L 3 R 1395/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 R 2617/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1395/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. September 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Verfassungsmäßigkeit der Auszahlung der monatlichen Rentenzahlbeträge an den Kläger am Ende des jeweiligen Monats.

Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Februar 2006 Regelaltersrente ab dem 01. Mai 2006. In dem Bescheid, dessen weitere Feststellungen unstreitig sind, wird ausgeführt, dass die Rente für den jeweiligen Monat am Monatsende ausgezahlt werde.

Mit seinem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Auszahlung der Rente erst am Monatsende habe zur Folge, dass er in seinem Todesmonat selbst im günstigsten Fall, wenn er nämlich am letzten Tag eines Monats versterbe, über dieses Geld nicht mehr verfügen könne, da die Rente im Sterbemonat erst nach seinem Tode zur Auszahlung gelange. Er sehe in der Rentenzahlung am Ende des Monats eine Verletzung des durch höchstrichterliche Rechtsprechung garantierten Eigentumsrechts. Außerdem unterliege das Geld mit Eingang auf seinem Konto der Einkommensteuer, um sofort der Erbschaftsteuer zu unterliegen. Er fordere die Beklagte daher auf, einen Zahlungstermin festzulegen, der dieses Problem entsprechend beachte. Dies könnte der 15. eines Monats sein.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2006 unter Hinweis auf die gesetzliche Neuregelung in § 118 Abs. 1 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der Fassung des 3. Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 27. Dezember 2003 (3. SGB VI-ÄndG; Bundesgesetzblatt I, 3019) zurück. Mit dieser Neuregelung sei die seit Jahren in der gesetzlichen Rentenversicherung praktizierte so genannte vorschüssige Auszahlung laufender Geldleistungen für Neurentner ab dem 01. April 2004 aufgehoben worden. Dies habe zur Folge, dass die nach dem 31. März 2004 beginnenden Renten am letzten Bankarbeitstag des Monats ausgezahlt werden, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt seien und die Geldleistung fällig werde. Insoweit werde von der so genannten nachschüssigen Rentenzahlung gesprochen.

Mit seiner hiergegen vor dem Sozialgericht (SG) Berlin erhobenen Klage hat der Kläger begehrt, die monatlichen Rentenzahlbeträge der ihm zuerkannten Regelaltersrente jeweils zu Beginn des Monats im Voraus auszuzahlen. Die nachschüssige Auszahlung der Rente verletze ihn in seinem Eigentumsrecht. Sie erfolge am letzten Werktag des Monats, für den die Rente bestimmt sei. Der entsprechende Kontoauszug könne ihn erst im Folgemonat erreichen, unabhängig davon, ob er per Post komme oder er ihn am Kontoauszugsdrucker abhole und er könne auch erst im Folgemonat über sein Geld verfügen. Daher sei es völlig ausgeschlossen, dass er über das Geld, das in seinem Sterbemonat fällig sei, jemals verfügen könne. Die Bandbreite reiche bis zu einem vollständigen Monat, in dem die Zahlung nach seinem Tod erfolgen könne. Außerdem ergebe sich hieraus eine gravierende Ungleichbehandlung innerhalb des Rentensystems, da diejenigen, die bis März 2004 in Rente gegangen seien, die Rente vorschüssig erhielten. Im Ergebnis bedeute dies, dass Rentner mit Renteneintritt bis März 2004 eine Monatsrente mehr erhielten, als diejenigen, die erst ab April 2004 in Rente seien. Ein so gravierender Einschnitt entwerte alle seine bis Anfang 2004 gezahlten Beiträge, also faktisch fast alle Beiträge seines Arbeitslebens und bestrafe ihn dafür, dass er bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet habe. Unter diesem Gesichtspunkt wäre mindestens eine langfristige Übergangsregelung zwingend. Das von der Beklagten zitierte Gesetz sei von der Verfassung nicht gedeckt. Daher sei die Beklagte, die direkten Zugang zu den relevanten Bundesministerien habe, verpflichtet, diese Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 118 SGB VI dort zu klären und ggf. durch Gesetzesänderung korrigieren zu lassen. Die Beklagte habe gegenüber den Zwangs-Mitgliedern und Beitragszahlern umfangreiche Pflichten, Mindestanforderung sei sicher verfassungskonformes Handeln. Da die Beklagte diesen Weg nicht gehen wolle, müsse die Angelegenheit auf schnellstem Weg zum Bundesverfassungsgericht.

