose und Fehlhaltung und Spondylarthrose der unteren LWS, eine ISG-Sklerose mit Beckentiefstand links, Impingementsyndrom beider Schultern, eine beginnende PIP-Gelenkarthrose an beiden Händen, Senk-Spreizfüße beidseits mit beginnender Fußwurzelarthrose und Hallux rigidus, ein chronisches BWS-Syndrom, ein Fibromyalgiesyndrom und eine Somatisierungsstörung mit Depression. Einschränkungen bestünden hinsichtlich der Beweglichkeit und der Belastbarkeit der Wirbelsäule und der Beweglichkeit der Schultern. Von Seiten der Deformität beider Hände und Füße zeigten sich lediglich mäßige funktionelle Einschränkungen. Zusammenfassend bestehe eine Diskrepanz der objektiv erhobenen Befunde und der deutlichen Schmerzangabe nahezu des gesamten Bewegungsapparats. Letzteres sei durch die Somatisierungsstörung im Rahmen einer Depression und bei Fibromyalgie erklärbar, weshalb er eine Zusatzbegutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet empfehle. Aus orthopädischer Sicht könne die Klägerin noch leichte körperliche Arbeiten im Bewegungswechsel 6 Stunden und mehr an 5 Tagen in der Woche verrichten. Eine Einschränkung bezüglich des Arbeitsweges bestehe nicht.
Auf Anfrage des Senats hat der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. unter dem 19. April 2007 mitgeteilt, die Klägerin habe sich am 30. April 2002 erstmals in seine Behandlung begeben. Weitere Kontakte seien am 9. Juni und 12. Juli 2006 sowie am 15. Januar und 13. März 2007 erfolgt. Vom 1. August 2005 bis zum 22. Juni 2006 habe die Klägerin ausweislich des Attestes von Dr. G. vom 16. Januar 2007 bei diesem in Behandlung gestanden. Auf psychiatrischem Gebiet bestehe eine mittelgradig ausgeprägte depressive Störung mit deutlicher Chronifizierung (ICD 10 F32.1). Psychopathologisch habe eine Schlafstörung bei Grübelneigung bestanden. Die Klägerin habe über Konzentrationsstörungen berichtet. Bei den fortbestehenden, organisch nicht erklärbaren Paraesthesien beider Hände handele es sich diagnostisch um eine anhaltende somatoforme Störung (ICD 10 F 45.0). Es bestehe eine eingeschränkte körperliche und psychische Belastbarkeit. Leichte körperliche Tätigkeiten ohne Hebetätigkeiten und monotone Haltungen könne die Klägerin noch 3 bis 6 Stunden täglich ausüben.
Der Senat hat daraufhin ein psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. E. vom 11. September 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. November 2007 eingeholt. Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin bestehe eine anhaltende Stimmungsstörung mit schleichender Verschlechterung ohne deutliche schwere depressive oder manische Phasen im Sinne einer Dysthymia (ICD-10 F 34.1) Während der insgesamt 5-stündigen Untersuchung habe es keine eindeutigen Hinweise auf eine Simulation der angegebenen Beschwerden gegeben. Auffällig sei jedoch eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der subjektiven Beschwerden und den objektiven Befunden bzw. dem Verhalten der Klägerin gewesen. In der Exploration sei die Klägerin gesprächsbereit und meist konzentriert in der Lage gewesen, die Fragen der Untersucherin zu beantworten. Die von ihr beschriebene Ruhelosigkeit und motorische Unruhe habe nicht beobachtet werden können. Auch habe es keinen Anhalt für die beklagte Angststörung mit Panikgefühlen gegeben. Ebenso sei die beklagte Schmerzsymptomatik zu keiner Zeit im Verhalten zu erkennen gewesen. Es habe sich auch keine Schonhaltung oder Gangauffälligkeit gezeigt. Auffällig sei eine schnelle Ermüdbarkeit gewesen, weswegen die Klägerin mehrere Pausen gewünscht habe. Die Beschreibung der Symptome sei klagsam und zum Teil ungenau, diffus und wechselnd gewesen. Es bestünden daher insgesamt Zweifel, ob die von der Klägerin beschriebenen Defizite im häuslichen Bereich tatsächlich so ausgeprägt seien. Eine Aggravation könne nicht ausgeschlossen werden. Die Klägerin habe sich nach eigenen Angaben auch nie einer konsequenten medikamentösen und psychotherapeutischen antidepressiven Therapie unterzogen, obwohl zu erwarten sei, dass durch eine solche Therapie eine Besserung in absehbarer Zeit erfolgen könnte. Derzeit - und dies seit etwa 3 Jahren - könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes 3 bis 6 Stunden täglich verrichten. Zu vermeiden seien Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachtschichtarbeiten und Arbeiten mit erhöhter Anforderung an Konzentration, sprachliches Ausdrucksvermögen, Ausdauer und Verantwortung. Eine stationäre psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung mit türkischsprachigem Behandlungsteam könne eine nachhaltige Besserung bewirken. In der ergänzenden Stellungnahme hat der Sachverständige ausgeführt, er gehe von einer 3 bis unter 6-stündigen Leistungsfähigkeit aus. Es gebe für psychiatrische Beurteilungen sicher wenig objektivierbare Messinstrumente hinsichtlich der psychischen Leistungsfähigkeit. Aufgrund der Exploration der Klägerin und der Verhaltensbeobachtung entstehe vor dem Hintergrund der gestellten Diagnose der Eindruck, dass das aktuelle Leistungsvermögen sowohl zeitlich als auch in Bezug auf die Schwere der Tätigkeit eingeschränkt sei.