Durch Gerichtsbescheid vom 06. September 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers an der Vorschrift des § 118 Abs. 1 SGB VI teile das Gericht nicht. Die durch das 3. SGB VI-Änderungsgesetz erfolgte Verlegung des Auszahlungszeitpunktes an das Monatsende bestimme den Inhalt des verfassungsrechtlich garantierten Eigentums in zulässiger Weise. Die Änderung der Auszahlungsweise sei von dem gewichtigen öffentlichen Interesse bestimmt, z. B. durch zusätzliche Zinsgewinne dem Finanzierungsdefizit der gesetzlichen Rentenversicherung entgegenzuwirken, den Beitragssatz zu stabilisieren und damit einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Rentenversicherungssystems insgesamt zu leisten (vgl. zu den Absichten des Gesetzgebers den Bericht des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags vom 05. November 2003, Bundestagsdrucksache 15/1900). Das Vorgehen des Gesetzgebers sei auch verhältnismäßig und von dessen breitem Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Leistungen zur gesetzlichen Rentenversicherung gedeckt gewesen. In keiner Weise sei durch die Änderung des Auszahlungszeitpunktes die Funktion der Rente als substantielle Alterssicherung gefährdet. Die Auszahlung der Rente erfolge durch die Gesetzesneufassung in Anlehnung an die Gehaltsauszahlung der Berufstätigen. Bestandsrentner seien durch § 272 a SGB VI ausreichend geschützt, der im Wesentlichen ein Fortgelten der alten Vorauszahlungs-regelung für Renten mit Beginn vor dem 01. April 2004 vorsehe.

Gegen den am 12. September 2007 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 11. Oktober 2007 eingelegte Berufung des Klägers, mit der er unter Wiederholung seiner bisherigen Argumente seinen Anspruch auf Rentenzahlung im Voraus jeweils zu Beginn des Monats weiterverfolgt und ergänzend vorträgt, die Verlegung des Auszahlungszeitpunktes an das Monatsende sei eine de facto Enteignung ohne jeden Ausgleich, der das verfassungsrechtlich garantierte Eigentum verletze. Eigentum werde ja gerade eben nicht mehr verschafft. Die de facto-Enteignung sei auch unter dem Stichwort "gewichtiges öffentliches Interesse" nicht zu rechtfertigen. Zudem dürfe bezweifelt werden, dass die in diesem Zusammenhang angesprochenen Zinsgewinne von substantieller Bedeutung für die Finanzlage der Rentenversicherung seien. Die Anzahl der Bestandsrentner, die noch am Monatsanfang die Rente erhalte, überwiege noch viele Jahre und trüge nichts zu diesen Zinsgewinnen bei. Der Zinsgewinn sei ein marginaler Effekt, dem gravierende Eingriffe in durch die Verfassung geschützte Rechte der Neurentner gegenüber stünden. Die eigentlichen Gründe für die Finanzierungsprobleme der Rentenversicherung seien insbesondere die fehlenden versicherungspflichtigen Arbeitsplätze, die vielen Frühverrentungen und die sich ändernde Altersstruktur, seit langem erkennbar, aber von der Politik viel zu spät berücksichtigt. Die Verlagerung des Zahlungszeitpunktes mindere auch die Effizienz des Rentensys-tems. Dem Zinseffekt bei der Rentenversicherung stehe die Vorfinanzierung des Lebensunterhalts jeden Monat durch den betroffenen Rentner gegenüber. Dass die Konditionen, die der einzelne Rentner erhalte, wesentlich schlechter seien als die, die die Rentenversicherung realisieren könne, liege auf der Hand. Zudem sollten Bankgebühren für die Rentenversicherung ein Fremdwort sein, für die Rentner ganz sicher nicht. Es treffe auch nicht zu, dass die Rentenauszahlung in Anlehnung an die Gehaltszahlung der Berufstätigen erfolge. Die Beendigung eines Anstellungsverhältnis-ses erlebe der Angestellte im Normalfall, so dass er auch bei nachschüssiger Zahlung das Gehalt noch zu Lebzeiten erhalte, also Eigentum erwerbe. Die Rente ende ausnahmslos mit dem Tod mit den bereits beschriebenen Folgen. Es liege auch eine Ungleichbehandlung zu den Bestandsrentnern vor, die durch § 272 a SGB VI ausreichend geschützt seien. Die Neurentner stünden demgegenüber wesentlich schlechter, obwohl die Einzahlungen in die Rentenversicherung gleichwertig seien. Eine solche Umstellung im System erfordere zwingend Lösungen, die die Belastungen auf beide Gruppen verteilten. Die derzeitige Lösung bedeute eine Quersub-ventionierung von den Neurentnern zu den Bestandsrentnern. Eine Lösung könne sein, dass man am 10. oder am 15. des Monats zahle, so dass jeder die statistische Chance habe, auch die letzte Rente noch zu erhalten. Andernfalls könnte auch für die Neurentner ein Ausgleichsbetrag für die Schlechterstellung erfolgen. Der Minderwert sei rechenbar. Eine weitere Möglichkeit wäre, die monatlichen Rentenzahlungen für Neurentner aufzuteilen, z. B. nach der Anzahl der Mitgliedsjahre unter dem entspre-chenden Recht. Seien z. B. 80 % der Mitgliedsjahre bis zum 31. März 2004 zurückgelegt worden, so würden 80 % der Gesamtrente am Anfang des Monats ausgezahlt und die verbleibenden 20 % am Monatsende. Er selbst habe bis zum 65. Lebensjahr gearbeitet und erhalte seit dem 01. Mai 2006 Rente. Er habe also zwei Jahre und einen Monat unter dem neuen Recht Beiträge gezahlt und faktisch sein ganzes Arbeitsleben lang unter dem alten Recht. Dieser weit überwiegende Zeitraum werde jetzt entwertet. Darauf hinzuweisen sei auch, dass es bei der Besteuerung der Renten möglich wäre, die Bestandsrentner mit zu belasten und einen langen Übergangszeit-raum zu schaffen, bis die volle Besteuerung schrittweise eingesetzt habe. Die nachschüssige Zahlung bedeute auch in diesem Zusammenhang Nachteile. Die Rente Dezember 2007, die erst im Januar 2008 zur Verfügung stehe, sei Gegenstand der Einkommensteuererklärung 2007. Außerdem falle die letzte Rente, die ja erst nach seinem Tode ausgezahlt werde, unter die Erbschaftsteuer. Die Freibeträge würden durch das Haus, das er und seine Ehefrau unter erheblichem Konsumverzicht gebaut hätten, aufgebraucht sein. Hinzuweisen sei noch auf die schwere Krebserkrankung seiner Frau, die Monat für Monat 3-stellige Kosten wegen medizinisch notwendiger, aber von der Krankenkasse nicht getragener Aufwendungen für Medikamente verursache. Das Finanzamt habe für 2006 ärztlich belegte Ausgaben i. H. v. 5.268,00 Euro anerkannt, hiervon aber eine zumutbare Belastung abgezogen, 1 %-Satz des Einkommens. Diese Eigenbelastung sei dadurch gestiegen, dass beide Renten für Dezember 2006 am letzten Arbeitstag des Jahres überwiesen worden seien, also 2006 zu versteuern seien und damit die zumutbare Eigenbelastung 2006 erhöhten, obwohl sie erst Anfang 2007 zur Verfügung gestanden hätten. Im Steuerbescheid 2006 werde ein steuerlich abzugsfähiger Überlastungsbetrag von 3.564,00 Euro ausgewiesen, der durch diesen Sachverhalt fühlbar niedriger ausgefallen sei, als es der Realität entspreche. Er und seine Frau hätten also mehr Steuern bezahlen müssen. Die private Altersvorsorge, die seine Ehefrau und er unter erheblichem Konsumverzicht geschaffen hätten, stehe definitiv nicht zur Entlastung der Rentenkasse zur Verfügung. Sie hätten Rücklagen gebildet, um den Lebensabend nach arbeitsreichem Leben angemessen gestalten und Reparaturen und energetische Sanierungen am Haus vornehmen zu können. Zudem sei die freiwillige Altersvorsorge nachträglich, durch zum Zeitpunkt der entsprechenden Entscheidung nicht erkennbare gesetzliche Belastungen (Steuern und Sozialbeiträge) erheblich gebeutelt. Die jetzigen Berufstätigen, deren Altersvorsorge sicher problematisch sei, erhielten hingegen erhebliche Förderungen, die auch von den Steuern des Klägers und seiner Frau mit finanziert würden.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 06. September 2007 aufzu-heben und die Beklagte zu verurteilen, unter Änderung des Bescheides vom 10. Februar 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Mai 2006 die monatlichen Rentenzahlbeträge der ihm zuerkannten Regelaltersrente jeweils zu Beginn des Monats auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen,

und verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid sowie auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten (), die dem Senat bei der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte auf Grund einseitiger mündlicher Verhandlung entscheiden, da der Kläger in der ordnungsgemäß erfolgten Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht – wie bereits das SG zutreffend entschieden hat – ein Anspruch auf Rentenauszahlung im Voraus nicht zu.

Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (in der Fassung des 3. SGB VI-ÄndG) werden laufende Geldleistungen mit Ausnahme des Übergangsgeldes am Ende des Monats fällig, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind; sie werden am letzten Bankarbeitstag dieses Monats ausgezahlt. Bei Zahlung auf ein Konto ist die Gutschrift der laufenden Geldleistung, auch wenn sie nachträglich erfolgt, so vorzunehmen, dass die Wertstellung des eingehenden Überweisungsbetrages auf dem Empfängerkonto unter dem Datum des Tages erfolgt, an dem der Betrag dem Geldinstitut zur Verfügung gestellt worden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Da die Altersrente des Klägers ausweislich des Bescheides vom 10. Februar 2006 erst am 01. Mai 2006 begonnen hat, gilt für ihn die gesetzliche Neuregelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, ohne dass die Übergangsregelung für Bestandsrentner (§ 272 a SGB VI) Anwendung findet.

Der Senat teilt auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers an der Vorschrift des § 118 Abs. 1 SGB VI.

Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liegt nicht vor. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG werden Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt, wobei der Gesetzgeber das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten hat. Danach muss eine staatliche Maßnahme einen legitimen Zweck verfolgen und zu dessen Erreichung geeignet, erforderlich sowie zumutbar sein. Eingriffe in die Eigentumsfreiheit müssen sich auch speziell am Vertrauensschutzprinzip messen lassen [Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 10. Mai 1983 – 1 BvR 820/79 -, BVerfGE 64, 87, 101, 103 f]. Bei der Bestimmung des Inhalts und der Schranken rentenversicherungsrechtlicher Positionen kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine weitgehende Gestaltungsfreiheit zu. Der Gesetzgeber kann insbesondere die Leistungen neu gestalten und weiterentwickeln, wenn dies aus Gründen des Gemeinwohls erfolgt und verhältnismäßig ist.