Dieser Beurteilung ist die Beklagte unter Vorlage der Stellungnahmen der Ärztin für Psychiatrie Dr. H. vom 12. Oktober 2007 und 7. Februar 2008 entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, die Beurteilung des Leistungsvermögens sei die einzige Inkonsistenz des ansonsten vorzüglichen und aussagekräftigen Sachverständigengutachtens. Bei den darin beschriebenen Widersprüchen und Inkonsistenzen sowie dem Verdacht auf Aggravation werde die rentenrelevante quantitative Leistungsminderung nur auf die subjektiven Angaben der Klägerin gestützt, obwohl keine gravierenden psychischen Beeinträchtigungen objektivierbar gewesen seien und ferner eine große therapeutische Reserve bestehe. Es sei nicht nachvollziehbar und zweifelsfrei begründet worden, weshalb eine 39-jährige Versicherte bei einer seit etwa 10 Jahren mehr oder weniger unverändert bestehenden dysthymen Störung und einer noch großen therapeutischen Reserve nicht in der Lage sein sollte, einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig nachzugehen.
Die Klägerin hat noch mitgeteilt, dass sie weiterhin arbeitsunfähig sei. Sie befinde sich in Behandlung bei Dr. D. und erhalte Medikamente. Für die von Dr. D. empfohlene Gesprächstherapie sei noch kein geeigneter Behandler gefunden worden.
Zu weiteren Darstellung des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des SG und die Senatsakten.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagte sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Klägerin ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden arbeitstäglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht hinreichend sicher belegen.
Dies ergibt sich aus einer Gesamtwürdigung des Entlassungsberichts der psychosomatischen Klinik Schloss W. vom 20. Juli 2004, des im Widerspruchsverfahren eingeholten psychiatrischen Gutachtens von Dr. U. vom 29. Oktober 2004, das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wird, des gemäß § 109 SGG im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Gutachten des Psychiaters Dr. G. vom 19. Oktober 2005, des gemäß § 109 SGG im Berufungsverfahren eingeholten Gutachtens des Orthopäden Dr. N.r vom 13. November 2006 und des psychiatrischen Gutachtens von Prof. Dr. E. vom 11. September 2007 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. November 2007 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen der die Klägerin behandelnden Ärzte.
Auf dem orthopädischen Fachgebiet stehen im Vordergrund degenerative Veränderungen der Wirbelsäule in allen Wirbelsäulenabschnitten und im Bereich beider Schultern, die die Beweglichkeit und die Belastbarkeit der Wirbelsäule und die Beweglichkeit der Schultern beeinträchtigen. Die Deformitäten der Hände und der Füße haben nur mäßige funktionelle Auswirkungen. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der behandelnden Orthopäden Dr. N. vom 13. November 2006, der aber - insoweit in Übereinstimmung mit den Feststellungen von Dr. U. im Gutachten vom 29. Oktober 2004 - auf eine Diskrepanz zwischen den objektiv erhobenen Befunden und den deutlichen Schmerzangaben nahezu des gesamten Bewegungsapparats hinwies. Von Seiten des orthopädischen Fachgebiets kann die Klägerin nach seiner den Senat überzeugenden Beurteilung leichte körperliche Tätigkeiten im Bewegungswechsel noch mindestens 6 Stunden täglich verrichten.
Auf psychiatrischem Fachgebiet leidet die Klägerin an einer depressiven Verstimmung, die nach den Feststellungen des im Berufungsverfahren tätig gewordenen Sachverständigen Prof. Dr. E. seit Jahren relativ unverändert ohne deutliche und zeitlich begrenzte schlechtere oder auch gute Phasen besteht und deshalb als eine Dysthymia zu bezeichnen ist. Definitionsgemäß handelt es sich hierbei um eine chronische, wenigstens mehrere Jahre andauernde depressive Verstimmung, die weder schwer noch hinsichtlich einzelner Episoden anhaltend genug ist, um die Kriterien einer schweren, mittelgradigen oder leichten rezidivierenden depressiven Störung zu erfüllen (ICD-10 F34.1). Diese diagnostische Einordnung überzeugt den Senat, auch wenn zuvor abweichende Diagnosen gestellt wurden. So wurde im Mai /Juli 2004 während des Heilverfahrens eine mittelgradige depressive Episode diagnostiziert, während Dr. U. im Oktober 2004 nur noch eine leichte depressive Episode fand. Demgegenüber beschrieb der die Klägerin von Februar 2000 bis Juli 2005 in größeren Zeitabständen von etwa einem halben Jahr behandelnde Facharzt für Neurologie Dr. T. eine depressive Entwicklung vor dem Hintergrund einer familiären Überlastungssituation, während Dr. Gül, der die Klägerin vom August 2005 bis Juni 2006 wegen einer depressiven Störung mit Antidepressiva und stützenden Gesprächen behandelte und der am 25. April 2006 eine Besserung der depressiven Affektivität erhoben hatte (Bericht vom 16. Januar 2007), in dem zu Beginn der Behandlung erstatteten Gutachten vom 19. Oktober 2005 (Untersuchungstag 12. August 2005) eine mittelgradige depressive Episode diagnostizierte. Schließlich bezeichnete auch der Neurologe und Psychiater Dr. D., in dessen gelegentlicher Behandlung sich die Klägerin im Juni/ Juli 2006 und im Januar/ März 2007 befand, in der Auskunft vom 19. April 2007 die depressive Störung als mittelgradig. Allerdings waren, ungeachtet der diagnostischen Einordnung, alle diese Ärzte der Auffassung, dass die Klägerin in der Lage war, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und auch noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zu 6 Stunden am Tag erwerbstätig zu sein. Dies gilt für die Ärzte der Klinik W. ebenso, wie für Dr. U., für Dr. T.(sachverständige Zeugenaussage vom 7. April 2005), für Dr. G.und für Dr. D ...