Es kann hier offen bleiben, ob die bis März 2004 übliche Vorauszahlung der Rente überhaupt dem Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG unterfällt oder aber eine nicht eigentumsgeschützte bloße Erwartung auf weiterhin im Voraus erfolgende Rentenzahlungen darstellt. Selbst wenn man die "vorschüssige" Rentenzahlung dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie unterstellte, so verstößt nicht jede geringfügige Beein-trächtigung des Eigentums, und um eine solche handelt es sich im Streitfall, gegen Art. 14 GG [vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. März 2007 - B 13 R 37/06 R -, SozR 4-2600 § 65 Nr. 1 bezüglich der "Renten-Nullrunde 2004"]. Die Verlegung der Fälligkeit und die Zahlung laufender Geldleistungen auf das Monatsende diente der Sicherung der Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung. Da der Kläger die Bedeutung der durch die Neuregelung in § 118 Abs. 1 Satz 1 SGB VI von der Rentenversicherung erzielten Zinsgewinne bezweifelt, ist darauf hinzuweisen, dass die Verlegung der Fälligkeit und die Zahlung laufender Geldleistungen auf das Monatsende den Beitrag der Rentner dazu bilden sollte, den Beitragssatz von 19,5 % beizubehalten, indem in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Dämpfung des Beitragssatzanstiegs von 0,1 %-Punkten erreicht wurde. Die Stabilisierung des Beitragssatzes erfolgte aus Gründen des Gemeinwohls, nämlich zur Vermeidung weiterer Belastungen durch steigende Beitragssätze der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber und so zugleich zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die ihrerseits Voraussetzung für die Nachhaltigkeit der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung sind. Die Entscheidung zur Rentenauszahlung am Monatsende war auch geeignet und erforderlich, die Beitragsstabilität zu gewährleisten und damit den übrigen Zielen des Gesetzes zu dienen. Dies lässt sich nicht nur dem Bericht des vom Kläger "als nicht zuständig für Verfassungsfragen" bezeichneten Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestags vom 05. November 2003 (Bundestagsdrucksache 15/1900) entnehmen, sondern ebenso auch der amtlichen Begründung des Gesetzgebers zum 3. SGB VI-ÄndG (Bt-Drs. 15/1831, S. 1 f), wo es heißt: "Wachstum und Beschäftigung sind grundlegende Bedingungen, um die gesetzliche Rentenversicherung langfristig zu sichern. Zur Belebung der Konjunktur werden die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit den Maßnahmen der Agenda 2010 insgesamt verbessert. Die gesetzliche Rentenversicherung unterstützt dies, indem der Beitragssatz von 19,5 % im Jahr 2004 beibehalten wird. Dazu sind bereits kurzfristig wirkende Maßnahmen zu ergreifen. Die Lösung besteht in der Verlegung des Termins für die Zahlung der Renten an den Rentenneuzugang auf das Monatsende. Die Er-sparnis in der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Verschiebung des Termins für die Zahlung der Renten an den Rentenneuzugang beträgt je vollem Zugangsjahr rund 750.000.000 Euro, was zu einer Beitragssatzentlastung von 0,12 Beitragssatzpunkten durchschnittlich in 3 von 4 Jahren führt."