Die bei der im Juli 2007 durchgeführten Untersuchung durch Prof. Dr. E. erhobenen objektiven Befunde zeigten eine deutliche Diskrepanz zu dem Ausmaß der von der Klägerin geklagten subjektiven Beschwerden. Es konnten weder eine von der Klägerin beschriebene Ruhelosigkeit oder motorische Unruhe noch Hinweise auf eine beklagte Angststörung mit Panikgefühlen erhoben werden. Auch bildete sich die beklagte Schmerzsymptomatik, welche im Heilverfahren im Mai/Juni 2004 noch im Vordergrund stand, zu keinem Zeitpunkt im Verhalten der Klägerin ab. Damit konnte der Sachverständige die von den Ärzten der psychosomatischen Klinik Schloss W. und auch von Dr. U. diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung nicht (mehr) bestätigen. Der zeitliche Ablauf und die ärztlichen Feststellungen belegen auch, dass die in Bezug auf die depressive Verstimmung vorhandenen therapeutischen Angebote von der Klägerin nicht in hinreichendem Maße genutzt wurden. Die von der Gutachterin Dr. U. veranlassten Laboruntersuchungen zeigten, dass das seinerzeit von Dr. T. verordnete Antidepressivum nur unregelmäßig eingenommen wurde. Auch gegenüber dem Sachverständigen Prof. Dr. E. gab die Klägerin an, dass sie alle Antidepressiva nach kurzer Zeit wieder abgesetzt habe, da sie sich mit den Medikamenten noch müder und kraftloser gefühlt habe. Auf den Hinweis des Sachverständigen, dass - wie bereits in W. empfohlen - eine konsequente und kontinuierliche medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung gegebenenfalls stationär erfolgen müsse, reagierte die Klägerin, die ansonsten in einem leidenden und passiven Zustandsbild verharrte, sehr lebendig und massiv ablehnend mit latenter Aggressivität.
Schließlich hat Prof. Dr. E. in Übereinstimmung mit Dr. U. eine Aggravation der Beschwerden durch die Klägerin nicht ausschließen können, nachdem die Beschreibung der Symptome sehr klagsam und zum Teil ungenau, diffus und wechselnd war.
Diese in sich schlüssigen und überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen tragen seine Beurteilung, das Leistungsvermögen der Klägerin sei auch für leichte körperliche Tätigkeiten im Bewegungswechsel unter Ausschluss von Akkord- und Fließbandarbeiten, Wechsel- und Nachschichtarbeiten und Arbeiten mit erhöhten Anforderungen an Konzentration, sprachliches Ausdrucksvermögen, Ausdauer und Verantwortung zeitlich eingeschränkt und die Klägerin könne nur noch 3 bis unter 6 Stunden täglich erwerbstätig sein, nicht. Darauf hat die beratende Ärztin der Beklagten zutreffend hingewiesen. Die bei der Klägerin vorliegende Dysthymia führt schon definitionsgemäß im Vergleich zu leichten, mittelschweren oder gar schweren depressiven Episoden zu deutlich geringeren funktionellen Auswirkungen und schränkt die Leistungsfähigkeit der von ihr Betroffenen grundsätzlich nicht in quantitativer Hinsicht ein. Nachdem - wie bereits dargelegt - auch die Ärzte, die die depressive Verstimmung der Klägerin als leichte oder gar mittelgradige depressive Episode bezeichneten, der Auffassung, waren, dass die Klägerin dennoch in der Lage war, mit den wesentlichen Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden und auch noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bis zu 6 Stunden am Tag erwerbstätig zu sein, überzeugt es nicht, dass ein weniger schwerwiegendes Krankheitsbild, das zudem einer effektiven Behandlung zugänglich wäre, eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit der Klägerin begründen soll.
Nach alledem kann das Vorliegen von Erwerbsminderung bei der Klägerin nicht festgestellt werden.
Die Berufung der Klägerin musste daher zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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