Die Entscheidung zur Rentenauszahlung am Monatsende war schließlich gemessen an ihrem Zweck auch für den Kläger zumutbar und verhältnismäßig im engeren Sinne, weil sie nur eine unwesentliche Schlechterstellung darstellt, die von dem verfolgten Ziel der Stabilisierung überwogen wird. Dies folgt bereits daraus, dass sich der absolute Zahlbetrag der Rente für den Kläger nicht verändert hat. Vielmehr erleidet er lediglich eine geringfügige Beeinträchtigung seines Rentenanspruchs, indem er über den jeweiligen Rentenbetrag erst zum Monatsende und nicht schon zum Monatsanfang verfügen kann. Zu berücksichtigen ist bei der Verhältnismäßigkeit auch, dass eine Vielzahl der Rentenbezieher in ihrem früheren Erwerbsleben ihr Einkommen ebenfalls erst nachschüssig erhalten haben, so dass sich eine "Deckungslücke" im ersten Rentenmonat, die der Kläger im Übrigen auch nicht behauptet hat, nicht ergeben kann. In einem solchen Fall besteht zudem die Möglichkeit, auf Antrag einen Vorschuss vom Rentenversicherungsträger zu erhalten [§ 42 Abs. 1 Erstes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB I)]. Ein konkreter wirtschaftlicher Nachteil durch die neue Auszahlungsregelung könnte allenfalls in einer Zinsbelastung für einen eventuell aufgenommenen Kredit zur Vorfinanzierung des ersten Rentenmonats gesehen werden oder – bei ausreichenden Eigenmitteln – in einem entsprechenden Zinsverlust, weil die Eigenmittel, statt sie Zins bringend anzulegen, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes verwendet werden müssen. Der Kläger hat allerdings nicht konkret vorgetragen, dass er einen derartigen wirtschaftlichen Nachteil tatsächlich erlitten hat. Soweit der Kläger eine Beschwer darin sieht, dass die Dezemberrente bereits in diesem Jahr der Einkommensteuer unterliegt, die Verfügung über den Rentenbetrag aber erst im Januar des Folgejahres möglich sei, rechtfertigt dies nicht die Annahme eines Eingriffs in sein Eigentum. Der Kläger kann mit der Gutschrift der Rente am letzten Bankarbeitstag des Monats auch über diese "verfügen" in dem Sinn, dass er – unabhängig von der tatsächlichen Abhebung - die rechtliche Verfügungsmacht über den Betrag auf ihn übergegangen ist, sich also Zufluss nach § 11 Einkommensteuergesetz und Verfügungsmacht über die Rentenzahlung decken. Zudem liegt eine steuerliche Mehrbelastung nicht vor, denn er versteuert in jedem Jahr die tatsächlich erhaltenen – gutgeschriebenen - Renten, die er ebenso auch bei vorschüssiger Rentenzahlung versteuern müsste. Soweit er - ohne konkreten Bezug zum eigenen Fall - vorträgt, die letzte Rentenzahlung käme den Erben zugute und diese würden unter Umständen mit einer höheren Erbschaftssteuer belastet, handelt es sich um eine Beschwer dritter Personen, die der Kläger zulässigerweise nicht in seinem Klageverfahren geltend machen kann. Dasselbe gilt für die vorgetragene Belastung durch nicht von der Krankenkasse erstattete Medikamente für seine Ehefrau. Wie dargestellt, hält sich die für den Kläger mögliche Beeinträchtigung seines grundrechtlich geschützten Eigentums im Bagatellbereich.

Die Regelung des § 118 Abs. 1 SGB VI verstößt auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der dort normierte Gleichheitssatz ist Ausfluss des Gerechtigkeitsgedanken, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Dadurch ist dem Gesetzgeber jedoch nicht jede Differenzierung verwehrt. Der Gleichheitsgrundsatz ist vielmehr nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, wenn etwa eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 -, BVerfGE 87, 1).

Übertragen auf den hier zu entscheidenden Fall bedeutet dies, dass die Entscheidung des Gesetzgebers zur Rentenauszahlung am Monatsende durch sachliche Gründe gerechtfertigt war; insoweit wird zunächst auf die bereits dargelegten Ausführungen in der amtlichen Begründung zum 3. SGB VI-ÄndG verwiesen. Auch sehen das bis zum 29. Februar 2004 geltende Recht und die gesetzliche Neuregelung des § 118 Abs. 1 SGB VI, jeweils für sich betrachtet, keine unterschiedliche Behandlung der Rentner vor. Ein Unterschied entsteht erst durch die Anwendung der Übergangsvorschrift, wo-nach ein Teil der Bestandsrentner noch vom alten Recht profitiert, während für die "Neurentner" ab dem 01. April 2004 bereits die ungünstigere Neufassung des § 118 Abs. 1 SGB VI zur Anwendung kommt. Die Ungleichbehandlung dieser beiden Rentnergruppen rechtfertigt sich aber – wie dargelegt - durch einen sachlichen Grund, nämlich die Erlangung einer kurzfristig wirksamen Beitragsstabilisierung um 0,1%-Punkte.

Sie ist auch nicht willkürlich. Für die "Neurentner" rechtfertigt sich die Zahlungsverzögerung dadurch, dass jenen in aller Regel noch bis zum Ende des Monats ihrer Erwerbstätigkeit Arbeitsentgelt bzw. Arbeitseinkommen zufließt, wenn sie unmittelbar aus einer Erwerbstätigkeit in den Ruhestand treten. Im anderen Falle wird der Lebensunterhalt vor Beginn der Rente ohnehin durch andere Einkunftsquellen gedeckt, die dann auch bis zu dem maßgeblichen Auszahlungstermin als Einkunftsquellen für den Lebensunterhalt dienen. Im Übrigen wird mit dem neuen Rentenauszahlverfahren dem Verfahren bei der Auszahlung von Leistungen im Bereich der Arbeitslosenversicherung [vgl. § 337 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)] gefolgt, das schon seit Jahren vorsieht, laufende Geldleistungen (wie Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Ausbildungsbeihilfe etc.) monatlich nachträglich auszuzahlen [vgl. BT-Drs. 15/1831, Seite 6; siehe auch § 96 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) zur nachschüssigen Zahlung von Verletztenrente].

Die Notwendigkeit, bei Rechtsänderungen an Stichtage anzuknüpfen, ist in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt, auch wenn jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich kein Anspruch auf dauerhafte Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Rechtslage, denn andernfalls wäre dem Gesetzgeber jede Möglichkeit der Neugestaltung genommen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. November 1999, - 2 BVR 1201/99 - m. w. N.). Stichtage unterliegen der ver-fassungsrechtlichen Überprüfung nur daraufhin, ob der Gesetzgeber den ihm bei der Stichtagsregelung zukommenden Gestaltungsfreiraum in sachgerechter Weise genutzt hat, ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen lässt oder als willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 05. Juli 1989 - 1 BvL 11/87 -, BVerfGE 80, 297; Beschluss vom 07. Juli 1992 a. a. O.; Be-schluss vom 26. Juni 2007 - 1 BvR 2204/00 -, SozR 4-2600 § 2 Nr. 10).

Zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, aus Gründen der Stabilisierung des Beitragssatzes der gesetzlichen Rentenversicherung den Auszahlungstermin für Neurentner auf das Monatsende zu legen, ist die Verwendung eines Stichtags unabdingbar. Soweit der Kläger verschiedene andere Modelle zur "gerechteren" Verteilung der Belastung entwickelt, ist darauf hinzuweisen, dass es der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen bleibt, inwieweit er Übergangsregelungen schafft. Die Regelung in § 272 a SGB VI ist jedenfalls schon deswegen sachgerecht, weil von der Änderung bestimmte Bestandsrentner ausgenommen werden, die sich aufgrund des laufenden Rentenbezugs schwerer auf einen späteren Auszahlungstermin der Rente umstellen können, denn sie müssen im Umstellungszeitpunkt ihren Lebensunterhalt nach einer Rentenzahlung zum Monatsanfang bis zur nächsten Rentenzahlung zum Ende des Folgemonats sichern, also mit einer Monatsrente eine Zahlungslücke von fast zwei Monaten überbrücken. Demgegenüber hat der Personenkreis der Neurentner häufig schon während der Berufsausübung eine Entgeltzahlung zum Monatsende oder, wie viele Selbständige, unregelmäßige Einnahmeeingänge hinnehmen müssen. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Wahl des Stichtags am 01. April 2004 nicht sachwidrig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor; weder weicht der Senat von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ab, noch handelt es sich hier um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Zum einen ist die nachschüssige Erbringung von laufenden Geldleistungen seit jeher in der Sozialversicherung vorgesehen, zum anderen handelt es sich bei den Auswirkungen der Verschiebung des Zahlungszeitpunktes um eine Bagatelle.
Rechtskraft
Aus
Saved